Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Verantwortung für unsere Gefühle

„Mit demselben Gefühle, mit welchem du bei dem Abendmahle das Brot nimmst aus der Hand des Priesters, mit demselben Gefühle, sage ich, erwürgt der Mexikaner seinen Bruder vor dem Altare seines Götzen.“ – Heinrich von Kleist, An Wilhelmine von Zenge, 13.-18. September 1800

Es sagt sich so einfach und es lebt sich so schwer. Ich bin für meine Gefühle verantwortlich, nicht du. im Moment wird mir diese Lektion geradezu eingebläut, sowohl als aktiv Beteiligte als auch als Zuhörerin.

Ich bekam eine Mail, die mich sehr amüsiert hat und sich mit den fahnengeschmückten Autos beschäftigt. Obwohl ich sehr unter Zeitstress war, habe ich sie weiter geleitet an einen Haufen Freunde, von denen ich annahm, sie hätten ebenfalls Spaß daran. Dann kommt die Antwort von der ersten Freundin:

Liebe ysabelle,
sehe ich: mail von ‚ysabelle, freue ich mich, aha, eine Entwicklung bezüglich Sommer ist im Gang. Dann lese ich was über Fahnen- könnte witzig sein, trifft aber nicht mein Bedürfnis nach Nähe und Verständigung mit dir, sondern frustriert mich…

und wenige Stunden später kommt die Antwort einer anderen Freundin:

Liebe Ysabelle,
vielen Dank für diese Information  😀

(… und ein wenig Info zu einem anderen Thema. )

Die Ausgangslage war jeweils die gleiche, beide Frauen haben die gleiche Mail bekommen.

Während die eine Antwort bei mir sofort ein schlechtes Gewissen auslöste – oh, jetzt ist sie ärgerlich…  war die zweite Antwort bei mir Auslöser von Erleichterung und Entlastung.

Ich bin gern bereit mir selbst immer wieder zu sagen, ich bin nicht verantwortlich für die Gefühle, die ich bei anderen auslöse, ich bin verantwortlich für meine Handlungen.

Aber es fällt mir unendlich viel schwerer zu akzeptieren: Andere sind nicht für meine Gefühle verantwortlich. Wenn ich mich zum Handeln oder Unterlassen entscheide, ist das ausschließlich meine Verantwortung. Das betrifft „Kleinigkeiten“ wie ausbleibende Telefonanrufe ebenso wie Großigkeiten, was immer sie für mich sein mögen.


Heute will ich mich darauf besinnen, dass ich für meine Gefühle verantwortlich bin. Ich bin auch verantwortlich für meine Handlungen, die durch meine Gefühle angestoßen werden.

Gefühle erkennen

„Das Maß unserer Menschlichkeit bestimmt sich wesentlich danach, inwieweit wir über Worte verfügen, die das Erleben und die Gefühlswelt von Menschen auszudrücken vermögen.“
Eugen Drewermann, An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen

Neulich habe ich mit einem Ehepaar gearbeitet, das Schwierigkeiten hat, sich auszutauschen. Die Frau erzählte etwas und ich fragte den Mann, der mit der schon oft erwähnten kleinen Liste da saß: Welche Gefühle nimmst du bei Gudrun wahr? Suchend ging sein Blick die „Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen“ durch, dann nannte er „frustriert, traurig, ängstlich, einsam und besorgt“. Ich fragte seine Frau: „Hat Heinz deine Gefühlslage erkannt?“ Gudrun sagte, „ja, aber das zählt nicht. Er hat ja abgelesen!“

Viele von uns sind nicht sehr geübt darin, Gefühle zu benennen. Frauen fällt es aufgrund ihrer Erziehung meist noch etwas leichter als Männern. Und oft benennen wir vermeintlich Gefühle und geben stattdessen eine Bewertung ab. Beispiele: Ich fühle mich nicht Ernst genommen. Ich fühle mich missbraucht, ich fühle mich vernachlässigt. Die Gefühle hinter diesen Einschätzungen sind vielleicht Schmerz, Einsamkeit, Ohnmacht oder Angst.

Ich habe ein paar Jahre damit zugebracht, meine Gefühle in sechs simple Kategorien einzuteilen, und in diesen Kategorien gab es keinen Platz für Bewertungen. Diese so genannten Basisgefühle sind Freude, Liebe, Schmerz, Trauer, Wut, Angst und Scham. Es ist schon erstaunlich, dass unser ganzes Spektrum an Gefühlen sich in diese wenigen Oberbegriffe einordnen lässt. Mir hat dieses Schubladendenken geholfen überhaupt erst einmal wahrzunehmen, WAS ich fühle. Ich war zwar wie ein Huhn ohne Kopf unterwegs, aber was ich gefühlt habe, war mir ein Rätsel, und statt Gefühlen äußerte ich Bewertungen oder Schuldzuweisungen: ich bin traurig, weil du keine Zeit für mich hast.

Das Erkennen unserer eigenen Gefühle ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Gewaltfreien Kommunikation. Und alles, was uns dabei hilft, unsere eigenen Gefühle wahrzunehmen, können wir zu Rate ziehen. Das gilt auch im Kontakt zu anderen. Schon mehr als einmal konnte ich feiern, wenn mein Gegenüber mithilfe einer einfachen Liste erkennen konnte, was in einem Dritten lebendig war, und plötzlich wieder Verbindung möglich wurde. Das „Ablesen“ wird die Tür zum Herzen des anderen.

Heute will ich einfach nur aufmerksam sein, welche Gefühle ich bei mir selbst wahrnehme. Wenn ich meine Gefühle erkannt habe, widme ich mich den Gefühlen meines Gegenübers.

GFK Cartoons


Hallo ihr Lieben!

Vor ein paar Wochen bin ich auf die Seite von Sven Hartenstein gestoßen. Er hat einige herrlich treffende Cartoons zur GFK auf deutsch und englisch (finde ich persönlich bissiger) veröffentlicht, die mir die Tränen in die Augen getrieben haben!

Ich hoffe ihr könnt genauso drüber lachen 😀


Markus

Neuer Wein in alten Schläuchen

Hallo ihr Lieben!

Seit einigen Tagen versuche ich mich an einem Text für dieses Blog, der einfach nicht fertig werden will. Ich hatte eine relativ klare Vorstellung, worüber ich schreiben wollte: Es sollte um Sackgassen gehen, in die man beim Erlernen der GFK tappen kann, typische „Anfängerfehler“ wenn man so will, und was ich aus ihnen gelernt habe, bzw. wie man sie vermeiden kann.

Was soll ich sagen, ich habe es geschafft ungefähr 5 Zeilen zu schreiben, bevor mir die Luft ausging. Jedes mal, wenn ich mich an diesen verflixten Text gesetzt habe war praktisch sofort die Lust weg, ohne dass ich den Grund dafür ausmachen konnte. Heute ist mir endlich ein Licht aufgegangen, warum ein Teil von mir diesen Text nicht schreiben wollte und mich so vehement davon abhielt. Also schreib ich doch lieber darüber!

Ich bin in einem sehr religiösen Kontext aufgewachsen und habe zwei Jahrzehnte lang gelernt in Begriffen von gut und böse, richtig und falsch, Sünde und Moral zu denken. Dauernd durfte ich mir Predigten über Liebe anhören, die eigentlich etwas ganz anderes aussagten.

Die ständigen Ermahnungen sind natürlich nicht ohne Folge geblieben, ich habe sie ziemlich gründlich verinnerlicht. Das Resultat davon war, dass ich letztendlich Bewertungen und Schubladendenken gelernt habe. Sobald ich Menschen eine Weile lang kenne setzt sich in meinem Kopf ein Automatismus in Gang, der sie in kleine Formen pressen möchte.

Ist dieser Mensch guter Umgang? Kann ich mich gefahrlos mit ihm unterhalten? Oder muss ich aufpassen, weil  er vielleicht irgendwelche Fehler an sich hat die er erst mal abstellen sollte? Vielleicht kann ich ihm sagen wo er falsch liegt, ihn in seinem Denken korrigieren?

Leider habe ich tief in mir drin die Vorstellung eingeprägt, dass Fehler etwas schlechtes sind, dass sie nicht sein dürfen und ich sie unter allen Umständen vermeiden muss. Diesen inneren Perfektionisten kennen bestimmt einige unter euch, und dank eines ausgefeilten Trainings findet er auch bei allen anderen etwas zu kritisieren, egal wie sie innerlich eingestellt sein mögen oder wie viel sie schon gelernt haben.

Ursprünglich war das wohl eine Reaktion auf den Glaubenssatz, dass andere Menschen es nicht gut mit mir meinen. Daher die Angst, mich auf jemanden „schlechten“ einzulassen, Menschen die ich lieber meiden sollte um nicht negativ beeinflusst zu werden.

