Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Etikettenausgabe

„Wir sind keine Wurstfabrik, die ein neues Label druckt, Marketingunternehmen bestellt und sagt, jetzt wollen wir mal wieder.“
Reinhard Marx, über die römisch-katholische Kirche, DER SPIEGEL 21/2006, „Wir sind keine Wurstfabrik“

Heute hatte ich ein Telefonat mit einer Kollegin, die den Workshop leiten wird, in dem ich ein Modul „Einfühlsames Zuhören“ übernommen habe. Danke an dieser Stelle an Gabriel und Markus, die mich mit Input versorgt haben. Ich trug der Kollegin vor, was ich mir zusammengeschrieben hatte und sie ergänzte um einige Sachen. So sagte sie zum Beispiel: Wir können auch das Riemann-Modell machen, das hilft dann den Ausbildern besser zu verstehen, warum eben der eine so zurückgezogen ist und der andere so launisch.

Zuerst war ich von Ehrfurcht erfüllt und wolfte mich wieder einmal, „und du willst Kurse geben, wenn du nicht mal weißt, was das Riemann-Modell ist?“. Während ich meiner Gesprächspartnerin noch zuhörte, gab ich mir gleichzeitig Einfühlung. Ich bin ja bisher kein Berater oder Coach „Human Ressources“, sondern GfK-Aktivistin. Und dann sickerte das Gehörte in mein Bewusstsein. Es gibt also ein Tool, mit dem ich Menschen in Kategorien einteilen kann. Es heißt Riemann-Thomann-Modell und wurde von Fritz Riemann mit entwickelt, der 1962 das Buch „Grundformen der Angst“ veröffentlichte. Er ist ein namhafter Analytiker und sein Buch gilt als ein Standardwerk der Charakterforschung. Ich glaube, das erste Mal habe ich es 1978 gelesen. Und dann ging mir auf, was Sinn dieser Übung sein sollte: Wir kategorisieren Leute, um sie leichter/besser handhaben zu können, freundlich formuliert um einen Zugang zu ihnen zu finden. Dann verbiss ich mich geistig iin das Wort „launisch“ (ein Wortschätzchen folgt…) und war ganz froh, als wir feststellten, dass für das Riemann-Thomann-Modell (hier eine anschauliche PDF) wohl keine Zeit bleiben würde. Stattdessen werden wir viel Zeit damit verbringen, neutrale Beobachtungen zu finden und uns mit unseren Bedürfnissen zu verbinden.
Launisch, kompliziert, eifersüchtig, stilles Wasser, unhöflich, überdreht… die Liste der Etiketten, wie wir anderen Menschen anheften, kann unendlich lang sein. Mit der GfK im Herzen und im Hirn haben wir die Chance, die in Beobachtungen und Bewertungen zu separieren und nachzuspüren, welche Bedürfnisse bei uns im Mangel sind. Wenn wir lediglich Etiketten verteilen, berauben wir uns der Chance, unser Gegenüber so zu sehen wie er oder sie ist.
Heute will ich mein Augenmerk darauf richten, in welchen Situationen Menschen mit Etiketten belegt werden. Ich erlaube mir die Frage, welches Bedürfnis in dem Moment im Mangel ist.

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