Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Im Reich der Fantasie

Hallo, Welt!
Wer sich auf den Augenblick konzentriert, lebt glücklicher, schreibt der Spiegel. Unter anderem heißt es in diesem Plädoyer fürs Hier und Jetzt:
Gleichzeitig stellten die Forscher fest, dass Menschen – unabhängig von ihrer Aktivität – weniger glücklich waren, wenn sie ihre Gedanken treiben ließen. Dies traf sogar zu, wenn sie an etwas Positives dachten. Eine weitere Analyse legte nahe, dass tatsächlich das Abschweifen der Gedanken zur schlechteren Stimmung führte – und nicht anders herum jemand sich gedanklich mit anderen Dingen beschäftigte, weil er unzufrieden war.

Was jemand gerade tat, beeinflusste das Glücksempfinden weniger als die Frage, ob er mit den Gedanken in der Gegenwart blieb. Die Forscher schreiben selbst, dass die Fähigkeit, sich gedanklich mit Vergangenheit, Zukunft und möglicherweise niemals eintretenden Ereignissen zu beschäftigen eine große evolutionäre Errungenschaft sei, die es Menschen erlaube, zu lernen, planen und überlegen. Aber dies habe einen emotionalen Preis: Der umherstreifende Geist sei ein unglücklicher, folgern sie. Wer dem entgegenwirken will, kann sich eventuell mit Meditation behelfen.

Das mal so als Vorspiel.
Gestern hatte ich einen Anruf einer alten Bekannten auf meinem Anrufbeantworter. Sie bat mich um einen Rückruf, sie wolle etwas mit mir besprechen. Heute Morgen grübelte ich, was sie denn vielleicht besprechen wollte. Der erste Gedanke war, uih, sie ist bestimmt aus irgendeinem Grund böse mit mir…  Dann fiel mir ein, dass sie ja gesagt hatte, es sei was Schönes. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt bemerkte ich, dass ich das Kaffeemehl gerade in die Katzennäpfe füllte. Na, fängt ja beides mit „K“ an… Unter der Dusche hatte ich dann die Lösung: Bestimmt hatte sie als angehende Lehrerin endlich eine Stelle. Die war bestimmt in meiner Stadt, und nun sollte ich ihr bei der Wohnungssuche behilflich sein. Und das Schöne daran wäre, dass wir uns öfter sehen können. Ich schätze mal, ich habe heiß geduscht und vermutlich die Haare gewaschen, jedenfalls erinnere ich mich, dass  ich sie gefönt habe… Als ich sie dann gegen 11 am Telefon hatte, stellte sich heraus, dass sie der Ansicht war, ich müsse noch ein Geschenk von ihr bekommen. Und nun hat sie mir eins aus Südafrika mitgebracht.

Zwei Stunden später war ich dann endlich bei mir angekommen. Ich bin in mein Lieblings-Cafe zum Frühstücken gegangen und habe jede Sekunde genossen. Da war kein Raum für Fantasie, sondern einfach nur Sinnlichkeit. Die Cremigkeit der Olivenpaste, die Süße der Möhren, die Apfelscheiben und die Weintrauben – himmlisch! Der Käse pikant, das Ei auf den Punkt gekocht. Über zwei Stunden habe ich mich mit all meinen Sinnen an diesem Frühstück gefreut, an den Farben, den Aromen, der liebevollen Zubereitung. Und schon lange habe ich mich nicht mehr so im Hier und Jetzt gefühlt. Eine wundervolle Erfahrung.

So long!
Ysabelle

Vexierbildern auf der Spur

Hallo, Welt!
Ich zitiere ja immer gern mein „du bist Scheiße, ich bin Scheiße“ und denke dabei an Marshall und seine drehende Handbewegung: Angry, guilty, depressed – wütend, schuldig, depressiv. Entweder du bist schuld, oder ich bin schuld… Auch dabei kann ich wie auf ein Vexierbild jeweils auf eine Seite schauen. Das erlebe ich zur Zeit sehr intensiv, und dass es so ist, möchte ich feiern.
Das erste Mal ist mit dieses Phänomen beim Lesen des Buches Befreiung vom inneren Richter von Byron Brown aufgefallen. Noch nie habe ich ein Buch so langsam gelesen wie dieses. Nach ungefähr zwei Drittel beschreibt der Autor eine Szene in einem Kaufhaus, in die eine erschöpfte Mutter und ein schreiendes kleines Kind involviert sind. Und wie auf Knopfdruck sprang mein Ich von einer Person zur anderen. Ich war die erschöpfte und genervte Mutter und ich war das Kind, dessen Bedürfnisse nach Autonomie, Effizienz, Beteiligung und Gesehen werden keinen Widerhall fanden. Ich erlebte intensiv die Gefühle beider Protagonisten und lernte am Ende des Kapitels, dass ich mich mit den Handelnden identifiziert hatte, kein Beobachter, nicht einmal ansatzweise objektiv war. Und das Zauberwort, es fiel hier schon mal vor ein paar Tagen, heißt Disidentifikation. Ich befreie mich von diesen Rollen und bin einfach.

Ich glaube, die Identifikation steht mir noch oft im Weg, wenn ich jemanden mit GfK unterstützen möchte. In gewisser Weise solidarisiert sich etwas in mir mit dem Handelnden oder Suchenden, ich mutiere zum Bernhardiner, der dem Verschütteten den Weg aus der Lawine zeigt. In mir lebt dann ein kindlicher Eifer, der mir unter Umständen den Blick auf das verstellt, was ist.

