Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Im Auge des Betrachters

„Quod licet Iovi, non licet bovi.“
(deutsch: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist nicht [jedem] Ochsen erlaubt.“)

Zurzeit habe ich einen jungen Mann zur Ausbildung in meiner Abteilung. Am vorigen Wochenende entdeckte ich sein Profil in einem Netzwerk und schickte ihm eine Freundesanfrage. Er stimmte zu und schickte mir folgende Nachricht:
Das ist ja charmant – Sie auch hier?!:-)
Ich nutze dieses Netzwerk nicht außerordentlich oft, habe mich auch erst vor kurzem angemeldet. Zur Nachrichtenübermittlung ist diese Plattform einfach nützlich! Doch die meisten privaten Kontakte pflege ich dann doch lieber privat…
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ihr persönlicher Assistent 😉

Als ich am nächsten Tag einer Kollegin davon erzählte, war sie total auf Zinne. „Das ist ja eine Unverschämtheit! Dass du da so ruhig bleibst…?!“ Ich musste erst mal in Erfahrung bringen, was sie so aufregte, denn ich regte mich überhaupt nicht auf. Es stellte sich heraus, dass auf die die Formulierung „das ist ja charmant – Sie auch hier?!“ etwas ganz anderes bedeutete als für mich. Sie las: Ich hätte gar nicht gedacht, dass so eine alte Schachtel sich in einem sozialen Netzwerk herumtreibt… und nahm es als Einladung, sich gekränkt zu fühlen – wenn sie denn betroffen gewesen wäre.
Unser weiteres Nachforschen ergab, dass wir einen Vorgesetzten haben, der sehr gern das Wort „charmant“ benutzt. Und bei diesem Menschen wirkt der Gebrauch des Ausdrucks amüsant, leicht ironisch, manchmal verblüfft oder auch als Kompliment. Was dem Chef erlaubt ist, ist dem Stift noch lange nicht erlaubt…
Und wieder einmal zeigt sich der Segen der Beobachtung: Was der junge Mann geschrieben hat und wie es ankommt, sind zwei Paar Schuhe. Während ich mich freute, war die Kollegin entrüstet. Und doch gab es für beide Reaktionen nur einen Auslöser: ein paar Zeilen mit einem Gruß…
Heute will ich mir vergegenwärtigen, dass Ich nicht dafür verantwortlich bin, wie andere die Welt sehen. Ich bin für mein Tun und mein Unterlassen verantwortlich.

Feiertage

„Pferde haben keine Feiertage. Sie »legen nie die Hufe hoch«. Sie wollen täglich gepflegt und trainiert werden.“
Meredith Michaels-Beerbaum, Alverde, Ausgabe Juli 2008, S. 8

Heute las ich in einem Buch die Formulierung, „wir wollen wertschätzen, wie weit wir gekommen sind“. Und ich dachte bei mir: ein Feiertag wie der 3. Oktober ist eine gute Gelegenheit, zurückzuschauen. Das erste Buch, das mir die GfK ins Haus brachte, war von David Servan-Schreiber und hieß: Die Neue Medizin der Emotionen: Stress, Angst, Depression: – Gesund werden ohne Medikamente. Ich war 2006 sofort fasziniert und habe gleich Marshalls Buch „Gewaltfreie Kommunikation“ auf meinen Wunschzettel gesetzt. 2007 dann das erste Seminar, inzwischen drei Jahrestrainings, ein internationales Intensivtraining, zwei Trainings in Findhorn. Es ha sich wirklich viel verändert in meinem Leben. Zum Beispiel haben sich wunderbare und bereichernde Freundschaften entwickelt. Die Prioritäten haben sich verschoben. ich gebe heute ziemlich viel Geld für GfK-Trainings aus statt für Klamotten oder Bücher. Auch gibt es keine GfK-freien Tage mehr. Jeder Tag wird durch sie bereichert. Meine familiären Beziehungen haben sich verändert, insgesamt betrachtet würde ich sagen, sie sind bereichernder, näher, unterstützender geworden. An anderen Stellen habe ich meine Machtlosigkeit akzeptiert. Es gibt auch Beziehungen, die die GfK nicht überlebt haben. Menschen, die meinen heutigen Umgangston als „therapeutisch“ erleben, und deshalb keinen Kontakt mehr pflegen… .
Es gibt noch immer viele Tage, an denen ich trotz Blog und GfK-Freundschaften meinen Blick auf den Mangel richte. Dann kostet es mich Kraft, mich auf die Fülle zu konzentrieren, die mir in 2010 zuteil wird. Und ich bin dankbar. Noch nie habe ich mich so geborgen und geschützt gefühlt in der Welt. Alles ist gut und richtig so wie es heute ist.

Heute beginne ich zu begreifen, dass alles in meinem Leben einen Sinn hat, oder gehabt hat.

GfK-Modus an!

Modus (lateinisch für „Art“, „Weise“; Plural: Modi) bezeichnet:

