Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: 26. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Heute ein Tag für mich. Der Plan war, nichts zu tun, aber das funktioniert leider nicht, da mich gerade die Aufgaben erdrücken. Eben hatte ich im Posteingang einen Artikel für die nächste Ausgabe der Empathischen Zeit einer GFK-Kollegin aus Süddeutschland. Sie ist Mutter von fünf Kindern und arbeitet noch dazu als Lehrerin. In ihrem Text beschreibt sie ihren Weg in Richtung Gewaltfreiheit in der Familie. Ungelogen: Ich hatte Tränen in den Augen! Es hat mich so berührt, was sie beschreibt. Ich freue mich schon auf das nächste Heft. Darin wird es viele Artikel geben, die Mut machen.

Ich bin dankbar, dass ich diese Zeilen gerade heute in meinem Postfach ziehen konnte. Gestern hatte ich einen Zusammenstoß mit meinem Sohn, der mal wieder alles andere als gewaltfrei war. Und durch den Artikel ist mir deutlich geworden, welche Bedürfnisse bei mir im Mangel waren. Bei ihm ging es um Effizienz und sinnvollen Umgang mit seiner Zeit, bei mir ging es um Gesehen und Gehört werden, Unterstützung und Respekt. Das hat leider nicht geklappt, und wir haben miteinander eine Dynamik, die das auch immer wieder erschwert. Früher hätte ich mich wahrscheinlich in Schuldzuweisungen ergangen, du, du, du, du, du!
Heute spüre ich einfach nur Schmerz und Trauer, und auch dafür bin ich dankbar. ich muss niemandem mehr die Schuld geben. Ich kann akzeptieren was ist.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 25. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Die Entscheidung zur Dankbarkeit verändert den Blick auf die Welt. Voriges Jahr habe ich Weihnachten noch mit meiner Mutter gefeiert, im Kreis von Menschen, die mir etwas bedeuten. Jetzt ist sie schon zehn Monate tot und so richtig habe ich mich noch immer nicht daran gewöhnt. Statt mich darin zu verlieren, dass sie nicht mehr da ist, hege ich die Erinnerung an intensive gemeinsame Stunden, an ihren Antreiber-Modus, an ihr schönes Zuhause, an den Duft, wenn man in die Wohnung kam. Dieser Tage suchte ich etwas im Schrank und entdeckte dabei die Weihnachtsplatzdeckchen von ihr. Darauf habe ich heute meine Gänsekeulen mit Maronen-Grünkohl serviert. Und in gewisser Weise saß meine Mutter damit mit am Tisch. Das war schön.

Heute kam ein alter Freund aus Hamburg, um sich um meine Technik zu kümmern. Noch läuft ja nicht alles rund. Vor allem der Server tut noch nicht das, was er eigentlich tun sollte. Das haben wir jetzt aber auf einen neuen Termin geschoben. Wenigstens kann ich wieder scannen und es gibt einen Ordner, wo der Scan landet. Wie schön, Freunde zu haben, die sich mit so etwas auskennen.

Heiligabend hatte ich nun meinen zweiten Arbeitstag bei den minderjährigen Flüchtlingen. Das war superanstrengend. Der Geräuschpegel macht mir zu schaffen. Ich habe den Eindruck, ständig sehr laut sprechen zu müssen – natürlich alles auf englisch, denn Darsi kann ich ja nicht. Zwei Gäste haben mich unterstützt, indem sie übersetzt haben. Ich nehme mich während der Arbeit sehr in meiner Kraft wahr. Ich merke, wie viele Dinge ich kann. 20 Jahre Management in der Medienbranche sind kein totes Wissen. Ich merke, dass ich gut priorisieren kann, dass ich ziemlich genau sehe, wo etwas fehlt. Ich genieße es, meine Kompetenz zu spüren.

Auf Spiegel Online entdeckte ich einen Artikel darüber, dass die Deutschen nicht mehr kochen und auch wenig Ahnung von Ernährung haben. Schuld sind natürlich die Mütter und Großmütter. Also, mein Weihnachtsessen war lecker und selbst gekocht. An mir kann es nicht liegen. Ich habe einige ganz wunderbare Weihnachtsgeschenke bekommen, für die ich wirklich dankbar bin! Meine Kinder haben mir einen USB-Stick anfertigen lassen, auf dem ein Glasblock sitzt. Und in diesen Glasblock haben sie Wolf und Giraffe gravieren lassen. Ist das nicht einfach wunderbar? Und andere Freunde haben mir das neue Kochbuch von Jamie Oliver geschenkt. „Essen, das glücklich macht“ heißt es im Untertitel. Aus Braunschweig erreichte mich ein superschöner Schal in meinen Lieblingsfarben. Außerdem wurde eine enorme Kiste spanischen Weins geliefert. Doof, dass ich seit zehn Jahren nichts mehr trinke.

Besonders dankbar bin ich für den Stapel Postkarten und Weihnachtsbriefe. Ich bin glücklich, berührt, mir ist innerlich warm, wenn ich sie zur Hand nehme. Da hat jemand an MICH gedacht. Jemand hat sich Zeit genommen, MIR zu schreiben. Die ganze Adventszeit wollte ich … wollte ich … wollte ich … und immer schien mir etwas anderes wichtiger. Und jetzt merke ich, wie viel Freude mir die Grüße schenken und möchte diese Dankbarkeit festhalten. Vielleicht gelingt es mit im kommenden Jahr ja auch, Weihnachtsgrüße zu versenden. Allen Sendenden, die zufällig den Blog lesen: Ich danke Euch! Ihr habt mir eine riesige Freude gemacht!

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 22. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Heute bin ich dankbar über meinen Groll. Erstaunlich? Nein, schön. Aktuell gibt es zwei Menschen, die Auslöser für meinen Groll sind. Als ich heute auf dem Weg zur Arbeit war, grummelte es noch mal ordentlich in mir. Als ich mir dessen bewusst wurde, kamen Freude und Dankbarkeit auf. Früher konnte ich mich gut in eine Wut-Trance manövrieren und mit immer neuen Gedanken diese Wut anfachen. Ich war meine Wut und meine Wut war ich. Heute fühlt sich das anders an. Heute kann ich spüren, dass ein Teil von mir wütend ist, und ein anderer Teil ist mal total normal und handlungsfähig. Ich muss mich nicht mehr von meiner Wut zu Handlungen treiben lassen. Das gibt mir eine neue Freiheit, und das ist beglückend.