In dieser Situation, die mich die vergangenen Tage so beschäftigt hat, gab es ebenfalls dieses Wechselspiel an Identifikationen. Ich war Herr und Sklave, aber dir Identifikation mit dem Sklaven war um Faktor X stärker als die mit dem Sklavenhalter, und es war schwer für mich, mich mit seinen wunderbaren Motiven zu verbinden.

Feiern möchte ich, dass ich die Identifikation erkannt habe. Ich muss nicht darin verharren. Und ich möchte feiern, dass ich noch ein bisschen besser verstanden habe, was es bedeutet, in den Schuhen des anderen mitzulaufen.

So long!

Ysabelle

Respekt

Hallo, Welt!

Für eine GfK-Geschichte braucht man nur 40 Worte. Ich habe gestern viel mehr gebraucht, um den Ursachen für meinen Zimtstern-Anfall auf die Spur zu kommen. Und dann ging es mir wie mit der nassen Seife im Badezimmer – sie flutschte mir immer wieder weg, die Erkenntnis. Der Freund, der sich die Geschichte in Langfassung bei einem Spaziergang anhörte, fragte, was glaubst du, warum du es nicht festhalten kannst? Und in mir dachte es, da hängen irgendwo ganz tief so schmerzhafte Erfahrungen dran, mit denen mag ich gar nicht in Kontakt sein.

Herausgefunden habe ich, dass die auslösenden Sätze etwas mit meinem tiefen Bedürfnis nach Respekt zu tun haben. Ich brauche Respekt für mich und für andere. Und ganz deutlich merke ich, dass das eben noch etwas anderes als Wertschätzung ist. Wertschätzung geht für mich in eine Abteilung mit anerkennen von Sein, auch von etwas, das jemand getan oder unterlassen hat. Ich kann es wertschätzen, wenn mich jemand mit seiner Präsenz beschenkt. Respekt rührt bei mir an etwas Tieferes: An die Menschenwürde: „We hold this truth for selfevident, that all men are created equal“, heißt es in der amerikanischen Verfassung. Alle Menschen sind gleich, und wenn sich der eine über den anderen aufschwingt, löst das in mir einen tiefen Schmerz aus. Und daher auch mein gestriger Gedanke, „woran ist euer letzter Sklave gestorben?“. Ich spürte Wut, aber erst in dem Gespräch gestern Abend bin ich mit dem dahinter liegenden Schmerz in Verbindung gekommen. Ganz schön heftig. Aber auch hilfreich. Mir war ja klar, dass hinter der Wut etwas anderes sitzt…

So long!

Ysabelle

Rote & grüne Betriebsleuchten

Hallo, Welt!
Heute Morgen habe ich ein Telefongespräch geführt. dass mich aus der Bahn geworfen hat. Ich hörte sinngemäß Sätze wie: XY hat hier das Sagen. Und das kann sie auch. Sie hat den Überblick. Sie lässt sich da nicht von jemandem etwas vormachen oder über ihren Kopf hinweg bestimmen…
Mit all meinen Fähigkeiten klammerte ich mich daran, die Bedürfnisse zu hören: Autonomie, Klarheit, Respekt, vielleicht Ausgleich. Aber zum einen fiel es mir sauschwer, mich auf die Bedürfnisse zu konzentrieren, zum zweiten war ich so mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt, dass ich mich kaum im Zaum halten konnte. Am liebsten hätte ich gefragt, woran ist Euer letzter Sklave gestorben?

Ungefähr eine Stunde später streifte ich durch die Büroräume auf der Suche nach Keksen. Seit Ostern vor einem Jahr esse ich keine Naschies mehr, keine Gummitedddys, Schokoriegel, Lakritze oder Bonbons. Ich esse nach wie vor Dessert, gelegentlich ein Eis und Kuchen. Alles, was „richtig“ zubereitet ist. Ich habe eine ganze Packung Zimtsterne gemördert und sogar noch die Familienpackung Lampertz aus meinem Büroschrank geknackt. Wahrscheinlich längst abgelaufen, schmeckte auch schon etwas muffig.

Es ging mir erst eben auf, dass das eine Nachwirkung dieses Telefonats war. Ich konnte meinem Gesprächspartner deshalb keine Empathie entgegenbringen, weil mein eigener Tank komplett leer war! Die rote Betriebsleuchte blinkte. Ich möchte in den nächsten Tagen dringend herausfinden, welche Bedürfnisse da bei mir so in Mangel gekommen waren. Bestimmt Respekt, Wertschätzung und Autonomie, wahrscheinlich noch mehr. Früher hätte ich in solch einer Situation wahrscheinlich eine Tafel Ritter Sport Nougat vernichtet. Oder noch früher mir abends eine Flasche Wein reingezogen. Und dazu ne halbe Packung Zigaretten gequalmt. Dann doch lieber Zimtssterne. Ich wünsche mir für die nächsten Tage ein paar Giraffenohren zum Zuhören.