* in der Musik eine Tonleiter, synonym zu Kirchentonart und Kirchentonleiter. Im Jazz wird der Begriff für weitere, beispielsweise außereuropäische, Tonleitern verwendet.
* in der europäischen Musik des 12. und 13. Jahrhunderts sechs rhythmisch festgelegte Schemata aus langen und kurzen Noten als Basis einer modalrhythmischen Komposition, siehe Modalnotation
* in der Dodekaphonie (Zwölftonmusik) Oberbegriff für die Zwölftonreihe und ihre Umkehrung, ihren Krebs und den Krebs der Umkehrung
* in der Musik Olivier Messiaens die Modi mit begrenzten Transpositionsmöglichkeiten
* Modus (Grammatik), einen grammatikalischen Konjugationsparameter des Verbs
* Modus (Statistik), in der Mathematik den häufigsten Wert einer Häufigkeitsverteilung
<...>
* eine Betriebsart in Wissenschaft und Technik
* eine Einstellung eines Vorgangs in der Informatik
* einen Begriff aus der Erzähltheorie, eingeführt von Gérard Genette* Modus, in der Rechtswissenschaft eine Gesetzliche Erwerbungsart
* Modus (Sport), die Durchführungsweise eines sportlichen Wettbewerbs
* Modus Operandi, wird in der Kriminalistik benutzt, um die Verhaltensweisen, einen speziellen Stil, Muster oder Charakteristika eines Kriminellen zu beschreiben
* Modus-Wagen, Reisezugwagen der Deutschen Bahn
* Renault Modus, ein Automodell
* Spielmodus (Computerspiel), eine Spielvariante in Computerspielen
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Gehversuche mit der Gewaltfreien Kommunikation. Ich hatte das erste Modul einer Jahresgruppe abgeschlossen und fragte mich, wann ich denn den GfK-Modus einschalten müsse. Sollte ich jetzt immer „so“ reden?
Anfangs habe ich auf GfK geschaltet, wenn ich etwas sagen wollte, von dem ich vermutet habe, dass mein Gegenüber es schwer hören kann. Und mehr als einmal habe ich ein für mich schwieriges Gespräch mit der Gefühls- und Bedürfnisliste vor der Nase geführt. Ich habe mich mit dieser Liste auf Mitarbeiter-Gespräche und auf die Verhandlungen wegen eines Autokaufs mit meinem Sohn vorbereitet. Ich hatte nicht immer Erfolg!
Mittlerweile erscheint mir der Übergang zum GfK-Modus fließend. Es gelingt mir besser, von einer „Sprache“ in die andere zu wechseln. Was mir noch nicht gut gelingt ist auszuhalten, wenn mein Gegenüber einen anderen Modus hat: Schlag den Rat oder Diagnosemodus zum Beispiel. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich auch das auf längere Sicht besser hören kann. Vor allem möchte ich einen guten Modus finden, meinem Gegenüber zu sagen, was ich brauche. Ein verzweifeltes „das ist kein GfK“ oder „Empathie geht anders“ entspricht nicht meinem Bedürfnis nach Verbindung, Nähe, Unterstützung und Gleichheit. Trotzdem rutscht es mir immer noch wieder raus. Da fehlt mir noch ein Kessel Selbstempathie…

Heute gleite ich wie selbstverständlich in den GfK-Modus. Wenn mein Gegenüber keinen GfK-Modus hat, schalte ich um auf Selbstempathie.

Was es ist…

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Aus einem Gedicht von Erich Fried

Wir sind schnell dabei, Dinge einzuschätzen, Urteile und Diagnosen zu stellen. Dabei kann es passieren, dass wir den Blick für das verlieren, was ist. Es gibt ein paar Bereiche meines Lebens, in denen ich immer besser annehmen kann, was ist. Wenn ich mit einem Urteil unterwegs bin, kann ich mir vier Fragen stellen, die ich bei Byron Katie gefunden habe:

1) Ist das wahr?

2) Kann ich wirklich wissen, dass das wahr ist?

3) Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken denke??

4) Wer oder was wäre ich ohne diesen Gedanken?

Anschließend versuche ich den Satz, das Urteil, die Überzeugung umzudrehen, neu zu formulieren. Statt:
Ich bin zu ungeschickt, um das zu basteln
formuliere ich
Ich bin zu geschickt, um das zu basteln.
Oder
du bist zu ungeschickt, um das zu basteln
oder
ich bin zu ungeschickt, um nichts zu basteln

Sinn der Sache ist, mindestens drei Umdrehungen zu finden und dabei auf die Energie im Körper zu achten. Wenn mein Kopf zuvor behauptet hat, dieses wäre wahr (und das natürlich in meinem Körper Gefühle auslöst), was geschieht dann, wenn ich mir sage, etwas anderes wäre wahr?

Es ist nur ein Gedanke, dass ich zu ungeschickt bin. Was ist die Beobachtung? Das von mir eingewickelte Geschenke aussehen als seien sie gerade runtergefallen und jemand wäre draufgetreten?
Dieser Tage quälte ich mich wieder mit dem Glaubenssatz, ich könne nicht mit Geld umgehen. Es ging mir schlagartig besser, als ich die Beobachtung benennen konnte: Es ist, was es ist! Ich habe Geld vom Sparbuch genommen, um andere Dinge zu bezahlen. Das ist es, was es ist. Diese Handlung sagt nichts über meine Fähigkeit aus, mit Geld umzugehen.

Heute nehme ich einen Anlauf, Dinge und Ereignisse als das zu betrachten, was sie sind. Ich möchte über nichts was geschieht, urteilen.

Glaubenssätze

„Der Glaube macht, dass Menschen Horoskope lesen, sich in die Luft sprengen oder bei Vollmond Ochsen melken.“
Dieter Nuhr, TV-Beileger zum Stern Nr. 25/2007 vom 14. Juni 2007, S. 2

Dieser Tage bin ich ständig über irgendwelche Glaubenssätze gestolpert. Eine Freundin arbeitete heute zum Beispiel zu dem Glaubenssatz:

Ich bin den Männern zu anstrengend, deshalb muss ich mich für sie anstrengen!

