Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Rosa Tütchen

“Die Dankbarkeit ist am besten und effektivsten, wenn sie nicht in leeren Phrasen verdampft.”
Isaac Asimov aus Foundation and Empire

Hallo, Welt!
ich habe noch ein dickes Thema in petto, aber eben habe ich mich entschlossen, mein rosa Tütchen wieder aufzufüllen, also eine Dankbarkeitsrunde einzulegen.
Als ich heute von der Arbeit nach Hause kam, klingelte ich bei meiner Nachbarin, denn Amazon hatte mir mitgeteilt, sie hätten die Biographie von Gandhi bei meiner Concierge abgegeben… Ich habe die netteste Nachbarin der Welt, die nicht nur ständig meine Post entgegen nimmt, sondern mich auch mit allerlei versorgt, was ihrer Küche entspringt. Heute Abend sind es zwei Stücke Kuchen. Sie schmecken total super, nur darf ich nicht so dicht mit der Nase rangehen. Offenbar standen sie im Kühlschrank neben Wurst, jedenfalls passt der Duft nicht zum Aussehen und zum Geschmack.

Gestern stand auf einmal ein früherer Partner bei mir im Büro mit einem kleinen Präsentkorb voller Obst und Marmelade. „ich habe deinen Geburtstag verpennt und dachte, da muss ich mal persönlich vorbeikommen!“ Mir kamen fast die Tränen. In den letzten Monaten dachte ich manchmal, der ruft nur an, um sich auszukotzen. Aber gestern fühlte ich mich sehr gesehen und wertgeschätzt.
Ich habe heute Morgen endlich eine Mail an meinen besten Freund geschrieben, der mir vor einigen Tagen einen wunderbaren Brief aus Christchurch geschickt hat. Wir sind uns seit elf Jahren verbunden, haben Höhen und Tiefen miteinander erlebt und ich möchte feiern, dass wir uns immer wieder so viel zu sagen haben und uns so viel bedeuten.
Dann fand ich in meinem Mehlkasten ganz viel Post von Findhornern. Fotos, liebe Grüße, eine Einladung, eine Tomatensauce zu probieren… ach, das alles nährt zur Zeit so wunderbar mein tiefes Bedürfnis nach Zugehörigkeit!
Gerade klingelte noch mal mein Telefon. Es war ein Bekannter, der mich gelegentlich bei handwerklichen Dingen unterstützt. Geh mal an deinen Topfschrank, sagte er. Am Wochenende waren mir zum wiederholten Male Pütt und Pann entgegengekommen, ein Konstruktionsfehler. Mein Versuch, die Schwachstelle mit Textilklebeband zu fixieren, hatte keinen Erfolg. Daraufhin hatte ich den Schaden fotografiert und ihm das Bild mit einem Notruf gemailt. Nun war er heute da und hat alles wunderprächtig repariert und versprochen, dass es nun nie wieder zusammenbricht. „Hat nur fünf Minuten gedauert. Ich habe länger gebraucht, bei Dir die passende Schraube zu finden!“
Ist es nicht wunderbar, so unterstützt zu werden? Ist es nicht schön, Freunde zu haben?
Eine Freundin, die mir ganz wichtig ist, schrieb mir heute Abend:
„Deine beiden Kalendereinträge vom 15. und 16. haben mich sehr berührt, ich bin beeindruckt über Deine Offenheit, zumal ich auch denke, daß Deine Gedanken eine große Hilfe für andere Menschen sein können!!“ Wie schön! Da wird mir doch gleich wieder ganz deutlich, warum ich abends eben nicht vor dem Fernseher sitze, sondern meinem Bedürfnis nach Beitragen fröne.

Ich möchte feiern, dass ich trockenen Fußes nach Hause gekommen bin, obwohl es jetzt schon wieder pladdert, und ich möchte feiern, dass mir zwei Menschen in den vergangenen Tagen zu GfK-Themen Beistand geleistet haben. Ich spüre eine wohlige Wärme bei dem Gedanken an so viel Unterstützung, Verbindung, Wertschätzung und Gemeinschaft.

Ich merke gerade, mir widerfährt so viel Gutes, dass diese Aufzählung sich vielleicht ganz unrealistisch liest. Das wiederum erinnert mich an eine Geschichte, die Kit in Findhorn erzählt hat: da war eine Frau, die sagte, ich kann jeden Tag zwei Geschichten erzählen. Eine ist voller Freude, Dankbarkeit und Glück. Die andere ist voller Ärger, Frust und Mutlosigkeit. Es kommt nur darauf an, worauf ich meinen Blick richte. Und ich versuche täglich, ungefähr die Mitte zwischen diesen beiden Leitplanken zu finden…
Ich könnte auch eine andere Geschichte erzählen, denn es gibt durchaus ein paar Dinge in meinem Leben, die mich im Moment mit Schmerz, Frustration und Trauer erfüllen. Aber ich habe die Wahl, worauf ich meinen Blick richte.
Heute möchte ich dankbar sein für all die wunderbaren Dinge, die in meinem Leben passieren.

So long!

Ysabelle

Neue Ansage!

„Die Gewalt besitzt nicht halb so viel Macht wie die Milde.“
Samuel Smiles, Charakter

Vor ein paar Wochen gelang mir etwas nicht so, wie ich es gern gehabt hätte. Daraufhin gab mir mein Freund Gabriel einen Rat, den er von seiner Mutter übernommen hatte: Sei milde mit dir! Ich halte es für eine gute Idee, mir den Satz auf die Stirn zu tätowieren, denn nicht nur ich, sondern auch viele meiner Mitmenschen könnten eine Portion Milde mit Sicherheit gut gebrauchen.