Heute Abend um 21 Uhr hatte ich eine Verabredung zum Telefonieren. Jemand hat mich gebeten, ihn zu einem bestimmten Thema zu coachen. Das werden wir in den kommenden Wochen zusammen versuchen. Es war wunderbar! Gemeinsam haben wir herausgefunden, warum es diesem Menschen so schwer fällt, eine bestimmte Rechnung auszustellen. Oh, hat mir das eine Freude bereitet! Es erfüllte meine Bedürfnisse nach Unterstützung, Verbindung, Wachstum, Gemeinschaft und Beitragen. Und mein Gegenüber war sehr zufrieden mit dem Ergebnis des Telefonats. Danach fühlte ich mich so friedlich, zufrieden, satt, warm und wohlig, dass der Stress von heute Morgen komplett in den Hintergrund trat. Er ist noch da, er will bearbeitet werden. Aber jetzt kann ich mich mit meinen angenehmen Gefühlen verbinden. Grüne Kontrollleuchte, alles easy.

So long!

Ysabelle

Junge Talente

Hallo, Welt!

Ich bin total stolz! Mein Sohn hat diese Glosse geschrieben und ich darf sie hier veröffentlichen.

Have fun…

So long!

Ysabelle

Hol mal Seife. Wir lieben solche klaren Anweisungen. Sie sind eindeutig. Man kann auch nichts mißverstehen. Selbst auf einem Samstag im Aldimarkt nicht. Die Anweisung ist konkret, machbar und zumutbar. Auf sowas stehen wir. Komplexe Probleme die konstruktive Lösungen erfordern. Warum komplex? Wir sind im Aldimarkt. Die werden dauernd umgebaut. Natürlich nicht alle gleichzeitig. Dann könnte man ja sein Lieblingsflauschiwauschitoilettenpapier schnell in jedem Markt finden. Nein, je nach Alter haben die andere Systeme. Also komplex. Wir brauchen solche Probleme. Wie ein Hund. Suchsuch! Such die Seife! Und wir gehen los. Gemessen an unserem Standort, Erfahrung mit Punkten wo man Seife findet und „Besetzung“ des Marktes mit anderen Menschen, die Seife kaufen wollen, wählen wir den kürzesten Weg, der uns in der kürzesten Zeit an den meisten Regalen vorbeiführt, um die Seife zu finden. Vorbei an älteren Damen die zuviel Parfüm von jungen Damen auftragen, Schichtarbeitern die wohl 2 Wochen auf Montage waren, oder zumindest so riechen und kleinen Kindern die sich einig sind, dass das Schokoladenregal ganz toll ist und zu meinem Glück keine Seife wollen.

Irgendwann werden wir dann fündig, und finden Seife. Nicht da wo sie früher stand, zwischen Badeschaum und Nudeln, nein, jetzt steht sie zwischen Erkältungstee und Katzenfutter. Da wo vor 2 Wochen noch das Flauschiwauschitoilettenpapier stand. Das einzige, was Männer in den Korb packen was rosa ist. Und sie stehen dazu. Keiner würde Toilettenpapier mit einer Körnung von 2-4mm und super Reibeigenschaften kaufen. Auch wenns praktisch wär. Nichtmal wir Männer, wirklich nicht. Aber ich schweife ab. Was sollte für Seife geholt werden? Genau, weiße Seife. Eine tolle Angabe. Wir haben uns nun zur Seife durchgekämpft und sehen… Aprikose. Sind Aprikosen weiß? Keine Ahnung, wer weiß schon was das ist. Hat es Fell? In der (durchsichtigen) Packung hat es jedenfalls die Farbe von meinem Flauschiwauschitoilettenpapier. Nicht weiß. Was haben wir noch? Banane. Igitt. Gelblich-weiß wie… ach lassen wir das. Damit will sich doch keiner die Hände waschen. War es Seife für die Hände? Das Spüli ist weiß. Vielleicht meinte Sie das? Der Badeschaum! Die Packung is weiß. Aber der Inhalt nicht. Der ist BMW-Blau oder Flauschiwauschitoilettenpapier rosa. Je nachdem.

Solche Aufträge hassen wir. Die nicht eindeutig sind. Quasi nicht durchführbar. Aber es gibt Dinge die wir noch mehr hassen. „Ach Muschi“ hört man hinter sich. Und nicht leise. Das hassen wir. „Dann nimm doch irgendeine, wenn die Weiße nicht da ist“. „Ach Muschi“, im Supermarkt. Nicht Hey Tiger (mit ai TAIGER! klingt besser) oder mein Bär! Nein… sowas kommt nur unter 4 Augen. Im Supermarkt sind wir Muschi.

Irgendwas läuft hier verkehrt. Hoffentlich schickt sie mich nicht noch zum Öl holen…

P.S.: Ich wusste gar nicht, dass Aldi rosa Toilettenpapier hat…

Es denkt

„Alles Denken ist unmoralisch. Sein eigentliches Wesen ist Zerstörung. Wenn Sie über etwas nachdenken, töten Sie es.“ –
Oscar Wilde, 3. Akt / Lord Illingworth