Wie sie genau diese Aussage für sich umwandelte, verrate ich in den nächsten Tagen. Heute will ich darauf hinaus, was dieser Gedankengang für einen Schatz birgt.
Wir gehen ja davon aus, dass unsere verschiedenen Persönlichkeitsanteile alle nur eins im Sinne haben: Unser Bestes. Und ein Persönlichkeitsanteil, der nun so einen Gedanken hegt, will das natürlich auch. In der Langfassung würde dieser Teil vielleicht sagen: Kind, wenn du einen Mann abhaben willst, musst du dir mehr Mühe geben! Es ist so anstrengend mit dir, und Männer wollen keine anstrengenden Frauen!
Dieser Persönlichkeitsanteil ist also:
besorgt
beunruhigt
irritiert
einsam
sorgenvoll
und unbehaglich.
Ich vermute, die unerfüllten Bedürfnisse dieses Persönlichkeitsanteils sind
Gemeinschaft
Ordnung (eine Frau muss einen Mann haben)
Selbstvertrauen
Authentizität
Zugehörigkeit
Wertschätzung
Unterstützung
Vertrauen
Intimität
Nähe
Zärtlichkeit
Sexualität
Harmonie
Leichtigkeit

Wenn ich mir das vergegenwärtige, überkommt mich ein tiefes Mitgefühl mit diesem Persönlichkeitsanteil. Er braucht Empathie. Bildlich gesprochen können wir die Persönlichkeitsanteile, die uns mit solchen Glaubenssätzen zu lenken versuchen, zärtlich an unseren Tisch bitten. Nur wenn diese Persönlichkeitsanteile gesehen und wertgeschätzt werden, gelingt es uns, sie in Liebe zu integrieren.

Heute will ich alle Teile von mir wertschätzen und willkommen heißen.

Ich bin verantwortlich für…

Projektion

[1] Meist vergrößerte Abbildung eines Bildes meistens an eine Wand oder Leinwand
[1] Darstellung auf einer Fläche
[2] Psychologie: Verlagern eigener Wünsche, Erwartungen und Gefühle auf andere Personen

Vor ungefähr zehn Jahren geriet ich an ein kleines Buch von Gerald Jampolsky und fand dort das erste Mal eine Schilderung zum Thema Projektionen, die mich sehr ansprach. Er schrieb in „Lieben heißt die Angst verlieren“ die Leitsätze: „Ich bin verantwortlich für das, was ich sehe“ und “ich bin entschlossen, die Dinge anders zu sehen“. In seinen Erläuterungen beschrieb er einen Projektor, der dafür sorgt, dass wir die Welt durch einen Filter sehen.

Dieser Tage geriet ich an eine Übung zum Thema Projektionen, die mich sehr nachdenklich stimmte. Ich wurde eingeladen an jemanden zu denken, dessen Verhalten mich so richtig schon auf die Palme bringt.
OK, ich hatte schnell einen Menschen im Sinn. Ich vermute, das geht vielen Leuten so. Dann kam die Beobachtung: Welche Verhaltensweise an meinem Gegenüber regt mich so auf?
Mich regte zum Beispiel auf, dass die Person rauchte ohne andere Anwesende zu fragen, ob es ihnen recht ist. Und mir fiel auf, dass die Person einen Umgang mit Kritik hat, den ich schwer aushalten kann. Insgesamt fand ich sechs Dinge, die mich an diesem Mitmenschen so richtig aufregten.
Dann ging es im nächsten Schritt darum, aus diesen Aufregern Eigenschaften zu destillieren, die vielleicht erstrebenswert sind. Ich fand vier, unter anderem die Eigenschaft, sich nicht jeden Schuh anzuziehen.

Im dritten Schritt ging es darum herauszufinden, wie es um diese „Un-Tugenden“ bei mir selbst bestellt ist. Da gab es dann ein großes Entsetzen. Drei dieser sechs von mir so abgelehnten Verhaltensweisen kenne ich in der einen oder anderen Form von mir selbst. Nicht zwingend von heute, aber durchaus aus meinem Leben. So erinnerte ich mich voller Trauer und Schmerz an eine Zeit, in der ich im Auto geraucht hatte, obwohl mich mein kleiner Sohn immer wieder darum bat, es nicht zu tun, weil ihm davon schlecht wurde. Seine Klagen habe ich damals einfach ignoriert…

Ich fand diese dreiteilige Übung bereichernd, einfach und hilfreich. Zum einen bringt sie mich näher zu mir: Wie geht es mir, wenn ich dieses Verhalten sehe? Was brauche ich dann, welche Bedürfnisse sind bei mir im Mangel? Zum zweiten finde ich heraus, was mir ganz gut tun würde: Ein bisschen mehr Selbstvertrauen, ein bisschen mehr Raum nehmen… Und zum dritten erkenne ich: Ich bin auch nicht „besser“ als mein Gegenüber. Wir sind auf seltsame Weise sehr ähnlich…

Heute bin ich bereit in mir zu suchen, was mir an anderen missfällt.

Vom Umgang mit Scham

„Trifft man das Richtige, so werde man nicht eingebildet, trifft man daneben, so schäme man sich nicht.“
Lü Bu We, (ca. 300 v.Chr. – ca. 235 v.Chr.), chinesischer Kaufmann, Politiker und Philosoph

