Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Abschied von Projektionen

Hallo, Welt!

Ich habe regelmäßig mit jemandem Kontakt, der intensive Gefühle bei mir auslöst. Ich schaffe es bisher nicht, objektive Beobachtungen zu registrieren. Ich merke einfach nur an irgendeinem Punkt des Kontakts, dass ich mich nicht wohl fühle.

Die Gefühle kann ich gut benennen.
ich bin dann traurig, frustriert, manchmal auch empört, deprimiert, besorgt, Ich habe Angst, ich fühle Druck.

Die unerfüllten Bedürfnisse sind Sicherheit, Wertschätzung, Beteiligung, Gesehen/gehört werden, vielleicht auch Autonomie, Gemeinschaft, mein Vertrauen ist im Mangel, Leichtigkeit, Freude und Harmonie verflüchtigen sich.

Heute endlich bin ich auf die Idee gekommen, mich künftig im Kontakt neben der Sachebene auf zwei Dinge zu konzentrieren. WAS genau macht mein Gegenüber, und welche Gefühle löst das bei mir aus?

Ich hatte auf einmal den Eindruck, dass ich da ganz netten Projektionen aufsitze. Und ich bin zuversichtlich, dass ich Entlastung finde, wenn ich wenigstens die Beobachtung schon mal benennen kann. WANN fange ich an, mich so unwohl zu fühlen? WAS ist dann vorher geschehen?

Eigentlich total banal. Trotzdem bin ich echt froh, dass ich heute auf diesen Gedanken gekommen bin.Damit gibt es etwas, worauf ich mein Augenmerk richten kann, statt mich in Interpretationen zu ergehen…

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Außerdem habe ich heute einen Vogel frei gelassen, bildlich gesprochen.
Ich habe seit 11 Jahren eine Freundschaft, die in den letzten zwei Jahren extrem rumdümpelte (braucht jemand GfK-Übersetzung?). Nach erneuten vier Monaten ohne Lebenszeichen konnte ich heute schreiben:

<...>
Ich weiß aber nicht, wie ich eine Verbindung aufrechterhalten kann, wenn ich nicht weiß, ob am anderen Ende der Leitung überhaupt jemand ist. Es ist schwierig für mich, in einen dunklen Raum hinein zu verbinden, Verbindung heißt ja eben FÜR MICH auch, dass ein Austausch stattfindet – nicht nur dass ICH mich melde.

Es gibt keine Schuld und kein Versagen. Es gibt keine Pflicht, kein MUSS.

Wenn es von Deiner Seite keinen Wunsch mehr nach Verbindung gibt, ist das vollkommen in Ordnung. Keine Pflichten, kein Muss.

Wenn es den Wunsch gibt und Du es nicht tust, weiß ich:

Ein Nein zu unserer Verbindung ist ein Ja zu etwas anderem. Vielleicht ist es der Wunsch nach Harmonie zu Hause, das Bedürfnis nach Erholung? Nach Leichtigkeit? Ich bin nicht verpflichtet, es persönlich zu nehmen, ich muss keine Ablehnung meiner Person daraus konstruieren.

Ich kann einfach annehmen, was ist.

In diesem Sinne wünsche ich Dir einen schönen Abend. Ohne Stress, ohne Schuldgefühle.

Du bist frei und ich bin frei.

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Ja, ich muss mich nicht mehr an die Beziehung klammern, ich muss nicht „ganz Opfer“ warten, dass er Mails beantwortet. Ich kann ihn noch immer wertschätzen und unsere gute Zeit als kostbare Erinnerung schätzen.

Ich erlebe das als eine große Freiheit. Und wenn ich auch nur drei Jahre zurückdenke, weiß ich, dass diese Entwicklung damals für mich nicht mal vorstellbar war. Himmel, bin ich froh, dass mir dieses Buch mit dem Artikel über GfK in die Hände gefallen ist.

So long!

Ysabelle

Fleischwölfe in den Ruhestand!

„Ein wirklich unvoreingenommenes Urteil kann man nur über Dinge abgeben, die einen nicht interessieren, und das ist zweifellos der Grund, dass unvoreingenommene Urteile immer wertlos sind.“ – Oscar Wilde, Der Kritiker als Künstler, Szene 2 / Gilbert

Was geschieht mit unseren Gefühlen? Was passiert, wenn wir Schmerz, Trauer, Wut oder andere Gefühle wahrnehmen? Ganz häufig ist es so, dass wir eben nicht einfach zur Kenntnis nehmen: Ah, solche Gefühle werden bei mir ausgelöst! Offensichtlich gibt es unerfüllte Bedürfnisse bei mir. Welche könnten es denn sein?
Häufig landen die Gefühle im Kopf, und dort ist schon der Fleischwolf installiert.

Der Fleischwolf und seine Einzelteile

Oben werden die Gefühle eingespeist und unten kommt eine Bewertung raus. Der Fleischwolf ist eine unerschöpfliche Quelle für Urteile, Interpretationen und so genannte Opfergefühle. Wenn wir uns als angegriffen, ausgenutzt, manipuliert missbraucht, missverstanden, hintergangen, ignoriert, niedergemacht, provoziert, verarscht oder vernachlässigt wahrnehmen, können wir sicher sein, dass der Fleischwolf ganze Arbeit geleistet hat. Er vermengt das ursprüngliche Gefühl mit einem Glaubenssatz, einer Bewertung, einem Urteil, und heraus kommt ein so genanntes Interpretationsgefühl.
Wie gut, dass wir in der gewaltfreien Kommunikation lernen, diese aktive Maschine im Kopf abzuschalten, in den Ruhestand zu versetzen. Wir können uns fragen: Was fühle ich, wenn mein Kopf meldet: du wirst manipuliert…. fühle ich mich unsicher, irritiert und besorgt, weil mir Klarheit und Ehrlichkeit wichtig sind? Was fühle ich wirklich, wenn ich die „Fehlermeldung“ erhalte: du wirst angegriffen… Fühle ich mich dann unter Druck, ängstlich, entsetzt? Sind vielleicht meine Bedürfnisse nach Respekt, Schutz, Selbstständigkeit und Beteiligung im Mangel?
Wenn ich ganz bei mir angekommen bin und weiß, was ich brauche, gibt es vielleicht sogar schon Raum zu hören, was mein Gegenüber mir wirklich sagen möchte. Und vielleicht können wir es jetzt hören, ohne dass der Fleischwolf im Kopf anspringt…

Heute will ich mir vergegenwärtigen, dass Opfergefühle durch mein Denken entstehen, nicht durch die Handlungen anderer.

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