Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Willkommen bei den Westküsten-News

Hallo, Welt!

Mein GfK-Freund Markus bereichert mein Leben mit Gedanken, die mir oft Klarheit schenken, Verbundenheit, Leichtigkeit und Wärme geben.
Jetzt habe ich ihn gebeten, ob ich den einen oder anderen seiner Gedanken hier mit aufnehmen darf und er ist einverstanden. Dabei hatte ich die Idee, dass er sie genau so gut selbst hier einstellen kann.

Hier also der Thread für den Austausch mit Markus.  Um schneller erfassen zu können, wer was geschrieben hat, sind Markus‘ Texte in dunkelblau dargestellt.

So long!

Ysabelle

Sei nicht nett, sei ehrlich…

„Alle Menschen werden ehrlich geboren und sterben als Betrüger.“
Luc de Vauvenargues, Réflexions et maximes

Gibt es Aufruhr unter Euch wegen dieses Zitats? Ich weiß nichts über den Verfasser, aber seine Worte sprangen mich sofort an. Vielen von uns fällt es schwer, ehrlich zu sein oder mit Ehrlichkeit umzugehen. Zwei Beispiele dazu.

Eine Kollegin von mir bat eine Spezialistin um eine Stellungnahme. Die Spezialistin fragte nach, in welchem Umfang sie antworten solle und ob es eine Vergütung gäbe. Als sie erfuhr, dass kein Honorar fließen würde, antwortete sie per Mail: ich habe genug zu tun und kann meine Freizeit auch anders verbringen.
Im Kollegenkreis löste diese Antwort heftige Gefühle aus. Die Wölfe jaulten: Unverschämt! Rücksichtslos! Frechheit!

Also waren offensichtlich die Bedürfnisse nach Rücksicht (vielleicht so etwas wie Einbezogen sein), nach Verbindung und nach Unterstützung im Mangel.

[ich gebe zu, ich habe innerlich über die Antwort gejubelt, sie erfüllte mein Bedürfnis nach Klarheit und Ehrlichkeit. Und! Die Expertin drückte etwas aus, was ich mich oft nicht traue].

Im zweiten Beispiel hatte eine Frau nach dem Verlust eines Familienagehörigen gesagt, nun müssten aber alle an einem Strang ziehen, um die Witwe zu unterstützen. Es könne nicht angehen, dass XY sich allein um sie kümmern müsse/solle. Alle anderen hätten ja schließlich auch ein eigenes Leben. das müsse man XY auch zubilligen.

Diese Aussage führte zu einem großen Zerwürfnis. Die Familienmitglieder kontnen die Worte nicht gut hören. In meinen Ohren klingt es „nur“ klar und ehrlich.

Was führt also dazu, dass wir nicht ehrlich sind, und was führt dazu, dass wir mit der Ehrlichkeit anderer manchmal so schwer umgehen können?

Ich vermute, dass Ehrlichkeit immer dann besonders schwer zu hören ist, wenn beim Empfänger mehrere Faktoren ins Spiel kommen.

1. Er fühlt sich bewertet

2. Es kommt keine (Herzens-) Verbindung zwischen Sprecher und Empfänger zustande.

3. Der Empfänger hört eine Forderung oder eine Drohung mit einem empfindlichen Übel

Im Fall der Familienauseinandersetzung waren die betroffenen Angehörigen vermutlich so mit ihrem Schmerz und ihren eigenen Bedürfnissen beschäftigt, dass sie die Sorge des Sprechers nicht wahrnehmen konnten. Ich vermute, die Angehörigen fühlten sich in ihrem Tun bewertet.
Vielleicht haben sie auch gehört, „das muss jetzt so und so gemacht werden, sonst… “ , also kam bei ihnen eine Forderung an.

Im Fall mit der Spezialistin lag es wohl an der fehlenden Verbindung. „Kann ich Sie irgendwie anders unterstützen? Vielleicht würde Kollege VY Ihnen weiter helfen?“ Wenn wir merken, dass unser Gegenüber unsere Belange genau so wichtig nimmt wie seine eigenen, können wir auch eine offene Absage besser verkraften.