In den vergangenen Tagen habe ich Wortfetzen gesammelt, die mich zum Teil stundenlang beschäftigt haben. So hörte ich eine Frau sagen: Das bin ich meiner Schwester schuldig! Eine andere Frau hatte ein Hilfsangebot, das sie nicht akzeptieren wollte und begründete ihre Ablehnung mit: ich nehme keine Almosen! Und heute hörte ich einen Mann sagen: Und dann liege ich neben ihr im Bett und fühle mich ungeliebt, wenn sie nicht mit mir schlafen will. Da dachte ich bei mir: Es denkt!
Den Begriff „es denkt“ habe ich von Harald Reinhardt und Robert Betz abgelauscht. Und für mich bedeutet diese Formel: In mir sind Urteile lebendig, die mir etwas über mich und mein in-der-Welt-sein verraten. Zum Beispiel die Frau, die ihrer Schwester etwas schuldig zu sein meint. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie aus fröhlichem Herzen gibt. Vielmehr erledigt sie eine Ver-pflicht-ung, etwas von dem sie glaubt, dass sie es tun muss.
Oder die Frau, die keine Almosen annehmen möchte. Sie braucht Hilfe, ist bedürftig. Aber sie kann die angebotene Hilfe nicht annehmen, weil es in ihr denkt.
Auch der Mann, dessen Partnerin gerade keinen Sex möchte, hat einen Denker bei der Arbeit. Alle drei Menschen sind verstrickt in ihre Bilder von der Welt, die mit dem, was ist, nur wenig zu tun haben.
Gibt es eine Verpflichtung, eine Schuldigkeit, der Schwester zu helfen? Wer schafft sie? Wer entscheidet, wann es „genug“ geholfen ist? Ist das Anbieten einer Hilfeleistung ein Almosen, wenn der eigentliche Wunsch ein anderer ist? Ich wünsche mir, dass du mich einmal die Woche unterstützt. Du bist bereit, es einmal zu tun. Einmal nehme ich nicht, das ist ein Almosen… Es denkt…! Und der Mann, der sich nach Verbindung, Nähe, Zärtlichkeit sehnt, und dann zu dem Schluss kommt, ich fühle mich ungeliebt – welche Gefühle mögen in ihm lebendig sein, wenn er denkt, er sei ungeliebt? Ist er einsam, traurig, irritiert, besorgt und frustriert?

„Es denkt“ kann unser Leben mit einem giftigen Schleim überziehen. Doch es gibt ein Gegengift, dass aus dem Schleim ein wunderbares Gleitmittel macht. Sein Name: Bewusstheit. Wenn ich mir bewusst werde, dass es in mir denkt, kann ich mich von meinen Urteilen und vermeintlichen Gefühlen dis-identifizieren. „Ist das interessant, was es da in mir denkt!“ lautet die Zauberformel. Und dann werden die Gedanken zu Wegweisern zu meinen Bedürfnissen. Und wir gleiten hinein in einen Prozess, in dem unsere Bedürfnisse genau so zählen wie die der anderen.

Heute richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Vorgang, wenn es in mir denkt.

Ichbezogenheit

„Der Egoismus spricht alle Sprachen und spielt alle Rollen, sogar die der Selbstlosigkeit.“ François de La Rochefoucauld, „Reflexions morales“

Vergangene Nacht klingelte bei mir das Telefon. Ich schreckte aus dem ersten Schlaf hoch, taumelte aus dem Bett, suchte den Hörer. Da hörte das Läuten auf.
Später stellte sich heraus, es war jemand aus meiner Familie. XY wollte unbedingt wissen, ob ich nach einem Besuch bei ihr heil nach Hause gekommen sei. Um 00.04 Uhr.

Im Gespräch habe ich heute morgen klargestellt, dass ich um diese Zeit nur Anrufe wünsche, wenn Lebensgefahr besteht. Der Austausch von Informationen, die Beseitigung von Computerproblemen und ähnliches muss bitte bis zum nächsten Morgen warten.

Das ist eine neue Qualität in meinem Leben. Indem ich für mich und für mein Handeln Verantwortung übernehme, bin ich weniger ichbezogen. Ich brauche nicht mehr in jedem Moment Sicherheit, ich kann es besser ertragen, Dinge laufen zu lassen. Eine Freundin meldet sich nicht? Nun, dann melde ich mich halt. Und wenn etwas bei ihr nicht in Ordnung ist, gibt es in dieser Sekunde nichts, was ich dazu beitragen kann, um Dinge zu ändern. Sonst würde sie mich sicher darum bitten!
Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich privat schwer zu kämpfen hatte. Und allerlei Horrorszenarien tobten durch mein Hirn. Mein Onkel, ein Rechtsanwalt, hatte mich am Telefon mit Informationen versorgt. Ich war kaum zu beruhigen, sprudelte eine Schreckensvision nach der anderen hervor. Irgendwann sagte mein Onkel: Und wenn in Argentinien die Erde bebt, glaubst du auch du bist dran schuld…

So ist das, wenn man mit Beschädigungen zu kämpfen hat. Ich bin an allem schuld, ich bin für alles verantwortlich. Alles was geschieht hat etwas mit mir zu tun. Wenn das Telefon klingelt, werden meine Alpträume wahr. Der Kollege, der nicht grüßt, der Freund, der sich nicht meldet, der unwirsche Ton der Kassiererin im Supermarkt – ich kann alles auf mich beziehen. Ich kann. Aber ich bin nicht verpflichtet dazu.

Du bist Auslöser, nicht Grund für das Verhalten des anderen, lehrt uns die Gewaltfreie Kommunikation. Genauso sind die anderen nur Auslöser Deiner Gefühle, aber nicht die Ursache. Wenn ich mich mit dem Gedanken anfreunde, dass mit mir alles in Ordnung ist, dass ich zu jeder Zeit meines Lebens die Dinge so gut mache wie ich es gerade vermag, kann ich auch meine Ichbezogenheit loslassen. Sie gehört zu meinem alten Leben wie Kontrolle. Als ich mir noch jeden Schuh angezogen habe, der im Raum stand, habe ich tief in meinem Inneren auch geglaubt, das Verhalten anderer kontrollieren zu können – mit Selbstlosigkeit, Opfergeist, Verleugnung meiner eigenen Bedürfnisse und Wohlverhalten. All das kann ich heute hinter mir lassen und anstelle der Ichbezogenheit steht die Verantwortung für mich.