Scham ist ein Gefühl der Verlegenheit oder der Bloßstellung, das sowohl durch Verletzung der Intimsphäre auftreten als auch auf dem Bewusstsein beruhen kann, durch unehrenhafte, unanständige oder erfolglose Handlungen sozialen Erwartungen oder Normen nicht entsprochen zu haben. Das Schamgefühl ist häufig von vegetativen Erscheinungen wie Erröten oder Herzklopfen (Palpitation) begleitet und kann durch typische Reaktionen wie das Senken des Blickes ausgedrückt werden. Die Intensität der Empfindung reicht von der flüchtigen Anwandlung bis zur tiefsten Beklommenheit und geradezu tödlichen Scham.
So beginnt Wikipedia seine Information über die Scham. Ich habe vor ein paar Monaten noch eine andere Deutung gehört, die mich seitdem immer wieder beschäftigt. Empfinde ich Scham, glaube ich, dass mir MIR etwas falsch ist. Damit ist Scham ein GfK-Thema par excellence.
Scham kann unendlich viele Auslöser haben. Ich glaube, dass dabei immer eine Bewertung im Spiel ist. Ich bin nicht so, wie ich sein SOLLTE. Es gibt also in diesem Moment einen Bewertungsmaßstab, der angelegt wird, und auf dessen Skala rangiere ich als „ungenügend“.
Ein beliebter Auslöser für Scham kann sein, dass ich etwas getan oder unterlassen habe, von dem ich in der Rückschau der Ansicht bin, das dieses Verhalten bestimmte Bedürfnisse unerfüllt lässt,
In der Welt von Richtig oder Falsch stimmt also etwas nicht mit mir, weil ich zum Beispiel „einen Fehler gemacht“ habe. Eine liebe Freundin von mir vergeht vor Scham, wenn sie sich „zumutet“, wenn sie andere um einen Gefallen bittet. Eine andere Freundin empfindet Scham, weil es ihr nicht gelingt abzunehmen. Ich selber war kürzlich krank und empfand Scham, die Kollegen mit der Arbeit allein zu lassen. In einem aktuellen Beispiel habe ich mich in einer bestimmten Situation eingemischt und erfuhr anschließend, dass mein Verhalten der Auslöser für einen tiefen Schmerz bei jemand anderem war.
Meine Wölfe waren sehr besorgt um mich und heulten laut, um mich auf einen guten Weg zu bringen. „Aus dir wird nie ein vernünftiger GfK-Trainer! Wie kann man nur so unsensibel sein! Du bist wie eine Dampfwalze, immer bügelst du über die Bedürfnisse anderer hinweg!“ Welche Bedürfnisse (meiner wohlmeinenden Wölfe) waren hier unerfüllt? Ganz offensichtlich das Bedürfnis nach Respekt und Wertschätzung, nach Beitragen, Verbindung und Vertrauen.
Es ist noch immer eine schwierige Übung für mich, der Auslöser für den Schmerz eines anderen Menschen zu sein, und dabei gleichzeitig meine Selbstachtung zu behalten, nicht vor Scham und Schmerz im Boden zu versinken. Und wenn die Scham mich niederdrücken will, hilft es mir, an Marshalls Worte zu denken. Mit jeder meiner Handlungen versuche ich mir ein wundervolles Bedürfnis zu erfüllen. Manchmal führt das dazu, dass andere Bedürfnisse wie etwa Beitragen, Verbindung oder Schutz dabei unerfüllt bleiben. Doch auch wenn das der Fall ist, ist nichts falsch mit mir. Ich brauche keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen. Ich bin ein wunderbares Geschöpf Gottes, dazu bestimmt glücklich zu sein und zu wachsen.

Hier noch einmal die Botschaft dazu von Marianne Williamson:

Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein,
unsere tiefste Angst ist es, daß wir über alle Maßen
kraftvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
was wir am meisten fürchten.
Wir fragen uns, wer bin ich denn,
um von mir zu glauben,
daß ich brillant, großartig, begabt und einzigartig bin?
Aber genau darum geht es,
warum solltest du es nicht sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich klein zu machen nützt der Welt nicht.
Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen,
nur damit sich andere Menschen um Dich herum
nicht verunsichert fühlen.
Wir alle sind aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes,
die in uns liegt, auf die Welt zu bringen.
Sie ist nicht in einigen von uns,
sie ist in jedem.
Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen,
geben wir anderen Menschen unbewußt die Erlaubnis,
das Gleiche zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unser Dasein automatisch die anderen.

Wie kann ich liebevoll mit mir umgehen, wenn mich die Scham im Griff hat? Was brauche ich in solchen Zeiten besonders? Ich kann mich aufrichten und Kontakt zu Menschen suchen, die mir bestätigen: Mit mir ist nichts falsch. Ich mag etwas getan haben, was manche Bedürfnisse von mir unerfüllt lässt. Ich kann das bedauern, betrauern, ich kann mich um Verbindung oder Wiedergutmachung bemühen. Zuerst jedoch kann ich mich selber annehmen und mir vergewissern: Ich bin ein Kind Gottes. Ich bin bestimmt, mein Licht scheinen zu lassen.

Heute will ich mich daran erinnern, dass nichts an mir falsch ist. Das gilt auch gerade dann, wenn ich etwas getan habe, was ich zu einem späteren Zeitpunkt bedaure.

Psychosprech

Quaksprech (in älteren Übersetzungen „Entenquak“) (engl. duckspeak): buchstäblich sprechen, ohne zu denken, oder wie eine Ente zu schnattern. Wenn man Unsinn redet und lügt, so spricht man Quaksprech. Je nach Anwendung ein Lob (bei Personen mit gleicher, regierungstreuer Meinung) oder eine Beschimpfung (bei Personen mit anderer Meinung als der Große Bruder).
Wiipedia in einem Zitat in Neusprech. Bei Neusprech handelt es sich um eine kritische Satire auf das Basic English von Charles Kay Ogden und I. A. Richards, das Orwell zwischen 1942 und 1944 noch wohlwollend unterstützte, bevor er es ab 1946 in seinem Aufsatz Politics and the English Language heftigst bekämpfte.[1]

Heute Abend habe ich mit einer Freundin ein Rollenspiel gemacht. Sie spielte ihre Schwester, mit der sie zur Zeit schwer kommunizieren kann. Ich spielte sie, und in dieser Rolle gab ich der Schwester Einfühlung. „Was soll denn diese Psychosprache“, ereiferte sie sich in der Rolle der Schwester, „Ich bin doch hier nicht auf der Couch!“. Und vor zwei Tagen hörte ich in einem anderen Zusammenhang, „GfK mag ja gut sein für Konfliktmediation oder bei Krisen, aber in der Partnerschaft kriege ich zu viel, wenn wiederholt wird, was ich gerade gesagt habe! Ich weiß doch, was ich rede!“
Wie reden wir GfK? Wie geht „Streetgirafish“? Was ist es, dass die Leute so auf die Palme bringt? Es sind die Nachfragen, das Zurückhalten der eigenen Meinung, bis man/frau dran ist, der Verzicht auf Ratschläge, Gegenargumente, Übertrumpfen, Diagnosen, Mitleid, Effekthascherei oder Abwerten. All das gilt jedoch als normales Kommunikationsverhalten. Präsenz und Respekt kennen wir nur noch aus der Psychotherapie oder vielleicht aus dem Beichtstuhl. An allen anderen Orten rechnen wir zumindest damit, be-urteilt zu werden.
Manchmal brauchen gute Ideen ein wenig länger, um sich durchzusetzen. Es ist die Haltung, um die es geht, und nicht die Worte. Also: Bange machen gilt nicht. Wie sagte schon mal ein anderer Sprachgewaltiger: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“

Heute will ich in Verbindung mit meiner einfühlsamen Natur bleiben. Auch wenn andere durch meine Worte irritiert sind, versuche ich ihnen empathisch zu begegnen.