Was brauchen wir selbst in einer Beziehung, um ehrlich zu sein?
Es ist die Gewissheit, dass die Verbindung nicht leidet, wenn wir uns für unsere eigenen Belange eintreten.


Heute will ich mir vor Augen halten, dass ich nicht verantwortlich bin für das, was andere hören, sondern für das, was ich sage. Ich möchte mich daran erinnern, dass es mir um Verbindung geht, und nicht um Recht haben.

Wortschätzchen: Ausgegrenzt

Was für ein gigantisches Wort! Ich sehe vor meinem inneren Auge ein prähistorisches Dorf mit strohgedeckten Rundhütten, umgeben von einem Kranz aus Pfählen zum Schutz vor Angreifern. Wehe, wer sich hier gegen die Dorfgemeinschaft stellte. Er wurde im wahrsten Sinne des Wortes ausgegrenzt, durfte nicht innerhalb der Einfriedung bleiben. Draußen war er schutzlos Feinden und wilden Tieren ausgeliefert. Eine tödliche Gefahr.

In verschiedenen Kulturen gibt es dieses „Ausgegrenzt sein“ bis heute. Die Betroffenen werden ignoriert, wie Luft behandelt, man sieht durch sie durch, reagiert nicht auf ihre Kontaktversuche. Die moderne Form des Ausgrenzens nennt man Mobbing.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, ein Herdentier. Er braucht Kontakt zu anderen. Babys, denen man diesen Kontakt, die Spiegelung verwehrt, sterben, das ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich erwiesen. Es sind unsere Spiegelneuronen, die hier anspringen und feuern. Wenn andere uns nicht mehr beachten, werden wir in unserem Tun nicht mehr gespiegelt. In ihrer Ver-Achtung oder Miss-Achtung liegt unser sozialer Tod.

Spiegelneuronen haben tief greifenden Einfluss auf unser Handlungsprogramm. Wenn andere uns nicht mehr sehen, hören wir praktisch auf zu existieren. Deshalb lohnt es sich, einen näheren Blick auf das Interpretationsgefühl „ausgegrenzt“ zu werfen.

Ich bin zögerlich, hier in eine Wolfsshow zu gehen.
Ich vermute, wenn ich mich „ausgegrenzt“ fühle, ist in mir ein tiefer Schmerz.

Gefühle:
Ängstlich
alarmiert
angespannt
apathisch
ausgelaugt
bedrückt
beklommen
deprimiert
dumpf
durcheinander
einsam
erstarrt
gelähmt
hilflos
mutlos
niedergeschlagen
teilnahmslos
bitter
verzweifelt
widerwillig
zornig

Ah, jetzt, nachdem ich einen Blick auf die Gefühle geworfen habe, lugt auch der Wolf unter dem Sofa hervor. Es ist Wolf außen, den ich erkennen kann, sozusagen der reine Outdoor-Wolf. Ihr seid Schuld, ihr schließt mich aus, ihr bezieht mich nicht mit ein!

Aus verschiedenen Lebenssituationen ist mir dieser Schmerz sehr vertraut. Doch heute merke ich immer schneller, dass mein Kopf schon wieder eine Bewertung einer Situation abgibt, die nicht selten ziemlich weit von der Beobachtung entfernt ist.
Welche Bedürfnisse sind also im Mangel, wenn ich mich „ausgegrenzt“ erlebe?

Gemeinschaft
Verbindung
Zugehörigkeit
Meine Bedürfnisse zählen genau so wie deine
Gesehen/gehört werden
Harmonie
Leichtigkeit
Je nach Situation vielleicht etwas so Elementares wie Obdach
Vertrauen und
Wertschätzung springen mich spontan an.