Heute führe ich mir vor Augen, dass das Verhalten anderer Menschen nichts mit mir zu tun hat. Ich übernehme Verantwortung für mein Verhalten. Das reicht.

There’s an app for that…

Hallo, Welt!

Als bekennende Mac-Maus kann ich an diesem wunderbaren Video nicht vorbei. Dabei kann ich es auf meinem IPad nicht sehen :-/ Blöde Technik!

Viel Spaß!
Ysabelle

Die normative Kraft…

„Viele Ausdauersportler sind Vegetarier, sie lehnen sogar das Sitzfleisch ab.“
Gerhard Uhlenbruck, Weit Verbreitetes kurzgefasst, Ralf Reglin Verlag Köln, Ausgabe 2002, 28. März 2003, ISBN 3-930620-40-5

Gestern war ich das erste Mal seit Juli im Sportstudio. Auslöser war ein Anruf in der vorigen Woche, in der ich gefragt wurde, ob ich noch Interesse an einem Schließfach hätte. Dieser Anruf erfüllte mir einige wunderbare Bedürfnisse. Zugehörigkeit, Beteiligung, Wertschätzung, Unterstützung und Leichtigkeit fallen mir spontan ein. In Anbetracht meines dezenten Muskelkaters heute habe ich mich gefragt, welche wundervollen Bedürfnisse ich mir in den vergangenen Monaten erfüllt habe, als ich nicht zum Sport gegangen bin. Leichtigkeit fällt mir als erstes ein. Ich brauchte nicht die Sporttasche mit zur Arbeit zu schleppen. Ruhe. Ich war abends oft so erschöpft, und hatte ja auch einen Kessel zu füllen, dass die Kraft einfach nicht reichte. Häufig ging es auch um Verbindung. Ich war mit jemandem zum Telefonieren oder Skypen verabredet und das wird schwierig, wenn ich erst um 22.15 Uhr nach Hause komme. Ich realisiere aber auch, dass ich mir selbst die Zeit für den Sport nicht zugestanden habe. Alles eine Frage der Priorisierung.
Je öfter ich hintereinander zum Sport gehe, desto attraktiver wird es zu gehen. Ich finde wieder Kontakt zu den Trainerinnen und anderen Fitness-Enthusiasten, ich genieße die Sauna und den Workout, meine Energie durch die größere Fitness, meine angenehme Müdigkeit nach dem Training und das Abfliessen von Spannung und Aggressionen. Je länger ich nicht hingehe, desto attraktiver wird es, nicht zu gehen. Die Leute werden mir fremd, alles scheint umständlicher, ich habe doch auch zu Hause genug zu tun. Heute bin ich eh so schlapp…
Um die Jahrhundertwende formulierte der österreichische Staatsrechtler Georg Jellinek die These von der „normativen Kraft des Faktischen“. Durch das „Faktische“, so Jellinek, werde aufgrund von Stabilitätsüberlegungen die „Norm“ der Realität angepasst. Da der Fakt ist, dass ich immer wieder nicht gehe, wird daraus eine Norm. Ist es Fakt, dass ich regelmäßig gehe, wird daraus eine Norm. Die Moral von der Geschicht: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Heute will ich etwas machen, das mir gut tut. Wenn ich heute daran Freude finde, werde ich es wiederholen.

Göttlich

„Die einen sagen, dass Gott existiert, die andern, dass Gott nicht existiert. Die Wahrheit wird, wie so oft, in der Mitte liegen.“ –
Matthias Beltz, Eigenes Konto

Ich habe ja schon einmal den folgenden Spruch zitiert:
Es gibt nur zwei Dinge, die du über Gott wissen musst:
1. Es gibt ihn.
2. Du bist es nicht.

Dieser Tage sind ein paar neue Gedanken über das Göttliche dazu gekommen. Am Wochenende war ich beim Treffen einer Selbsthilfe-Gruppe und hörte in vielen Wortbeiträgen, wie Menschen über sich selber urteilten. Sie sprachen von ihren „Mängeln“ und „Charakterfehlern“ und je länger ich ihnen zuhörte, desto unbehaglicher wurde mir zumute. Ist der Mensch ein Mängelexemplar? Dient es unserem Wohlbefinden, bei uns Fehler zu diagnostizieren? Heißt es nicht in der Bibel, „richtet nicht auf dass Ihr nicht gerichtet werdet“ und „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde“? Wie kann etwas mit uns falsch sein, wenn wir nach Gottes Bild geschaffen sind?
In der Vorstellung vieler Menschen sitzt Gott mit einer Excel-Tabelle auf einer Wolke und macht Striche für Sünden. Solch einen Gott kannte ich in meiner Kindheit auch. „Der liebe Gott sieht alles“ wurde da gedroht. Das wäre ja an sich nichts Schlimmes, aber nach Aussagen der Erwachsenen sieht Gott nicht nur alles, sondern urteilt im Handumdrehen. „Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort“, hieß es dann.
So erscheint mir dieser Gott heute wie der verlängerte Arm eines auf Dominanz ausgerichteten Staatssystems. Ein drohender, strafender Gott, eine höhere Macht, die mit Belohnung und Verdammnis operiert, hilft Menschen zu kontrollieren und in Schach zu halten.