Und dann kam die GFK daher und schlug ein wie eine Bombe. Als ich das erste Mal mit einem Buch darüber in Berührung kam hätte ich mir nie träumen lassen, was sie mit mir anstellen würde, sonst hätte ich es wahrscheinlich nie gelesen. Aber meine Einstellung hat sich geändert und in 2 ½ harten Jahren habe ich soviel von diesem moralisch bewertenden Denken aus meinem Kopf gestrichen wie ich nur konnte. An Stelle dessen versuche ich eine liebevolle Einstellung zu setzen, die anderen Menschen gegenüber aufgeschlossen ist. Auch wenn noch viel zu tun ist weiß ich doch endlich wo ich hin will und wie sich wirkliche Liebe anfühlt.

Tja, und dann kommt mir plötzlich die Idee für diesen Text über Fehler beim Lernen der GFK und wie man sie vermeidet. Oh, natürlich hätte ich das ganze anders umschrieben. Ich hätte nicht von Fehlern gesprochen, oder über etwas schlechtes das man vermeiden sollte. Die Ausdrucksweise der GFK kenne ich gut, ich hätte bestimmt keine verpönten Worte wie „Fehler“ oder „sollte“ benutzt (ja, auch die GFK muss manchmal für moralische Urteile herhalten…).

Aber Fakt ist, der Text wäre vom selben Geist geprägt gewesen wie die religiösen Artikel von früher, bei denen ich heute laut aufschreien möchte: Ich habe das Licht gesehen und jetzt ist es meine Aufgabe euch zu zeigen wo’s langgeht. Also seid gefälligst dankbar dafür, dass ich meine Weisheiten mit euch teile!

Ich habe mich ganz schön erschrocken, als ich das festgestellt habe, denn unter anderem sollte es in meinem ursprünglichem Text um genau diesen Falle gehen: Mit schönen neuen Worten alte überkommene Gedanken verpacken. Ich habe deswegen sogar die Überschrift beibehalten.

Ein Teil von mir hat das gemerkt und sich dagegen gesträubt, den belehrenden Zeigefinger zu erheben. Ich bin froh darüber, dass sich dieser Anteil von mir Gehör verschafft hat ohne mich zu kritisieren oder so, einfach durch passiven Widerstand. Und ich möchte feiern, dass ich den neuen Text ohne inneren Widerstand schreiben kann, voller Freude darüber, etwas mit ein paar Lesern teilen zu können und dadurch vielleicht einen bereichernden Beitrag zu leisten.

Ich möchte die Balance finden zwischen diesen beiden Teilen von mir, dem der bereits gelernt hat und nicht dieselben Fehler immer wieder machen möchte, und dem der die Erlaubnis haben möchte, neue Fehler machen zu dürfen. Denn davon wird der erste Teil klüger.
Von meinen Fehlschlägen, Umwegen und schmerzhaften Erfahrungen konnte ich bisher das allermeiste im Leben lernen. Gestern waren es die besten Entscheidungen, die ich treffen konnte, heute kenne ich die Auswirkungen und suche nach neuen Strategien die weniger kosten.

Der entscheidende Punkt ist der, dass ich diese Umwege nicht auslassen konnte. Selbst wenn ich zum Beispiel ein paar Jahre eher, zu meinen gewaltsamsten Zeiten, von der GFK erzählt bekommen hätte, ich hätte nichts von meinen Erfahrungen auslassen können. Ich wäre noch nicht bereit dafür gewesen. Und ich möchte anderen erlauben, dieselben Umwege zu machen wie ich, ohne über sie zu urteilen. Denn auch wenn sich dieser pädagogische Irrglaube noch in vielen Bereichen hält, durch Ratschläge und Ermahnung lernt man praktisch nichts.

Deswegen werde ich weiter Fehler machen und genau dasselbe Recht möchte ich auch jedem anderen Menschen geben. Wenn ich helfen kann möchte ich natürlich einen Beitrag zu einer schöneren Welt leisten, aber das heißt nicht, dass keiner mehr die Fehler machen darf, die ich vielleicht schon hinter mir habe. Es bedeutet, dass ich lernen möchte, jeden einzelnen Menschen lieb zu haben, ihn nicht in seiner Entwicklung zu bewerten oder an meinen Einstellungen zu messen. Ich möchte das Vertrauen pflegen, dass jeder Mensch sein Bestes gibt.

Markus

“Wenn etwas wert ist, getan zu werden, dann lohnt es sich auch es schlecht zu tun!” Marshall

Vorankommen & verraten

Hallo Welt,

eben fand ich bei Melody Beattie die folgende Tagesmeditation. Das Thema liegt wohl in der Luft.

So long!

Ysabelle

11. Juni – Vorankommen

Wie sehr wir es uns vielleicht wünschen: Wir können nicht jeden mit auf die Reise nehmen, die wir innere Heilung nennen. Wir sind keine Verräter, wenn wir uns die Freiheit nehmen, voranzugehen. Wir müssen nicht darauf warten, dass die geliebten Menschen sich gleichfalls dazu entschließen, Veränderungen bei sich vorzunehmen.

Manchmal müssen wir uns die Freiheit nehmen zu wachsen, auch wenn die Menschen, die wir lieben, nicht bereit sind, sich zu verändern. Vielleicht müssen wir sogar einige Menschen mit ihren Störungen und ihrem Leid hinter uns lassen, weil wir die Heilung nicht für sie vollziehen können. Wir brauchen nicht mit ihnen zu leiden.

Es würde nichts nützen.

Es hat keinen Sinn, dass wir stecken bleiben, nur weil jemand, den wir lieben, nicht weiterkommt. Wenn wir uns lösen, an uns selbst arbeiten und aufhören, andere zu zwingen, sich mit uns zu verändern, ist die Chance, ihnen zu helfen, weitaus größer.

Wir üben einen positiven Einfluss auf die geliebten Menschen aus, wenn wir uns selbst verändern und wachsen und es ihnen überlassen, den eigenen Weg zu finden. Wir sind für uns selbst verantwortlich. Sie sind für sich verantwortlich. Wir lassen sie los und lassen unser inneres Wachstum zu.

Heute will ich mir versichern, dass ich das Recht habe, mich zu entwickeln und zu verändern, auch wenn jemand, den ich liebe, sich nicht mit mir entwickelt und verändert.

Wortschätzchen: Verraten

Heute habe ich wieder eine richtige Bombe am Wickel. Verraten heißt das Wort, das mir dieser Tage über den Weg lief. Und dabei dachte ich nicht an die Bedeutung:

„Verrätst du mir, was ich zu Weihnachten kriege?“.

Vielmehr habe ich  über mein eigenes Verhalten nachgedacht und mich gefragt, ob es mit meinen Werten übereinstimmt oder ob ich eine Sache oder eine Person „verraten“ habe. Der Wolf hob nur einmal müde den Kopf.

Starten wir mit der Bibel. Judas hat Jesus verraten. Logischerweise war das etwas Schlimmes, denn so war Judas SCHULD am Tod von Jesus. Logisch, oder?
Wenn mich meine Bibelkenntnisse nicht im Stich lassen, ging es darum, dass die Obrigkeit nicht wusste, welcher aus dieser Horde von Langhaarigen nun der Messias war, und Judas hat es ihnen gesagt, für 50 Silberlinge. Genauer gesagt hat er Jesus geküsst und auf diese Weise seine Identität preisgegeben.

Wikipedia schreibt:

Während sich in den Paulusbriefen und anderen Episteln kein Hinweis auf Judas Ischariot findet, führen ihn alle Evangelien als Apostel ein und stellen seine Rolle in Jesu Passion heraus. Sein Name erscheint bei den Synoptikern (Markus, Matthäus, Lukas) erstmals jeweils in den Jüngerlisten, die die zwölf erstberufenen Jünger Jesu aufzählen. In Mk 3, 19 EU, dem Mt 10, 4 EU und Lk 6, 19 EU fast wörtlich folgen, wird nur beim Namen Judas sofort auf dessen künftige Rolle in der Passionsgeschichte Jesu hingewiesen: …der ihn später verriet.

Dieses Tun wird durchgängig mit dem griechischen Verb para-didomi benannt,[1] was allgemein „hingeben“, „übergeben“ bedeutet. Das Wort umfasst das Bedeutungsspektrum zwischen dem „Überliefern“ einer Sache (auch von Lehren), dem „Ausliefern“ von Personen an Gericht und Strafverfolgung bis hin zur „Preisgabe“ an die Feinde.[2] Moderne Bibelübersetzungen wie die Einheitsübersetzung und die 1984 revidierte Lutherbibel übersetzen den Ausdruck an den Stellen, die das Judashandeln erwähnen, meist mit „ausliefern“ oder „verraten“, die Elberfelder Bibel mit „überliefern“. Dabei geht es im jeweiligen Kontext um Jesu Übergabe an seine Richter, Feinde oder zur Hinrichtung. Die Evangelien stellen Judas also nicht als bloßen Vermittler einer unabhängig von ihm vollzogenen Tötungsprozedur, sondern als aktiven Initiator der Passionsgeschichte dar. Deshalb heben sie sein zukünftiges Handeln schon bei seiner Berufung hervor.