Mir stellt sich gerade die Frage, was ich denn tun kann, wenn all diese Bedürfnisse in Bezug auf eine einzige Person und ihr Handeln in mir im Mangel sind. Du beziehst mich nicht ein, du entscheidest alles allein, du nimmst überhaupt keine Rücksicht…

Ich merke: Wenn ich in Verbindung mit meinen tiefen Gefühlen bin, verliert sich das „ausgegrenzt“. Ich spüre Hilflosigkeit, Schmerz, Ohnmacht, Und diese Erkenntnis gibt mir meine Handlungsfähigkeit zurück. Ah, DAS ist also mit mir los! Und dann kann ich aktiv werden und mich für meine Bedürfnisse einsetzen.

Mögt Ihr diese Überlegungen ergänzen?

Cooles Teil

Hallo, Welt!

Guckt Euch an, was ich gestern in der Post hatte! Das ist doch mal cool und überhaupt nicht kitschig. Man kann es bestellen bei Chilledkröte und ich habe es am Wochenende in Amsterdam entdeckt. Es wird mir heute den Tag versüßen. Meist sind diese Giraffenartikel ja ein bisschen speziell und als einigermaßen erwachsener Mensch erweckt es in mir Unbehagen, mich damit so offensiv zu umgeben. So fand ich neulich ein Poster mit einer Giraffe im Sonnenuntergang. Sensationelles Foto, aber ich habe ich nicht getraut es zu kaufen. Schließlich sammel ich ja auch keine Gartenzwerge. Alles klar? Schon faszinierend, wie unsere sozialen Steuermechanismen funktionieren.

So long!

Ysabelle

Technik…

Hallo, Welt!

Heute muss ich sehr mühsam die schönen Dinge aus den Ecken zusammenkehren. Ich experimentiere mit dropbox.com herum und es funktioniert nicht so wie die Macher es in ihren Infos erläutern. Damit habe ich heute die Zeit verbracht, in der ich sonst die Tagesmeditation schreibe, und ich bin schwer frustriert.

Für heute reicht es mir. Ab Morgen habe ich für ein paar Tage Giraffenbesuch, mal sehen, wie ich dann zum Schreiben komme.

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Gewissensbisse

„Der Gewissensbiss ist, wie der Biss des Hundes gegen einen Stein, eine Dummheit.“
Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches II, 2. Aph. 38

Ist das nicht ein wunderbares Wort? Unser Gewissen ist also bissig. Das bedeutet wohl im Klartext, dass es zu Aggressionen neigt, und zwar uns selbst gegenüber. Ich kann entscheiden, in welchem Maul die Zähne dafür stecken: Ist es ein Schoßhündchen, das geradezu spielerisch an unserem Hosenbein schüttelt, oder ist es ein scharf gemachter Rottweiler, der, einmal von der Kette gelassen, nicht eher Ruhe gibt als bis er sein Opfer bezwungen hat?

Ein Freund von mir benutzt mit einem Augenzwinkern gern die Formulierung:
Wozu ist das denn gut? Also: Wozu dienen Gewissensbisse?

Ich vermute, wie ein Hütehund sollen sie uns auf Kurs halten. Da geht es lang!
Und jede Abweichung könnte uns in Gefahr bringen, aus der Gemeinschaft zu fallen.
Ich würde sie mal eindeutig dem Wolf zuordnen, und zwar Wolf innen.

Ton ab: Was hast du da wieder gemacht? Wie konntest du nur? Jetzt geht es XY schlecht, weil du…. Jetzt wird die Arbeit nicht fertig, weil du…

Alles klar? Ich habe offensichtlich etwas FALSCH gemacht.

Welche Gefühle sind in mir lebendig, wenn Dr. Wolf seine Anklagen auf mich niederprasseln lässt?

Ängstlich
angespannt
bedrückt
beklommen
dumpf
elend
miserabel
ernüchtert
gelähmt
hilflos
niedergeschlagen
schwer
sorgenvoll
überwältigt
verzweifelt

Und welche Bedürfnisse sind bei mir im Mangel, wenn all diese Gefühle in mir lebendig sind?

Mein erster Impuls geht zu
Zugehörigkeit.

