Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Auf das Liebeskonto einzahlen

Wenn Menschen Liebe gepredigt wird, lernen sie nicht lieben, sondern predigen.
Alice Miller, Schweizer Psychoanalytikerin und Schriftstellerin

Wie lernen wir lieben? Muss man Lieben überhaupt lernen? Viele von uns haben in ihrer Kindheit erlebt, wie die Eltern oder andere enge Familienangehörige mit Strafen und Belohnungen hantierten. Wir kennen uns aus, wenn es darum geht, den anderen zu manipulieren. „Mutti ist traurig, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst“ ist da oft noch die harmlose Variante.

Ich selbst wuchs auf in einer Familie, in der die Erwachsenen mit schweren Krankheiten kämpften. Sie durften sich nicht aufregen, brauchten Schonung und Rücksicht. Selbstständigkeit, Autonomie, ja oft auch Bewegung oder Authentizität konnten da lebensbedrohliche Folgen haben.

Andere wuchsen in Familien auf, in denen Leistung groß geschrieben wurde. Also wurden auch sie an ihrer Leistung gemessen. Bist du gut genug?

Wieder andere mussten schon sehr früh Verantwortung für Geschwister oder kranke Familienangehörige übernehmen.

Was haben wir über Liebe gelernt? Viele glauben noch immer, dass Liebe ein Gefühl ist, doch Marshall ist überzeugt, dass sie in Wirklichkeit ein wunderbares Bedürfnis ist und wir eine Vielzahl von Dingen tun können, um unser Bedürfnis nach Liebe zu stillen.

Der Partner schenkt überraschend einen Blumenstrauß. Die kleine Tochter hat ein wundervolles Bild gemalt und überreicht es mit großen Kulleraugen: Für dich, Papa! Die gebrechliche Nachbarin überrascht Dich mit einem Stück selbst gebackenem Kuchen. Die Freundin ruft just in dem Moment an, in dem du kreuzunglücklich bist. Und sie hat Zeit und schenkt Dir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Das alles und noch viel mehr nährt unser Bedürfnis nach Liebe.

Wertschätzung, Wärme, Nähe, Intimität, Verbindung, Sicherheit, Harmonie, Leichtigkeit – wenn diese Bedürfnisse erfüllt sind, ist oft auch unser Bedürfnis nach Liebe gestillt. Wir haben die Möglichkeit, jeden Tag auf dieses Konto einzuzahlen. Der Geber muss nicht zwangsläufig ein Partner sein. Auch die freundliche Berührung der Trainerin im Sportstudio, das Zuzwinkern der Lieblingskollegin, die SMS mit einer beglückenden Nachricht: all dies macht uns reich.

Heute will ich mich an der Liebe freuen, die das Leben für mich bereit hält.

All unsere Geschenke wertschätzen

„Ein Gesicht, dem das Lachen fehlt, ist nicht willkommen.“ – Martial, (Römischer Dichter, 40–104) Epigramme VII, 25, 6
(Original lat.: „Nec grata est facies, cui gelasinus abest.“)

Wie oft richten wir unseren Blick auf Dinge, die wir nicht haben können! Vielleicht ist es die Traumwohnung, das neue Auto, Sicherheit im Berufsleben, einen reichen Freund, körperliche Gesundheit, die attraktive Freundin. Der Blick auf den Mangel kann dazu führen, dass wir in unserem eigenen Leben zu all unseren Geschenken, Begabungen, inneren Reichtümern keine Verbindung finden.

Wir sind es gewohnt, zu vergleichen. Schneller, höher, weiter, besser, klüger, reicher, angesehener. Der Vergleich mit anderen ist der sichere Weg in Frustration, Unzufriedenheit, Angst, Scham und Mangel. Dann fällt unser Blick starr auf das Unerreichte, Leichtigkeit, Freude, Wertschätzung und andere wunderbare Bedürfnisse bleiben unerfüllt.

Gibt es einen Weg aus dieser Falle? Ja, sogar einen ganz einfachen. Beginnen wir uns selber wertzuschätzen. Beginnen wir uns mit allem zu lieben, was zu uns gehört: Unsere Spontaneität, unsere Kraft, unser Humor, unsere Beharrlichkeit, unsere handwerklichen Fähigkeiten, unsere Rechenkünste, unsere Fähigkeit, ein Paar Socken zu stricken. Jeder von uns ist ein einzigartiger Diamant mit schimmernden Facetten.