Dankbar bin ich auch, dass ich die gesamte Bügelwäsche weg habe. Wie immer wieder berichtet, ist Bügeln meine liebste Hausarbeit. Aber wenn drei Wäschekörbe randvoll sind, hält sich der Spaß in Grenzen. Zwei Nachtschichten und jetzt biegt sich wieder die Kleiderstange im Schrank. Das ist schön, wenn nicht mehr das Bügelbrett im Arbeitszimmer steht.

Dankbar bin ich für das warme Willkommen in dem Unternehmen, in dem ich heute meinen ersten Arbeitstag hatte. Es war nett, alte Kollegen wieder zu sehen. Mein neuer Chef hat mich noch nicht überzeugt, aber als er anfing Ditsche zu zitieren, regte sich doch Hoffnung, dass wir ganz gut miteinander auskommen werden.

Dankbarkeit … Immer wenn ich mir Zeit nehme, mich mit den Dingen zu verbinden, für die ich dankbar bin, oder die mein Herz erfreuen, wird es hell um mich herum und die Sachen, die mich eher bedrücken, verlieren ihre Kraft.

Geht es Euch auch so?

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: 20.12.2015

Hallo, Welt!
Eben klingelte es an der Tür. Ich kriegte freudiges Herzklopfen, weil ich dachte, es sei jemand aus meiner Familie, der als Unterstützung käme. Als ich die Tür öffnete, stand da der Hermes-Bote. Er hatte keine Flügel an den Füßen, aber ein Paket in der Hand. Am Sonntag! Es war eine Klamottenbestellung. Ich habe gleich alle Tüten ins Bad gezerrt und die Teile vor dem großen Spiegel anprobiert. Alles passt. (Kritiker: „Bist du dick!“) Jetzt läuft schon die Waschmaschine, weil ich Kleidung nicht am Körper tragen mag, die direkt aus der Produktion kommt. Klasse, ich bin frisch eingekleidet. Jetzt darf es mir nur noch gelingen, die Sachen, die eben nicht mehr passen, aus dem Kleiderschrank zu entfernen. *knirsch* Also: Ich bin dem Hermes-Boten dankbar, dass er am Sonntag Ware ausfährt und ich bin dankbar, dass alles passt, was ich da neulich am Schnäppchentag mit 40 Prozent Rabatt erlegt habe.

Dankbar bin ich auch meiner Kollegenfreundin Sylvie Hörning. Sie schickte mir dieser Tage einen Text zum Thema GFK in der Familie, den ich gerade gelesen und in den entsprechenden Ordner sortiert habe. Jaaaa… da ist es am schwersten. Mein Impuls ist Rückzug und Kontaktabbruch. Mal sehen, wie ich aus diesem Loch wieder raus komme. Ich möchte mich dabei darauf besinnen, dass es Verbindung, Unterstützung und Gemeinschaft für mich an vielen Stellen gibt. Freitag besuchte mich mein alter Freund H. und berichtete von den Neuigkeiten in seinem Leben. Ich habe es sehr genossen, auf Augenhöhe miteinander im Austausch zu sein. Er sprach auch von der Verbindung zu einer Frau, die sich nicht so entfaltet wie er es am liebsten hätte (nicht die Frau, die Verbindung …). Und ich sagte zu ihm: Irgendwann muss man akzeptieren, dass es in diesem Wald keine Pilze gibt. Bucheckern, Tannenzapfen, Eichhörnchen, aber keine Pilze. Und wenn ich nun mal Pilze sammeln will, muss ich in einen anderen Wald gehen. Das heißt ja nicht, dass ich nie wieder in diesen Wald gehe. Vielleicht zum Spazieren gehen, oder wenn ich Tannenzapfen suche. Aber immer wieder Pilze in einem Wald zu suchen, in dem es keine Pilze gibt, ist mal nicht hilfreich. Ich glaube, diesen Gedanken möchte ich auch noch mal verfolgen, was meine eigene Suche nach Trüffeln angeht. (Trüffeln? Semmeln? Knödeln?)

Ich bin dankbar für eine Silvestereinladung, die ich gestern in meiner Mailbox fand. Ob ich sie annehmen kann, weiß ich noch nicht. Mögen würde ich schon wollen. Aber mein neuer Job steht an und aktuell ist noch total unklar, wie sich das gestalten wird.

Tatsächlich bin ich auch dankbar für einen fortlaufenden Dialog mit einem jungen Mann aus dem Projekt, das ich im vergangenen Jahr betreut habe. Er hat sich der AFD angeschlossen und ich freue mich, dass wir miteinander dazu über seine Bedürfnisse im Austausch sind. Wie schön, dass das möglich ist.

Und ich bin noch immer dankbar für den Besuch vom vorigen Wochenende, der in den Erbschaftsunterlagen gebadet hat. Jetzt habe ich drei elegante Aktenordner statt einer Kiste mit Papier. Für andere Menschen kann ich sehr gut ordnen und strukturieren. Bei meinen eigenen Sachen meldet das Gehirn Blockade und nichts geht. Ha! Da ist sie wieder, die Unterstützung für mich. Ich werde gesehen, für mich wird gesorgt, ich bin nicht allein. Es tut gut, sich daran zu erinnern.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 17. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Heute war es nicht so schwer, dankbar zu sein. Wir hatten Weihnachtsfeier der Übungsgruppe und ich habe das köstliche Essen genossen, das serviert wurde. Weihnachtsfeier 2015Ganz frische Forelle Blau mit Sahnemerettich und leicht mehligen Kartoffeln. Im Anschluss gab es Eis mit heißem Beerenkompott. Erfüllte Bedürfnisse: Genuss, Schönheit, Gesehen werden, Feiern, Wertschätzung … ach, es war einfach wunderbar. Für meinen Geschmack war der Raum durch den bollernden Kaminofen deutlich zu warm, aber zum Glück hatte ich ein paar Lagen zum Ausziehen dabei.

Was war sonst noch gut? Wir sind fertig mit der Überarbeitung der Empathischen Zeit. Ich könnte jetzt an der Version noch einiges rummäkeln, aber wir reden von einem Dummie, das einen Eindruck vermitteln soll. Der wird jetzt so gedruckt. Punkt.