Spiel mit meinem Schmerz

Niveau ist keine Creme. Empathie ist kein Problem.

Zum Songtext von Sportfreunde Stiller – Alles Roger!

Gestern hatte ich Besuch zum Kaffee. Während wir uns unterhielten und das Baby fröhlich krakeelte, klingelte das Telefon und ich bekam die Nachricht, dass jemand aus meiner Familie an Krebs erkrankt ist. Während ich noch zuhörte, gestikulierte mein Gast, ich vernahm „Vitamin C intravenös“ und ein paar andere Satzfetzen.
Ich legte auf und erzählte kurz, wen der Anruf betraf. „Ich weiß alles über Krebs“ sagte mein Besucher und fing an, mir Behandlungsvorschläge zu machen. Die Patientin müsse ihre Ernährung auf Rohkost umstellen. Vitamin C nehmen etc. Ich holte tief Luft und dachte, er erfüllt sich sein Bedürfnis beizutragen. Es ging ihm sicher um Unterstützung und Beteiligung. Aber ich konnte es wirklich kaum hören. Später fiel mir ein, dass Marshall von einer Freundin in der Schweiz erzählte. Sie war schwer krank. Wenn er in der Nähe war, rief er sie an, und sie sagte zu ihm, „komm und spiel mit meinem Schmerz“. Marshall erwähnte, dass es für viele Kranke schwer ist, mit „normalen“ Menschen zusammen zu sein, weil diese sich schwer tun im Umgang mit dem Leid. Eigentlich bräuchten sie selbst Empathie. Doch dann geben sie Ratschläge, machen sich vielleicht Vorwürfe, zerfließen vor Mitleid. Das alles macht es den Kranken nicht leichter.

Irgendwann habe ich meine Gäste dann gebeten zu gehen.
Dann habe ich mir meine Liste genommen und versucht nachzuspüren: Wie mag es jemandem gehen, der so eine Diagnose bekommen hat? Tumor im Rachen… und wie mag sich der Partner fühlen? Was brauchen die beiden?
Dann habe ich tief Lust geholt und angerufen.
Inzwischen habe ich auch auf meine Email an die beiden eine Rückmeldung bekommen. Es scheint, dass ich den passenden Ton gefunden habe und mein Angebot von Unterstützung und Sehen/Hören ihre Bedürfnisse getroffen hat.

Was habe ich gelernt? Mit ist wieder einmal deutlich geworden, wie kostbar Empathie ist. Und ich habe gespürt, wie wenig hilfreich es ist, wenn man etwas anderes bekommt, wenn Empathie gebraucht wird.

Heute will ich genau nachspüren, was ich brauche und ich werde darum bitten es zu bekommen.

Sprachhygiene

Der Arzt und Psychotherapeut Bernd Frederich in einem Interview mit der Wiener Zeitung über die Gefährlichkeit des Verliebens und den Zusammenhang von Gesundheit und Familie
Nützlicher Idiot erwählt Prinzessin
Von Gerald Schmickl

(…)

„W. Z.“: Vorausgesetzt, man bleibt gesund. Wie stellt man das am besten an?

Frederich: Wie sich gezeigt hat, kommen die größten medizinischen Erfolge aus dem Bereich der Prävention. Wenn es also vor hundert Jahren darum ging, die körperliche Hygiene einzuführen, wäre es jetzt höchst an der Zeit, mit der psychischen Hygiene zu beginnen, sprich: mit einer sauberen Kommunikation.

„W. Z.“: Nach dem Motto: Nicht der Patient ist krank, sondern die Beziehung, in der er lebt.

Frederich: Genau. In Patientenfamilien werden meiner Erfahrung nach viel zu viele Feindseligkeiten ausgetauscht, wobei den Leuten gar kein Vorwurf zu machen ist, weil es ihnen nicht einmal bewußt ist. So wie den Menschen vor hundert Jahren nicht bewußt war, daß wenn man mit schmutzigen Händen in eine Wunde greift, die in der Folge zu eitern beginnt. Daher würde ich mir wünschen, daß Kommunizieren alsbald ein Schulstoff ist. Man muß systematisch lernen, miteinander zu reden.
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Kommunikation als Schulstoff – ist das nicht ein Traum, für den es sich zu kämpfen lohnt? Je länger ich mich mit der GfK befasse, desto mehr erreicht mich die Gewalttätigkeit in unserer Sprache, unseren Konzepten, unseren Introjekten, der Art. wie wir unsere Kinder erziehen. Heute sprach ich mit einer GfK-Anfängerin über die Aussage: „Bist du beunruhigt, weil dir das Funktionieren der Gruppe so kostbar ist?“ Sie berichtete, dass sie es ganz schwer hören kann, wenn ihr jemand etwas zuschreibt. „Du bist ja so und so…“ Wie kann jemand anderes wissen, was ich bin, oder was ich fühle?