Eine junge Schreibfreundin interpretierte eine Information von mir heute als Kritik. „Du hast Recht, ich war voreilig“. Erstaunt rieb ich mir die Augen. Davon hatte ich gar nichts geschrieben. Beim Mittagessen hörte ich mich zu einem Kollegen sagen, vielleicht ist das Gerät dafür besonders anfällig, und dachte hinterher, das ist doch bestimmt auch schon wieder ein Wortschätzchen wert! Zwei Mal hatte ich heute in beruflichem Zusammenhang mit Perfektionismus zu tun: Das ist alles andere als perfekt! Ok, Perfektionismus habe ich für mich selbst als den sichersten Weg ins Unglücklichsein entdeckt. Und immer schön die Latte hoch hängen!
Der Abschied vom Perfektionismus passt gut zu dem Entschluss, milde mit mir zu sein.
Ich habe nicht alles geschafft, was ich mir heute vorgenommen habe? Sei milde mit dir! Meine Waage zeigt mehr an als ich gutheißen kann? Sei milde mit dir! Dein Kontostand sinkt bedrohlich und es ist noch so viel Monat übrig? Sei milde mit Dir!
Milde sein bedeutet nicht, sich um die Verantwortung für das eigene Handeln zu drücken. Milde sein bedeutet, dass ich mich für das Verhalten nicht noch zusätzlich wolfe und verurteile, das ich ohnehin schon als nicht förderlich erkannt habe. Ich habe ja bereits begriffen, dass Übergewicht mein Wohlbefinden beeinträchtigt, unerledigter Papierkram eine bedrückende Bugwelle erzeugt und aufgeschobene Hausarbeit sich eben nicht von allein erledigt. Muss ich mir dafür noch eine Rüge erteilen, mich als fett, faul, unfähig oder nachlässig beschimpfen? Die Pflicht zur Selbstbeschimpfung ist offiziell aufgehoben. Die neue Ansage lautet:
Sei milde mit Dir!

Heute will ich darauf achten, wie ich mit mir selbst rede. Ist mein Ton harsch und unfreundlich, will ich mich daran erinnern, milde mit mir zu sein.

Versprechungen

„Selbstverständlich hat jede Religion ihre Geschichte, die ihr gemäßen Versprechungen von Gott, dessen Propheten und deren weise Lehrer, die gesagt haben … Die Beweise der Wahrheit gehen immer vom Zentrum der eigenen Religion aus. Das Ergebnis ist ein befangenes Denken, in dem wir von Kindheit an zu denken und zu glauben erzogen wurden; immerhin lebten und leben Generationen in der Überzeugung, daß sie die »Wahrheit« haben.“
Erich von Däniken, Erinnerungen an die Zukunft. Ungelöste Rätsel der Vergangenheit. Düsseldorf und Wien: Econ-Verlag, 1968. S. 85

Warum ist es sinnvoll, Gewaltfreie Kommunikation zu erlernen? Anfangs dachte ich, es wäre schön, mich in Auseinandersetzungen so ausdrücken zu können, dass es den anderen nicht verletzt. Dieses Verhalten nennt man Co-Abhängigkeit. Als nächstes dachte ich, ich könnte den anderen besser verstehen, und besser auf ihn eingehen, wenn ich seine Gefühle und Bedürfnisse klarer erkennen könnte. Auch dieses Verhalten kann man mit der Diagnose Co-Abhängigkeit belegen, wenn der Betreffende sich nicht gleichzeitig auch selbst im Fokus hat, was ich sehr gern aus den Augen verliere. Denn Co-Abhängigkeit ist seit vielen Jahren ein wichtiges Thema für mich. Dann las ich eine Aussage von Marshall, GfK sei nichts für Weicheier. Oh ha! Und das mir, da ich mich doch so oft als ängstlich erlebte. Irgendwo schnappte ich dann die Aussage auf, in der GfK hätten alle Bedürfnisse von verschiedenen Leuten die gleiche Wertigkeit, den gleichen Rang. Wie, auch meine?!
Das war der Durchbruch. Meine Bedürfnisse sind ebenso wichtig wie deine, und ich will sie ebenso achten.
Im vorigen Jahr war ich dann beim internationalen Intensivtraining (IIT) bei Marshall in der Schweiz. Dort wollte eine Teilnehmerin die Inhalte des Seminars aufnehmen und neun Tage tobte der Kampf darum, ob das Bandgerät laufen dürfe oder nicht. Nach dem dritten Tag gab es einige Teilnehmer, die die Frau am liebsten in die nächste Schlucht geworfen hätten, und ich bekam eine Vorstellung davon, warum Cato der Ältere im römischen Senat nicht sonderlich beliebt war, denn über Jahre beendete er jede Rede mit dem Ausspruch: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ * (Original lat.: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“). Obwohl mir die Prozessarbeit unendlich auf den Senkel ging, habe ich jedes Mal gefeiert, wenn die Frau sich meldete und sagte, sie würde aber gern jetzt den Workshop aufnehmen. Sie kämpfte meinen Kampf! Sie sagte stellvertretend für mich: Meine Bedürfnisse sind wichtig! Ich setze mich für mich ein! Ich stehe auf für meine Interessen!
Dieses Jahr hatten wir wie bereits berichtet ein Baby mit im Workshop. Wieder prallten verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Lernen, Wachstum, Leichtigkeit, Bindung (an das Kind) und so manches andere. Als das Thema am zweiten Tag öffentlich wurde, war ich erstaunt, für wie viele Menschen es schwierig war, das Baby mit im Raum zu haben (plus gelegentlich noch vier Jungs). Und trotzdem verdunstete irgendwie die Energie, die zuerst in die Richtung gegangen war, das Kind muss hier raus! Dann müssen sich eben die Eltern abwechseln in der Workshop-Teilnahme…
Meine Beobachtung ist, dass mehrere Menschen, die zu diesem Thema gesprochen haben, anschließend kein (großes) Problem mehr mit der Anwesenheit des Kindes hatten. Ich weiß aber auch von Menschen, die nicht in der Gruppe ihre Meinung gesagt haben, und für sie war es nicht leicht, die Anwesenheit des Babys hinzunehmen.
Eine Zeit lang hatte ich geglaubt, wenn man nur genug GfK machen würde, ließen sich alle Konflikte irgendwie beilegen. Das war die Vision, das Heilsversprechen, das ich aus Marshalls Worten destilliert hatte. Am praktischen Beispiel erlebe ich, dass es nicht immer klappt, auch wenn 65 GfKler im Saal sich nach Kräften darum bemühen. Aber ich weiß, dass meine Chancen, meine Bedürfnisse erfüllt zu sehen steigen, wenn ich bereit bin, sie offen zu machen und mich dafür einzusetzen.