Dann habe ich einen Auftrag für einen Kunden abgewickelt, dem ich zuvor einen Preis genannt hatte. Leider hatte ich mal wieder vergessen, dass ich ja jetzt Mehrwertsteuerpflichtig bin und diese lästigen 19 Prozent noch oben drauf kommen. Endverbraucher kriegen aber einen Preis incl. Mehrwertsteuer. Ich hatte mich also gerade um 19 Prozent der Rechnungssumme gebracht. Mein Kompromiss war, statt zehn Produkte elf abzuliefern und für zehn den vollen Preis plus MwSt auf die Rechnung zu schreiben. Der Kunde war zum einen hoch beglückt über die prompte Lieferung und zum zweiten fand er Rechnung mit Mehrwertsteuer total in Ordnung. Bei der nächsten Lieferung wird dann also das elfte Exemplar mit in Rechnung gestellt. Klasse!

Mein Hausschneider hatte heute das Angebot, 40 Prozent auf einen Artikel zu geben. Das habe ich gleich ausgenutzt und eine dunkelblaue Feincordbluse mit kleinen weißen Pünktchen bestellt. Normal hätte ich mir die nie gegönnt, aber für 40 Prozent Rabatt ist sie meine!

Noch eine Freude: Eine alte GFK-Freundin, die ich aus meinen Jahren mit Gerhard Rothhaupt kenne, schrieb mir heute eine Nachricht. Sie feiert den Blog, weil er sie in dieser Zeit an das erinnert, was wirklich wichtig ist im Leben … Ja, ich merke, dass Dankbarkeit wirklich die Blickrichtung verändert. Vom Mangel zur Fülle. Und das ist auch gut so.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 16. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Der Tag heute war in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, ich bin genervt, traurig und frustriert. Da fällt es mir schwer, die schönen Dinge wieder ins Blickfeld zu hieven, aber ich will es versuchen.
Der Steuerberater hat mir heute mitgeteilt, dass ich im Oktober Plus gemacht habe. Hallo, Ysabelle, los, freu dich! Das Glück hält sich in Grenzen, weil ich aus verschiedenen Gründen gerade nicht viel Plus machen möchte. Aber hier liegen auch so viele Rechnungen, da wird sich der Gewinn schon schnell wieder verflüchtigen. Freut mich das jetzt? Ja, mich freut, dass ich alle Rechnungen von allen Lieferanten bezahlen kann.

Am Wochenende hatten wir Seminar. Vieles daran war gut, haften geblieben ist mal wieder eine Situation, die weniger als wunderbar war. Die möchte ich jetzt zu den Akten legen und von einer Begebenheit erzählen, die mir die Tränen in die Augen getrieben hat.
Am Sonntag wollten wir in die Mittagspause gehen. Zwei Leute wollten etwas erledigen, der Rest ein bestimmtes Lokal ansteuern. Während die Teilnehmer noch diskutierten, verschwand ich auf die Örtlichkeiten im benachbarten Teil des Gebäudes. Als ich wieder kam, waren alle Kursteilnehmer weg, der Seminarraum abgeschlossen und drinnen mein Handy, das Portemonnaie und die Winterjacke. Sie hatten mich vergessen.

Ich rannte die Treppe runter, riss die Tür zur Straße auf und schrie nach meinem Kollegen. Wenige Meter neben der Tür standen die Teilnehmer eines anderen Workshops und sagten, „wir haben hier keinen Matthias“. zum Glück hatten mich zwei Leute aus meinem Kurs noch gehört, einer von ihnen pfiff markerschütternd, und tatsächlich drang der Pfiff bis zu der Gruppe durch, mit der mein Kollege unterwegs war. Er drehte auf dem Absatz um, kam zurück zum Seminarhaus und gab mir den Schlüssel. „Sorry, ich hatte gedacht, du wärst mit den anderen unterwegs…“
Ich ging nach oben, holte Jacke, Geld und Handy und trottete dann wieder die Treppe runter. Ich war traurig und einsam. Keiner hatte mich auf dem Schirm. Alle waren ohne mich weggegangen … ich war ganz allein … ich überlegte, wo ich denn etwas essen wollte und entschied mich für eine Bratwurst auf dem nahen Weihnachtsmarkt. Als ich die Haustür öffnete, stand mein Kollege davor und lachte ich an. „Ich dachte, ich lass dich mal besser nicht allein essen gehen …!“

Oh, war das schön! Alle Kindheitsdramen vergessen! Alle Bedürfnisse nach Gesehen werden, Beteiligung, Zugehörigkeit und Wertschätzung erfüllt! Das war wunderbar und trug mich den Rest des Tages.

Montag gab es ein Wiedersehen mit Kollegen aus meiner alten Firma. Nur einer von ihnen arbeitet noch dort, alle anderen sind inzwischen abserviert worden. Ich weiß nicht, wer von uns den besseren Deal hat -wir, die wir entlassen wurden, oder der eine, der dort noch aushalten muss und eigentlich monatlich mit seiner Kündigung rechnet? Ich bin jedenfalls mit meinem heutigen Leben sehr zufrieden.

Wunderbar war am Montag auch, dass meine entzückende Besucherin, eine alte GFK-Bekannte, in einen schrecklichen Haufen Papiere mustergültige Ordnung brachte. Dank ihrer Sortierung ist mir jetzt ein bisschen klarer, was in einer bestimmten Angelegenheit zu tun ist und ich schätze, dass ich es noch diese Woche angeschoben kriege.

Für heute muss es doch eine klitzekleine Kleinigkeit geben, die mich begeistert.
Ach ja, sogar zwei.
In einer bestimmten Angelegenheit habe ich eine Rückmeldung von einer GFK-Freundin bekommen. Das war total klasse, weil sie nämlich all die Wölfe benannte, die ich nicht im Zugriff hatte. Sie legte genau den Finger in die Wunde, und das war für mich sehr hilfreich. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich nicht etwa eine verschobene Wahrnehmung und unrealistische Erwartungen habe, sondern dass mein Empfinden an einer bestimmten Stelle tatsächlich gut begründet ist in gravierenden unerfüllten Bedürfnissen nach Unterstützung, Gesehen werden, Sicherheit und Autonomie. Ich hänge in einem unerfreulichen Spagat zwischen Empathie geben und Unterstützung brauchen. Das fühlt sich nicht gut an und es wird Zeit, das zu benennen. Da ist es wieder, mein altes Muster, das mir erzählen will, ich wäre dazu nicht berechtigt.