Lasst uns den Tag mit einem Lächeln beginnen, das wir uns selber schenken.

Heute heiße ich mich in meinem eigenen Leben von Herzen willkommen.

Nur Mut!

Ein Mann ohne Arme und ohne Beine macht uns vor, dass es nicht schlimm ist hinzufallen. Es geht nur darum, dass wir daran arbeiten, wieder aufzustehen.

So long!

Ysabelle

Heute mal nicht

Hallo, Welt!

Meine Gehirnwindungen geben heute gerade mal nichts her für eine Tagesmeditation. Ich hänge nach wie vor am Thema „Projektionen“, auch das Thema „Angst“ beschäftigt mich aktuell. Aber ich kriege es nicht rund und deshalb werde ich jetzt nicht versuchen, auf Teufel komm raus irgendwas zu schreiben.

Don’t do anything if it is not fun!

So long!

Ysabelle

Sinnvolle Tage

„Hoffnung ist eben nicht Optimismus, ist nicht Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, daß etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“ – Václav Havel, tschechischer Schriftsteller und Politiker;
Caryle Hirshberg, Unerwartete Genesung, Droemer Knaur, 1995, ISBN 3-426-26869-8

An manchen Tagen erscheint das Leben sinnlos und leer. Zwar hat man etwas geschafft, ist vielleicht sogar vollkommen erschöpft, aber trotzdem kann man keine Befriedigung aus dem ziehen, was man getan hat.
Bis ich die Gewaltfreie Kommunikation kennen lernte, hatte ich das Wort Sinnhaftigkeit noch nie gehört. Aber ich kannte Zeiten, in denen mir Dinge leicht von der Hand gingen, mich mit Freude erfüllten, mein Leben bereichertem. Und natürlich kannte ich öde Tage, an den ich abends mürrisch Bilanz zog. Dass meine Unzufriedenheit etwas mit Sinnhaftigkeit zu tun haben könnte, ahnte ich damals nicht.
Was können wir tun, um unser Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit zu erfüllen?
Papst Johannes XXIII hatte sich dafür einen Plan geschrieben, der als
Dekalog der Gelassenheit
bekannt geworden ist:


1. Heute, nur heute werde ich mich bemühen, den Tag zu leben, ohne die Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.

2. Heute, nur heute werde ich auf ein zurückhaltendes Auftreten achten: ich werde niemanden kritisieren, ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern – nur mich selbst.

3. Heute, nur heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin – nicht nur für die andere, sondern auch für diese Welt.

4. Heute, nur heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich meinen Wünschen anpassen.

5. Heute, nur heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung für das leibliche Leben notwendig ist, so ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.

6. Heute, nur heute werde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemandem erzählen.

7. Heute, nur heute werde ich etwas tun, wozu ich eigentlich keine Lust habe; sollte ich es als eine Zumutung empfinden, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.

8. Heute, nur heute werde ich ein genaues Tagesprogramm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit.

9. Heute, nur heute werde ich fest daran glauben – selbst wenn die Umstände mir das Gegenteil zeigen sollten -, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.

10. Heute, nur heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem freuen, was schön ist, und an die Güte glauben.

Nimm dir nicht zuviel vor.
Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten
an jedem Tag zu jeder Stunde, und ohne Übertreibung und ohne Ungeduld.

Der Geist dieser Übungen passt für mich gut zur GfK. Es geht um Wertschätzung für mich und andere, um Vertrauen, Verbindung, Wachstum, Struktur, Leichtigkeit und Schönheit. Wenn all diese Dinge zusammenkommen, sind die Chancen groß, dass mein Tag sinnvoll ist, mein Leben bereichert.

Heute will ich wachsam sein für alle Dinge, die mein Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit nähren.

Ein Grund zu feiern

„Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größern und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, daß es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu seyn.“ – Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Kapitel 46

Hat Schopenhauer Recht, und das Leben besteht aus einer Aneinanderreihung von Widrigkeiten? Kommt darauf an, worauf ich meinen Blick richte. Früher hätte ich vielleicht nach einem Tag wie heute gedacht, es sei ein öder Arbeitstag gewesen; zu viel zu tun, nicht genug Anerkennung für das Geleistete, zu vieles unerledigt, zu viele schwarze Gedanken. Das Wetter zu kalt, die Hose zu eng, das Portemonnaie leer.