Eine Frau sagte von sich selbst: „Wir haben das schlampig vorbereitet!“ Wie kann so eine Selbstbezichtigung dem Leben dienen? Wie können wir Dinge verändern, wenn wir nicht mit dem Leben verbunden sind? Welchen Nutzen hat so eine Selbstgeißelung?Ich glaube: Wenn wir uns selbst als fehlerhaft und Mangelexemplar betrachten, spielen wir Gott. Wir setzen damit das System von Strafe und Belohnung fort, das dazu dient, Menschen zu disziplinieren.

Heute bin ich bereit, alle Urteile über mich selbst und andere loszulassen.

Im Sportstudio

„Ein Freizeitsportler ist ein Mensch, der stundenlang seinen Körper stählen kann, der aber sein Auto im Halteverbot direkt neben dem Sportplatz abstellen muss, weil er zu schwach ist, um bis zum nächsten Parkplatz zu laufen.“
von Detlev Fleischhammel (dt. Theologe)

Dieser Tage bekam ich einen Anruf aus meinem Sportstudio. Ob ich noch immer an einem Schließfach interessiert sei, in dem ich Schuhe, Kosmetika und ähnliches verwahren könne? Ja, hurra! Das erspart eine Menge Schlepperei und in meiner Fantasie erhöht sich dadurch die Anwesenheitsquote.

Ein Freund bekam diesen Anruf mit und wetterte: Abzocke! Sportstudios verdienen am schlechten Gewissen! Da gehen die Leute ein paar Wochen hin und dann bezahlen sie nur noch dafür, dass sie kein schlechtes Gewissen haben müssen. Sie tun ja was, sie bezahlen ja fürs Sportstudio! Ein idiotisches Geschäftsmodell, für die Inhaber eine Lizenz zum Gelddrucken. Und nur wer blöd ist, geht ins Sportstudio! Das korrekte Geschäftsmodell wäre eine Zehnerkarte, aber dann funktioniert das Geschäft nicht…

Einen Moment war ich verblüfft über diese vehemente Stellungnahme. Dann fragte ich zurück: Bist du besorgt, dass ich für mein Geld keine Leistung kriege? Möchtest du sicher sein, dass sich die Investition auch wirklich lohnt und meiner Gesundheit dient?

„Ja, genau!“ Der Freund schaute verdutzt. Und ich war zufrieden. Weder mit mir noch mit meiner Entscheidung, mein Geld ins Sportstudio zu tragen, ist irgendetwas falsch. Und gleichzeitig hatte ich Verbindung gefunden, Fürsorge und Wertschätzung für mein Wohlergehen.

Heute bin ich bereit zu hören, welche unerfüllten Bedürfnisse sich hinter einer Aussage verbergen.

Übervoll

Hallo, Welt!
Die vergangenen drei Tage waren so prall gefüllt mit neuen Eindrücken, Begegnungen, Gesprächen, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Die Patientin aus meiner Familie ist aus dem Krankenhaus entlassen. Ich habe sie heute besucht und dort herrscht Chaos. Es wäre besser gewesen, sie hätte stationär bleiben können, denn ohne Haushaltshilfe bleibt an der schwer kranken Frau viel Hausarbeit hängen und der Pflegedienst macht eben nur Pflege, setzt Spritzen und wechselt Verbände, aber putzt kein Waschbecken… Oh, ist das schwer zu ertragen, wenn man das Bedürfnis nach Ordnung, Sauberkeit und Struktur hat und sich nicht selbst darum kümmern kann, es aber auch kein anderer tut…

In den nächsten Tagen möchte ich mich zum Thema Hirngespinste auslassen. Eine Bekannte schrieb mir heute,

Ich bin auf der Rückfahrt noch bei meiner Mutter in
E. zu Besuch gewesen und habe dort noch
Bohnensuppe mit Würstchen gegessen, sie hat sich
gefreut und meine Fantasie, sie wollte nicht, dass ich
komme, war – altes – Hirngespinst. Ich sehe gerade,
das ist ein tolles Wort: Hirngespinst, allein das auszu-
sprechen, schon ein Abenteuer.

Das Thema spricht mich sehr an, denn ich habe auch einen Haufen Spinnweben im Hirn.

Außerdem bebrüte ich das Thema „Bestellungen beim Universum“. Ziemlich lange habe ich mich geärgert, dass in meiner Küche nach dem Umbau im Jahr 2005 in einer Ecke die Scheuerleisten fehlten. Zwischendurch hatte auch der Tischler mal den Auftrag, das zu erledigen, aber diese Ecke hat auch er übersehen. Am letzten Tag meines Urlaubs kriegte ich eine Mail von einem Freund:

HALLO YSABELLE
ALLES IST GUT
WENN DU AUS DEINEM URLAUB NACH
HAUSE KOMMST
DAS ICH DIE ARBEITEN ERLEDIGET HABE
DIE DU ALS WUNSCH GEÄUSSERT HAST
DA WÄHRE
1 FUSSLEISTEN ANGEBRACHT
2 SILIKON FUGEN IN DER DUSCHE ERNEUERT
3 BEIM BRETT WO DIE KATZENKLOS DRAUF
STEHEN HABE ICH 2 ROLLEN MITTIG ANGEBRACHT

Ich habe mich so gefreut, mir kamen die Tränen! Solche Jobs sind für mich eine so große Herausforderung, dass ich mich nicht ranwage. Aber ich habe um Unterstützung gebeten und sie bekommen. Woran liegt es, dass es mir so schwer fällt, um Unterstützung zu bitten? Ich bekomme ganz oft, was ich erbitte. Allein, ich traue mich nicht zu bitten. Ist das nicht krass?