Und! Ein anderer GFK-Freund hat mir Gefühls- und Bedürfnislisten auf Englisch – Arabisch besorgt. Hurra, das begeistert mich, denn ab Montag sitze ich in einem neuen Projekt mit 60 minderjährigen Flüchtlingen aus Afghanistan. Das kann spannend werden …

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 13. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Ich habe Seminarwochenende, eine Zeit, die mich immer sehr absorbiert und in der ich kaum hinterher komme mit meinen Aufgaben. Aktuell bin ich auf dem Weg nach Hamburg.
Gestern war ich gleich am frühen Morgen sehr dankbar. Aktuell besucht mich nämlich gerade eine GFK-Freundin. Die fand in meinem Gewürzschrank eine Flasche Essigessenz und hat damit meiner meistgeliebten und meist verkalkten Cafetiere (Druckkanne) eine Abreibung verpasst. Jetzt glänzt sie wieder wie neu, alle Kalkränder verschwunden. Früher wäre das eine gute Gelegenheit zur Selbstabwertung gewesen, weil ich es nicht im Griff habe. Oder ich hätte sie angegriffen, weil sie sich in meine Angelegenheiten einmischt und ich das übergriffig fände. (Heute mal alles griffig hier …) Inzwischen freue ich mich total über diesen Beitrag zu Schönheit und Wohlergehen.

Nach Hause zu kommen und dort auf ein freundliches Gesicht zu treffen ist ebenfalls wunderbar. „Wie war dein Tag?“ habe ich lange nicht mehr gehört und Empathie für MICH nach einer herausfordernden Seminareinheit tut SO gut!

Am Fahrkartenschalter stand eben eine Frau, die nur einen 50-Euro-Schein hatte. Auf englisch fragte sie mich, ob ich wechseln könne (leider nein). Im Zug haben wir uns dann auf den Weg zum Schaffner gemacht. Ich schätze, es gab keinen, aber zwei Männer im Fahrstand. Einer kam dann vor die Tür. Als ich ihm den Sachverhalt geschildert habe, sagte er, gut dass Sie kommen. Die Frau hat jetzt mal ne Freifahrt. Und falls noch ein Kontrolleur auf den Zug kommt, schicken Sie ihn zu mir. Das hat mich so richtig gefreut, denn Zugpersonal habe ich auch schon sehr unkooperativ gesehen.
Feiern möchte ich auch meinen Impuls, alle meine Seminarsachen mit nach Hamburg zu schleppen. Als wir gestern Abend kurzfristig das Programm änderten, war es ein Griff in den Rollkoffer und schon hatte ich eine neue Übung parat. Ich freue mich über meine Intuition, aber noch mehr darüber, dass ich seit Jahren an Übungen bastele und die Tütchen mit den Zettelchen immer dabei habe. Das erfüllt mir gerade die Bedürfnisse nach Sinnhaftigkeit, Leichtigkeit, Unterstützung, Sicherheit und nicht zuletzt Wertschätzung für mich selbst. Das Leben ist schön!

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 8. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Ich möchte Dankbarkeit festhalten können. Kaum hat man etwas in der Hand, flutscht es auch schon wieder davon, wie die nasse Seife unter der Dusche.
Dankbar bin ich heute für die Re-Connection mit meinem allerliebsten Empathie-Buddy. Seit August hatten wir nicht miteinander gesprochen. Gestern glitten wir so leicht in unseren üblichen Modus, dass es eine reine Freude war. Dabei habe ich etwas Wichtiges herausgefunden. „Arbeit“ – das ist, wenn man morgens mit der Aktentasche aus dem Haus geht und dann IM BÜRO wichtige Dinge macht. Ihr merkt sicher schon an der Wortwahl, wer diese Ansicht hat. Eins meiner inneren Kinder findet es schwierig, meine Homeoffice-Tätigkeiten als Arbeit anzuerkennen. Und wenn das keine „richtige“ Arbeit ist, gibt es natürlich auch keinen Feierabend (das Thema hatten wir doch mal vor einem Vierteljahr…).

Der Auslöser war ein Angebot meines früheren Arbeitgebers. Er möchte ein ganz großes Projekt stemmen und sucht jetzt nach Fachkräften. Dabei hatte er auch meine Nummer gewählt. Ich bin absolut zerrissen. Auf der einen Seite ist das endlich mal ein Projekt, wo zum einen explizit meine GFK- und Mediations-Skills gefragt sind. Auf der anderen Seite hatte ich mich doch gerade durchgerungen, endlich auf meine Selbstständigkeit zu vertrauen. Ja, was denn nun?

Da kam der Skype-Anruf meines Empathie-Buddies gerade zur richtigen Zeit. Dafür bin ich dankbar. Gemeinsam haben wir herausgefunden, dass ich vielleicht mehr Freizeit oder „Feierabend“ habe, wenn ich mehr arbeite, also für die Arbeit aus dem Haus gehe. Denn dann ist wenigstens Schluss, wenn ich nach Hause komme. Eine verlockende Idee. Mal sehen, was sich entwickeln will.

Dankbar bin ich auch für ein Gespräch in der Familie. Obwohl niemand außer mir auch nur ein GFK-Buch gelesen hat, gab es gestern Abend einen Austausch, der mich sehr berührt hat. Mit Zuhören, Abfragen von Bedürfnissen, mehreren Strategien – das volle Programm. Das tut mir gut und daran will ich mich auch freuen, wenn ich an anderer Stelle Druck und Unbehagen wahrnehme.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 4. Dezember 2015

Hallo, Welt!
Dankbarkeit – heute fällt es mir schwer, mich darauf einzustimmen. Ich bin müde und schlapp, wenig motiviert, die Berge um mich herum abzuarbeiten. Dankbar bin ich jedenfalls meiner kleinen Nachbarin, die wieder eine Lieferung für mich angenommen hat. Der Paketbote hatte gar nicht erst bei mir geklingelt, obwohl ich zu Hause war.

Dankbar bin ich auch einem Lieferanten, der großzügig mehr Ware geschickt hat, als bestellt war. Eine kleine Entschädigung für hohe Portokosten, die ich auslegen musste. Das erfüllt mir das Bedürfnis nach Gesehen werden und Beitragen – in diesem Fall beigetragen werden.

Dankbar bin ich für ein Telefonat mit einer alten Freundin. Sie erzählte voller Enthusiasmus, dass sie bei einer speziellen Übungsgruppe jetzt große Fortschritte macht. Ich habe sie gefragt, warum sie sich für diese Gruppe entschieden hat und nicht für die GFK, und sie sagte, GFK habe für sie etwas mit Sprache und sich ausdrücken zu tun. Ihr ginge es aber um HEIL werden. Für diese Info bin ich wirklich besonders dankbar, denn es erklärt vielleicht, warum bestimmte Menschen bestimmte Entscheidungen treffen. Und so will ich künftig versuchen, den heilenden Aspekt der GFK mit ins Gespräch zu bringen.