Nach der Jüngerberufung gehört Judas bei den Synoptikern jedoch ganz selbstverständlich zu denen, die Jesus als „Brüder“ anspricht (Mk 3, 34 EU) mit der Begründung: Alle, die Gottes Willen ausführten, seien seine nächsten Verwandten. Auch in der Aussendungsrede gehört Judas zu den Jüngern, von denen es heißt (Mk 6, 13 EU):

„Und sie gingen aus und predigten, man solle Buße tun, und trieben viele böse Geister aus und salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund.“

Er wird auch in der weiteren Darstellung nirgends als einer der Jünger hervorgehoben, die Zweifel äußerten oder Fragen an Jesu Sendung stellten.

Erst nach dem Tötungsplan der Tempelpriester und Schriftlehrer (Mk 14, 1f EU), das heißt, der im Sanhedrin vertretenen jüdischen Führungsgruppen, wird Judas als der genannt, der Jesus an diese seine Feinde verraten habe, wofür sie ihm Geld versprochen hätten (Mk 14, 10f EU). Das Matthäusevangelium führt diese Notiz weiter aus. Nach Mt 26, 15 EU soll Judas unmittelbar nach der Salbung in Bethanien die Hohenpriester aufgesucht und von sich aus um Lohn für seinen Verrat ersucht haben: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Daraufhin hätten sie ihm 30 Denare – etwa den damaligen Monatslohn eines Handwerkers – dafür angeboten. Dies habe ihn motiviert, eine Gelegenheit für den Verrat zu suchen. So erscheinen die Jerusalemer Sadduzäer bei Matthäus als Hauptgegner Jesu.

Das Lukasevangelium gibt dagegen als Grund für Judas‘ Handeln an, dass der Satan von ihm Besitz ergriffen habe (Lk 22, 3 EU). Wie bei Markus bieten auch bei Lukas die Hohenpriester eine Bezahlung für die Dienste des Judas an, ohne dass er dies verlangt hätte.

Im Bericht vom letzten Mahl (Mk 14, 12-26 EU) kündigt Jesus selbst an, dass einer seiner Tischgäste den Verrat begehen werde, ohne Judas beim Namen zu nennen. Er weist dabei in Gegenwart aller Jünger auf Gottes Vorherbestimmung seines wie des Verräters Weges hin:

„Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.“

Judas verkörpert demnach die Möglichkeit des Verrats inmitten der Jüngerschar, die Jesus angesichts seiner Festnahme verließen und wie Petrus verleugneten. Aber Jesu Austeilung von Brot und Wein gibt ihnen allen, auch Judas, vorweg Anteil an Jesu Lebenshingabe, die nach Mt 26, 28 EU und 1_Kor 15, 3 EU Sündenvergebung beinhaltet: Und sie tranken alle daraus, nämlich aus dem Kelch, den Jesus als „Blut des neuen Bundes“ deutete (v. 23).
Cappella degli Scrovegni (Padua): Der Judaskuss von Giotto

Danach führte Judas nach allen Evangelien die jüdische Tempelwache und römische Soldatenschar zu Jesu Aufenthaltsort im Garten Gethsemane und identifizierte ihn für sie mit einem Kuss. Nach Mt 27, 3ff EU soll er seine Tat später bereut haben, darüber verzweifelt sein und sich nach Jesu Verurteilung erhängt haben. Apg 1, 18 EU zufolge barst er mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus.

Also: ein Mensch, der einen anderen verrät, ist schlecht und böse.
Ein Verräter ist jemand, der ein Geheimnis nicht bewahren kann. Ein Verräter ist jemand, der seinen eigenen Interessen eine höhere Priorität einräumt als dem Gemeinwohl.

Jetzt wenden wir uns einer spannenden Frage zu.

Welche Gefühle sind in einem Menschen lebendig, der glaubt: du hast mich verraten!

Ich vermute, der Mensch spürt Schmerz, Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Ein Blick auf meine schlaue Liste und ich ergänze:

angstvoll

ausgelaugt

beklommen

bestürzt

bitter

durcheinander

elend

erschüttert

erstarrt

furchtsam

in Panik

mutlos

traurig

schockiert

sorgenvoll

überwältigt

verzweifelt

und die Bedürfnisse, die vermutlich im Mangel sind, sind:

Sicherheit

Schutz

Autonomie (ich möchte selbst entscheiden, wer was über mich weiß)

Integrität

Ehrlichkeit

Zugehörigkeit

Unterstützung

Wertschätzung

Respekt

Vertrauen

Leichtigkeit (ich möchte nicht lange abwägen, wem ich vertrauen kann…)

Ja, so geht es mir vermutlich, wenn ich den Gedanken habe, ich sei verraten worden. Irgendwie hat „verraten“ auf diesem Weg ein bisschen den Stachel verloren. Es schmerzt noch immer, aber die Gefühle haben sich verändert.

Vielleicht mag jemand ergänzen, was vielleicht in  demjenigen lebendig ist, der mit seinem Verhalten der Auslöser für so eine Bewertung war?

Ich möchte gerade an dieser Stelle noch einmal sagen, wie viel Freude mir die Wortschätzchen machen, und dass ich hoffe, dass sie Euch auch etwas bringen. Mir tut es so gut, Worte mit einer Bewertung in Gefühle und Bedürfnisse zu übersetzen. Ich werde im Alltag munter dafür, wenn Bewertungen unterwegs sind, und ich übe, sie zu übersetzen.

Was ich sage, was andere hören…

„Das Ohr ist stumm, der Mund ist taub; aber das Auge vernimmt und spricht. In ihm spiegelt sich von außen die Welt, von innen der Mensch.“
Johann Wolfgang von Goethe, Farbenlehre

Zwei Dinge erlebe ich im Zusammenhang mit der Gewaltfreien Kommunikation als besonders schmerzhaft. Zum einen ist es die fehlende Giraffengemeinschaft im Alltag, die Einsamkeit in einem Kosmos, in dem es eben nicht um Richtig oder Falsch geht. Zum zweiten spüre ich meine tiefe Verzweiflung, wenn meine Entscheidung, dieser Wolfswelt nicht mehr anzugehören, Blüten trägt, die so nie gewollt waren. Im konkreten Fall gibt es jemanden, der mein Insistieren auf Gefühle und Bedürfnisse als so schmerzhaft empfunden hat, dass die Person den Kontakt zu mir abgebrochen hat.

Marshall Rosenberg sagt gern, „die ersten 30 Jahre sind die schwersten“, und erntet damit viele Lacher. Ich finde es schwierig empathisch zu bleiben (mit mir und mit anderen…), wenn Menschen in meinem engeren Umfeld reagieren als sei ich einer Sekte beigetreten. „Ich will nicht wieder hören, dass ich zu blöd bin um das mit den Bedürfnissen zu kapieren!“, hörte ich jetzt sinngemäß. Ja, das kann ich von ganzem Herzen verstehen. Niemand möchte sich selbst als blöd ansehen. Es sind unsere Wölfe, die uns so verurteilen, die uns Vorwürfe machen, wenn wir vermeintlich nicht perfekt sind. Und auch das ist unsere eigene Einschätzung, die wir von uns annehmen oder uns dagegen wehren. Das Entscheidende ist, dass ich weder sage oder auch nur denke, du bist zu blöd, sondern dass andere in ihrem Kopf aus meinen Worten filtern, „ich bin zu blöd…“. Gefangen im Kosmos, entweder bin ich Scheisse (oder zu blöd…) oder du bist Scheisse, und dann hab ich lieber keinen Kontakt mehr mit Dir, bevor ich so etwas Schmerzhaftes über mich denke. Und eben das erfüllt mich mit tiefer Verzweiflung. Es geht doch gerade darum, aus diesem Weltbild auszusteigen. Und nun führt mein Beitragen wollen dazu, dass das Imperium im Kopf zurückschlägt.

Ach, Marshall, noch 26 Jahre, bis ich mit solchen Aussagen umgehen kann? Noch 26 Jahre, bis ich in der Lage bin, dann empathisch auf mein Gegenüber zuzugehen, die Herzen (wieder) zu öffnen? An Tagen wie heute zweifle ich, ob ich das jemals schaffe. Doch in meiner Giraffengemeinschaft, umgeben von meinen Freunden, die die gleiche Sprache sprechen, merke ich: Ich bin nicht allein. Und gemeinsam schaffen wir es.

Heute will ich mir ins Gedächtnis rufen, dass ich nicht allein bin. Wir sind viele, die um die Haltung ringen. Und ein unterstützendes Gespräch ist immer nur einen Anruf entfernt.