Heute bin ich bereit, einem Bedürfnis Ausdruck zu geben und mich für seine Erfüllung einzusetzen.

Es geht noch tiefer

Hallo, Welt!
Vor ein paar Monaten hatte ich jemandem ein Anliegen vorgetragen und es gab einen Termin, an dem wir das klären wollten. Doch trotz meiner Nachfragen fand sich letztlich am vorbestimmten Termin keine Zeit, darüber zu reden.
Ich war „heartbroken“, aufgelöst, in Kontakt mit tiefem Schmerz. Mein Gegenüber realisierte erst jetzt, wie viel mir der Termin bedeutet hatte. Er nahm mich in den Arm, drückte sein Bedauern aus. Allein, die Botschaft kam nicht bei mir an, weil ein gelerntes Muster nicht bedient wurde. Die Person hatte doch etwas „falsch“ gemacht, wieso guckte sie jetzt so – unbeteiligt? Ich vermisste so etwas wie den Ausdruck von Schuldgefühlen. Wie ein geschlagener Hund. So guckte man doch, so verhielt man sich doch, wenn man etwas „versäumt“ hatte, oder? Irgendwie fiel es mir schwer zu glauben, dass dieser Mensch wirklich ein Bedauern dazu hatte, dass unsere Verabredung nicht wie besprochen zustande gekommen war.

Ich versuche zur Zeit eine Angelegenheit in meinem Leben zu handhaben, damit einen angemessenen Umgang zu finden, die sehr schwierig für mich ist.
Gestern bekam ich zwei Mails, die intensive Gefühle bei mir auslösten. Obwohl es da nicht stand, las ich, du bist nicht authentisch, dein Verhalten ist nicht kongruent mit den von dir verkündeten Werten, du hast mir Schmerz zugefügt, ich weiß nicht, in welchem Rahmen ich mit jemandem wie dir noch Verbindung haben möchte, und ich kann das aus verschiedenen Gründen auch jetzt nicht klären.
Im ersten Moment fühlte es sich an, als sei ich gegen einen Schrank gelaufen.
im Verlauf der nächsten Stunden lüftete sich dann Schleier um Schleier. Relativ bald konnte ich feststellen, dass diese oben zitierten Worte da wirklich nicht standen. Ich erkannte also, dass das, was da stand, in mir eine Resonanz auslöste. Es war direkt ein Fahrstuhl in meine Kindheit. „Du warst nicht lieb, und jetzt überlege ich mir mal, ob ich dir verzeihe und dich wieder in Gnaden aufnehme. So eine Tochter will ich nicht haben!“
– Zwischenfrage: Kennt das einer von Euch? –
Im nächsten Schritt war es wie der Blick auf ein Vexierbild:
Mal war ich „im Recht“, mal machte ich mir die Gedanken und Urteile meines Gegenübers zu eigen. Du bist scheiße, ich bin scheiße, immer schön im Wechsel. Am meisten verblüffte mich immer wieder der Blick auf die Zeilen in der Mail. Da stand etwas, und das was ich fühlte, war etwas ganz anderes. Die Zeilen waren der Auslöser, sie schufen eine Verbindung zu abgespeicherten Erinnerungen, zu alten Verletzungen, zu eingelagerten Schmerz- und Schuldgefühlen, die plötzlich aktiviert wurden. Ich las gestern einen Artikel über das Schmerzgedächtnis, und wie sich die Nerven verändern und dann Sachen weh tun, die gesunden Menschen eben nicht weh tun, und ich vermute, so was ist es hier auch. In meiner Vergangenheit ist ein Schmerzgedächtnis entstanden, und wenn heute nur eine Feder darauf fliegt, tut es weh. Aber dafür ist nicht der Auslöser verantwortlich. Es ist einfach nur eine Einladung, genauer hinzuschauen. Dann kann mein Blick unschuldig werden, wenn mich jemand mit seinem Schmerz konfrontiert. Dann bin ich in der Lage zu hören: Ich habe ein brennendes unerfülltes Bedürfnis! Dann fährt mich nicht mehr der Fahrstuhl in die Grabkammer meiner Kindheit, in der ich glaubte, sterben zu müssen, wenn mich der andere nicht in Gnaden wieder aufnimmt. Dann kann endlich Schluss sein mit Wohlverhalten, nur um das Bild einer Beziehung nicht zu gefährden, das ich als Kind abgespeichert habe. Dann finde ich zu tiefer Authentizität und Kongruenz und echtem Mitgefühl. Gestern gab es davon einen Vorgeschmack.

So long!

Ysabelle

Die Geister, die ich rief…

Der Zauberlehrling

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort‘ und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu‘ ich Wunder auch.
 
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe,
Und mit reichem, ollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
 
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf!
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
 
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
 
Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
 
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
 
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.
 
Nein, nicht länger
Kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
 
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
 
Willst’s am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.
 
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!
 
Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
 
Und sie laufen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
 
„In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke
Erst hervor der alte Meister.“

Hallo, Welt!
Die Goethe-Ballade kam mir in den Sinn, als ich an mein nächstes Vorhaben dachte. Der Zauberlehrling bin natürlich ich, Hexenmeister sind in diesem Fall Marshall Rosenberg und Gerhard Rothhaupt.
Alljährlich findet in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, eine Fortbildung für Ausbilder statt. Ihnen soll fortlaufend das Rüstzeug gegeben werden, um mit ihrer Aufgabe gut klarzukommen. Für viele von uns liegt ja die Ausbildereignungsprüfung schon ein paar Jahre zurück.
Im vorigen Jahr habe ich das erste Mal die Hand gehoben und gesagt, ich möchte mich mit meinem GfK-Wissen (boah – da spüre ich Scham!) daran beteiligen. Die Trainer haben dann eine Unterrichtseinheit von mir zum Thema Wahrnehmung eingeplant und ich hatte ungefähr eine Stunde zum „Beobachten ohne zu bewerten“. Offensichtlich waren sowohl Kollegen, als auch Seminarleitung damit so zufrieden, dass ich sehr willkommen war, als ich mich für dieses Jahr mit dem Thema „Empathisch zuhören“ zu Wort gemeldet habe. Also: Mitte September eine Unterichtseinheit „Emphatisch zuhören“ für Ausbilder. HILFE! Was habe ich gemacht? Wie bin ich auf diese irrsinnige Idee gekommen? Ich kann nicht einfach irgendwo abschreiben, ich habe keine Ahnung von Seminarkonzepten. Montag soll ich einen Rohablauf vorlegen, damit die anderen Trainer wissen, wie sie mich am besten einfädeln. Oh, mir wird bange!
GfK in Gruppen macht mir sowieso Sorge, seit ich vor Jahren einmal erlebt habe, wie eine Situation komplett entgleiste und 20 hilflose Menschen zurückblieben. Ich weiß, dass ich in Einzelgesprächen Qualitäten habe, aber es fällt mir auch nicht schwer, mich auf einen Menschen einzustellen.
Nun sitze ich über meinem Bücherstapel und grüble. Die Ausbilder sollen etwas davon haben, gleichzeitig wünsche ich mir Verbindung, Leichtigkeit und Spaß. Halt, ich hab’s! Learning aus meinem Schottland-Urlaub: wenn du ein Projekt planst, such dir erst Unterstützung! Also, Leute, wer von Euch wäre bereit, mich dabei zu begleiten und zu unterstützen?! Das ist Eure Chance, Euer Bedürfnis beizutragen zu erfüllen!

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Fähig

Ich brauche mich jetzt nicht mehr als intolerant zu sehen, sondern einfach nur in der damaligen Situation nicht fähig, meinen Bedürfnissen (…) so Ausdruck zu verleihen, dass sie gehört und verstanden werden.
Gabriel in einem Kommentar zu einem Wortschätzchen

Klingt doch ganz harmlos, oder? Nicht fähig… Klingt auch nicht so schlimm wie unfähig. Trotzdem haute ich mir an der Begrifflichkeit gleich ein Auge blutig und ich habe Gabriel gefragt, ob ich ihn für das nächste Wortschätzchen zitieren darf.

In einem meiner GfK-Bücher fand ich vor Jahren einen Hinweis, man möge einen Koch nicht mehr einen Koch nennen, weil das ein Label, ein Etikett sei. Als ich das damals las, dachte ich, Himmel, man kann’s auch übertreiben. In dem Textabschnitt wurde vorgeschlagen, man möge sagen, jemand sei beruflich mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt, oder man möge die Tätigkeiten aufzählen, die der „Koch“ vornehme. Und ich dachte, ne, das geht mir echt zu weit.

Doch neulich habe ich miterlebt, wie ein Mensch zum Gewalttäter erklärt wurde. Menschen, die sich so und so verhalten, sind Gewalttäter. Zack! Da klebte ein Etikett an der Person. Es war geeignet, den anderen zu diffamieren.
Das gilt auch für Vergewaltiger, Polizistenmörder, Steuerhinterzieher, Schlaumeier, Drückeberger, Karrieristen, Faulpelze, Kanaken, Rechte, Linke, Schwule, Behinderte, grüne und schwarze Witwen, Mercedesfahrer und Arschkriecher.

Nun scheinen diese Beispiele noch einigermaßen einleuchtend und nachvollziehbar. Doch was ist „falsch“ mit fähig?

Gehen wir zum Ausgangspunkt zurück:
Gabriel schätzte sein eigenes Verhalten ein. „Ich war nicht fähig, meinen Bedürfnissen … Ausdruck zu verleihen.“ Im günstigsten Fall ist dieser Satz ein Ausdruck von Trauern und Bedauern.
Seine Gefühle wären dann vielleicht:
bedrückt
bitter
deprimiert
einsam
elend
enttäuscht
frustriert
hilflos
leblos
perplex (ob der neuen Erkenntnis)
traurig
unbehaglich
unzufrieden

je nach Tagesform vielleicht vom einen mehr und vom anderen gar nichts.
Wenn aber jemand, der denkt, er sei zu etwas nicht fähig gewesen, das durch die urteilende Brille betrachtet, kommen wahrscheinlich noch ein paar mehr Gefühle ins Spiel oder einige der bereits aufgezählten würden ihre giftige Note entfalten, weil sie durch den Fleischwolf gehen (= im Kopf wird das Gefühl interpretiert und ein paar Urteile kommen dabei raus). Und dann sind wir in Nullkommanix bei beschämt, niedergemacht, schuldig, unwichtig, unwürdig und wertlos. Wenn ich dazu nicht fähig bin, bin ich… FREIE AUSWAHL…

Als Gabriel also schrieb, er sei nicht fähig gewesen, waren vermutlich folgende Bedürfnisse bei ihm im Mangel:

Sicherheit
Selbstvertrauen
Integrität
Kongruenz
Authentizität
vielleicht auch Beteiligung
Gesehen und gehört werden
Vertrauen
Wertschätzung
und Harmonie.

