Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Schland…

So können wir auch feiern. Das macht doch Spaß, oder? Diese Version gefällt mir besser als der Siegertitel von Lena Meyer-Landruth.

Hier ein Kommentar aus dem Hamburger Abendblatt:

Kommentar
Zeugnis des Scheiterns
Von Matthias Iken 15. Juni 2010, 05:42 Uhr

Von der Plattenindustrie kann man lernen, wie man stillos verarmt. Die Entwicklung des Internets und des MP3-Dateiformats hat die Branche in eine tiefe Krise gestürzt. Binnen zehn Jahren sank die Zahl der verkauften CDs in Deutschland von 210 auf 147 Millionen. Es dauerte Jahre, bis die Manager erkannten, dass Musiktauschbörsen im Netz juristisch kaum beizukommen ist. Und die erste Firma, die bewies, dass Nutzer im Netz zu zahlen bereit sind, war keiner der vier großen Musikverlage – sondern der Computerkonzern Apple. Das Internetzeitalter ist für die Musikindustrie ein Zeitalter des Scheiterns.

Und offenbar hat die Branche noch immer nicht begriffen, wie das Geschäft im Netz funktionieren kann. Zwar hat EMI mit dem harmlosen Stückchen „Satellite“ von Lena einen Erfolg gelandet. Doch seit diesem Coup sind die Hamburger Musikmanager ängstlich bemüht, alles verbieten zu lassen, was den maximalen Ertrag minimieren könnte.

In dieser Angst hat EMI nun auch noch ihre Juristen gegen eine Münsteraner Studentengruppe namens Uwu Lena losgeschickt. Die hatte Ungeheuerliches gewagt – in einer Spaßaktion den Lena-Song zur WM umgedichtet und zu „Schland O Schland“ aufgewertet. Binnen Stunden registrierte YouTube 500 000 Klicks. Weil die nicht genehmigte Coverversion das Urheberrecht verletzte, wurde der Song von den Webseiten entfernt.

Was juristisch richtig ist, bleibt wirtschaftlich töricht: Vermutlich wären die Musikmanager besser beraten gewesen, die Münsteraner kurzerhand unter Vertrag zu nehmen – und den Song für 99 Cent unters fußballvernarrte Volk zu streuen.

Inzwischen hat die Plattenfirma die Jungs unter Vertrag genommen, nächste Woche kommt die Scheibe raus.

Y.

Leben mit XXL

Jetzt ist Sommer, egal ob man schwitzt oder friert,
Sommer ist, was in deinem Kopf passiert,
es ist Sommer, ich hab das klar gemacht,
Sommer ist, wenn man trotzdem lacht.

Aus einem Song von den Wise Guys

Dieser Tage wurde ich Zeuge einer Diskussion, die mich zunächst ratlos machte. Es ging um einen Artikel in einer Frauenzeitschrift, in dem es sinngemäß hieß: Tolle Mode in XXL.
Ein großer Mann fand diese Zeile unerträglich. „Da ist von oben herab und heißt im Grunde nichts anderes als ,auch für solche Fettsäcke wie dich gibt e noch Klamotten zu kaufen‘.“

Ich schloß die Augen und hörte dem Mann zu. Die Worte verblassten in ihrer Wirkung, aber die Gefühle und Bedürfnisse wurden klarer. Der Mann spürte Schmerz, er war aufgewühlt, betroffen, bitter, geladen, sauer, streitlustig. Ich vermute, seine Bedürfnisse nach Respekt und Selbstvertrauen waren in diesem Moment im Mangel, die Gewissheit, so wie ich bin, bin ich in Ordnung.

„Wahrscheinlich reagiere
ich so intensiv, weil ich selbst damit ein Thema habe“, sagte der Mann schließlich.

Wie geht es mir, wenn ich so einen Vorgang beobachte? Ich bin irritiert, ich habe einen Impuls zu argumentieren, ich möchte darauf hinweisen, dass XXL eine Kleidergröße ist und sonst nichts, und dass die Konnotation, der Beigeschmack, in unseren Köpfen geschieht.
Was für ein Bild entsteht bei mir bei dem Begriff XXL? In mir entstehen Gedanken an einen großen starken Mann, an den ich mich ankuscheln kann. Eine Freundin, mit der ich darüber sprach, sagte, man muss doch das Kind beim Namen nennen. Hier steht doch nicht „moppelig“ oder „fett“. Ich habe selber Kleidergröße 48, natürlich trage ich XXL!

Zurück zu den Wurzeln. Was ist die Beobachtung? Da steht etwas von Kleidergröße XXL. Das ist die Bezeichnung einer Konfektionsgröße. Was in meinem Kopf dazu passiert, ist beeinflusst durch Erziehung, Kultur, persönlichen Geschmack…
Ich habe die Wahl, was ich höre. Höre ich auf dem Kritikohr, dass dem Mann die Überschrift nicht gefällt, bin ich in der Welt von Richtig oder Falsch. Oder bin ich bereit zu hören: ich spüre einen großen Schmerz, weil bei mir ein wichtiges Bedürfnis nicht erfüllt ist!

Heute bin ich bereit, hinter einer Kritik auf die unerfüllten Bedürfnisse zu hören.

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