Feierstunde

Guten Morgen, Welt!

Meine Kernkompetenzen liegen darin, Dinge zu strukturieren und aufzubereiten. Ich kann Dinge erfassen und umsetzen. Ich koche so, dass Gäste wenig übrig lassen. In meinem Repertoire überhaupt nicht vorhanden sind HTML- und SQL-Programmierungen.

Mein Kumpel, der zahme Hauswolf, kommentiert: Wie kann man einen Blog betreiben wollen, wenn man von solchen Dingen keine Ahnung hat…!

Tja, Wölfchen, das geht, wenn man Unterstützung hat. Vor drei Wochen hat mein GfK-Freund Gabriel die Leiste mit den Links in Ordnung gebracht. Da war nämlich ein unattraktives Durcheinander und Gedoppel. Neulich hat mein Technik-Freund, der Lange, etwas eingebaut, mit dem man die letzten Kommentare an der Seitenleiste sehen kann, eine Mini-Vorschau sozusagen. Und gestern ist meiner Freundin Tabasco das Zauberkunststück gelungen, eben diese Mini-Vorschau in eine ansprechende Form zu bringen. Aus geheimnisvollen Gründen funktioniert das jeweils oberste Link bisher nur, wenn man nicht auf den Autorennamen, sondern auf den Beginn des Kommentars klickt, aber es funktioniert und es sieht klasse aus!

Da komme ich rein in den Blog und sehe, wie andere mich unterstützt haben, hier gefummelt, da gestöbert, hier eine Zeile rausgenommen und dort was geschraubt und ich spüre einen ganzen Cocktail an wunderbaren Gefühlen: Freude, Wärme, Begeisterung, Erleichterung, Jubel, Dankbarkeit und Demut. Meine Bedürfnisse nach Unterstützung, Gesehen werden, Schönheit, Ordnung, Struktur, Wertschätzung und Leichtigkeit sind auf wunderbare Weise erfüllt, und auch mein Bedürfnis nach Autonomie. ICH kann das machen mit dem Blog und mancherlei anderen Aktivitäten, weil andere mich unterstützen und mir zur Seite stehen. Und das ist ein wunderbares Gefühl!

So long!

Ysabelle

Empathie und Spiegelneuronen

Früher glaubte man, Spiegelneuronen würden nur auf Bewegungen ansprechen. Nun konnte der Biopsychologe Christian Keysers vom Neuro-Imaging Center im niederländischen Groningen nachweisen, dass die Nachahmerzellen auch dann feuern, wenn Berührungen oder Emotionen wie Ekel betrachtet werden. Wer beim Anblick der Vogelspinne auf James Bonds Brust eine Gänsehaut bekommt und angewidert erstarrt, in dessen Hirn führen die Spiegelneuronen Regie. Der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist nur eine Frage der Quantität. Während beim Fühlen einer echten Spinne Tausende von Haut-Sinneszellen aktiviert werden, feuern beim Zusehen nur wenige Spiegelneuronen. Entdeckt wurden die Gehirnzellen mit dem Drang zur Imitation 1991 in einem Versuchslabor im italienischen Parma. Eigentlich wollte der Neurologe Vittorio Gallese damals nur testen, wie das Gehirn eines Affen arbeitet, wenn das Tier nach einer Erdnuss greift. Mit Elektroden zapfte er einzelne Hirnzellen an und untersuchte ihre Reaktion. Zu Galleses Überraschung feuerten bestimmte Neuronen im Affenhirn nicht nur dann, wenn der Makake zugriff – sondern auch, als der Forscher die Hand nach der Erdnuss ausstreckte.
Aus  „Zeit online“

Millionen Gehirnzellen sind daran beteiligt, wenn wir denken, fühlen, handeln, nach einer Erdnuss greifen. In allen Menschen (von denen, die einen anderen Gehirnaufbau haben, einmal abgesehen) funktioniert das Gehirn nach dem gleichen Muster. Wir können mitfühlen, weil in unserem Gehirn bestimmte Zellen aktiviert werden, wenn wir etwas sehen.Das ist das Geheimnis der Empathie: Ich fühle, was du fühlst. Wir sind also hirnorganisch dazu bestimmt, mitfühlende Wesen zu sein.

Trotzdem sind nicht all unsere Gespräche von Mitgefühl bestimmt. „Wann hat das angefangen?“ fragt der Arzt, wenn wir über Herzbeschwerden reden. „Wie konntest du nur…!“, mahnt die Mutter, wenn das Kind in ihren Augen etwas falsch gemacht hat. „Das haben Sie mal gut hingekriegt“, sagt der Chef. Was haben diese Äußerungen gemeinsam? Sie sind weit weg von Empathie. Sie sind gesteuert vom Intellekt. Fast scheint es so, als können wir uns in der Welt von Richtig oder Falsch abkoppeln von unserer mitfühlenden Seele und auf einen Beurteilungsmodus schalten. Als wählten wir einen anderen Gang im Auto.

Es scheint uns natürlich, Dinge einzuordnen in Richtig oder Falsch. Du bist falsch oder ich bin falsch. Eine andere Möglichkeit sieht dieses System nicht vor. Wir sind völlig entkoppelt von unserer Empathie. Wie können wir auch empathisch zuhören, wenn der andere sagt: „Was du tust, tut mir so weh!“ Wie können wir empathisch bleiben, wenn wir hören: „Du bist zu dumm zum Milch holen“. Unsere Empathie bleibt auf der Strecke, wenn jemand zu uns sagt: „Das liegt in deinem Charakter, dass du immer so übergriffig bist. Das solltest du mal ändern…“

Zu den schwersten Übungen in der Gewaltfreien Kommunikation gehört für mich das empathische Zuhören, das empathische Aufnehmen von solchen Aussagen. Ich arbeite viel mit einer kleinen eingeschweißten Liste, auf der Gefühle und Bedürfnisse stehen. Wenn es möglich ist, greife ich zu der Liste und versuche abzuhaken, welche Gefühle und Bedürfnisse ich beim anderen wahrnehme. Sie ist ein Hilfsmittel, ein Instrument, das mich darin unterstützt, beim anderen zu sein.

Und immer öfter greife ich nach der Liste, um zu gucken: Wie geht es mir, wenn ich das höre? Was brauche ich, wenn jemand so mit mir spricht?

Heute will ich mich daran erinnern, dass ich in erster Linie dafür zuständig bin, mich um mich zu kümmern. Wenn ich anderen Empathie entgegen bringen will, brauche ich eine verlässliche Beziehung zu mir selbst, um mir in jedem Moment treu sein zu können.

Wortschätzchen: Ungeduldig – heute mit einem Ausflug in die Sprachwissenschaften

Wie – ungeduldig? Das ist doch ein ganz normales Wort! Na klar, es hat zehn Buchstaben, damit endet dann auch schon die Normalität. Als ich heute über das Verhalten eines bestimmten Menschen in meinem Umkreis nachdachte, „hörte“ ich mich denken: „Sie ist so ungeduldig“, und dann läuteten bei mir die Alarmglocken.

Welche Beobachtung gehört zu „ungeduldig“?
Tja, meine Lieben, dann wird die Luft dünn!

Als ihr in einer Arbeit etwas auffiel, sagte sie solche Sachen wie „ich verstehe das nicht“ und ihr Tonfall war dabei genervt, (Achtung, Bewertung…!).
Ich nahm ihre Gefühle wahr als

Ärgerlich
ein bisschen frustriert
genervt (sicher auch ein Wortschätzchen wert…)
kribbelig
ruhelos
streitlustig
unter Druck
unbehaglich
unzufrieden
widerwillig

oh oh! Heute ist es mal ganz schwer mit meinen Beobachtungen. Mir kommt es doch so vor, als ob das eine oder andere doch einen leicht bewertenden Zungenschlag hat. Da ist es mir schon leichter, die (unerfüllten) Bedürfnisse zu benennen:

Effizienz
Klarheit
Verstehen
Leichtigkeit

in welchen Situationen würde ich mich selbst als ungeduldig bezeichnen? Als ich vorige Woche versucht habe, etwas mit Dropbox hochzuladen und es klappte nicht. Da war die vorherrschenden Gefühle Frustration, Ohnmacht und Wut. Meine Bedürfnisse waren Effizienz, Leichtigkeit, Autonomie (kann ich all alleine…) und Selbstvertrauen. Das muss doch gehen…