Ich kann diesen Aufruhr gut verstehen. Marshall zitiert einen Kinderreim zu diesem Thema:
Sticks and stones can break my bones but words can never hurt me!
(Stöcke und Steine können meine Knochen brechen, aber Worte können mich niemals verletzen).
Die Kinder, die das rufen, wissen intuitiv mehr von Leben als ich auf meine alten Tage. Ich spüre immer noch großen Schmerz, wenn mir jemand sagt, wie ich bin. Inzwischen kann ich auch Komplimente schlecht hören und wenn immer es möglich ist, frage ich nach: Welches Bedürfnis von Dir wurde durch mein Verhalten erfüllt? Ganz schwer ist es für mich zu hören, wie Menschen sich selbst runterputzen. Heute hörte ich, wie jemand sagte, ich bin ja so faul! Wir vergessen dabei: Unser Unterbewusstsein hat keinen Sinn für Humor. Es gibt einen Teil von uns, der glaubt diese gewalttätigen Urteile, die wir von uns haben. Und Sprachhygiene darf gern bei uns selbst anfangen.

Heute will ich darauf achten, wie ich mit mir selber spreche. Ich werde meine Worte aufmerksam übersetzen, wenn ich nicht liebevoll mit mir umgehe.

Etikettenausgabe

„Wir sind keine Wurstfabrik, die ein neues Label druckt, Marketingunternehmen bestellt und sagt, jetzt wollen wir mal wieder.“
Reinhard Marx, über die römisch-katholische Kirche, DER SPIEGEL 21/2006, „Wir sind keine Wurstfabrik“

Heute hatte ich ein Telefonat mit einer Kollegin, die den Workshop leiten wird, in dem ich ein Modul „Einfühlsames Zuhören“ übernommen habe. Danke an dieser Stelle an Gabriel und Markus, die mich mit Input versorgt haben. Ich trug der Kollegin vor, was ich mir zusammengeschrieben hatte und sie ergänzte um einige Sachen. So sagte sie zum Beispiel: Wir können auch das Riemann-Modell machen, das hilft dann den Ausbildern besser zu verstehen, warum eben der eine so zurückgezogen ist und der andere so launisch.

Zuerst war ich von Ehrfurcht erfüllt und wolfte mich wieder einmal, „und du willst Kurse geben, wenn du nicht mal weißt, was das Riemann-Modell ist?“. Während ich meiner Gesprächspartnerin noch zuhörte, gab ich mir gleichzeitig Einfühlung. Ich bin ja bisher kein Berater oder Coach „Human Ressources“, sondern GfK-Aktivistin. Und dann sickerte das Gehörte in mein Bewusstsein. Es gibt also ein Tool, mit dem ich Menschen in Kategorien einteilen kann. Es heißt Riemann-Thomann-Modell und wurde von Fritz Riemann mit entwickelt, der 1962 das Buch „Grundformen der Angst“ veröffentlichte. Er ist ein namhafter Analytiker und sein Buch gilt als ein Standardwerk der Charakterforschung. Ich glaube, das erste Mal habe ich es 1978 gelesen. Und dann ging mir auf, was Sinn dieser Übung sein sollte: Wir kategorisieren Leute, um sie leichter/besser handhaben zu können, freundlich formuliert um einen Zugang zu ihnen zu finden. Dann verbiss ich mich geistig iin das Wort „launisch“ (ein Wortschätzchen folgt…) und war ganz froh, als wir feststellten, dass für das Riemann-Thomann-Modell (hier eine anschauliche PDF) wohl keine Zeit bleiben würde. Stattdessen werden wir viel Zeit damit verbringen, neutrale Beobachtungen zu finden und uns mit unseren Bedürfnissen zu verbinden.
Launisch, kompliziert, eifersüchtig, stilles Wasser, unhöflich, überdreht… die Liste der Etiketten, wie wir anderen Menschen anheften, kann unendlich lang sein. Mit der GfK im Herzen und im Hirn haben wir die Chance, die in Beobachtungen und Bewertungen zu separieren und nachzuspüren, welche Bedürfnisse bei uns im Mangel sind. Wenn wir lediglich Etiketten verteilen, berauben wir uns der Chance, unser Gegenüber so zu sehen wie er oder sie ist.
Heute will ich mein Augenmerk darauf richten, in welchen Situationen Menschen mit Etiketten belegt werden. Ich erlaube mir die Frage, welches Bedürfnis in dem Moment im Mangel ist.

Let’s talk about Sex…

„Mein Ziel war es, die Liebe der Männer zu erotisieren und die Liebe der Frauen zu sexualisieren.“ –
Oswalt Kolle, auf die Frage, was ihn motiviert habe, seine Sexualitätsratgeber und Filme zu veröffentlichen, Stuttgarter Zeitung Nr. 178/2007 vom 4. August 2007, S. 43

Let’s talk about sex… findet offenbar weniger häufig statt als uns die Medien vorgaukeln. Wir verbringen viel Zeit damit, über Kochrezepte, Online-Games, Autoreparaturen, den nächsten Urlaub oder den Frust am Arbeitsplatz zu reden. Echte Gespräche über Sex sind die Ausnahme.
Im Workshop von Kit Miller haben wir versucht herauszufinden, warum das so ist. Wir haben dabei festgestellt, dass eine Fülle von Bedürfnissen mit eine Rolle spielt, wenn es anscheinend „nur“ um Sex geht. Verbindung, Nähe, Intimität, Harmonie, Autonomie, Selbstvertrauen, Kreativität, Authentizität, Beteiligung, Leichtigkeit und Spaß fallen mir dabei als erstes ein. Natürlich auch Gesehen & gehört werden.
Ich vermute einen besonderen Mix an Gedanken, der dazu führt, dass Paare eben nicht über Sex reden. „Ich weiß doch, wie’s geht…“ oder „wenn er mich liebt, dann spürt er instinktiv was mir gefällt“ gehören in diese Tüte. Dieser Tage hörte ich: „Ich werde ihm schon sagen, wenn mir was nicht gefällt“, und ich dachte bei mir, mit so einer Ansage würde ich mich nicht besonders entdeckerfreudig oder wagemutig fühlen, sondern eher Angst haben, etwas „falsch“ zu machen.
Ich erinnere mich an einen Mann, der von seinem Verhältnis zu einer Frau erzählte. Die beiden waren befreundet und hatten Sex miteinander, dem Mann war es aber wichtig, dass sie kein Paar waren, da er für eine Paarbeziehung keine Entwicklungschancen sah. Während die beiden ihre Sexualiät lebten, spürte der Mann den Impuls zu sagen, ich liebe dich, doch er verkniff sich den Satz. Er fürchtete, damit bestimmte Hoffnungen zu wecken oder später auf diese Aussage „festgenagelt“ zu werden. In den folgenden Wochen bemerkte der Mann, dass seine Erektion nachließ. Die beiden beendeten das Verhältnis.
Beim Nachspüren dieser Geschichte kamen wir darauf, dass der Mann sich von seiner Authentizität und sexuellen Energie abgeschnitten hatte, als er eben nicht „ich liebe dich“ sagte, als es ihm gerade in den Sinn kam.