Auf der Suche nach Zugangsdaten entdeckte ich eben eine Rückmeldung auf die neue Empathische Zeit, die mein Herz wärmt.

Bin sehr begeistert, was Du aus dem „sperrigen“ Thema gemacht hast. Der Artikel über Freud und Marx wird mir vermutlich noch interessanten Gesprächsstoff und Denkanstöße mit (Freunden) bescheren und so für Verbindung und Wachstum sorgen. Der Artikel von Markus über das systemische Konsensieren gibt mir Hoffnung, dass es mehr Leichtigkeit UND Struktur in Gruppenprozessen geben kann und ich mich nicht zwischen „bösen“ Hierarchien und ultra-anstrengender, hyperkommunikativer und manchmal lähmender Konsenskultur entscheiden muss. Ich freue mich schon darauf, die Artikel über GFK in Firmen zu lesen …

Ist das nicht schön?
Und die große Gabriele Seils, die mit Marshall Rosenberg das Interview-Buch „Konflikte lösen mit Gewaltfreier Kommunikation“ herausgebracht hat, schrieb mir gestern:

Ich bin ganz beeindruckt, was Sie da auf die Beine gestellt hast und Danke Ihnen sehr.

Gut, dass ich gerade noch mal in den Mails gestöbert habe. Diese schönen Rückmeldungen waren schon wieder aus dem Fokus verschwunden und stattdessen habe ich mich geärgert, dass ich eine Versicherungsrechnung übersehen habe und mein Lieferant für Wölfe und Giraffen den Handel mit der englischen Hersteller-Firma einstellt. Dann doch lieber jetzt voller Enthusiasmus in Erfahrung bringen, wer mich ab Januar mit Fingerpuppen, Wölfen und Giraffen beglücken möchte.

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit: 3. Dezember 2015

Hallo, Welt!

Im Dezember 2010 habe ich in diesem Blog erstmals einen Dankbarkeitsmonat ausgerufen. Auch in diesem Jahr möchte ich meinen Blick auf das richten, was schön und bereichernd ist in meinem Leben. Gleichzeitig lade ich Euch ein, ebenfalls Dinge zu teilen, die Euch mit Dankbarkeit erfüllen.
Heute bin ich von Braunschweig zurück gekommen und habe einen Abstecher zu meinem Layouter gemacht, Wir haben uns zum Thema „Rebrush“ ausgetauscht. Wie bleibt die Empathische Zeit frisch und aktuell? Dieses Treffen habe ich als sehr wertschätzend wahrgenommen. Mein Kollege meinte, dass Lob doch gut tun würde, und ich hatte wieder einmal die Gelegenheit zu üben, so eine Aussage mit Giraffenohren zu hören. Ich habe hier ja schon hinreichend oft erläutert, dass ich von Lob nichts halte, weil es jederzeit wieder weggenommen werden kann. Wenn ich aber zum Ausdruck bringe, wie sehr das Verhalten des anderen mein Leben bereichert hat, ist das Giraffensaft pur.

Ich bin dankbar für die glatte Fahrt, die ich heute Morgen hatte. In meiner Vorstellung sollten Autobahn und Landstrasse morgens um acht dicht gepackt sein. Stattdessen bin ich mit Leichtigkeit durchgekommen.
Dankbar bin ich auch für zwei Erlebnisse der vergangenen Wochen. In Köln habe ich erlebt, wie Monika Oboth das Trainingstool „Voice Dialogue“ vorgestellt hat. Ihre Präsentation fand ich sehr spannend und charmant. Und gleichzeitig habe ich mich gefreut festzustellen, dass mein Kollege und ich diese Methode selbst benutzen, allerdings nicht unter so einem schicken Namen und ohne die Fülle von bunten Sofakissen. Und vorgestern bot mir meine New Yorker Kollegin Dian Killian ein Coaching zu einem bestimmten Thema an. Als sie ihre Fragen platzierte, musste ein Teil von mir schon schmunzeln. Genau so arbeite ich auch.
Für mich ist das eine unerwartete, willkommene und berührende Bestätigung meiner Kompetenz. Ich bin dankbar, dass ich das erkennen kann. Und wenn ich selbst gelegentlich mit meiner „Performance“ nicht zufrieden bin, möchte ich mich erinnern, dass ich zu jeder Zeit mein Bestes gebe.

So long!

Ysabelle

Tradition & Vision

“Tradition ist nicht die Anbetung der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers“

Gustav Mahler (1860-1911)

Hallo, Welt!
Schon gehört? Der April 2016 ist zum GFK-Monat erklärt worden. Wir feiern die Tatsache, dass Marshall Rosenberg im April 1986 das erste Mal nach Deutschland gekommen ist, um hier die Gewaltfreie Kommunikation weiter zu geben. In allen Bundesländern laufen zurzeit Initiativen, um dieses Ereignis entsprechend zu würdigen.
Dabei beschränken wir uns zum Glück nicht auf Sonntagsreden und die Errichtung von Denkmälern, wobei ich finde, dass Marshall gut und gerne ein Denkmal haben könnte. Sein Grab ist ja ganz schlicht. P1030478 Hier ein Foto von Michael Dillo, der im Mai in Albuquerque war. Wie also wollen wir Marshalls Andenken ehren?

Indem wir das Feuer weiter geben.

Für mich ist die Gewaltfreie Kommunikation nichts Statisches. In meinen Augen war Marshall Rosenberg ein Visionär. Ich weiß nicht, ob er das bereits in den frühen sechziger Jahren war, als er mit seinem Kombi durch die Vereinigten Staaten juckelte und Workshops gab. Ein hartes Brot, das erlebe ich jeden Monat (und ich habe nicht mal einen Kombi, aber dafür muss ich auch nicht drei Kinder ernähren). Gandhi hat ihn inspiriert, und Martin Luther King. Die Unabhängigkeitsbewegung in Indien und die Bürgerrechtsbewegung in den USA haben hunderttausende, ja Millionen Menschen auf die Straße gebracht. Friedlicher, gewaltfreier Protest hat das Weltreich Großbritannien zerlegt. Marshall war Zeitzeuge, und er hat sicher gewusst, wie machtvoll Worte sind. Wieder und wieder hat er betont, wie wichtig ihm sozialer Wandel ist. Es geht also 2016 nicht darum, in gut geplanten und organisierten Workshops die vier Schritte zu vermitteln und Empathie zu üben. Es geht darum, die Welt zu verändern und Marshalls Feuer weiter zu tragen.

