Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

NVC & Sex

„Auch denken heute viele, Viagra sei ein Allheilmittel. Wenn ein Mann mit einer Erektion vom Boden bis zur Decke nach Hause kommt, zuvor aber nie das Geschirr abgewaschen, immer ihren Geburtstag vergessen und sie nie zum Essen ausgeführt hat, dann wird diese Frau ihm schon sagen, wohin er sich seine Erektion stecken kann. Die zwischenmenschliche Beziehung muss stimmen, wenn der sexuelle Verkehr klappen soll.“

Ruth Westheimer, auf die Frage, ob sie eine Freundin von Viagra sei, Stern Nr. 25/2008 vom 12. Juni 2008, S. 154

Ist Sex ein Bedürfnis oder eine Strategie? Vermutlich haben Biologen bei diesem Thema ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Denn der Fortpflanzungstrieb gilt im allgemeinen als der stärkste in den meisten Lebewesen. Dabei gibt es nicht so viele Menschen, die ständig durch die Gegend laufen und sich fortpflanzen wollen. Aber es gibt Millionen von Menschen, die Sex haben wollen. Warum?
Sexualität ist eine Strategie, um Verbindung herzustellen. Sexualität kann benutzt werden, um Nähe zu spüren. Sexualität wird zur Entspannung konsumiert. Jemand, der als sexuell attraktiv eingeschätzt wird, erfährt auf diese Weise Wertschätzung. Beispiel: Pamela Anderson, amerikanischer Serienstar und Playboy-Ikone. Begeisterung, Leichtigkeit, Spaß, Zugehörigkeit – eine Fülle ichbezogener und sozialer Bedürfnisse können wir uns mit Sexualität erfüllen. Sex kann gegen Angst wirken, Sex füllt die (emotionale) Leere in unserem Inneren, Sex kann betäuben oder dämpfen. Ja, auch eine spirituelle Komponente ist zu finden. Zumindest wird es im Tantra so gelehrt und das Slow-Sex-Movement in den USA feiert diesen Aspekt der Sexualität.

Doch die Strategie Sex kann ihr Ziel komplett verfehlen, wenn widersprüchliche Bedürfnisse damit erfüllt werden sollen. Er wünscht sich Entspannung, sie Verbindung. Einer sehnt sich nach Nähe, der andere nach Leichtigkeit. Wenn ein Partner meint, Sexualität sei bereits Nähe, kann das beim anderen Partner ganz anders sein. Da entsteht Nähe vielleicht vorzugsweise bei einem Candlelight-Dinner oder einem Spaziergang Hand in Hand am Strand.

Wäre Sexualität im Sinne der GfK ein Bedürfnis wie Nahrung oder Schutz, gäbe es dazu vermutlich keine Alternative. Ist Sex eine Strategie, können sich neue Türen öffnen. denn dann finden wir 1000 Wege, die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu erfüllen. Sex kann einer davon sein, ja sogar die absolute Lieblingsstrategie. Aber es ist nicht mehr die einzige, und mein Selbstwert oder meine Glückseligkeit werden nicht mehr davon abhängen, ob ich einen Sexualpartner habe oder keinen.

Heute spüre ich in mich hinein, welche wunderbaren Bedürfnisse ich mir am liebsten mit Sex erfülle. Ich erkenne die Option, diese Bedürfnisse auch auf andere Weise zu stillen.

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