Was kann uns darin unterstützen, über Sex zu reden? Theratalk, ein Internet-Therapieangebot der Universität Göttingen, hat dazu einen Fragebogen entwickelt. Damit können Paare gemeinsam erforschen, wie sie sich gegenseitig gut tun können.
Dann braucht es eigentlich nur noch ein bisschen Vertrauen, Zugehörigkeit, Verbindung, Sicherheit und Ehrlichkeit und es kann losgehen: Let’s talk about Sex…
Heute will ich aufmerksam sein, über welche Themen ich nicht mit anderen Menschen rede. Ich öffne mich für die Bedürfnisse, die ich mir mit dieser Strategie erfüllen möchte.

Sich selber sehen

Nach Bekanntwerden der Affären begab sich Woods vorübergehend in stationäre Therapie – angeblich wegen Sexsucht.

„Ich fühlte mich so dumm“, sagte Nordegren nun „People“. „Wie konnte ich gar nichts davon wissen? Das Wort Verrat ist nicht stark genug. Meine ganze Welt ist zusammengebrochen.“
Elin Nordegren zwei Tage nach ihrer Scheidung von Golf-Profi Tiger Woods,
Zitat gefunden auf www.Spiegel.de

Die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Elin Nordegren enrdeckte auf dem Handy ihres Mannes die Kommunikation mit Rachel Uchitel, eine in den USA relativ bekannte Schöne, die ihren Verlobten bei 9/11 verloren hatte. Als sie dann eine SMS zurückschickte und Antwort bekam, rief sie sie an… so flog auf, dass ihr Mann, der Weltranglisten-Erste Tiger Woods, eine Affäre hatte. Eine Affäre mit ca. 15 Frauen, glaubt man all denen, sie sich jetzt zu Wort meldeten.
Es sei einmal dahingestellt, welches Bedürfnis Tiger Woods sich mit den Affären erfüllte. Mir fallen da nur im Moment ein paar Diagnosen ein, die ich uns allen erspare, denn sie sagen eigentlich nichts aus. Viel spannender ist, wie es Elin Nordegren ging, als sie das Unfassbare erkannte.
Sie sagte nicht etwa,
ich war verzweifelt, weil mir Vertrauen so wichtig war
oder
ich fühlte tiefen Schmerz, weil ich realisierte, dass unsere Verbindung nicht so war, wie ich sie empfunden hatte
oder
ich war wütend, weil mir Ehrlichkeit in einer Partnerschaft total wichtig ist.

Sie sagte, ich fühlte mich dumm <...> wie konnte ich gar nichts davon wissen…

Ich werde ganz traurig bei diesen Worten.
„Dumm“, „Verrat“, „Welt zusammengebrochen“ – ich habe eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie es ihr ging, als sie die Wahrheit erfuhr. Hier wurde das alte Spiel „Du bist Scheiße… ich bin Scheiße“ gespielt. Ich werte dich ab, weil du ein Scheißkerl bist. Ich werte mich ab, weil ich nichts gemerkt habe und deshalb dumm (oder naiv, leichtgläubig, bekloppt, vertrauensselig) bin…

Ich habe auch den Verdacht, dass das Verhalten ihres Mannes für Elin Nordegren eine Einladung zur Selbstabwertung war. Was stimmt nicht mir mir, dass so etwas passiert? Und um ihre Selbstachtung zurückzugewinnen, musste Elin sich trennen und lebt nun mit zwei Kindern allein. Das Jüngere ist gerade ein Jahr…

Ach, hätte sie doch nur ein paar Giraffenohren besessen! Dann wüsste sie, dass sie zu keinem Zeitpunkt dumm war. Mit ein bisschen Unterstützung hätte sie vielleicht spüren können, dass das Verhalten ihres Mannes nichts mit ihr zu tun hatte. Und mit ein bisschen Unterstützung hätten die beiden vielleicht einen Neuanfang hinbekommen, der ihnen eine besonders tiefe und intensive Beziehung ermöglicht hätte. Ich weiß von Leuten, die das hingekriegt haben. Ich kenne sie sogar persönlich. Und eine der Voraussetzungen für einen Neustart lautet: Ich bin nicht verantwortlich für das, was du tust. Und du bist nicht verantwortlich für das, was ich fühle.

Heute will ich mic darauf besinnen, was meine ureigene Verantwortung ist.