So oder ähnlich könnte es gewesen sein.
Und fähig als Pendant zu „unfähig“ ist ab sofort auf der Roten Liste der Worte, die ich nur zu sehr bestimmten Anlässen heraushole. Aber möglichst nicht um mich oder andere zu beurteilen.

Mögt Ihr die Gedanken ergänzen?

Ysabelle

Gruß aus Schottland

Hallo, Welt!

Ich war mit meiner Reisefreundin in Edinburgh unterwegs, als aus einem Laden diese Musik schallte. Ich musste natürlich sofort zuschlagen. Und jetzt bekam ich überraschend ein Video von der Gruppe zugespielt. Ich war begeistert und möchte meine Freude teilen. Habt Spaß damit!

Lautsprecher auf und los!

So long!

Ysabelle

Lieber gut geklaut…

11. August

Höre zu, oder deine Zunge wird dich taub machen. (Indianisches Sprichwort)

Der Turm von Babel, der bis zum Himmel reichen sollte, konnte nicht vollendet werden, denn die Leute, die mit seinem Bau beschäftigt waren, redeten in verschiedenen Sprachen und lösten größte Verwirrung aus. Der Bau konnte nicht gelingen, weil keiner auf den anderen hörte und die Menschen sich verhielten, als wären sie taub.

Wir haben die Fähigkeit zu hören, machen aber nicht wirklich Gebrauch davon, weil wir meistens den anderen die Ohren vollreden. Wir nutzen diese Fähigkeit auch nicht, um bei den Meetings zuzuhören oder wenn ein Familienmitglied oder ein Freund spricht. Wir hören uns so gerne selbst reden, dass wir den anderen nicht zuhören können.

Es ist ganz uns selbst überlassen, ob wir für die anderen taub sein und nur uns selbst hören wollen. Diese freiwillige Taubheit kann uns aber um wertvolle Erfahrungen und das Wissen der anderen bringen, die mit uns an einer Sache arbeiten. Um besser zuhören zu lernen, müssen wir unseren Mund zu- und die Ohren aufmachen. Die Stimmen anderer zu hören, kann wie Musik in unseren Ohren klingen.

Ich kann aufhören, die Worte der anderen zu überhören. Wenn ich bereit bin zuzuhören, wird eine Symphonie voll Stärke und Heiterkeit erklingen.

Diese schöne Abendmeditation stammt aus
Licht in der Nacht
Ein Buch zur nächtlichen Meditation
Copyright: Hazelden Meditationsbücher. ISBN 3-453-07850-0

Ich fürchte, es ist nur noch gebraucht erhältlich. Da ich im Moment einen Workshop-Beitrag zum Thema „Empathisch zuhören“ vorbereite, sprach mich der Text besonders an. Und bevor ich versuche, ihn neu zu erzählen, stelle ich ihn doch hier gern vor.

So long!

Ysabelle

Soziale Zurückweisung macht krank

Hallo, Welt!

Gabriel schickte mir heute ein Link zu einem interessanten Artikel, den ich hier gern zitiere, weil ich fürchte, dass das Link irgendwann mal tot ist. Ihr müsst es nicht im Detail durchlesen, ich versuche weiter unten eine Zusammenfassung.

Social rejection might make you sick
By Casey Johnston | Last updated 5 days ago

Finally, someone is trying to find out why nerds stereotypically have asthma. A new experiment conducted at UCLA shows that social stress and rejection are related to the release of certain inflammatory chemicals in the body; these chemicals have been linked to several medical conditions, including asthma, arthritis, and some kinds of cancer.

In the study, a group of researchers recruited a bunch of students at UCLA and subjected them to socially stressful situations. The students were asked write a speech and then read it to a pair of evaluators, who then acted as if the speech were abhorrently subpar. After that, they had to perform mental arithmetic for a proctor who would appear impatient with them and urge them to go faster. A subset of the participants were also made to play a game of „Cyberball“ with two other people, who were asked to socially exclude them.

Throughout these socially stressful experiences, researchers took mouth swabs of the students and monitored their activity in the dorsal anterior cingulate cortex, a part of the brain known to process rejection-related distress. (It’s possible that the swabbing added to the stress.) The two measures showed that greater activity in this area of the brain correlated with a rise in two inflammatory chemicals that are known to play a role in the onset or progress of conditions like rheumatoid arthritis, cardiovascular disease, depression, and various types of cancer.

The authors speculate that there may be some overlap in the neural circuits that process social and physical pain, resulting in a similar bodily response to both. The release of the inflammatory chemicals are typical of a basic threat response, as they help wounds heal more quickly and reduce the risk of infection.

The scientists didn’t look into whether increases in social stress correlated with increased inflammation, or which symptom causes which—that is, if being a nerd begets asthma, or if asthma begets a nerd. Still, if the inflammatory results of social stress are cumulative, understanding the relationship better could help in controlling related health problems.


Im Prinzip geht es darum, dass Leute für ein Experiment unter sozialen Stress gesetzt wurden. Sie wurden angetrieben, ihre Arbeit niedergemacht, und man grenzte sie aus. Zwischendurch entnahm man den Probanden Speichelproben und überwachte ihre Gehirnfunktionen. Zum einen stellte man fest, dass ein Hirnareal (dorsaler Cortex) besonders aktiv war, in dem Stress durch Ablehnung „verwaltet“ wird. Zum zweiten ergaben die Proben einen Anstieg von Chemikalien im Körper, die Entzündungen auslösen, und von denen man heute annimmt, dass sie eine Rolle spielen bei der Entstehung von rheumatoider Arthritis, Herzkreislauferkrankungen, Depressionen und verschiedenen Krebsarten.
Die Autoren der Studie spekulieren, dass durch den sozialen Stress etwas in den neuronalen Schaltkreisen passiert, die sozialen und physischen Schmerz verarbeiten. Normalerweise würden uns die gefundenen Chemikalien fitter machen, indem sie für eine schnellere Wundheilung sorgen. Bei Dauerstress sind aber diese Stoffe mehr geeignet, uns ernsthaften Schaden zuzufügen.

