Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Ich bin verantwortlich für…

Projektion

[1] Meist vergrößerte Abbildung eines Bildes meistens an eine Wand oder Leinwand
[1] Darstellung auf einer Fläche
[2] Psychologie: Verlagern eigener Wünsche, Erwartungen und Gefühle auf andere Personen

Vor ungefähr zehn Jahren geriet ich an ein kleines Buch von Gerald Jampolsky und fand dort das erste Mal eine Schilderung zum Thema Projektionen, die mich sehr ansprach. Er schrieb in „Lieben heißt die Angst verlieren“ die Leitsätze: „Ich bin verantwortlich für das, was ich sehe“ und “ich bin entschlossen, die Dinge anders zu sehen“. In seinen Erläuterungen beschrieb er einen Projektor, der dafür sorgt, dass wir die Welt durch einen Filter sehen.

Dieser Tage geriet ich an eine Übung zum Thema Projektionen, die mich sehr nachdenklich stimmte. Ich wurde eingeladen an jemanden zu denken, dessen Verhalten mich so richtig schon auf die Palme bringt.
OK, ich hatte schnell einen Menschen im Sinn. Ich vermute, das geht vielen Leuten so. Dann kam die Beobachtung: Welche Verhaltensweise an meinem Gegenüber regt mich so auf?
Mich regte zum Beispiel auf, dass die Person rauchte ohne andere Anwesende zu fragen, ob es ihnen recht ist. Und mir fiel auf, dass die Person einen Umgang mit Kritik hat, den ich schwer aushalten kann. Insgesamt fand ich sechs Dinge, die mich an diesem Mitmenschen so richtig aufregten.
Dann ging es im nächsten Schritt darum, aus diesen Aufregern Eigenschaften zu destillieren, die vielleicht erstrebenswert sind. Ich fand vier, unter anderem die Eigenschaft, sich nicht jeden Schuh anzuziehen.

Im dritten Schritt ging es darum herauszufinden, wie es um diese „Un-Tugenden“ bei mir selbst bestellt ist. Da gab es dann ein großes Entsetzen. Drei dieser sechs von mir so abgelehnten Verhaltensweisen kenne ich in der einen oder anderen Form von mir selbst. Nicht zwingend von heute, aber durchaus aus meinem Leben. So erinnerte ich mich voller Trauer und Schmerz an eine Zeit, in der ich im Auto geraucht hatte, obwohl mich mein kleiner Sohn immer wieder darum bat, es nicht zu tun, weil ihm davon schlecht wurde. Seine Klagen habe ich damals einfach ignoriert…

Ich fand diese dreiteilige Übung bereichernd, einfach und hilfreich. Zum einen bringt sie mich näher zu mir: Wie geht es mir, wenn ich dieses Verhalten sehe? Was brauche ich dann, welche Bedürfnisse sind bei mir im Mangel? Zum zweiten finde ich heraus, was mir ganz gut tun würde: Ein bisschen mehr Selbstvertrauen, ein bisschen mehr Raum nehmen… Und zum dritten erkenne ich: Ich bin auch nicht „besser“ als mein Gegenüber. Wir sind auf seltsame Weise sehr ähnlich…

Heute bin ich bereit in mir zu suchen, was mir an anderen missfällt.

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