Wenn ich heute aufzähle, was ich feiern kann, spüre ich ganz tief, wie gesegnet mein Leben ist. Eine Freundin kam zum Abendbrot vorbei und ich konnte aus einer Fülle von Zutaten einen Salat bereiten. In einem schwierigen Telefonat ist es mir gelungen, eine echte Verbindung zu meinem Gegenüber herzustellen. Während es draußen schneidend kalt ist, darf ich mich am Anblick des Kaminfeuers freuen. Ich habe heute noch einmal realisiert, dass ich wirklich eine große Liebe erleben durfte, und dafür bin ich dankbar. Ich bin dankbar für den Neustart in alten Beziehungen, ich bin dankbar für die Unterstützung meiner Freunde, und ich freue mich, dass ich morgen ausschlafen kann.
Sind das nicht wundervolle Gründe, das Leben zu feiern?

Heute richte ich meinen Blick auf all die großen und kleinen Dinge in meinem Leben, die wirklich gut sind.

Die Haltung der GfK leben lernen

„Man kann die Wirklichkeit nicht einfach abbilden. Wahrheit, das ist eine Haltung.“ – Jim Rakete, CASSONE art magazine

Gibt es „die Wahrheit“ in der Gewaltfreien Kommunikation? Je länger ich die GfK praktiziere, desto eher bin ich bereit einzugestehen, dass es viele Wahrheiten geben kann. Nicht ich habe Recht und du Unrecht, oder umgekehrt. Jeder von uns hat seine Wahrheit, und manchmal ist es schwer auszuhalten, dass sie so sehr voneinander differieren.

Einzugestehen, dass für mich etwas „so“ ist oder war, und mein Gegenüber es ganz anders empfunden hat, bringt  mich zu einer Herausforderung, die ich mit dem Begriff „die Haltung der gewaltfreien Kommunikation“ überschreiben möchte. Es geht nicht um Recht oder Unrecht, um die Größe von Giraffenherzen, die unfallfreie Formulierung der vier Schritte, um Gedichte von Rumi oder die Anzahl von Trainingstagen. Vielleicht gibt es Menschen, die die Haltung sehr leicht einnehmen konnten, für mich ist es immer noch eine bewusste Entscheidung, sie zu leben.

Was bedeutet diese Haltung für mich? Zunächst muss ich mir immer wieder vergegenwärtigen, dass ich dem Prozess der GfK vertrauen möchte, auch wenn die Wölfe ihr martialisches Geheul anstimmen. Wenn es für mich schwierig wird, möchte ich mich daran erinnern, mir Einfühlung zu geben, ja, vor allem mir erst Einfühlung zu geben, bevor ich dem anderen Einfühlung gebe. Wie oft habe ich mich früher verausgabt, für andere da zu sein, und meine eigenen, wunderbaren Bedürfnisse ließ ich unerfüllt…

Die wichtigste Frage zur Überprüfung meiner Haltung ist für mich zur Zeit: Ist meine Absicht Verbindung? Die zweite Frage lautet: Bin ich bereit, einen Weg zu finden, bei dem meine UND die Bedürfnisse des anderen erfüllt werden? Und bin ich bereit, meine bevorzugte Strategie aufzugeben, um genau dieses zu erreichen?

Wenn ich „in der Haltung“ bin, geschehen wundersame Dinge. Es gelingt mir auf einmal, den Blick auf die Fülle in meinem Leben zu richten. Ich sehe Reichtum statt Mangel, Auswahl statt Ausweglosigkeit, Leichtigkeit statt Enge. Oft stellt sich dann auch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit ein. Ängste und Depressionen lichten sich, eine spirituelle  Geborgenheit, Trost, Verbidung und Wärme hüllen mich ein. Ich bin nicht allein.

Heute will ich die Zeit genießen, in der ich bewusst „in der Haltung“ sein kann.