Wenn wir einmal die Gedanken schweifen lassen – was kennen wir für Menschen, die immer wieder soziale Zurückweisung erfahren?
Menschen mit Migrationshintergrund
Behinderte
Hartz-IV-Empfänger
Homosexuelle
Kinderreiche Familien
Suchtkranke

Je länger ich darüber nachdenke, desto unbehaglicher und heißer wird mir gerade. Tragen wir alle mit unseren Urteilen und Beschränkungen, mit unseren Ausgrenzungen und Mobbing-Strukturen dazu bei, dass wir alle immer kränker werden? Und was kann ich, was kannst du, jeder einzelne von uns dazu beitragen, dass dieser Stress ein Ende nimmt?

Ich bin ratlos.

So long.

Ysabelle

Wortschätzchen: Intolerant

„Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“
Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde

Heute erzählte ich einer Bekannten von einem GfK-Workshop, in dem auch mehrere Kinder durch den Raum wuselten. „Hätten die Eltern die Kinder nicht anderweitig betreuen lassen können?“, fragte sie. „Was Kinder und Lernen angeht, bin ich echt intolerant.“

Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie zwei Jahre als Au-Pair-Mädchen bei dreijährigen Zwillingsjungs in Arizona gejobbt hatte. „Ohne Kindergarten, weil weg von allem, was einen unterstützen könnte…“ Meinem Einwand, „intolerant“ sei eine Bewertung, und zwar keine besonders freundliche, stimmte sie schließlich zu. Jetzt will ich doch einmal nachspüren, was sie wohl für Gefühle gemeint haben mag, als sie sagte, sie sei da intolerant.

Vermutlich fühlte sie sich bei dem Gedanken an Kinder in einem Seminar
unbehaglich
irritiert
angespannt
besorgt
entrüstet
erschöpft
frustriert
genervt
kribbelig
lustlos
sauer
streitlustig
unbehaglich
ungeduldig
und verspannt.

Und in meiner Fantasie sind in so einem Fall bei ihr die Bedürfnisse nach
Lernen/Wachstum
Leichtigkeit
Verstehen (ganz praktisch, von „Hören“)
vielleicht auch von Schutz und Beteiligung im Mangel.
Ich möchte gefragt werden, ob ich lernen kann, wenn Kinder im Raum sind.
Vielleicht sehnte sie sich auch nach Unterstützung, weil die Anwesenheit der Kinder sie an die Zeit erinnerte, in der sie selbst so gern Unterstützung erlebt oder erfahren hätte. Also fühlte sie sich vielleicht auch einsam. Ich werde sie fragen, wenn ich sie das nächste Mal sehe.

Bei mir selber merke ich, dass meine „Intoleranz“ nachlässt. Ich kann andere Menschen in ihrer Andersartigkeit besser sehen und wertschätzen. Das heißt aber nicht, dass ich alles toleriere, was andere Leute tun… Wie ist es bei Euch? Mögt Ihr diese Überlegungen ergänzen?

Internationale Giraffen-Hotline

Hallo, Welt!

Hier ein Tipp für alle, die in Not sind oder sich gerade kraftvoll fühlen, anderen beizustehen.

Bei Skype, dem kostenlosen Online-Kommunikationsprogramm, gibt es jetzt eine

NVC Hotline
Einfach als Kontaktname
NVC Hotline
eingeben und Ihr werdet zu einem automatischen Menü geführt. Es fragt Nationalität, Standort, zur Verfügung stehende Sprachen und ähnliches ab und vermittelt dann weiter an einen NVC-Gesprächspartner. Damit ist die nächste Dosis Empathie nur noch einen Mausklick entfernt.

ich habe es ausprobiert und war schwer beeindruckt, wie leicht man miteinander ins Gespräch kommt.

Viel Spaß dabei.

So long!

Ysabelle

NVC & Sex

„Auch denken heute viele, Viagra sei ein Allheilmittel. Wenn ein Mann mit einer Erektion vom Boden bis zur Decke nach Hause kommt, zuvor aber nie das Geschirr abgewaschen, immer ihren Geburtstag vergessen und sie nie zum Essen ausgeführt hat, dann wird diese Frau ihm schon sagen, wohin er sich seine Erektion stecken kann. Die zwischenmenschliche Beziehung muss stimmen, wenn der sexuelle Verkehr klappen soll.“

Ruth Westheimer, auf die Frage, ob sie eine Freundin von Viagra sei, Stern Nr. 25/2008 vom 12. Juni 2008, S. 154

Ist Sex ein Bedürfnis oder eine Strategie? Vermutlich haben Biologen bei diesem Thema ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Denn der Fortpflanzungstrieb gilt im allgemeinen als der stärkste in den meisten Lebewesen. Dabei gibt es nicht so viele Menschen, die ständig durch die Gegend laufen und sich fortpflanzen wollen. Aber es gibt Millionen von Menschen, die Sex haben wollen. Warum?
Sexualität ist eine Strategie, um Verbindung herzustellen. Sexualität kann benutzt werden, um Nähe zu spüren. Sexualität wird zur Entspannung konsumiert. Jemand, der als sexuell attraktiv eingeschätzt wird, erfährt auf diese Weise Wertschätzung. Beispiel: Pamela Anderson, amerikanischer Serienstar und Playboy-Ikone. Begeisterung, Leichtigkeit, Spaß, Zugehörigkeit – eine Fülle ichbezogener und sozialer Bedürfnisse können wir uns mit Sexualität erfüllen. Sex kann gegen Angst wirken, Sex füllt die (emotionale) Leere in unserem Inneren, Sex kann betäuben oder dämpfen. Ja, auch eine spirituelle Komponente ist zu finden. Zumindest wird es im Tantra so gelehrt und das Slow-Sex-Movement in den USA feiert diesen Aspekt der Sexualität.

