Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: Ausgenutzt

Diese Rubrik macht mir so richtig Freude! Für ein paar Tage hatte ich einen alten Giraffenfreund mit Familie zu Gast und wir sprachen über eines der hier beschriebenen Worte. Es war so schön zu beobachten, wie im Gehirn ein Schalter umgelegt wurde. Mein heutiges Wort lief mir in einer Leserbrief-Spalte einer Zeitschrift über den Weg. Eine Frau beschrieb, dass ihr Freund mit seinen Kumpels fröhlich feiert, während sie in der Küche sitzt und am nächsten Tag die Bude aufklart. Die Leserbrieftante schrieb zurück: Sie sind frustriert und fühlen sich ausgenutzt, und ich dachte: NEIN!

Ausgenutzt – was für ein großartiges Wort! Nur mit Gefühlen hat es nicht viel zu tun. Es ist mal ganz klar eine Bewertung. Und zwar keineswegs immer eine „schlechte“. „Wir haben das schöne Wetter ausgenutzt und sind an die Ostsee gefahren“ – da braucht sich doch niemand Gedanken zu machen, oder? Es heißt, wir haben einen Vorteil in der aktuellen Situation gefunden und angewandt. „Nutzen Sie die günstigen Zinsen!“ – Klar, wenn ich gerade bauen will, nutze ich es aus, dass die Zinsen gerade auf einem historischen Tiefststand sind (Fiktion, Leute!) Ausnutzen heißt also, mir aus einer Situation einen Vorteil zu verschaffen.

Kehren wir nun zu der Frau zurück, die in der Küche wartet, bis die Party zu Ende ist, und dann den Dreck wegräumt.

Ich kann nur vermuten, was in der Frau lebendig ist. Der Wolf, der etwas von „ausgenutzt“ jault, hat vielleicht folgenden Text drauf:

Immer muss ich hier die Dreckarbeit machen, und du säufst mit deinen Kumpels. Was ich mache, ist dir total egal. Was du von mir verlangst, steht in keinem Verhältnis zu dem, was du gibst. Ich reiß mir hier den Hintern auf und es kommt nichts zurück, keine Wertschätzung, keine Wärme, ja, du siehst nicht mal, wie viel ich für dich tue. Ich bin so müde, hier immer allein für Ordnung sorgen zu müssen! Dein Anteil an der Hausarbeit geht gegen Null, immer bleibt alles an mir hängen! Nie hast du Zeit für mich, immer hängst du mit deinen Kumpels ab…

Welche Gefühle mögen in ihr lebendig sein?

Ärgerlich
bitter
einsam
empört/entrüstet
frustriert
geladen
genervt
hilflos
lethargisch
mutlos
vielleicht perplex? Was mache ich hier eigentlich?
traurig
sauer
streitlustig
unbehaglich
unter Druck
verspannt
widerwillig
vielleicht auch zornig

Mensch, da ist ja ordentlich was los!

Jetzt kommen wir zur wunderbaren Weilverschiebung, von der ich gestern mal wieder schrieb: Nicht: Ich bin ärgerlich, weil du immer den Dreck produzierst und ich ihn wegmachen muss sondern: Ich bin frustriert, traurig, … weil ich eine Menge unerfüllter Bedürfnisse habe:
Verbindung
Ordnung
Beteiligung
Zugehörigkeit
Vertrauen
Leichtigkeit
Ausgleich
Anerkennung/Wertschätzung

Wie so oft merke ich gerade, wie meine erfühlte Empörung sich verflüchtigt und ich eine tiefe Trauer spüre. Die Bedürfnisse nach Verbindung, gesehen werden und Wertschätzung treten klar hervor.

Wie geht es Euch? Mögt Ihr die Gedanken ergänzen?

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