Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Im Auge des Betrachters

„Quod licet Iovi, non licet bovi.“
(deutsch: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist nicht [jedem] Ochsen erlaubt.“)

Zurzeit habe ich einen jungen Mann zur Ausbildung in meiner Abteilung. Am vorigen Wochenende entdeckte ich sein Profil in einem Netzwerk und schickte ihm eine Freundesanfrage. Er stimmte zu und schickte mir folgende Nachricht:
Das ist ja charmant – Sie auch hier?!:-)
Ich nutze dieses Netzwerk nicht außerordentlich oft, habe mich auch erst vor kurzem angemeldet. Zur Nachrichtenübermittlung ist diese Plattform einfach nützlich! Doch die meisten privaten Kontakte pflege ich dann doch lieber privat…
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ihr persönlicher Assistent 😉

Als ich am nächsten Tag einer Kollegin davon erzählte, war sie total auf Zinne. „Das ist ja eine Unverschämtheit! Dass du da so ruhig bleibst…?!“ Ich musste erst mal in Erfahrung bringen, was sie so aufregte, denn ich regte mich überhaupt nicht auf. Es stellte sich heraus, dass auf die die Formulierung „das ist ja charmant – Sie auch hier?!“ etwas ganz anderes bedeutete als für mich. Sie las: Ich hätte gar nicht gedacht, dass so eine alte Schachtel sich in einem sozialen Netzwerk herumtreibt… und nahm es als Einladung, sich gekränkt zu fühlen – wenn sie denn betroffen gewesen wäre.
Unser weiteres Nachforschen ergab, dass wir einen Vorgesetzten haben, der sehr gern das Wort „charmant“ benutzt. Und bei diesem Menschen wirkt der Gebrauch des Ausdrucks amüsant, leicht ironisch, manchmal verblüfft oder auch als Kompliment. Was dem Chef erlaubt ist, ist dem Stift noch lange nicht erlaubt…
Und wieder einmal zeigt sich der Segen der Beobachtung: Was der junge Mann geschrieben hat und wie es ankommt, sind zwei Paar Schuhe. Während ich mich freute, war die Kollegin entrüstet. Und doch gab es für beide Reaktionen nur einen Auslöser: ein paar Zeilen mit einem Gruß…
Heute will ich mir vergegenwärtigen, dass Ich nicht dafür verantwortlich bin, wie andere die Welt sehen. Ich bin für mein Tun und mein Unterlassen verantwortlich.

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