Je länger ich mich mit dem Thema Wortschätzchen befasse, desto interessanter finde ich einzelne Worte. Vor allem inspiriert mich die Konnotation. Und weil ich diesen Begriff so schick finde, hier gleich die Wikipedia-Erklärung dazu:
Konnotation im Sinne von Nebenbedeutung
In der Sprachwissenschaft, genauer in der Semantik, bedeutet Konnotation die Nebenbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks. Im Vordergrund der Betrachtung steht meist die Konnotation von einzelnen Wörtern. Man kann aber auch „Wort-, Satz- oder Textkonnotationen beschreiben.“. In der Wortsemantik bezeichnet Konnotation die zusätzliche gedankliche Struktur, die die Hauptbedeutung (die Denotation, das Denotat) eines Wortes begleitet und die stilistischen, emotionalen, affektiven Wortbedeutungskomponenten enthält – also das, was bei der Verwendung eines Begriffs bewusst oder unbewusst noch mitschwingt.
Konnotation wird mitunter von einer bloßen Assoziation abgegrenzt, die im Gegensatz zur Konnotation nicht zur eigentlichen Bedeutung gehört, jedoch als deren Begründung(en) anzusehen sein soll. So hat das Wort Köter im Vergleich zu Hund eine negative Konnotation. Der Gedanke an Flöhe bei Hund soll nur eine Assoziation sein. Richtig erscheint zudem die Unterscheidung zwischen konventionalisierter und rein individueller Konnotation.
Kulturelle Abhängigkeit
Konnotationen des gleichen Wortes können sich je nach Sprecher, Sprechergruppen (zum Beispiel Pensionsbesitzer) und Kultur unterscheiden.
Durch einem ursprünglich neutralen Begriff quasi „schleichend“ zugeschriebene Beibedeutungen über Zeiten und Kulturen hinweg kann es zu einem Bedeutungswandel und zur Bedeutungsumkehr kommen, beispielsweise bei den Begriffen Regime und Weib.
Ein Verfahren, mit dem die Konnotationen erforscht werden können, die eine Versuchspersonengruppe mit einem beliebigen Wort oder mit einem anderen Stimulus verbindet, ist das semantische Differential. Bei diesem Verfahren werden Versuchspersonen gebeten, zu einem Wort (Stimulus) auf einer Skala von Gegenbegriffen anzukreuzen, wie stark für sie eine vorgegebene Skaleneigenschaft zutrifft. So kann etwa das Wort „Mutter“ auf Skalen wie „groß….klein“, „stark….schwach“ eingestuft werden. Bearbeitet man mit einer Versuchspersonengruppe eine ganze Reihe solcher Skalen für ein Wort oder einen anderen Stimulus, etwa Berufsgruppen, erhält man eine durchschnittliche Einstufung, die anschließend Vergleiche zwischen verschiedenen Gruppen von Personen zulässt.
Individuelle Unterschiede
Konnotationen sind nicht nur charakteristisch für Personengruppen. Aufgrund unterschiedlicher Lebenserfahrungen können die persönlichen Konnotationen bei bestimmten Ausdrücken sehr verschieden ausfallen. Wer etwa unter der Obhut einer liebevollen Mutter aufgewachsen ist, hat beim Wort „Mutter“ wahrscheinlich andere Konnotationen als jemand, dessen Mutter ihr Kind misshandelt hat.
Beispiele
•    Verschiedene Konnotationen sind eine Methode, um Synonyme zu unterscheiden (bzw. ein Grund, warum es keine „echten“ Synonyme sind). So teilen die Wörter „Quacksalber“, „Onkel Doktor“ und „Halbgott in Weiß“ alle die Denotation „Arzt“, aber unterscheiden sich durch die Konnotationen („taugt nichts“, „familiäre Beziehung“, „kann alles, oder glaubt das zumindest“).
•    Vielzitiert ist der Ausspruch Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose von Gertrude Stein, mit dem auf die verschiedenen Konnotationen des Begriffes angespielt wird. „Eigentlich“ ist die Rose nur eine Zierpflanze, mitschwingende Bedeutungen sind hier Liebe, Wohlgeruch, Vergänglichkeit und verschiedene politische Bedeutungen sowie Schmerz durch die „mitgedachten“ Stacheln.
•    Eigennamen sind üblicherweise nicht konnotativ, da sie nur Individuen, aber nicht deren Eigenschaften bezeichnen. Ausnahmen bilden Eigennamen von wichtigen Orten, Personen oder sonstigen Sachverhalten, die Konnotationen erhalten können, zum Beispiel Mallorca, Hitler und Atombombenexplosion.

Na, was sagt Ihr dazu? Welche Konnotation, welchen Beigeschmack hat für Euch das Wort ungeduldig?

Ysabelle

Nachklapp, eine Stunde später.

Ich glaube, ich hatte ein Urteil an Bord. Man darf nicht ungeduldig sein, jedenfalls nicht, wenn es um andere Menschen geht. Also, mit mir selbst muss ich keine Geduld haben (wa?), aber mit anderen… und da mein Gegenüber vermeintlich keine Geduld mit jemand anderem hatte, war das also schlecht…

Worte sind schon was Spannendes!

Der Nomade

Hallo ihr Lieben!

Vor ein paar Jahren habe ich diese kleine Geschichte geschrieben, die ich nach wie vor sehr spannend und aktuell finde. Ich möchte gar nicht viel dazu sagen, würde mich aber sehr über Kommentare freuen, weil man sehr viel hineinlesen kann.

Wie geht es euch mit diesen Zeilen? Findet ihr euch darin wieder? Welche Assoziationen weckt der Text in euch?

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Markus

Der Nomade

Hinter mir erstreckt sich eine kahle Eiswüste, soweit mein Auge reicht. In dieser unwirtlichen Tundra können sich nur die härtesten und zähesten Gewächse behaupten. Manchmal regnet es für Wochen nicht, oder die Sonne entscheidet sich, ein halbes Jahr lang woanders zu scheinen. Die Temperaturen können hier innerhalb von 24 Stunden so ruckartig fallen, dass unachtsame Tiere schon in Eisblöcke gefroren wiedergefunden wurden. Wolfsrudel die sich vielleicht niemals in die Nähe einer Zivilisation wagen würden, finden hier so wenig Futter, dass ihre zerlumpten und ausgemergelten Jäger vor nichts halt machen, sie würden weder eine Maus verschmähen noch vor einem Mammut Angst haben. Also alles in allem nicht gerade eine Gegend, in der man gerne wohnen würde.

Die wenigen menschlichen Siedlungen auf die man dann doch vereinzelt stoßen kann haben alle ihre eigene Methode entwickelt, um mit diesen Bedingungen umzugehen. Manche bilden lose Verbünde, unterstützen sich gegenseitig bei der Jagd oder Nahrungssuche, ohne sich jedoch auch nur im mindesten einander anzunähern. Jeder ist sich selbst der Nächste heißt es. Diese Bündnisse zerfallen meistens noch schneller, als sie entstanden sind, wenn einer daraus einen persöhnlichen Vorteil ziehen kann.

Dann gibt es die Eremiten, zähe Einsiedler die ihre Nische gefunden haben und irgendwie zurechtkommen. Sie vermeiden die Jagd und leben eher von dem, was sie der Natur durch ihre Schläue abtrotzen. In Höhlen gezüchtete Pilze, essbare Farne, seltene Vogeleier – sie wissen oft ganz genau, wie sie in dieser lebensfeindlichen Welt überleben können. Ich habe schon von einem Jungen gehört, der drei Jahre in einer Höhle überlebt hat indem er die moosigen Wände abgeleckt hat. Ich selbst habe einige dunkle Monate auf ähnliche Weise zugebracht, deswegen kann ich auch aus Erfahrung nicht viel gutes berichten. Ich habe existiert, überlebt, dahinvegetiert – bessere Bezeichnungen fallen mir für diese Zeit nicht ein.

Schließlich gibt es noch die Wanderer, Nomaden wenn man so will. Sie haben irgendwann die Entscheidung getroffen, dass es nicht schlimmer kommen kann, selbst wenn sie in einer Talsenke von Wölfen zerrissen würden. Oft entstammen sie den bereits erwähnten Zweckverbünden, dann erregt ihr Weggang keinerlei Aufsehen, oder sie lebten in den noch selteneren Großfamilien.

In diesen Patriarchaten herrschen Tradition und Strenge. Einige wenige profitieren von uralten Gesetzen die, wie in Stein gemeißelt, das Geschick der Sippe bestimmen. Der Rest fürchtet sich vor dem Zorn der Götter oder dem Ausschluss aus dem Stamm, vielleicht hoffen einzelne, selbst einmal das Zepter in die Hand zu nehmen oder sie wurden mit ähnlichen Versprechen nach Macht geködert.