Leben mit 6,7 Milliarden Möglichkeiten

Wenn ich also die Erfüllung meiner Bedürfnisse von bestimmten Personen entkoppeln kann – es gibt sechs Milliarden Menschen auf der Welt – dann finde ich sicher jemanden, der etwas für mich tun kann. Mich selbst eingeschlossen. Ich kann auch etwas tun, zum Beispiel kann ich mir Selbsteinfühlung geben, um mein Bedürfnis nach Empathie zu nähren.

aus: Marshall B. Rosenberg im Gespräch mit Garbiele Seils:
Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation
Herder spectrum, 8,90 €

Wer mit dem Konzept und der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation nicht vertraut ist, könnte glauben, dass die Bedürfnisse nach Wärme, Nähe etc. recht egoistische sind.
Wenn die Bedürfnisse nach Nähe, Wärme, Intimität so ausgelegt werden, dass sich daraus beim Gegenüber eine Verpflichtung ergibt, diese Bedürfnisse zu  erfüllen, ist das sicher eine Haltung, die nicht dem Leben dient. Ich bin geil und du musst jetzt mit mir schlafen. Ich habe Hunger, du musst mir was zu essen machen. Ich will meinen Ärger vom Tag loswerden und Du, verdammt noch mal, bist der Mensch, der mir zuhören MUSS!
Das entspricht nicht meinen Vorstellungen von Nähe, Intimität, Verbindung und Kontakt. Wo sind da Respekt, Wertschätzung, Autonomie, die Freiwilligkeit?

Ich glaube heute, dass unsere Bedürfnisse weltweit universell sind. Alle 6,7 Milliarden Menschen haben die gleichen Bedürfnisse. Sie brauchen Essen und Wasser, Schutz, Struktur, Autonomie, Unterstützung, Gemeinschaft, Sexualität, Spiritualität, Sinnhaftigkeit, Licht, Schlaf…

Wir sind es in unserer „Zivilisation“ sehr gewohnt, diese Bedürfnisse mit bestimmten Strategien zu erfüllen. Manche Leute gehen am liebsten zu McDonalds, wenn sie Hunger haben. Ich gehe meist in die Kantine, weil das bequem ist. Andere schmieren sich ein Brot, weil sie keine Lust haben zu kochen. Sich etwas kochen ist genau so eine Strategie wie zu McDonalds gehen. Für viele Dinge haben wir Lieblings-Strategien. Viele Menschen leben zum Beispiel in einer festen Partnerschaft, weil sie so glauben, bestimmte Bedürfnisse besonders effektiv bedienen zu können. Zum Beispiel nach Sex. Es ist ja noch nicht all zu lange her, da waren die Frauen zum Sex verpflichtet, und sich zu weigern war ein Scheidungsgrund. Mich gruselt es bei dem Gedanken, zum Sex verpflichtet zu sein.

Wenn ich heute bereit bin, mich von dem Gedanken zu lösen, der andere schulde mir etwas,

Wenn ich mich dafür entscheide, nur noch zu nehmen, was mir freiwillig geschenkt wird,

Wenn ich bereit bin, für all meine Bedürfnisse selbst die Verantwortung zu übernehmen,

Dann können sich ganz neue Welten eröffnen.

Ich bin überzeugt, dass von 6,7 Milliarden Menschen garantiert einer heute Abend Lust hätte, mit mir zu essen, zu telefonieren, zu kuscheln oder spazieren zu gehen.

In meinem Adressbuch stehen rund 300 Namen. Mit Sicherheit ist EIN Mensch dabei, den ich am Abend anrufen kann, wenn ich total frustriert und aufgelöst von der Arbeit komme.

Wenn ich es Leid bin, allein ins Kino zu gehen, wird es sicher im Kollegenkreis den einen oder anderen Bekannten geben, der Lust hat, einen Film zu sehen.

Was ist mein Bedürfnis? Und welche Strategien kann ich finden, um es zu erfüllen?

Ich erfülle mir zum Beispiel gelegentlich mein Bedürfnis nach Wärme und Berührung, indem ich mir eine Massage gönne. Am liebsten eine ayurvedische.

Mein Bedürfnis nach Gemeinschaft erfülle ich mir in  meinen Meetings am Mittwoch, durch vertrautere Kontakte mir einzelnen Kollegen, durch die die Freunde, die ich durch verschiedene Aktivitäten gefunden habe. Meine GfK-Familiengruppe trifft sich zu regelmäßigen Telefonkonferenzen. Ich habe außerdem Freundinnen, die mich gern besuchen.