Auskuppeln

„Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind! … Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt.“
Günter Eich (1907-1972), deutscher Lyriker und Hörspielautor zitiert bei www.berlinerliteraturkritik.de “seid unnütz”

Dieser Tage sprach ich mit einer Freundin, die zu einem Vorstellungsgespräch gegangen war. Die potentielle Arbeitgeberin griff am Ende des Gesprächs noch einmal zu dem Bewerbungsfoto und fragte, „Sind das wirklich Sie? In Wirklichkeit sehen Sie viel jünger aus!“
Meine Freundin geriet durch diese Bemerkung in schwere Not. Das Bild war drei Jahre alt, was war jetzt zu tun? Aus verschiedenen Gründen „hörte“ meine Freundin etwas ganz anderes als die Worte ihres Gegenübers, nämlich: Sie sehen überhaupt nicht aus wie auf dem Foto! Sie haben mir etwas vorgegaukelt, Sie sind gar nicht die, als die Sie sich mit Ihrer Bewerbung ausgeben…“

Zusammen haben wir es geschafft, uns genau auf die Beobachtung zu fokussieren. Alles andere war eine automatische Reaktion in ihrem Kopf, ein so genanntes Stimulus-Response-Pattern. Ein Muster, das bei ihr ausgelöst wird, wenn sie in gewisser Weise angeregt wird. Ich kenne solche Muster von mir. Wenn mein früherer Chef bei mir anrief, dachte ich jahrelang, jetzt will er dich rausschmeißen… und ich kramte sofort in meinen Erinnerungen, was ich wohl falsch gemacht haben konnte. Mein Sohn hatte die Angewohnheit, als erstes zu sagen: Ich wars nicht! Häufig reagieren wir in dieser Weise, geradezu automatisiert. Wir haben gelernt, mit bestimmten Stimuli auf bestimmte Weise umzugehen.
Die GfK schenkt uns die Möglichkeit, Stimulus und Reaktion zu entkoppeln. Das ist, als seien wir mit dem Auto unterwegs und würden den Gang rausnehmen. Die Zahnräder werden voneinander getrennt. Und ich kann neu entscheiden, welchen Gang ich einlegen will. Das setzt voraus, dass ich mir bewusst bin, dass gerade ein Muster bei mir angetickt wird. Das Läuten des Telefons macht mir Angst? Der Blick meines Chefs lässt mich innerlich zittern? Die Reaktion meines Partners löst Schmerz und Trauer aus? Auskuppeln! Zurückkehren zu den vier Schritten: Was ist die Beobachtung? Die Personalchefin hat gesagt, auf dem Foto sähe ich älter aus als heute in echt.
Atmen… Und was löst diese Bemerkung bei mir aus? Ich werde mir bewusst, dass diese Auslöser nur für mich stimmen müssen. Jemand anderes freut sich vielleicht, wenn ihm gesagt wird, in Wirklichkeit sähe er jünger aus, oder wenn der Chef ihn oder sie anruft: Vielleicht eine gute Gelegenheit, eine zusammen zu rauchen. Die Angst entsteht in meinem Kopf, weil ich nicht weiß, wie ich den Anruf einordnen soll. Ich kann Auslöser und meine innere Reaktion darauf voneinander getrennt sehen. Und ich finde neue Wege damit umzugehen, weil ich nicht mehr automatisch reagieren muss.

Heute will ich mein Augenmerk darauf richten, wo ich automatisch reagiere. Dann werde ich mich fragen: Was ist die Beobachtung dazu?

Früher… Da war…

„Manchmal fahre ich noch raus wie früher: offenes Hemd, Schlappen an, frei im Wind. Ich lach mich dann immer über die greisen Silberpappeln auf ihren Harleys schlapp. Die ham vier lange Unterhosen an, und beim Tanken läuft denen das Wasser in die Stiefel.“
Rötger Feldmann, auf die Frage, ob er mit Ende 50 immer noch Rocker sei, Stern Nr. 40/2008 vom 25. September 2008

Früher war alles besser. Früher hatten wir noch richtigen Sommer. Früher schmeckten die Tomaten noch wie Tomaten. Früher hatten die Kinder noch Respekt vor Eltern und Lehrern. Früher war die Luft nicht so verpestet und die Benzinpreise niedriger. Früher brauchte man nicht solche Jobangst zu haben.
Was geht in uns vor, wenn wir den Scheinwerfer in die Vergangenheit richten, wenn wir vergleichen, was in unserer Erinnerung abgespeichert ist oder was wir vom Hörensagen kennen, und zu dem Ergebnis kommen, früher war alles besser?
Verbunden ist so ein „früher war alles…“ häufig mit einem „man müsste“. Denn wenn wir einen Idealzustand benennen, nämlich das Früher, dann ist es ja auch an uns, an den Nachbarn, den Politikern oder den Eltern, für mehr Naturschutz, billigeres Benzin oder bessere Erziehung zu sorgen.
„Früher war alles…“ katapultiert und auch in ein „…und heute ist alles…“. Und in dieser Vorgehensweise nehmen wir nicht wirklich wahr, was heute ist. Wir bewerten das Heute nur durch eine vorgeschobene Linse. Früher war etwas so, heute ist es anders. Indem ich es in Relation setze, nehme ich dem Heute seinen eigenen Stand. Das hatte Gertrude Stein gemeint als sie schrieb, eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Ja, sie ist auch eine Zierpflanze, ja, sie ist auch ein Liebesbote, ja, sie hat auch Dornen: Und dennoch: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Und das Heute ist das Heute und nicht nur ein schlechtes Abziehbild von Damals oder Neulich.
Wenn wir aber am Heute keine Veränderungsmöglichkeit erkennen, weil „die“ eigentlich etwas tun müssten, oder weil „man“ daran nichts ändern kann, spüren wir Ohnmacht, Schmerz, Frust und Trauer. Vielleicht auch Wut und Verzweiflung.
Der Blick auf das „Früher“ zeigt uns unsere Sehnsüchte und Hoffnungen. Sie anzunehmen und umzuwandeln versetzt uns ins Heute. Ich wünsche mir Sicherheit am Arbeitsplatz? Wozu brauche ich diese Sicherheit? Welchen Beitrag kann ich dazu leisten? Mir fällt es schwer, die hohen Benzinpreise zu bezahlen? Welche alternativen Fortbewegungsmittel habe ich? Ich wünsche mir von Jugendlichen Respekt? In welcher Weise bin ich bereit, mich dafür zu engagieren?
Der freie Blick auf das Heute verbindet uns mit unserer Kraft und unseren Gestaltungsmöglichkeiten. Nur für heute kann ich Entscheidungen treffen, nach meinen Werten leben, einen Beitrag leisten.
Heute ist der einzige Tag, dessen Gelingen ich beeinflussen kann.

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