Ich glaube, wir brauchen dazu Visionen. Wie kann unser Weg aussehen in eine friedliche Welt, in der die Bedürfnisse ALLER Menschen zählen? Da braucht es mehr als GFKler in Flüchtlingsheimen und davor. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, weg von Recht haben, Anspruchsdenken, Mauerbau und Gegenschlägen. Vor drei Tagen haben die deutsche Verteidigungsministerin und unser Außenminister verkündet, dass sich unsere Streitkräfte am Militäreinsatz gegen den „Islamischen Staat“ beteiligen werden. Freunde und Freundinnen, die Einschläge kommen dichter!

Französische GFK-Trainerinnen und Trainer haben nach den Anschlägen von Paris eine Empathie-Hotline geschaltet. Ich finde das wunderbar und bin dankbar dafür. Und gleichzeitig reicht das nicht. Es ist „Pflaster auflegen“. Es brennt um uns herum und wir pusten. Dabei verfügen wir über ein machtvolles Werkzeug, um zu einem Weg des Friedens beizutragen.

Lasst uns den GFK-Monat dafür nutzen, Visionen zu finden und Wege in diese Richtung zu pflastern, damit diese Träume wahr werden können. Wie würde eine gewaltfreie Schule aussehen? Welche Vorteile hat eine Firma, die nach Prinzipien der GFK organisiert ist? Wie verändert sich unser Gesundheitswesen, wenn ÄrztInnenschaft und Pflegende mit der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation unterwegs wären? Was würden Politiker anders machen, wenn sie nicht mehr in Kategorien von Vergeltung und Präventivschlag denken? THINK BIG! Und dann lasst uns überlegen, wie wir die Straße dorthin bauen!

So long!

Ysabelle

Hey, Smombie!

Hallo, Welt!
Da rieb ich mir verdutzt die Augen. Donnerstag haben wir in der Übungsgruppe das Thema „ständig greift mein Gegenüber zum Handy“ behandelt. Und am nächsten Tag vermelden die Medien, Smombie, also ein Kofferwort aus Smartphone und Zombie, sei das Jugendwort des Jahres. Zu meiner Erleichterung hat der Berliner Tagesspiegel inzwischen recherchiert, dass nicht nur ich das Wort nicht kenne, auch über Twitter und Facebook ist es nicht gelaufen. Na, dann gibt es das wahrscheinlich gar nicht und ist eine Erfindung des Langenscheidt-Verlages. So weit, so gut.

Facebook und WhatsApp – bei manchen Menschen auch noch eingehende Mails und SMS-Nachrichten – sind also der Auslöser dafür, dass Verbindung im Hier und Jetzt mit dem realen Gegenüber verloren geht. Hier einmal unsere Wolfsshow vom Donnerstag: gegen_Handys Wir haben 15 Urteile gefunden und anschließend die damit verbundenen Gefühle identifiziert. Dann haben wir den Gefühlen die (unerfüllten) Bedürfnisse zugeordnet. Ihr seht, es gab ein Bedürfnis nach „Hirn“, was bisher auch in keiner offiziellen Bedürfnisliste auftaucht (ein bisschen Spaß muss sein, wir haben es als Wachstum und Wirksamkeit übersetzt). Eine Teilnehmerin erzählte von einem Erlebnis mit einer Handy-Nutzerin. Diese habe ständig WhatsApp benutzt. Auf die Rückfrage, ob das jetzt nicht mal für eine Stunde ausbleiben könne, sagte die Nutzerin: „Nein, wenn ich nicht sofort antworte, ist meine Freundin böse.“

Holla! Die Handy-Nutzerin hat also ein Bedürfnis nach Schutz und Verbindung. Und dabei geht die Verbindung zu der Person flöten, der sie gegenüber sitzt. Und das wiederum erfüllt beim Gegenüber nicht die Bedürfnisse nach Respekt, Gesehen werden, Präsenz und so weiter. Ich finde es auch schwierig, mit jemandem die Verbindung halten zu wollen, der ständig mit jemand anderem tickert. Im Unterricht hat mich das wirklich angestrengt und frustriert. Es war kaum möglich, die Aufmerksamkeit der Jugendlichen auch nur für 15 Minuten auf ein bestimmtes Thema zu lenken. Ein Piep und schon kam der Griff zum Smartphone, gern noch verbunden mit der Aussage, „das ist wichtig“.

Gestern hatte ich die Freude, bei der Aufzeichnung einer TEDx-Sendung dabei zu sein. Einer der Gastredner war Alex Strauss von der Organisiation „Clowns ohne Grenzen“. Er erzählte von einem Workshop in den Slums von Mumbai und dass es nicht möglich war, die Kinder „einzufangen“. Frustriert und verwirrt hätten sie den Kontakt zu den Sozialarbeitern gesucht und von ihnen den Rat bekommen: „Shout at them“. Anschreien als Rezept für Verbindung? Es funktionierte, und die Kinder konnten schließlich einem 40-minütigen Workshop folgen. Strauss erzählte, welche Eigenschaften den Kindern auf der Straße verloren gehen (weil es das Überleben nicht fördert) und dass deshalb Geschichten über gutes/höfliches Benehmen und Geschichten über Vertrauen in Ältere (Hierarchien) besonders wichtig seien. Das hat mich sehr berührt. Viele der jungen Teilnehmer, mit denen ich zu tun hatte, waren Überlebenskämpfende. Sie kamen aus dysfunktionalen Familien, Unterstützung fanden sie in der Peergroup, unter ihresgleichen. Was schert mich das Geschwätz der DozentInnen?

Was braucht es, damit unser Gegenüber wieder Präsenz erfährt statt des Handys? Vor 20 Jahren hatte fast kein Mensch ein Handy. Als ich 2001 auf einer Pressekonferenz der Telekom vom Mobilen Internet hörte, habe ich mich scheckig gelacht. Meine Friseurin sollte auf ihrem Handy nachgucken, ob in der Weinbar um die Ecke noch ein Plätzchen frei ist? Heute ist die Handynutzung vieler Menschen noch intensiver als sich das die Experten 2001 haben träumen lassen. Und unsere Verbindung bleibt auf der Strecke.