Ich erfülle mir mein Bedürfnis nach Bewegung in meinem neuen Fitnessstudio. Andere gehen vielleicht tanzen, joggen, zum Badminton. Wir entscheiden uns für verschiedene Strategien, um ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen. (Und sicher erfüllen wir uns mit unserer jeweiligen Entscheidung auch noch andere, wunderbare Bedürfnisse).

Ich gewinne eine unglaubliche Freiheit, wenn ich nicht mehr EINEN Menschen für die Erfüllung (all) meiner Bedürfnisse verantwortlich mache, für zuständig erkläre. Wenn der Mensch Lust hat, gerade mein Bedürfnis nach Nähe, Intimität, Austausch, Gemeinschaft zu erfüllen, wunderbar. Aber es gibt keine Pflicht dazu! Und! Ich habe mindestens 6,7 Milliarden Möglichkeiten, meine Bedürfnisse zu erfüllen.

Hurra für jeden Tag, an dem ich diese Ketten sprengen kann!

„Der Wolf beißt fremdes Fleisch

„Der Wolf beißt fremdes Fleisch, das eigene leckt er.“ – Sprichwort aus Albanien

Hallo, Welt!

Dieses Sprichwort fiel mir vor ein paar Tagen in die Hände. Heute entspricht es genau meiner Gefühlslage. Unversehens habe ich statt Frieden einen alten Konflikt an der Backe, und ich muss mich dauernd dran erinnern, dass es ein sehr schönes Marshall-Zitat gibt, wo er sinngemäß sagt: Never put your butt in an angry persons face. Die wörtliche Übersetzung von butt ist (Gewehr-)Kolben, aber ich kenne es auch auch Hintern. Und es ist natürlich ein charmantes Wortspiel, denn es geht darum, dass es keinen Sinn hat, zu jemandem, der ärgerlich ist, zu sagen, ja, aber…

Ich merke, dass ich heute Abend ganz angeschlagen bin, versucht mich zu rechtfertigen oder Beweise zu erbringen, warum etwas aus meiner Sicht ganz anders war. Wenigstens habe ich es im ersten Anlauf geschafft zu sagen: Danke, das du mir das alles mitteilst, was dich geärgert hat… und jetzt ringe ich um die Haltung.

Ich weiß schon, dass GfK nicht eine Frage dessen ist, was ich zum anderen sage. es geht um die Haltung. Und meine Haltung heute Abend muss ich mir erst mal irgendwo mühsam zusammenklauben. Marshall beschreibt so schön, wie es uns geht mit den alten Ohren: Anger, Guilt, Depression… Ärger/Wut, Schuldgefühle, Depressionen, schließlich das Verblassen aller Wahlmöglichkeiten. So fühle ich mich heute auch.

Zum Glück gibt es die Giraffentankstelle, ein umfangreiches Telefonbuch, eine freie Leitung. Ich werde heute Abend Empathie tanken und dann hoffentlich bald in der Lage sein, mit dem Konflikt angemessen umzugehen. Ist Deine Absicht Verbindung? JA! Ich weiß nur noch nicht, wie ich das hinkriegen soll, weil ich so voll mit Urteilen und Verteidigungen bin…

Also werde ich ein bisschen mein eigenes Fleisch lecken und dann mal gucken, ob ich nicht Vegetarier werde…

So long!

Ysabelle

Die Haltung in der GfK

Auf der Suche nach ein bisschen Stärkung fand ich diesen Abschnitt auf schattenblick.org.

Die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg ist mehr als eine Werkzeugkiste. Die Methoden, isoliert betrachtet, können missbräuchlich auch zu gewaltvollen Zwecken, wie dem Einreden von Schuldgefühlen oder emotionaler Erpressung eingesetzt werden.

Schwerpunkt der GFK ist deshalb die Haltung, in der die Kommunikation stattfindet. Die Methoden sind ein Weg, sich dieser Haltung übend anzunähern. Teil der Haltung ist es, sich ergebnisoffen im Prozess des Verbindungsaufbaus mit dem Gegenüber zu befinden, und nicht das Überstülpen einer Meinung.

Ein weiterer Teil ist der Abbau von Feindbildern, das empathische Zuhören ausgehend von der Annahme, dass alle Menschen die gleichen Grundbedürfnisse haben und stets so handeln, wie es ihnen aktuell als die beste Möglichkeit der eigenen Bedürfnisbefriedigung erscheint. Im Gegensatz zur heute üblichen, von komplizierten gesellschaftlichen Konventionen, missverständlichen Andeutungen und Unausgesprochenem durchsetzten Sprache ist GFK eine sehr direkte, einfache und klare Art des sich Verständigens.