Mein Wolf sagt mir, ich sei ausgestoßen.
Alles andere kommt dann vermutlich sehr auf die Situation an.
Passen würden vielleicht auch
Autonomie (darf ich entscheiden, was ich tun oder lassen will?)
Verbindung
Integrität
Kongruenz (handele ich meinen Werten entsprechend?)
Vertrauen
Sicherheit
Gesehen/Gehört werden
Leichtigkeit
Und vielleicht auch Harmonie.

Kein Wunder, dass ich mich so elend fühle, wenn all diese wundervollen Bedürfnisse im Mangel sind.

Mögt Ihr das ergänzen?

Jammerlappen und arrogante Fatzke

„Nicht jammern, sondern etwas tun.“
Original: „Nit jaumman sondern a wos tuan.“
Österreichisches Sprichwort

Dieser Tage hatte ich Kontakt mit einem Mann, der sehr verzweifelt war. „Meine Freundin hat mich verlassen, ich bin so allein! Jetzt bin ich in verschiedenen Single-Börsen registriert, aber da ist auch nichts los… Ach, wäre bloß das Wochenende vorbei und ich könnte wieder zur Arbeit gehen…“
Zusammen mit einigen Freunden machte ich ihm Vorschläge, wie er seine Situation verändern könnte. Doch das Klagen wurde mehr statt weniger, die einzige Strategie, die er zur Verfügung hatte, war „eine neue Freundin“.

Irgendwann wandte ich mich ab, ich spürte Wut und Verzweiflung und meine Wölfe jaulten einen schaurigen Gesang.

Da erinnerte ich mich an ein Interview mit Harald Reinhardt, das mir vor ein paar Wochen in die Hände gefallen war. Er ist Psychosynthese-Therapeut aus Köln. In dem Interview wies er darauf hin, dass es etwas mit unserem Schatten zu tun hat, wenn wir so intensiv auf andere Menschen reagieren. In seinem Beispiel ging es um einen „arroganten Fatzke“, der uns zur Weißglut treiben kann. Und seine Empfehlung lautete: Fühl dich doch einmal in den anderen ein! Was fühlt er? Ist da vielleicht etwas dabei, was Du dir selbst nicht zugestehst? Zu glänzen vielleicht, oder Raum einzunehmen?

Es war mir ganz leicht, mich in den klagenden Mann einzufühlen. Ich spürte seine Hilflosigkeit, seine Verzweiflung und seinen Schmerz. Und als ich mich mit seiner Strategie verbinden konnte, erlebte ich eine ungeheure Entlastung. Ich muss gar nichts tun, ich kann gar nichts tun… Ohne eine Partnerin wird das sowieso nichts…

Ich war in diesem Moment so erleichtert, keine Verantwortung für die Situation zu haben! Wie einfach das Leben auf einmal war, wie leicht, wenn ich das Opfer misslicher Umstände war… Ich war nicht Schuld, ich konnte nichts tun…

Auf diese Weise habe ich sehr intensiv gespürt, wie anstrengend und schwierig mein Leben manchmal ist, und wieviel ich mir oft abverlange. Ich spürte eine Sehnsucht in mir, mich fallen zu lassen und zu klagen. Ja vielleicht mir selbst gegenüber anzuerkennen, dass manche Tage hart sind, und dass ich manchmal keine Kraft mehr habe. Stattdessen toben in mir die Wölfe, ich solle nicht jammern, mich zusammenreißen, etwas tun, mich nicht hängen lassen. Mit anderen kann ich oft einfühlsam sein, mit mir selbst nur selten.

So kam es dazu, dass ich dem vermeintlichen Jammerlappen sehr dankbar war. Er brachte mich in Verbindung mit meiner zarten Seite, die ich mir im Alltag oft nicht zubillige.


Heute will ich darauf achten, was mich meine Urteile über andere Leute lehren. Was erlauben sie sich, was ich mir nicht zugestehe? ich bin dankbar für die Lektionen, die ich durch sie lernen darf.

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