Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: Ausgegrenzt

Was für ein gigantisches Wort! Ich sehe vor meinem inneren Auge ein prähistorisches Dorf mit strohgedeckten Rundhütten, umgeben von einem Kranz aus Pfählen zum Schutz vor Angreifern. Wehe, wer sich hier gegen die Dorfgemeinschaft stellte. Er wurde im wahrsten Sinne des Wortes ausgegrenzt, durfte nicht innerhalb der Einfriedung bleiben. Draußen war er schutzlos Feinden und wilden Tieren ausgeliefert. Eine tödliche Gefahr.

In verschiedenen Kulturen gibt es dieses „Ausgegrenzt sein“ bis heute. Die Betroffenen werden ignoriert, wie Luft behandelt, man sieht durch sie durch, reagiert nicht auf ihre Kontaktversuche. Die moderne Form des Ausgrenzens nennt man Mobbing.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, ein Herdentier. Er braucht Kontakt zu anderen. Babys, denen man diesen Kontakt, die Spiegelung verwehrt, sterben, das ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich erwiesen. Es sind unsere Spiegelneuronen, die hier anspringen und feuern. Wenn andere uns nicht mehr beachten, werden wir in unserem Tun nicht mehr gespiegelt. In ihrer Ver-Achtung oder Miss-Achtung liegt unser sozialer Tod.

Spiegelneuronen haben tief greifenden Einfluss auf unser Handlungsprogramm. Wenn andere uns nicht mehr sehen, hören wir praktisch auf zu existieren. Deshalb lohnt es sich, einen näheren Blick auf das Interpretationsgefühl „ausgegrenzt“ zu werfen.

Ich bin zögerlich, hier in eine Wolfsshow zu gehen.
Ich vermute, wenn ich mich „ausgegrenzt“ fühle, ist in mir ein tiefer Schmerz.

Gefühle:
Ängstlich
alarmiert
angespannt
apathisch
ausgelaugt
bedrückt
beklommen
deprimiert
dumpf
durcheinander
einsam
erstarrt
gelähmt
hilflos
mutlos
niedergeschlagen
teilnahmslos
bitter
verzweifelt
widerwillig
zornig

Ah, jetzt, nachdem ich einen Blick auf die Gefühle geworfen habe, lugt auch der Wolf unter dem Sofa hervor. Es ist Wolf außen, den ich erkennen kann, sozusagen der reine Outdoor-Wolf. Ihr seid Schuld, ihr schließt mich aus, ihr bezieht mich nicht mit ein!

Aus verschiedenen Lebenssituationen ist mir dieser Schmerz sehr vertraut. Doch heute merke ich immer schneller, dass mein Kopf schon wieder eine Bewertung einer Situation abgibt, die nicht selten ziemlich weit von der Beobachtung entfernt ist.
Welche Bedürfnisse sind also im Mangel, wenn ich mich „ausgegrenzt“ erlebe?

Gemeinschaft
Verbindung
Zugehörigkeit
Meine Bedürfnisse zählen genau so wie deine
Gesehen/gehört werden
Harmonie
Leichtigkeit
Je nach Situation vielleicht etwas so Elementares wie Obdach
Vertrauen und
Wertschätzung springen mich spontan an.

Mir stellt sich gerade die Frage, was ich denn tun kann, wenn all diese Bedürfnisse in Bezug auf eine einzige Person und ihr Handeln in mir im Mangel sind. Du beziehst mich nicht ein, du entscheidest alles allein, du nimmst überhaupt keine Rücksicht…

Ich merke: Wenn ich in Verbindung mit meinen tiefen Gefühlen bin, verliert sich das „ausgegrenzt“. Ich spüre Hilflosigkeit, Schmerz, Ohnmacht, Und diese Erkenntnis gibt mir meine Handlungsfähigkeit zurück. Ah, DAS ist also mit mir los! Und dann kann ich aktiv werden und mich für meine Bedürfnisse einsetzen.

Mögt Ihr diese Überlegungen ergänzen?

2 Reaktionen zu “Wortschätzchen: Ausgegrenzt”

  1. friedrich

    Hallo, Üps,
    da finde ich mich aber gleich und ganz stark wieder…
    verschiedentlich gemobbt, deshalb auch schon einen grundlegenden Wechsel im Arbeitsleben vollzogen, und im privaten Bereich auch davon betroffen. Betroffen gemacht hat mich allerdings die Erkenntnis, dass ich ausgrenzen selbst als Strategie in als besonders schmerzhaft erlebten Situationen verwende. Da kommt mein Wolf doch gleich ins jaulen: Du bist ja auch nicht besser! Ich habe ihn gleich wieder eingesperrt (und seinen Kumpel dazu, der mich fragen wollte, womit ich mein Verhalten jetzt rechtfertigen wolle) – mit den Worten, dass ich mir dabei sicherlich ein Bedürfnis nach Schutz (vor Schmerz?) erfüllen will.

  2. Ysabelle Wolfe

    Hallo, Friedrich,

    ich finde es immer wieder faszinierend, wie sich unsere Stimmung verändert, wenn wir den Gefühlen auf den Grund gehen, wenn wir bei uns selbst ankommen. Heute bin ich shon wieder über ein Wort gestolpert, das vermeintlich ganz viel über andere sagt und vermutlich noch viel mehr über mich… Dazu mehr in den nächsten Tagen.

    So long!

    Ysabelle

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