Ohne den beiden Tieren Eigenschaften zuschreiben zu wollen, nennt Rosenberg zur Vereinfachung seiner Erklärungen Sprache nach GFK „Giraffensprache“ und im Gegensatz dazu gewaltvolle Sprache „Wolfssprache“. Wolfssprache zeichnet sich u.a. durch das Denken in Schuld und Unschuld, Richtig und Falsch, das Aufrechnen von Gefallen, (moralisches) Verurteilen, Bewerten und Leugnen von Verantwortung aus.

Eine Methode der Giraffensprache, die hilft, sich eine im Sinne der GFK veränderte Denkweise anzueignen, ist die der vier Schritte: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte. Diese Schritte können beispielsweise beim aktiven Zuhören, zur Kommunikation der eigenen Situation, zur Selbstklärung, beim Ausdruck von Wertschätzung oder auch beim Schreien in Situationen extrem unbefriedigter Bedürfnisse eingesetzt werden. Rosenberg ermutigt, sich mit der Übung nach und nach von dem schematischen Vorgehen zu lösen und die vier Schritte in den eigenen „Slang“ zu übersetzen.

Hohepriester der Gewaltfreien Kommunikation

„Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch, wie manche Menschen annehmen, aber es ist auch nicht so selbstlos, wie manche Co-Abhängige glauben.“ Melody Beattie

Wenn man manchen Menschen zuhört, könnte man zu dem Eindruck gelangen, es gäbe „richtige“ und „falsche“ GfK. Besonders schmerzhaft finde ich es, wenn GfKler sich untereinander mit solchen Etiketten belegen. „Das ist keine Empathie, was du da machst“ fällt genau so in diese Kategorie wie „also, ich kann deine Bedürfnisse nicht erkennen, du bist überhaupt nicht zu spüren“.

Ich erlebe die Gewaltfreie Kommunikation als ständige Einladung bei mir zu gucken: Wie geht es mir, was brauche ich? Wie geht es MIR, wenn ich den anderen nicht spüren kann? Was löst das bei MIR für Gefühle aus? Und wenn ich hier Klarheit gefunden habe, kommt der zweite, kostbare Schritt: Wie geht es Dir? Was brauchst Du?

Wann immer wir beim anderen diagnostizieren, dass er keine richtige GfK macht, ist offensichtlich bei uns selbst ein Bedürfnis im Mangel. Nehmen wir dieses Wolfsgeheul als Einladung, noch einmal genauer bei uns zu spüren, welche Bedürfnisse in uns lebendig sind. Was brauchen wir? Und wenn wir es herausgefunden haben, können wir fragen: Was braucht unser Gegenüber? Es geht nicht um Richtig oder Falsch: Es geht um Verbindung!

Heute will ich mich in schwierigen Situationen liebevoll fragen: Geht es mir gerade um die Verbindung?

Selbstfürsorge

Selbstverantwortung

Selbstfürsorge ist ein Verhalten uns selbst und unserem Leben gegenüber, das besagt: Ich bin verantwortlich für mich selbst. Ich bin verantwortlich dafür, ob ich lebe oder nicht lebe. Ich bin verantwortlich dafür, nach meinem geistigen, emotionalen, körperlichen und finanziellen Wohlergehen zu streben. Ich bin verantwortlich dafür, meine Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Ich bin verantwortlich dafür, meine Probleme zu lösen oder mit meinen Problemen leben zu lernen, die ich nicht lösen kann.

Ich bin verantwortlich für meine Entscheidungen. Ich bin verantwortlich dafür, was ich gebe oder empfange. Ich bin auch dafür verantwortlich, mir Ziele zu setzen und sie zu erreichen. Ich bin verantwortlich dafür, wie sehr ich das Leben genieße, wieviel Freude ich an täglichen Aktivitäten finde. Ich bin verantwortlich dafür, wen ich liebe und wie ich mich entscheide, diese Liebe auszudrücken. Ich bin verantwortlich dafür, was ich anderen antue und dafür, was ich anderen mir anzutun erlaube.