Die Zwangspause in Sachen Blog schreiben hat mir gut getan. Ich bin wieder motiviert und freue mich auf den Abend und die Zeit vor der Tastatur. Gleichzeitig möchte ich es nicht mehr so in Zwang ausarten lassen. Don’t do anything if it’s not fun! Und! ich möchte gern wieder zum Sport gehen. Da ich noch keinen Weg gefunden habe, um mich zu teilen, werde ich irgendwo Abstriche machen. Vielleicht werden es dann weniger Beitrage. Mal schauen.

Das wars für heute. Nichts Tiefschürfendes. aber ein Update. Ich muss auch nicht jeden Tag Literatur produzieren. So!

So long!
Ysabelle

Wortschätzchen: Hintergangen

Hallo, Welt!

Was für ein prächtiges Wort, H*I*N*T*E*R*G*A*N*G*E*N*
Ich schnappte es gestern bei einer Veranstaltung auf, als eine Frau sagte, „ich fühlte mich hintergangen“. Sofort lief mein Kopf heiß, ich hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie sie sich fühlte.

Ich habe mal die Fantasie, dass der Begriff eigentlich aus einem militärischen Zusammenhang stammt und dass jemand, den man von vorn erwartete, plötzlich von hinten kam oder eben hinter einem vorbeigezogen war. Auf jeden Fall hat es etwas mit Heimlichkeiten zu tun. Während meine Augen nach vorn gerichtet sind oder waren, ist etwas geschehen, was ich nicht gesehen habe. Mal sehen, inwieweit es mir gelingt, diese Fantasie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, aber das mache ich nicht via IPad.

Nun also der nähere Blick auf die Gefühle. Wie könnte sich jemand fühlen, der von sich sagt, er fühle sich hintergangen?
Je nach Typ vielleicht
Ärgerlich
Alarmiert
Angespannt
Angstvoll
Bedrückt
Betroffen
Bitter
Durcheinander
Einsam
Ernüchtert
Erschreckt/erschüttert
Hilflos
Sauer
Traurig
Schockiert
Streitlustig oder teilnahmslos

Das Geschehene kann uns entweder lähmen oder beflügeln, nehme ich mal an.
Überwältigt
Verzweifelt

Das könnte es so grob gewesen sein. Ich merke immer wieder, wenn ich versuche, mich bei so einem Wort einzufühlen, dass es doch sehr auf Typ und Situation ankommt. Manchmal mag heller Zorn lodern, bei anderen bricht schwarze Depression aus. Meine Findungsbemühungen sind daher eher als Anregungungen zu sehen, was dahinter stehen könnte.
Bei den Bedürfnissen sprang mich eines als erstes an:
Sicherheit
War eigentlich Kontrolle ein Bedürfnis? In meiner Handliste steht es nicht.
Vertrauen
Integrität
Vielleicht Kongruenz, kommt auf die Situstion an.
Ehrlichkeit
Klarheit
Beteiligung
Zugehörigkeit
Harmonie

Das sind so die wesentlichen Bedürfnisse, die mir dazu einfallen.

Mir ist außerdem in den vergangenen Tagen sehr intensiv aufgefallen, wie sehr wir unser Leben Elend gestalten können, wenn wir bestimmte Sachen von uns oder anderen denken. Denke ich, dass ich hintergangen wurde, bin ich in der Opferhaltung. Und *richtig* wäre gewesen, wenn der Gegenspieler in dieser Angelegenheit offen und direkt gewesen wäre. Dabei verkennt das *Opfer* die wunderbaren Absichten des Handelnden. Egozentrierte Weltsicht, möchte ich mal etikettieren.
Wenn ich mich entscheide zu denken, ich sei hintergangen worden, dann füge ICH mir Schmerz zu. Sage ich aber als Beispiel, XY hat Geld vom gemeinsamen Konto abgehoben und es für Glücksspiel ausgegeben, liegt darin überhaupt keine Bewertung meiner Person. Ich kreiere diese Bewertung selbst, wenn ich sage, ich wurde hintergangen…
Ich merke mittlerweile, dass ich solche selbstschädigenden Äußerungen immer seltener benutze und nur noch sehr gelegentlich denke. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

So long!