Doch die Strategie Sex kann ihr Ziel komplett verfehlen, wenn widersprüchliche Bedürfnisse damit erfüllt werden sollen. Er wünscht sich Entspannung, sie Verbindung. Einer sehnt sich nach Nähe, der andere nach Leichtigkeit. Wenn ein Partner meint, Sexualität sei bereits Nähe, kann das beim anderen Partner ganz anders sein. Da entsteht Nähe vielleicht vorzugsweise bei einem Candlelight-Dinner oder einem Spaziergang Hand in Hand am Strand.

Wäre Sexualität im Sinne der GfK ein Bedürfnis wie Nahrung oder Schutz, gäbe es dazu vermutlich keine Alternative. Ist Sex eine Strategie, können sich neue Türen öffnen. denn dann finden wir 1000 Wege, die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu erfüllen. Sex kann einer davon sein, ja sogar die absolute Lieblingsstrategie. Aber es ist nicht mehr die einzige, und mein Selbstwert oder meine Glückseligkeit werden nicht mehr davon abhängen, ob ich einen Sexualpartner habe oder keinen.

Heute spüre ich in mich hinein, welche wunderbaren Bedürfnisse ich mir am liebsten mit Sex erfülle. Ich erkenne die Option, diese Bedürfnisse auch auf andere Weise zu stillen.

Beziehungsproben

„Die Entwicklungschancen einer Beziehung sind um so größer, je mehr Chancen wir ihrer Entwicklung geben.“
Ernst Ferstl „einfach kompliziert einfach“, Wien-Klosterneuburg, EDITION VA BENE, Ausgabe 1995


Beziehungen können durch GfK eine neue Tiefe gewinnen. Doch der Weg dorthin ist durchaus nicht immer einfach oder gerade.
In einer Auseinandersetzung sagte der Mann, der Verzweiflung und Wut in sich aufsteigen fühlte, ich brauche jetzt mal meine Ruhe. Er verließ den Raum, um ein bisschen Abstand herzustellen. Doch seine Gefährtin folgte ihm. Du gehst jetzt nicht. Wir klären das jetzt! Schließlich fand sich der Mann am Ende einer Treppe wieder, eine Sackgasse. Und die Gefährtin hinter ihm, ein Gespräch einfordernd. Ich glaube, es braucht nicht viel Fantasie um zu ahnen, was sich als nächstes abspielte. Am Ende trug ein Mensch das Etikett „Gewalttäter“.

Labeling, das Abstempeln des Gegenübers als „gewalttätig“ oder „rücksichtslos“ macht eine friedliche Lösung von Konflikten schwierig. Als der Mann durch das Haus flüchtete, wollte er sich einige wunderbare Bedürfnisse erfüllen. Es ging ihm um Schutz für sich und seine Partnerin, um Ehrlichkeit, Authentizität, vielleicht auch um Klarheit und Autonomie.
Als die Frau ihm durch das ganze Haus folgte, ging es ihr um die Erfüllung von wundervollen Bedürfnissen. Sie suchte Verbindung, Zugehörigkeit, Anerkennung, gesehen und gehört werden. Da beide in ihren alten Mustern gefangen waren, gab es keinen Weg zueinander.

Vielleicht wäre es nicht zu Gewalt gekommen – und jemanden durchs ganze Haus zu verfolgen ist auch eine Form von Gewalt – wenn der Mann in der Lage gewesen wäre zu sagen: Ich fühle mich gerade völlig überwältigt und brauche unbedingt eine Stunde für mich. Ich gehe jetzt um den Block und komme wieder.

Vielleicht wäre Gewalt verhindert worden, wenn die Frau in der Lage gewesen wäre dem Mann zu sagen, ich bin verzweifelt und brauche Verbindung zu dir. Wann können wir dieses Gespräch fortsetzen und was brauchst du dazu?

Gelingt es uns, in schwierigen Situationen noch miteinander in Beziehung zu bleiben, sind die Chancen auf eine friedvolle Lösung unendlich größer als wenn wir mit dem Finger auf den anderen zeigen. Du bist mir nachgekommen, du bist weggelaufen. Du hast mich bedrängt, du hast mich geschlagen…

Was braucht es, damit wir diesen Balanceakt schaffen können? Zunächst einmal eine gute Verbindung zu uns selbst! Die erste Frage lautet: Was brauche ich? Und erst frühestens die zweite Frage kann lauten: Und was brauchst du?

Heute bin ich bereit in Konfliktsituationen nicht nach dem Schuldigen zu suchen, sondern mich zu fragen: Was brauche ich?

Alte Muster durchbrechen

„Das körperliche Herz sei das Muster des geistigen: verletzbar, empfindlich, rege und warm, aber ein derber, frei fortschlagender Muskel hinter dem Knochengitter, und seine zarten Nerven sind schwer zu finden.“ – Jean Paul, Levana

Wir sind es gewohnt, auf bestimmte Reize in bestimmter Weise zu reagieren. Glaube ich, ich würde provoziert, schlage ich vielleicht zu. Denke ich, mein Gegenüber habe etwas falsch gemacht, reagiere ich unter Umständen wütend oder empört. In aller Regel laufen diese Reaktionen unbewusst ab, sie funktionieren wie Schlüssel und Schloss, greifen nahtlos ineinander.