Ich bin verantwortlich für mein Wollen und meine Wünsche. Alles an mir, jeder Aspekt meines Seins, ist wichtig. Ich bewerte angemessen. Ich begutachte meine Wünsche und Bedürfnisse. Ich verdiene weder Missachtung noch ständige Misshandlung und toleriere sie nicht. Ich habe Rechte, und es liegt in meiner Verantwortung, diese Rechte zu verfechten.

Die Entscheidungen, die ich treffe, und die Art, wie ich mich verhalte, spiegeln meine Selbstachtung wider. Meine Entscheidungen tragen meinen Verpflichtungen Rechnung. Meine Entscheidungen tragen auch meinen Verpflichtungen anderen Menschen gegenüber Rechnung – meinem Partner, meinem Kind, meinen Verwandten und meinen Freunden. Ich untersuche und entscheide genau, wie diese Verpflichtungen beschaffen sind, bevor ich meine Entscheidungen treffe. Ich berücksichtige auch die Rechte meiner Mitmenschen – das Recht, ihr Leben so zu leben, wie es ihnen paßt. Ich darf das Recht anderer nicht beschneiden, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu leben, Und sie dürfen mir meine Rechte nicht beschneiden.

Selbstfürsorge ist ein Verhalten gegenseitiger Achtung. Das bedeutet, unser Leben verantwortungsbewußt leben zu lernen. Das bedeutet, anderen zu erlauben, ihr Leben nach ihrer Wahl zu leben, solange sie nicht unsere Entscheidung stören, nämlich so zu leben, wie wir es wollen. Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch, wie manche Menschen annehmen, aber es ist auch nicht so selbstlos, wie manche Co-Abhängige glauben.

Gefunden in:

Melody Beattie, „Die Sucht, gebraucht zu werden“

Der Wolfskampf

Ein älterer Mann von den Cherokee-Ureinwohnern Amerikas belehrte seine Enkelkinder über das Leben. Er sagte zu ihnen: »Ein Kampf findet in meinem Inneren statt. Es ist ein fürchterlicher Kampf. Da kämpfen zwei Wölfe miteinander. Ein Wolf repräsentiert Furcht, Ärger, Neid, Sorgen, Bedauern, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Schuld, Vorurteile, Minderwertigkeit, Lügen, Stolz und Überheblichkeit.

Der andere Wolf steht für Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Anteilnahme, Gelassenheit, Menschlichkeit, Freundlichkeit, Wohlwollen, Freundschaft, Einfühlungsvermögen, Großzügigkeit, Wahrheit, Mitgefühl und Vertrauen. Derselbe Kampf findet auch in dir und in allen anderen Menschen statt.«

Die Kinder dachten darüber nach. Dann fragte eines von ihnen den Großvater:
»Und welcher Wolf wird gewinnen?«

Der alte Cherokee antwortete:
»Es wird der gewinnen, den ich füttere…«

Was in unserer Macht steht und was nicht

Was in unserer Macht steht und was nicht
Aus: Epiktets Handbüchlein der Moral

Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht.

In unserer Macht stehen: Annehmen und Auffassen, Handeln, Wollen, Begehren und Ablehnen – alles, was wir selbst in Gang setzen und zu verantworten haben. Nicht in unserer Macht stehen: unser Körper, unser Besitz, unser gesellschaftliches Ansehen, unsere Stellung – kurz: alles, was wir selbst nicht in Gang setzen und zu verantworten haben.

Was sich in unserer Macht befindet, ist von Natur aus frei und lässt sich von einem Außenstehenden nicht behindern oder stören; was sich aber nicht in unserer Macht befindet, ist ohne Kraft, unfrei, lässt sich von außen behindern und ist fremdem Einfluss ausgesetzt.

Denk daran: Wenn du das von Natur aus Unfreie für frei und das Fremde für dein Eigentum hältst, dann wirst du dir selbst im Wege stehen, Grund zum Klagen haben, dich aufregen und aller Welt Vorwürfe machen; hältst du aber nur das für dein Eigentum, was wirklich dir gehört, das Fremde aber für fremd, dann wird niemand jemals Zwang auf dich ausüben, niemand wird dich behindern, du brauchst niemandem Vorwürfe zu machen oder die Schuld an etwas zu geben, wirst nichts gegen deinen Willen tun, keine Feinde haben, und niemand kann dir schaden; denn es gibt nichts, was dir Schaden zufügen könnte.