Vielleicht sind wir ja doch auf dem evolutionären Pfad zum Smombie. Wie gut, dass ich kein WhatsApp installiert habe. Ich glaube, es würde meine Sehnsucht nach Verbindung, Gemeinschaft, Gesehen werden und Präsenz nicht erfüllen. Es tut nur so.

So long!

Ysabelle

Fehler! Richtig! Falsch!

Hallo, Welt!
In der vergangenen Woche habe ich in einer Angelegenheit eine größere Geldsumme überwiesen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Kontonummer nicht korrekt war. Jetzt wissen wir aktuell nicht, wo das Geld gerade ist. Freut sich jemand drüber, dem es gar nicht zugedacht war?

Die Person, die mir die Kontonummer gegeben hatte, schrieb:

(ich) stelle fest, dass der Fehler allein bei mir liegt
Es tut mir wahnsinnig leid, sollte es so rübergekommen sein dass der Fehler bei dir läge.

und ich antwortete:

Meine Ausbildung zur Trainerin hat insgesamt sieben Jahre gedauert. Dabei geht es nicht in erster Linie um Fertigkeiten a la „wie unterrichtet man GFK“ oder „was sind Interpretationen?“ Das härteste Training ist, nicht mehr in Kategorien wie Richtig oder Falsch zu denken und sich abzugewöhnen, FEHLER zu diagnostizieren. Wir alle, jeder Mensch, geben zu jeder Zeit das Beste, was uns zur Verfügung steht. Wenn wir es in der jeweiligen Sekunde besser könnten, würden wir es tun. Selbst wenn wir Entscheidungen treffen oder Dinge tun, die sich im Nachhinein als „weniger als wundervoll“ herausstellen, haben wir unser Bestes gegeben. Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung.

In diesem Sinne spüre ich gerade ganz viel Verbundenheit und Wärme mit Dir. Egal wo jetzt die zusätzliche Ziffer ins Spiel gekommen ist. Niemand macht so was mit Absicht, jeder, du, ich, der Mensch bei der Postbank hat sein Bestes gegeben. Und manchmal geht was schief. Shit happens.

Zu meinem Glück wurde dieser Text gut aufgenommen. Hätte ja auch passieren können, dass die andere Person, die noch nie etwas mit GFK zu tun hatte, jetzt den Rettungswagen bestellt, um mich einliefern zu lassen.

Ich hadere schon lange und immer wieder mit dem Begriff Fehler. Ich habe etwas FALSCH gemacht. Als Angehörige einer 12-Schritte-Gruppe kämpfe ich mit dem fünften und sechsten Schritt:

5. Schritt
Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.

6. Schritt
Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.

Das impliziert ja nun, dass mit mir etwas nicht stimmt. Eine Freundin tut sich damit überhaupt nicht schwer. Sie sagt, „ein Fehler ist etwas, was mir fehlt. Das kann ich doch auch benennen.“ Für mich wird das Wort Fehler nicht wie die rote Zahl auf der Störungsanzeige meines Kühlschranks ausgeliefert: Oh, die Temperatur ist über fünf Grad, Check das mal. Oder die Tankanzeige im Auto. Guckst du, nicht mehr viel Benzin drin …

Fehler kommt für mich immer mit „falsch gemacht“. Da hängt immer eine Schuldzuweisung dran. Ich reagiere allergisch, wenn jemand in meiner Übungsgruppe von seinen Fehlern spricht oder meine Mitarbeiterin lakonisch sagt, „mein Fehler“.

Ich würde gern einen Begriff finden, der nicht moralisch aufgeladen ist wie „Fehler“, und der beinhaltet, dass etwas nicht so gelaufen ist wie erwartet, erwünscht, erhofft. Panne tut es nicht, Missgeschick tut es nicht. Irrtum tut es nicht. Versehen tut es nicht. Mangel kommt nicht in Frage. Als Nicht-Engländerin finde ich Error ganz sympathisch, dabei heißt das genau so Fehler wie „fault“, „mistake“ oder „bug“.

Habt Ihr Vorschläge, wie man das ohne moralische Werte benennen kann, dass etwas „weniger als wundervoll“ gelaufen ist? Ich bin für Anregungen dankbar.

So long!

Ysabelle

Begeisternd motiviert

Hallo, Welt!
Dieser Tage stieß ich auf die Frage, was der Unterschied zwischen „motiviert“ und „begeistert“ sei. Ja, da war mein Pferd, und ich schwang mich gleich in den Sattel. Aus Unternehmenszusammenhängen, zum Beispiel aus meinem Arbeitszeugnis, kenne ich die Formulierung „motivierte ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen“. Und schon bekommt eine an sich nette Aussage einen für mich ziemlich fiesen Beigeschmack nach Manipulation und Dressur. Hier ist der Feuerring, meine Tiger, jetzt springt mal schön! Begeisterung hingegen würde nicht mit so einem Odeur ausgeliefert. Wenn ich jemanden begeistern kann, dann brenne ich selbst dafür. Dann stecke ich andere an. Begeisterung ist ist also eine Infektionskrankheit, Motivation entsteht im Labor.

Nach einigem Nachspüren bin ich dann drauf gekommen, dass zumindest meine eigene Welt nicht so schlicht gestrickt ist. Ich kann andere auch manipulativ begeistern, weil ich gern etwas so dringend hätte … Und da gibt es doch den feinen Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Wikipedia meint dazu:

ntrinsisch (lateinisch intrinsecus „inwendig“ oder „hineinwärts“) bedeutet ursprünglich „innerlich“ oder „nach innen gewendet“, in einer späteren Umdeutung auch „von innen her kommend“. Intrinsische Eigenschaften gehören zum Gegenstand selbst und machen ihn zu dem, was er ist. Der Gegenbegriff ist extrinsisch.