Ysabelle

Sicherheit

Schattenspiele

Hallo, Welt!
Neulich Abend legten wir in einem Vorort von Nancy an. Im Backofen schmorte ein Kürbis-Kartoffelauflauf, der Tisch war gedeckt. Einer der Mitreisenden ging von Bord, um den Hafenmeister zu suchen, denn wir wollten gern per Landanschluß Strom beziehen.
Die Minuten vergingen und sehnsüchtig blickte ich auf den Platz hinüber, auf dem ein paar Autos standen. Dahinter eine Straße und auf der anderen Straßenseite eine Bäckerei und offenbar noch andere Geschäfte. Es juckte mich, einmal draußen herumzuschnuppern, aber nein, das Essen war ja fertig und der Mitreisende würde jeden Augenblick wieder kommen und vielleicht den Hafenmeister oder zumindest eine Info wegen des Stroms mitbringen.
Nach einer halben Stunde mischte sich unter meine Ungeduld Wut und Sorge. Und als der Mitreisende nach 50 Minuten schwer bepackt in der Salontür stand, war mir die Lust auf ein gemeinsames Abendessen und einen gemütlichen Abend komplett vergangen. In mir tobten die Wölfe.
Ganz bewusst lud ich mich ein, meinen eigenen Wölfen zuzuhören. Er sollte nicht so lange weg sein! Er sollte sich anders abmelden, wenn er einkaufen gehen will! Er ist rücksichtslos und egoistisch. Wir sitzen hier und warten mit dem Essen und er macht einfach was er will…
Als erstes merkte ich, dass das Argument mit dem Essen vorgeschoben war. Erstens war ich noch nicht verhungert, zweitens hätten wir an Bord jederzeit beschließen könne, ohne Nummer 4 anzufangen.
Dann räumte ich mir gegenüber ein, dass ich selber so gern einkaufen gegangen wäre. Diesen blöden Joghurt, den Nr. 4 gekauft hatte, wollte ich nicht. Ich wollte anderen, und ich wollte Creme Brulee aus der Kühlung, und köstliche Pasteten und Terrinen aus der Fleischabteilung.
Und dann musste ich erkennen:
Ich hatte ein Bedürfnis Autonomie nicht ausgelebt. Ich hatte es mir verkniffen, draußen rumzustromern. Ich hatte „brav“ gemacht was ich dachte tun zu „müssen“. Und Nr. 4 hatte im Grunde meine Bedürfnisse ausgelebt, das was ich mir nicht zugestanden hatte. Er war zu meinem Schatten geworden, er lebte meine verdrängten Anteile aus. Mein vernebeltes Wolfsdenken hatte daraus gemacht, wenn ich mir schon die Erfüllung meiner Bedürfnisse verkneife, dann sollten andere auch ihre Bedürfnisse nicht ausleben dürfen. Wo kommen wir denn da hin?
Vermutlich in den Himmel… An dem Tag, an dem jeder von uns für seine Bedürfnisse die Verantwortung übernimmt, leben wir im Paradies.

So long!

Ysabelle

Verständigung

Hallo, Welt!

Endlich wieder online! Hatte ich nicht vor dem Urlaub überlegt, ob ich vielleicht ein Blog-freie Zeit einlegen sollte? Und erschien es mir nicht wie Fahnenflucht? Nun, seit Montagmorgen hatte mich O2 vom Netz abgeklemmt und in dieser Zwangspause habe ich gemerkt, dass mir das Schreiben fehlt. Word ist kein Ersatz für Blog.

Ich habe diverse interessante Erfahrungen gemacht. Immer wieder gab es den Impuls, das aufzuschreiben, aber dann kam der Frust, es gibt ja kein Netz! Und jetzt merke ich, dass Themen, die mich zwei Tage beschäftigt haben, inzwischen uninteressant sind, keine Energie mehr haben.

Zum Beispiel hatte es zwischen Senior und mir einen Austausch von Worten gegeben. Ich habe das Thema dann später noch einmal aufgegriffen und ihm etwas dazu gesagt. Als ich mich darüber stolz und zufrieden meinem alten Freund gegenüber äußerte, sagte der, „das war für mich überhaupt keine Kommunikation!“

Junge, Junge, da war ich aber platt! Ich hatte gemeint, das wäre ein lupenreines Beispiel von GfK gewesen, und jemand Drittes erlebte das ganz anders. Dumpf dachte ich, oh, da sind irgendwelche Bedürfnisse nicht erfüllt, aber es schien gerade unpassend, weitee in die Tiefe zu gehen.
Am nächsten Tag waren wir in Nancy. Wir spazierten zusammen zwei Stunden durch die Stadt und machten Fotos (vom Ipad kann ich keine Fotos hochladen, ich hole es nach). Und ich verbrachte die meiste Zeit damit darüber nachzudenken, ob ich diese Aussage vom Vortag ansprechen sollte. Wie viel Energie hat dieser Vorfall für mich? Brauche ich mehr Klarheit oder Verbindung JETZT oder darf es einfach so sein wie es gerade ist? Oder spreche ich das Thema nicht an, weil ich Angst habe, Angst vor neuen Missverständnissen, vor Urteilen und Un-Verbundenheit… Bestimmt fünf Mal habe ich mich auf dem Spaziergang für das JETZT entschlossen. Jetzt, in diesem Moment, gibt es überhaupt keinen Klärungsbedarf. Jetzt, in diesem Moment, ist alles in Ordnung bei mir. Und im Hinterkopf immer die Prüfinstanz: bist du gerade feige oder entscheidest du dich für das Leben im Jetzt, weil alles gerade in Ordnung ist in deiner Welt?

Am Abreisetag hatte ich Kaffeewasser aufgesetzt und räumte gerade die letzten Kleinigkeiten in meine Tasche. Mein alter Freund guckte in meine Kabine und sagte sinngemäß, soll ich denn mal den Kaffee machen? Und ich antwortete sinngemäß, das Wasser kocht noch nicht. Auf Knopfdruck verdüsterte sich die Stimmung. Doch an diesem Morgen sind wir beide dem nachgegangen, was wir jeweils gehört hatten. Ich hatte „gehört“, wieso ist eigentlich dieser Scheißkaffee noch nicht fertig? Und er hatte gehört: Bist du zu blöd zum Kaffeekochen? Dafür muss das Wasser heiß sein…

Die Moral von der Geschicht?
Wie wunderbar, wenn man sich zuhört und zur Beobachtung zurückkehren kann, um Missverständnisse an der Quelle auszuräumen.

So long!

Ysabelle

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