Aus diesen Sippen gibt es kein einfaches Weggehen. Jedes Mitglied wird gebraucht um nicht zu sagen benutzt, jeder ist vom Anderen abhängig und auf eine gewisse Weise unentbehrlich. Deswegen sind es nur ganz wenige und zumeist junge Leute, die es wagen aus diesen menschlichen Teersümpfen auszubrechen. Sie haben erkannt, dass das Leben mehr zu bieten haben sollte als Dienen und schuften. Sie klammern sich an den naiven Glauben, dass die Sonne irgendwo mehr Kraft besitzt als hier in der Steppe. Und sie haben irgendwann angefangen, den Zweifeln Raum zu geben. Den Zweifeln an der Unfehlbarkeit des alten Greises an der Spitze. Den Zweifeln an der Gottgewolltheit der Traditionen und des Schicksals.

Sie glauben nicht mehr länger daran, dass hinter den Bergen die Welt aufhört und es nichts gibt, was sie dort finden könnten. In den meisten Fällen ist ihre Sippe irgendwann mit einem anderen Nomaden in Kontakt gekommen, vielleicht hatte er sogar das Glück, nicht als Dämon gesteinigt zu werden. Und ob er nun dieselbe Mundart beherrschte oder nicht, er pflanzte in diesen jungen Leuten Zweifel.

Er war von „außerhalb“, das alleine war schon unerhört, wo doch jeder wußte, dass es außerhalb der Sippe nur Barbaren und gottlose Dämonen gab, vielleicht noch ab und zu wilde Tiere aber sicher keine menschlichen Wesen. Wenn sich die Ältesten nun in diesem Punkt irrten….

So fing der Zweifel auch in mir zu wachsen an. Neben meinen festverwurzelten Überzeugungen an die Tradition, die Gemeinschaft und die herrschende Autorität fing ganz langsam, zunächst sogar von mir selber unbemerkt, die Saat des Zweifels an ihre Wurzeln der Vernunft zu treiben und zu blühen.

Irgendwann war es mir unmöglich, das Versteckspiel länger mitzumachen. Bei den wöchentlichen Rezitierungen der unfehlbaren Tradition durch unseren allweisen Führer schrien plötzlich fremde Gedanken so laut in mir, dass ich Angst hatte, alle um mich herum würden es hören. Dennoch dauerte es sehr lange, bis ich den Mut fand, diesen neuen Stimmen Gehör zu schenken. Was sie mir zu sagen hatten war so unfassbar und so radikal neu, genausogut hätten sie mir weißmachen können, oben wäre unten oder ich würde in Wirklichkeit seit meiner Geburt schlafen und mir mein Leben nur erträumen.

Und in der Tat waren die Stimmen von ganz ähnlicher Qualität. Nun würden bestimmt viele diese Stimmen Lügen strafen und ihnen nicht weiter zuhören. Ich war versucht, ebenso zu tun. Aber etwas in mir zögerte. Irgendeinem Teil von mir war bereits bekannt, was diese neuen Stimmen sagten und es fühlte sich auf eine nicht zu beschreibende Art vertraut an.

Vielleicht taugt dieses Beispiel: Stellt euch vor, ihr wärt unter lauten Farbenblinden aufgewachsen. Schwarz, Weiß und vielleicht Grau sind die einzigen Schattierungen, in denen alle um euch herum denken, das einzige, von dem sie euch erzählen. Und plötzlich kommt jemand und nennt euch alle Farben des Regenbogens, betrachtet mit euch einen Sonnenuntergang oder die einzige Blume in tausend Meter umkreis. Und das diffuse Gefühl, das ihr schon seit eurer Kindheit mit euch herrumtragt, wird plötzlich zu einer Gewißheit. Ihr lernt, eurer eigenen Wahrnehmung zu trauen und nicht mehr den verkrüppelten Vorstellungen der halbtoten um euch herum. Ihr lernt, Farben selbst in den endlosen Eiswüsten zu erblicken, das Licht zu betrachten, das sich in schmelzendem Eis bricht, die Schönheit des Lebens statt das aschfahlem Grau des Todes zu entdecken….wenn ihr begreift, wie sich dieser Prozess anfühlt, dann könnt ihr erahnen, wie es mir erging.

Es dauerte noch sehr lange, bis ich mich traute, aus der Gemeinschaft fortzulaufen. Es war nicht ungefährlich, da Verräter bei uns normalerweise zu ihrem eigenen Besten gesteinigt und verbrannt werden – auf diese Weise wird ihre unsterbliche Seele gerettet vor dem, was der erkrankte Körper ihr durch seinen Verrat antun würde.

Da ich an meinem Körper sehr hänge, beschloss ich, heimlich fortzugehen. Als die anderen schliefen stahl ich mich davon mit ein paar gestohlenen Vorräten und sonst nur dem, was ich an Lumpen am Leibe trage. Ich kann nicht sagen, wie lange meine Flucht nun schon dauert. Mein Gedächtnis sagt mir, dass ich noch keinen Sonnenzyklus lang unterwegs bin, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich schon mein ganzes Leben lang laufe.

Die letzten Wochen habe ich damit zugebracht, ein steiniges Gebirge zu überqueren. Einmal wäre ich fast in eine Eisspalte gerutscht, aus der es alleine kein Entkommen gegeben hätte, aber die Götter waren mir wohl noch einmal gnädig. Ich habe inzwischen soviel abgenommen, dass ich wahrscheinlich als wandelndes Gerippe durchgehen würde, sofern ich überhaupt jemals wieder auf Menschen treffen sollte. Vor Hunger plagen mich manchmal Halluzinationen die für mich realer sind als alles andere. Und an einem scharfen Felsen habe ich mein Bein aufgeschnitten das mir jeder Schritt schmerzt.

Aber wie ich diese Zeilen in mein Tagebuch schreibe sitze ich hier unweit des Gipfels und werde für alles entschädigt.

Vor mir fallen die Berge steil ab und zu ihren Füßen beginnen Gewächse die scheinbar endlos reichen. Ein Grün bedeckt den Boden dass ich bisher nie erblicken durfte, am Rand meines Blickfelds sehe ich übermannshohe Gewächse, braun und Grün und so lebendig das mein Herz schreien möchte vor Freude. Und in weiter weiter Ferne sehe ich Rauch aufsteigen. Rauch bedeutet Menschen, bedeutet Leben, bedeutet Wärme!

Bei diesem Anblick festigt sich erneut mein Entschluss, weiterzugehen. Ich werde diese Menschen erreichen, und wenn es das letzte ist was ich tue.

Diese Aufzeichnungen lasse ich hier in dieser Höhle zurück, einen Tagesmarsch entfernt von diesem wundervollen Anblick, in der Hoffnung, dass ein anderer junger Nomade sie finden mag. In der Hoffnung, dass sie dich bestärken mögen, weiterzugehen und nicht umzukehren. Höre auf die Stimme deines Herzens, dein Ziel ist nicht mehr weit. Und wenn du diese Aufzeichnungen ebenfalls einen Tagesmarsch zurück in die Eiswüste tragen magst, so wird vielleicht irgendwann dieses ganze gottverlassene Tal von all den armen, traurigen und erbärmlichen Menschen verlassen werden, für die dieses Gefängnis jetzt noch die ganze Welt darstellt.

Wer weiß, vielleicht werden wir uns jenseits dieses Gebirges eines Tages begegnen, in einer freien und freundlicheren Welt.

Vielleicht werde ich sogar irgendwann die Kraft haben, in das Tal zurückzukehren um von meiner Reise zu berichten, in der Hoffnung, Gehör zu finden und weitere Blumen in offene Herzen auszusäen.

6. September 2008

Gewidmet allen Zweiflern die ihren Sinnen trauen wollen!

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Wortschätzchen: Ausgenutzt

Diese Rubrik macht mir so richtig Freude! Für ein paar Tage hatte ich einen alten Giraffenfreund mit Familie zu Gast und wir sprachen über eines der hier beschriebenen Worte. Es war so schön zu beobachten, wie im Gehirn ein Schalter umgelegt wurde. Mein heutiges Wort lief mir in einer Leserbrief-Spalte einer Zeitschrift über den Weg. Eine Frau beschrieb, dass ihr Freund mit seinen Kumpels fröhlich feiert, während sie in der Küche sitzt und am nächsten Tag die Bude aufklart. Die Leserbrieftante schrieb zurück: Sie sind frustriert und fühlen sich ausgenutzt, und ich dachte: NEIN!

Ausgenutzt – was für ein großartiges Wort! Nur mit Gefühlen hat es nicht viel zu tun. Es ist mal ganz klar eine Bewertung. Und zwar keineswegs immer eine „schlechte“. „Wir haben das schöne Wetter ausgenutzt und sind an die Ostsee gefahren“ – da braucht sich doch niemand Gedanken zu machen, oder? Es heißt, wir haben einen Vorteil in der aktuellen Situation gefunden und angewandt. „Nutzen Sie die günstigen Zinsen!“ – Klar, wenn ich gerade bauen will, nutze ich es aus, dass die Zinsen gerade auf einem historischen Tiefststand sind (Fiktion, Leute!) Ausnutzen heißt also, mir aus einer Situation einen Vorteil zu verschaffen.