Es geht dann in einem anderen Beitrag hoch wissenschaftlich weiter:

Der Begriff intrinsische Motivation bezeichnet das Bestreben, etwas um seiner selbst willen zu tun (weil es einfach Spaß macht, Interessen befriedigt oder eine Herausforderung darstellt). Bei der extrinsischen Motivation steht dagegen der Wunsch im Vordergrund, bestimmte Leistungen zu erbringen, weil man sich davon einen Vorteil (Belohnung) verspricht oder Nachteile (Bestrafung) vermeiden möchte.[29]

Die neuere Motivationsforschung (John Barbuto und Richard Scholl, 1998) unterscheidet zwischen zwei intrinsischen und drei extrinsischen Quellen der Motivation. Die Autoren untersuchten die bedeutendsten Motivationstheorien seit Abraham Maslow (1954) und entwickelten daraus das Konzept der „Fünf Quellen der Motivation“.[30] Dabei spielt der Ansatz der „Drei Großen“ Motive (“Big Three”) von David McClelland eine zentrale Rolle. Bei diesen Motiven handelt es sich um das Macht-, Zugehörigkeits- und Leistungsmotiv.[31] Die genauere Beschreibung dieser Motive kann man aus der nebenstehenden Grafik ersehen.

Ok, dann entspräche Begeisterung also in etwa der intrinsischen Motivation (und ist nach wie vor anstreckend), und die extrinsische Motiviation wird mit dieser Konnotation ausgeliefert, auf die ich nicht so stehe.

Ich werde also jetzt hoch motiviert zwei Stunden Hausarbeit einschieben und dabei nicht die mindeste Begeisterung entwickeln. Dafür vermeide ich, dass meine Bürokraft morgen denkt, ‚die Alte hat ja das ganze Wochenende auf der faulen Haut gelegen‘.

Mal sehen, vielleicht frage ich sie morgen mal direkt, ob sie so was denken würde. Vielleicht ist das ja auch nur wieder ein alter Glaubenssatz von mir, weil ich eine übernommene Vorstellung davon habe, wie gepflegt und schön ein Zuhause zu sein hat, und davon bin ich gerade so weit entfernt …

So long!

Ysabelle

Die Probleme möchte ich nicht haben …

Hallo, Welt!
Gerade eben meldete der Newsticker, dass auch 100000 VW-Benzinfahrzeuge von falschen CO2-Angaben betroffen sind. Jedes Mal denke ich, was kommt als nächstes? In meiner Fantasie arbeite ich in der Führungsetage bei Volkswagen und jeden Tag kommen neue Horrornachrichten. Mal angenommen, als Leitende Angestellte hätte ich davon im Vorfeld nichts gewusst … nur mal angenommen … wie würde ich mich dann jetzt fühlen?
Als erstes meldet sich Scham. Holla! Ich habe was falsch gemacht. Moment mal, Leute … ich habe doch gar nichts davon gewusst …
Aber ich identifiziere mich mit meinem Unternehmen. Und wenn die was „falsch“ machen, betrifft das auch mich. Einer der VW-Oberen hat sich ja auf der Tokyo Motor Show mit einer Verbeugung für den Abgasskandal entschuldigt und angeblich war den Japanern die Verbeugung nicht tief genug, um das Ernst zu nehmen. Ja, da sind wir wieder in der Welt von Richtig oder Falsch, von Belohnung und Bestrafung!
Also, mal abgesehen von Scham, was hätte ich denn noch für Gefühle, so als Miss VW? Peinlich. Mir ist das einfach nur peinlich. Ok, wollen wir diskutieren, ob das ein Gefühl oder eine Interpretation ist? Ich tippe mal auf Interpretation. Ich denke ja dabei, die Dinge hätten anders laufen müssen. „Peinlich“ ist daher eine kleine Schwester von Scham, wobei Scham ein echtes Gefühl ist, aber eben sozial induziert. Wenn ich die Scham und das Peinliche mal weg lasse, was bleibt denn dann? Empörung, Entrüstung. Na, das geht schon eher in Richtung Wut, sehr schön! Wir haben gelernt, dass Wut ein Primärgefühl ist. Ich schätze mal, dahinter wäre Trauer. Wenn ich auf diese grandiose Kompaktkarte gucke, was denn vielleicht für Bedürfnisse dabei unerfüllt sind, komme ich auf
• Zugehörigkeit. Hallo? Solchen Machenschaften möchte ich nicht zugehörig angesehen werden. • Kongruenz, Übereinstimmung mit meinen Werten und Normen. Na, das ist ja mal so was von unerfüllt. • Vertrauen. Ich möchte, dass man mir vertrauen kann, ich habe meiner Firma vertraut und jetzt das. • Respekt dem Kunden gegenüber. • Verstehen. Hey, Ihr, die Ihr Euch das ausgedacht habt! Habt Ihr wirklich geglaubt, Ihr kommt damit durch? Oder war es Euch egal, dass das auffliegen könnte? Was ist Euch durch den Kopf gegangen? Ich wäre schon froh, wenn ich das einfach nur verstehen könnte. Wir wissen ja, verstehen heißt nicht einverstanden sein… • Schutz ist mir auch noch total wichtig. Durch diese ganze Aktion ist tatsächlich mein Arbeitsplatz in Gefahr. Leute, wer denkt sich so was aus? Und wer denkt jetzt an mich, die ich das ausbaden muss?
Was wäre meine ganz persönliche Bitte an die Konzernspitze? Lasst uns unter fachkundiger Anleitung betrauern, was hier vorgefallen ist. Lasst uns überlegen, für welche Werte Volkswagen steht, und was wir tun können, um zu diesen Werten zurück zu finden? Sind wir (noch) auf dem richtigen Weg? Und dann lass uns einen Aktionsplan aufstellen, den wir gemeinsam tragen und verantworten. Nicht nur auf Papier, sondern auch hier im Werk. Auch in Sao Paulo, auch in Shanghai. Lasst uns Vorbild werden und aus dem lernen, was wir hier angerichtet haben. Wenn wir wirklich in diese Richtung gehen, spüre ich Zuversicht und Vertrauen.

Ist ja immer leicht, bei anderen zu gucken.
Wir bereiten im Shop gerade die Aussendung der nächsten Ausgabe der Empathischen Zeit vor und generieren für die Abonnenten schon mal die Rechnungen. Gestern erreichte uns die Mail einer entrüsteten Kundin, die versehentlich eine Rechnung bekommen hat. Es gibt tatsächlich zwei Kundinnen mit dem gleichen Namen. Verblüfft hat mich die Aussage

dies sind methoden, die ich so in ihrem online-shop nicht erwartet habe.

da hätte ich mir doch inniglich gewünscht, dass die Kundin erst mal nachfragt, wie es zu dieser Bestellung gekommen ist, wo sie doch gar nichts bestellt hat. Erare humanum est, irren ist menschlich. Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Und gerade wenn man das in unserem Online-Shop nicht erwartet, wäre das doch erst recht eine Einladung, in Verbindung zu gehen, oder?

So long!

Ysabelle

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