Wenn du nach einem so hohen Ziel strebst, dann sei dir bewusst, dass dies mit erheblicher Anstrengung verbunden ist: Du musst auf manches ganz verzichten und manches zeitweilig aufgeben. Wenn du aber nicht nur dieses willst, sondern auch noch der Macht und dem Reichtum nachjagst, dann wirst du wahrscheinlich nicht einmal hierin Erfolg haben, weil du zugleich das andere haben willst. Auf keinen Fall aber wirst du das bekommen, wodurch allein Freiheit und Glück möglich sind. Bemühe dich daher, jedem unangenehmen Eindruck sofort mit den Worten zu begegnen: „Du bist nur ein Eindruck, und ganz und gar nicht das, was du zu sein scheinst.“ Dann prüfe und beurteile den Eindruck nach den Regeln, die du beherrschst, vor allem nach der ersten Regel, ob sich der Eindruck auf die Dinge bezieht, die in unserer Macht stehen oder nicht; und wenn er sich auf etwas bezieht, was nicht in unserer Macht steht, dann sag dir sofort: „Es geht mich nichts an.“

Gefunden auf der Seite von Jürgen Eckel, die mich seit vielen Jahren begleitet. Er starb vor einem Jahr, und ich freue mich, dass jemand anderes die Seite weiter pflegt.

Mich von Ansprüchen lösen

„Manche können es nicht lassen – das nicht Loslassen können.“ – Gerhard Uhlenbruck, Die Wahrheit lügt in der Mitte,

Mit meinen Tagesmeditationen möchte ich dazu beitragen, das Konzept und die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation weiter zu tragen. Es macht mir große Freude, gleichzeitig finde ich die Themen anspruchsvoll und ich brauche ziemlich lange, bis sie auch nur halbwegs so hier stehen, wie ich es gern hätte. Ich habe schon einige Jahre Übung damit, Tagesmeditationen zu kommentieren, sie zu verfassen ist aber noch etwas anderes.

ich freue mich darauf, abends mit den Tagesmeditationen für den folgenden Tag meinen Tag ausklingen zu lassen. Gleichzeitig ist es so, dass ich mich nicht immer fit genug fühle, um etwas Sinnvolles zu schreiben.

Ein Wolfsrudel sitzt dann an meinem Schreibtisch. „Das fängt ja gut an, wenn dir nach so kurzer Zeit schon nichts mehr einfällt“, jault der eine. Und ein anderer klagt: „du kannst da nicht irgendwelchen Mist reinschreiben, das muss schon Hand und Fuß haben…“ Ein dritter wiederum sagt: „du kriegst wieder nicht genug Schlaf. So geht das nicht weiter!“

Heute Abend habe ich mit einigen von ihnen verhandelt.
Ihr möchtet wirklich sicher sein, dass ich die Sache mit den Tagesmeditationen ernst nehme, ist das so? Euch ist es auch wichtig, dass ich Wertschätzung finde, wenn ich das ’schön‘ mache, stimmt das? Gleichzeitig seht Ihr auch, dass morgen wieder ein anstrengender Arbeitstag auf mich wartet, und Ihr wollt sicher gehen, dass ich dafür frisch und erholt bin, habe ich das richtig verstanden?

Wir haben uns geeinigt, dass es Abende gibt, an denen Schlaf und Ruhe einfach Vorrang haben vor dem Bedürfnis nach Beitragen, Kreativität, Wertschätzung für meine Autorenschaft und meine Leser. Das können die Wölfe gut hören, sie rollen sich friedlich zusammen und sehen auf einmal auch ganz anders aus…

Ein Wort gibt es, da heben sie sofort wieder die Köpfe, zeigen ihre wölfische Seite und fletschen die Zähne. „Leichtigkeit“. „Leichtigkeit ist nicht angesagt! Du hast hier eine Pflicht übernommen und jetzt willst du dich drücken. Nichts da, da kommt nichts nach! Das haben wir uns ja gleich gedacht, dass du das nicht ernst nimmst. Aber darauf werden wir schon achten!“ ertönt ihr schauriges Geheul. Oh ha! Damit ich mich von diesen Ansprüchen lösen kann, braucht es wohl noch viel Einfühlung für die Wölfe.

Heute bin ich bereit, auf meine inneren Stimmen zu hören und ihnen Einfühlung zu geben.

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