Je länger wir uns mit der Gewaltfreien Kommunikation beschäftigen, desto besser gelingt es uns, Auslöser und Reaktion voneinander zu trennen. Wir haben eine Chance, uns von unseren automatischen Reaktionsmustern zu trennen und neue Wege zu entdecken. Doch wir verlangen Übermenschliches, wenn wir von uns selbst oder anderen erwarten, dass allein die Kenntnis über diesen Vorgang uns ermöglicht, uns gleich beim nächsten Mal und für immer von unseren alten Mustern zu lösen.

Vielleicht muss es zunächst reichen, überhaupt nur ein Muster zu erkennen. Das kann Tage oder gar Wochen nach einem Vorfall geschehen. „Oh ja, da hätte ich GfK anwenden können…“ Vielleicht gelingt es uns mit der Zeit, diesen temporären Abstand zu verkürzen. Wir merken es jetzt schon nach einer Woche, nach zwei Tagen, schließlich nach zwei Stunden. Und irgendwann merken wir es in Echtzeit. Vielleicht gelingt es uns jetzt, das Muster zu verändern, weil wir mehr mit unseren Gefühlen verbunden sind. Doch die Lösung oder die Strategie, die wir in diesem Moment wählen, ist vielleicht auch nicht gerade zielführend. Sie ist anders und für den Moment die beste Strategie, die wir haben. Und doch erreichen wir nicht das, was wir uns wünschen. Es braucht Zeit, alte Muster zu durchbrechen und neue zu finden, die nicht nur unsere, sondern auch die Bedürfnisse unseres Gegenübers mit einbeziehen. Wir sind auf dem Weg. Und wie Marshall sagt: „Die ersten 30 Jahre sind die schwersten.“

Heute will ich anerkennen, dass ich alte Muster wahrnehme. Ich erlaube mir, sie auf ihren Nutzen zu untersuchen und neue Strategien auszuprobieren.

Einsichten und Aussichten

Hallo, Welt!

Ich bin aus Schottland zurückgekehrt ins Land der Wölfe. In einem Monat hat der Blog die Hälfte seiner Leser verloren, ich bin wieder da, wo ich im Februar mal war. Meine pelzigen Begleiter sind entsetzt und jaulen: das kommt davon, dass du keine Tagesmeditationen eingestellt hast. Die ganze Arbeit der vergangenen Monate vergebens! Wenn man so etwas anfängt, muss man sich auch darum kümmern und nicht einfach Urlaub machen! Die Leser kommen bestimmt nicht wieder! Das zeigt doch, dass du das alles gar nicht so ernst nimmst!

Boah! Wenn ich diesen Stimmen zuhöre, merke ich, wie alt ich dabei werde, nämlich ziemlich genau zwischen fünf und acht Jahren. Ich habe damals vieler Sachen angefangen, wie alle Kinder das tun, Briefmarken und Steine sammeln, häkeln, Kunstrollschuh fahren. Und immer, wenn etwas Neues in meinen Weg kam, wurde etwas Altes uninteressant, usf. GfK-formuliert würde ich sagen, es erfüllte mir keine Bedürfnisse mehr. Der von mir so hoch geschätzte Kölner Psychosynthese-Therapeut Harald Reinhardt sagte dazu in einem Vortrag: das Gewissen ist aggressiv, es beißt!

Ich stelle mir mein Gewissen gerade als Schäferhund vor. Und ich bin das Schaf, das er unbedingt auf dem richtigen Weg halten möchte. Hier geht es lang, und um sicher zu stellen, dass du da ankommst, wo es für dich richtig ist, schnappe ich nach deinen Beinen…

Dieser imaginäre Schäferhund tut das nicht, um mich zu verletzen oder mir Schmerzen zuzufügen, im Gegenteil. Er ist ja darauf trainiert, Unheil von mir fernzuhalten, indem er sicher stellt, dass ich auf dem richtigen Weg bleibe.

Nun unterscheidet sich allerdings der Weg der fünfjährigen Steinesammlerin von dem einer ausgewachsenen Ysabelle. Es gibt gute Gründe, warum ich nicht jeden Tag geschrieben habe, zum Beispiel weil ich nicht immer ein Netz hatte. Oder andere Bedürfnisse standen im Vordergrund: Gemeinschaft mit meiner Bremer Giraffenfreundin, Schauen, Staunen, Genießen, Entspannen… Es scheint, dass ich eine gewisse Ordnung und Struktur brauche, um die Muße zum Schreiben zu finden. Im Moment bin ich auf dem Weg zu meinem sechsten Bett in dieser Woche. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit einem lieben Menschen, und ich merke gleichzeitig, dass mir auch das Ankommen fehlt.

Wer sagt, dass der Blog nur etwas taugt, wenn jeden Monat mehr Leser kommen? Wer sagt, dass ich nichts tauge, wenn ich nicht jeden Tag etwas Geistvolles produziere? Vor zehn Jahren sagte ich einmal mit einem Stoßseufzer zu meinem besten Freund Cami, ach würde ich mich doch selbst besser kennen! Nun bin ich täglich dabei, mich besser kennen zu lernen und anzunehmen. Ein mühsamer, intensiver, langwieriger Prozess. Ich versuche meinem inneren Schäferhund beizubringen, dass für dieses Schaf mehrere Sachen richtig sein können, und dass es sinnvoll ist, sich immer wieder zu beraten, statt blind in die Hachsen zu schnappen. Wissenschaftlich vermutlich Disidentifikation vom Über-Ich.

In den nächsten zwei Tagen will ich einmal spüren, ob es für mich immer noch so passt mit dem Blog. Vielleicht möchte ich für mich einmal nachjustieren, was genau ich hier machen möchte.

So long!
Ysabelle

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