Kehren wir nun zu der Frau zurück, die in der Küche wartet, bis die Party zu Ende ist, und dann den Dreck wegräumt.

Ich kann nur vermuten, was in der Frau lebendig ist. Der Wolf, der etwas von „ausgenutzt“ jault, hat vielleicht folgenden Text drauf:

Immer muss ich hier die Dreckarbeit machen, und du säufst mit deinen Kumpels. Was ich mache, ist dir total egal. Was du von mir verlangst, steht in keinem Verhältnis zu dem, was du gibst. Ich reiß mir hier den Hintern auf und es kommt nichts zurück, keine Wertschätzung, keine Wärme, ja, du siehst nicht mal, wie viel ich für dich tue. Ich bin so müde, hier immer allein für Ordnung sorgen zu müssen! Dein Anteil an der Hausarbeit geht gegen Null, immer bleibt alles an mir hängen! Nie hast du Zeit für mich, immer hängst du mit deinen Kumpels ab…

Welche Gefühle mögen in ihr lebendig sein?

Ärgerlich
bitter
einsam
empört/entrüstet
frustriert
geladen
genervt
hilflos
lethargisch
mutlos
vielleicht perplex? Was mache ich hier eigentlich?
traurig
sauer
streitlustig
unbehaglich
unter Druck
verspannt
widerwillig
vielleicht auch zornig

Mensch, da ist ja ordentlich was los!

Jetzt kommen wir zur wunderbaren Weilverschiebung, von der ich gestern mal wieder schrieb: Nicht: Ich bin ärgerlich, weil du immer den Dreck produzierst und ich ihn wegmachen muss sondern: Ich bin frustriert, traurig, … weil ich eine Menge unerfüllter Bedürfnisse habe:
Verbindung
Ordnung
Beteiligung
Zugehörigkeit
Vertrauen
Leichtigkeit
Ausgleich
Anerkennung/Wertschätzung

Wie so oft merke ich gerade, wie meine erfühlte Empörung sich verflüchtigt und ich eine tiefe Trauer spüre. Die Bedürfnisse nach Verbindung, gesehen werden und Wertschätzung treten klar hervor.

Wie geht es Euch? Mögt Ihr die Gedanken ergänzen?

Ich-Treue und Du-Treue

Hallo ihr Lieben!

Als ich heute die Tagesmeditation von Ysabelle gelesen habe musste ich an meine eigene Situation denken. Vor ein paar Monaten stand ich vor einer sehr wichtigen Entscheidung. Es ging im Wesentlichen um eine tiefgreifende Veränderung in meinem Leben, die viele in meinem Umfeld schockiert hat.

„Wie kannst du nur heute so ganz anders denken, wenn du dich doch damals aus freien Stücken für diesen Weg entschieden hast. Wie kannst du jetzt guten Gewissens sagen, dass dein Versprechen nicht mehr gilt?“ bekam ich zu hören.

Es geht hier um nichts geringeres als um Treue, einen Wert den ich sehr hoch schätze, und um die Frage wie Treue mit Veränderung zusammenpasst. Ich fand für mich eine wichtige Unterscheidung zwischen Treue zu mir selbst und Treue zu etwas oder jemand anderem.

Ich-Treue bedeutet für mich, dass ich meinen Idealen und Werten entsprechend handle und mich so verhalte, wie ich es entsprechend dieser inneren Richtschnur als angemessen empfinde.

Du-Treue auf der anderen Seite heißt für mich, dass ich dir gegenüber ehrlich bin, dir meine Werte und die Bedürfnisse hinter ihnen zeige und versuche, mich danach auszurichten. Auf die Weise kannst du sicher sein, dass ich wirklich hinter dem stehe, was ich sage. Es kann heißen, mich mit ganzer Seele für etwas, das mir jetzt wichtig ist einzusetzen. Landläufig wird Du-Treue aber eher als Verpflichtung verstanden, alles so einzurichten, dass ich mich auch morgen noch nach dem ausrichte, was ich gestern gelobt habe. Beispiele sind die Ehe, die Religion oder die politische Einstellung.

Die Ich-Treue verletze ich in dem Moment, wo ich etwa aus Unachtsamkeit etwas sage oder mache, was nicht den Werten entspricht, die ich gerne leben möchte. Im Idealfall meldet mein Körper mir das zurück, etwa in Form von Traurigkeit und gibt mir die Chance, aus dieser Erfahrung zu lernen. Ich kann mich dann in mich selbst einfühlen und meine Bedürfnisse hinter dieser Handlung suchen um dann entweder meine Handlungen oder meine Werte zu überdenken.

(Wenn es nicht so ideal läuft werde ich mich vielleicht innerlich dafür verurteilen, „nicht nach meinen Werten zu leben“ oder etwas zu tun, was ich „nicht tun sollte“. Das kann zu einer inneren Blockade führen die meine Einsicht und Veränderung lähmt, weil ich mich dann nur noch damit beschäftige, als Angeklagter, Verteidiger und Richter über mich selbst aufzutreten.)

Mir ist nämlich wichtig, ein kohärentes, in sich stimmiges und fortlaufend mitwachsendes Wertesystem zu entwickeln. Der letzte Punkt ist für mich besonders wichtig, denn er berührt sehr entscheidend die Du-Treue. Wenn sich meine Werte entwickeln oder ändern werde ich mit dir erneut in Verhandlung darüber treten, was uns beiden wichtig ist und ob unsere bisherigen Strategien dafür noch taugen. Auf die Weise kann ich die Verbindung und die Tiefe in unserer Beziehung erhalten, die mir wichtig ist.

Äußerlich bin ich heute nicht mehr derselbe Mensch wie noch vor einigen Jahren. Um mir selbst treu zu bleiben habe ich mich verändert, ich habe neue Erfahrungen zugelassen und meine Innenwelt ist gewachsen. Mir selbst treu zu bleiben hat für mich bedeutet, frühere Entscheidungen erneut zu prüfen um festzustellen ob ich weiterhin zu ihnen stehen konnte.

Manchmal gab es fließende Übergänge, manchmal waren Erfahrungen aber auch so radikal und einschneidend, dass ich erst einmal Tabula rasa machen wollte.

Manchmal bedeutete es Anstrengung, weiterhin hinter früheren Entscheidungen zu stehen oder mich erneut für etwas anderes zu entscheiden. Immer bedeutete es innere Zwiespälte und Konflikte um abzuwägen, was von beidem angesagt war.

Hier ist die Methode der Selbstempathie wirklich ein wertvolles Werkzeug um festzustellen, was hinter den warnenden inneren Stimmen steht. (Gerhard Rothaupt hat auf seiner Internetseite einen Text zu dem Thema „Angst – Wegweiser zur Freiheit oder ins innere Gefängnis“ veröffentlicht, den ich dafür sehr hilfreich finde)

Ein Beispiel damit es anschaulicher wird:

Vielleicht sind mir Gemeinschaft und Freundschaft wichtig und ich entscheide mich dafür, Samstags mit Freunden einen Videoabend zu machen, vielleicht mögen sie alle Action und wir schauen deswegen entsprechende Filme.

Wenn ich mich nun entscheide, gewaltfrei zu leben und inneres Wachstum anzustreben, dann werden diese Werte vielleicht verletzt, wenn ich mir einen brutalen Actionfilm anschaue. Vielleicht werde ich in der folgenden Nacht Alpträume haben oder mich an einzelne furchtbare Szenen aus dem Film erinnern und unwohl fühlen.

Wenn ich diese Erfahrung ernst nehme kann ich meine Gefühle und Bedürfnisse zur Sprache bringen und habe die Chance mich zu verändern. Vielleicht erkenne ich, dass mir die Gemeinschaft mit diesen Menschen auf genau diese Art und Weise viel wichtiger ist als Gewaltfreiheit und ich ändere mein inneres Wertekonzept entsprechend. Oder wir einigen uns beim nächsten Mal auf einen sanfteren Film. Im Extremfall könnte es vielleicht sogar bedeuten, mir andere Freunde zu suchen wenn unsere Werte sich nicht in Übereinstimmung bringen lassen.

Auf diese Weise bleibe ich mir zuallererst selber treu und kann dann mit dir in Verbindung gehen.

Ich habe in der Vergangenheit die Vorstellung verinnerlicht, dass es so etwas wie feste Versprechen gibt, die unter allen Umständen eingehalten werden müssen. Diese Vorstellung berücksichtigt nicht die Dynamik im menschlichen Leben – innere und äußere Umstände ändern sich, Werte entwickeln sich, Erfahrungen kommen hinzu oder werden in neuem Licht gesehen.

Um wirklich alle Erfahrungen angstfrei und ohne vorgefertigte Meinung zu betrachten, finde ich es deswegen nützlich, die äußere Realität wie sie sich mir darstellt auch dann akzeptieren, wenn sie von dem abweicht, was ich bisher als meine innere Realität annehme. Das bedeutet für mich der erste Schritt der GFK, die Beobachtung.

Nur wenn ich treu zu mir selber stehe kann ich auch ehrlich mit dir in Verbindung treten. Wenn wir beide uns immer aufs neue darüber austauschen, was uns wichtig ist und wo wir in unserem Streben danach Überschneidungen haben, werden wir wahrscheinlich die Herzensverbindung länger halten können als wenn wir sie als unbedingte Verpflichtung ansehen. Und wir werden uns einander offen zeigen können, weil wir keine Angst haben müssen vor dem, was wir in uns spüren, wir müssen uns nicht schämen für das was wir denken, glauben oder fühlen. Wenn wir dazu fähig sind werden wir auch von Veränderungen nicht überrascht werden, weil wir ehrlich zu uns sein durften.

Markus

Ist Verlässlichkeit ein Bedürfnis?

Hallo ihr Lieben!

Ich glaube ich kann gut nachvollziehen, warum Respekt und Verlässlichkeit für viele Menschen wichtig sind. Gleichzeitig bin ich mir bei diesen und einigen anderen Bedürfnissen nicht wirklich klar, ob sich nicht eine Strategie eingeschlichen hat, nämlich dass mein Gegenüber sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält.
In dem Moment, wo ich Bedürfnis und Strategie vermische gebe ich sehr viel Macht über mein Leben aus der Hand, weil ich dann nicht mehr sehe, wie ich mein Bedürfnis auf andere Weise erfüllen könnte.
Wenn ich aber in mich gehe und versuche herauszufinden, warum ich mir z.B. von meiner Partnerin Verlässlichkeit wünsche dann merke ich vielleicht, das es etwas mit mir zu tun hat.

Damit, dass ein Teil von mir sich auf etwas bestimmtes einstellen können möchte, sicher sein möchte, dass sich meine Bedürfnisse erfüllen, das nicht irgendeine unangenehme Überraschung dazwischen kommt.

Wenn ich ehrlich zu mir bin bräuchte ich diese Sicherheit und Verlässlichkeit im Grunde nicht, denn sie stellen Strategien dar, mir meine Bedürfnisse zu erfüllen. Ein anderer Weg wäre zum Beispiel möglich wenn ich genügend Selbstvertrauen hätte. Damit meine ich das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, mit jeder Situation auf die ich treffe umgehen zu können. Ich könnte zum Beispiel jeden Moment – ob schön oder nicht – einfach akzeptieren und annehmen. Oder ich entscheide mich, selbst dafür zu sorgen, dass sich meine Bedürfnisse erfüllen – zum Beispiel auch indem ich eine Bitte an mein Gegenüber stelle und klar mache, was ich grade brauche.

Eine GFK-Trainerin aus Hamburg sagte einmal, dass Bedürfnisse in Schichten kommen. Nach außen sieht vieles wie ein Bedürfnis aus was ich für mich, intern, noch tiefer ausbuddeln kann. So stellt jede Schicht eigentlich eine Strategie dar bis ich beim ultimativen Grund-Bedürfnis ankomme (Glücklich sein oder wie auch immer man das nennen möchte). Bis dorthin kann ich mich immer fragen: Welches Bedürfnis erfüllt sich für mich wenn … gegeben ist?
Unterm Strich würde ich für mich sagen, dass ich mir Verlässlichkeit, Respekt, Sicherheit und vieles mehr von anderen wünsche, aber ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich eines Tages nicht mehr darauf angewiesen sein werde, weil ich dann hoffentlich in mir selber diese Sicherheit und das nötige Vertrauen in das Universum und mich selber haben werde.

Bis das soweit ist möchte ich üben, konkrete Bitten zu stellen, damit mein Gegenüber weiß, wie er dazu beitragen kann, dass mein Leben schöner wird.

Markus

Sei dir selber treu

Und diese Regeln präg in dein Gedächtnis:
Gib den Gedanken, die du hegst, nicht Zunge,
Noch einem ungebührlichen die Tat.
Leutselig sei, doch mach dich nicht gemein.
Den Freund, der dein, und dessen Wahl erprobt,
Mit ehrnen Haken klammr ihn an dein Herz.
Doch schwäche deine Hand nicht durch Begrüßung
Von jedem neugeheckten Bruder. Hüte dich,
In Händel zu geraten; bist du drin,
Führ sie, daß sich dein Feind vor dir mag hüten.
Dein Ohr leih jedem, wenigen deine Stimme;
Nimm Rat von allen, aber spar dein Urteil.
Die Kleidung kostbar, wie’s dein Beutel kann,
Doch nicht ins Grillenhafte: reich, nicht bunt;
Denn es verkündigt oft die Tracht den Mann,
Und die vom ersten Rang und Stand in Frankreich
Sind darin ausgesucht und edler Sitte.
Kein Borger sei und auch Verleiher nicht;
Sich und den Freund verliert das Darlehn oft,
Und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab.
Dies über alles: Sei dir selber treu,
Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage,
Du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.
Leb wohl! Mein Segen fördre dies an dir!


William Shakespeare, Hamlet, DRITTE SZENE, Ein Zimmer in Polonius‘ Hause

Um 1600 verfasste William Shakespeare das Drama mit diesem berühmten Monolog. Viele Stellen in dem Stück werden noch heute oft zitiert, so auch der folgende Passus:
Den von dem König und der Königin geschickten Höflingen Rosenkrantz und Guildenstern erklärt Hamlet: “There is nothing either good or bad but thinking makes it so.” (“An sich ist nichts entweder gut oder böse, sondern das Denken erst macht es dazu”) (II.2.250f). Nichts scheint an diesen Worten veraltet oder verstaubt, weder die Worte Hamlets, die das Herz eines jeden GfK’lers lachen lassen, noch die Worte von Polonius, der seinen Sohn Laertes verabschiedet. Am meisten hänge ich an dem letzten Absatz des Monologs, in dem Polonius seinem Sohn einen Rat gibt, den ich so schwer zu befolgen finde. Jahrelang hatte ich diesen Text  untermeiner Schreibtischunterlage, und wieder und wieder habe ich die letzten vier Zeilen gelesen.

This above all: to thine ownself be true,
And it must follow, as the night the day,
Thou canst not then be false to any man.
Farewell: my blessing season this in thee!

Sei dir selber treu, (…) du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.

Wie oft tun wir genau das nicht. Wie oft werden wir uns selbst untreu, wie oft fällt es uns schwer darauf zu vertrauen, dass wir so wie wir sind, richtig und willkommen sind. Wie oft nehmen wir uns zurück, wie oft sagen wir nicht, was wir wirklich denken, wie oft beschwichtigen wir uns selbst mir „so wichtig ist das nicht“ oder „ich will doch nur meine Ruhe!“

Was heißt das, uns selber treu sein?

In erster Linie bedeutet es, eine echte Verbindung zu uns selbst zu haben. Was sind meine Bedürfnisse? Wie geht es mir? Was brauche ich? Die wahre Verbindung zu anderen hat bei uns selbst seinen Ausgangs- und Endpunkt. Wie geht es mir, wie geht es Dir? Empathie ohne Verbindung zu mir selbst ist Co-Abhängigkeit, das habe ich in den letzten Monaten begriffen.

Wie können wir authentisch sein, wenn wir uns immer wieder zurücknehmen, aus welchen Gründen auch immer? Wie sollen wir Kraft schöpfen, wenn wir uns wieder und wieder verstellen, verbergen, nicht mit dem zeigen, was in uns lebendig ist?

Der Weg lautet „Weilverschiebung“.

Gelernt haben wir:

Mutti ist traurig, weil du

In der GfK erkennen wir:

Unsere Gefühle resultieren aus unerfüllten Bedürfnissen. Der nicht erfolgte Telefonanruf kann mich heute traurig machen, morgen mit Erleichterung erfüllen, denn heute bin ich einsam und brauche Gesellschaft, und morgen bin ich erschöpft und brauche meine Ruhe.

Ich bin (…), weil ich (…) brauche.

Die Verantwortung für dich liegt nicht mehr in meinen Händen. Ebenso bist du nicht mehr für meinen Frieden und meine Harmonie, mein Bedürfnis nach Nähe oder mein Bedürfnis nach Unterstützung verantwortlich.

Jetzt kann ich mir selber treu sein und mit Dir in Verbindung treten. Was brauche ich? Und was brauchst du? Wie kann ich dazu beitragen, dass dein Leben wundervoll wird? Und bist du bereit dazu beizutragen, dass mein Leben wundervoll wird – wenn ich einfach so sein kann, wie ich wirklich bin.

Heute will ich mir vor Augen halten, dass ich ein wunderbares Geschenk für andere Menschen bin, wenn ich mir selber treu bleibe.

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