Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Du bist nur ein Mensch…

Durch eine Abendmeditiation wurde ich auf dieses Lied von Billy Joel aufmerksam gemacht. Er hat es geschrieben, um junge Menschen davon abzuhalten, Selbstmord zu begehen, weil sie einen „Fehler“ gemacht haben. In der Meditation heißt es weiter:
Fehler sind nicht von Dauer. Es sind kleine Ereignisse in dem großen Lebensplan. Obwohl ein Fehler jemandem wehtun oder die finanzielle Lage eines Menschen beeinträchtigen kann, ist ein Fehler nicht so weltbewegend und katastrophal, dass wir nicht auch etwas durch ihn lernen könnten. Wir sollten ihn uns verzeihen und darüber hinwegsehen.

Es besteht kein Grund zu der Annahme, wir müssten uns bestrafen, wenn wir einen Fehler machen. Ein reifer Mensch muss einen Fehler akzeptieren und wegstecken können. Nur der Perfektionist, der Mensch, der allen gefallen will, meint, ein Fehler müsse bestraft werden und kann ihn nicht wegstecken. Was fällt uns leichter?

Heute Abend will ich an meine Fehler denken in dem Bewusstsein, dass sie menschlich sind. Es ist heilsam, hin und wieder einen Fehler zu machen und ihn als etwas ganz Normales zu betrachten.

Das passt doch wunderbar hierher, oder?

Billy Joel: You’re Only Human

You’re having a hard time and lately you don’t feel so good
You’re getting a bad reputation in your neighborhood
It’s alright, it’s alright
Sometimes that’s what it takes
You’re only human, you’re allowed to make your share of mistakes
You better believe there will be times in your life
When you’ll be feeling like a stumbling fool
So take it from me you’ll learn more from your accidents
Than anything that you could ever learn at school

Don’t forget your second wind
Sooner of later you’ll get your second wind

It’s not always easy to be living in this world of pain
You’re gonna be crashing into stone walls again and again
It’s alright, it’s alright
Though you feel your heart break
You’re only human, you’re gonna have to deal with heartache

Just like a boxer in a title fight
You got to walk in that ring all alone
You’re not the only one who’s made mistakes
But they’re the only thing that you can truly call your own

Don’t forget your second wind
Wait in that corner until that breeze blows in

You’ve been keeping to yourself these days
Cause you’re thinking everything’s gone wrong
Sometimes you just want to lay down and die
That emotion can be so strong
But hold on
Till that old second wind comes along

You probably don’t want to hear advice from someone else
But I wouldn’t be telling you if I hadn’t been there myself
It’s alright, it’s alright
Sometimes that’s all it takes
We’re only human
We’re supposed to make mistakes
But I survived all those long lonely days
When it seemed I did not have a friend
Cause all I needed was a little faith
So I could catch my breath and face the world again

Don’t forget your second wind
Sooner or later you’ll feel that momentum kick in
Don’t forget your second wind
Sooner or later you’ll feel that momentum kick in

Früher… Da war…

„Manchmal fahre ich noch raus wie früher: offenes Hemd, Schlappen an, frei im Wind. Ich lach mich dann immer über die greisen Silberpappeln auf ihren Harleys schlapp. Die ham vier lange Unterhosen an, und beim Tanken läuft denen das Wasser in die Stiefel.“
Rötger Feldmann, auf die Frage, ob er mit Ende 50 immer noch Rocker sei, Stern Nr. 40/2008 vom 25. September 2008

Früher war alles besser. Früher hatten wir noch richtigen Sommer. Früher schmeckten die Tomaten noch wie Tomaten. Früher hatten die Kinder noch Respekt vor Eltern und Lehrern. Früher war die Luft nicht so verpestet und die Benzinpreise niedriger. Früher brauchte man nicht solche Jobangst zu haben.
Was geht in uns vor, wenn wir den Scheinwerfer in die Vergangenheit richten, wenn wir vergleichen, was in unserer Erinnerung abgespeichert ist oder was wir vom Hörensagen kennen, und zu dem Ergebnis kommen, früher war alles besser?
Verbunden ist so ein „früher war alles…“ häufig mit einem „man müsste“. Denn wenn wir einen Idealzustand benennen, nämlich das Früher, dann ist es ja auch an uns, an den Nachbarn, den Politikern oder den Eltern, für mehr Naturschutz, billigeres Benzin oder bessere Erziehung zu sorgen.
„Früher war alles…“ katapultiert und auch in ein „…und heute ist alles…“. Und in dieser Vorgehensweise nehmen wir nicht wirklich wahr, was heute ist. Wir bewerten das Heute nur durch eine vorgeschobene Linse. Früher war etwas so, heute ist es anders. Indem ich es in Relation setze, nehme ich dem Heute seinen eigenen Stand. Das hatte Gertrude Stein gemeint als sie schrieb, eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Ja, sie ist auch eine Zierpflanze, ja, sie ist auch ein Liebesbote, ja, sie hat auch Dornen: Und dennoch: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Und das Heute ist das Heute und nicht nur ein schlechtes Abziehbild von Damals oder Neulich.
Wenn wir aber am Heute keine Veränderungsmöglichkeit erkennen, weil „die“ eigentlich etwas tun müssten, oder weil „man“ daran nichts ändern kann, spüren wir Ohnmacht, Schmerz, Frust und Trauer. Vielleicht auch Wut und Verzweiflung.
Der Blick auf das „Früher“ zeigt uns unsere Sehnsüchte und Hoffnungen. Sie anzunehmen und umzuwandeln versetzt uns ins Heute. Ich wünsche mir Sicherheit am Arbeitsplatz? Wozu brauche ich diese Sicherheit? Welchen Beitrag kann ich dazu leisten? Mir fällt es schwer, die hohen Benzinpreise zu bezahlen? Welche alternativen Fortbewegungsmittel habe ich? Ich wünsche mir von Jugendlichen Respekt? In welcher Weise bin ich bereit, mich dafür zu engagieren?
Der freie Blick auf das Heute verbindet uns mit unserer Kraft und unseren Gestaltungsmöglichkeiten. Nur für heute kann ich Entscheidungen treffen, nach meinen Werten leben, einen Beitrag leisten.
Heute ist der einzige Tag, dessen Gelingen ich beeinflussen kann.

Weisheiten

Hallo, Welt!

Heute bin ich im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn geworfen. Ein Baum hat die Oberleitung zerfetzt, der Zugverkehr Richtung Norden ist eingestellt. Daher gibt es heute keine Tagesmeditationen und kein Wortschätzchen, sondern weise Worte eines Mannes, der viel nachgedacht hat.

So long!

Ysabelle

Worte von Charlie Chaplin

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden,
daß ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht richtig ist
– von da konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich,
das nennt sich „SELBSTACHTUNG“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen
dass emotionaler Schmerz und Leid nur Warnungen für mich sind,
gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich, daß nennt man
„AUTHENTISCH-SEIN“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden
wie sehr es jemanden beschämt
ihm meine Wünsche aufzuzwingen,
obwohl ich wußte, daß weder die Zeit reif,
noch der Mensch dazu bereit war,
und auch wenn ich selbst dieser Mensch war.
Heute weiß ich, das nennt man
„SELBSTACHTUNG“.

Als ich mich selbst wirklich zu lieben begann,
habe ich aufgehört mich nach einem anderen Leben zu sehnen,
und konnte sehen, daß alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich,
das nennt man „REIFE“.

Als ich mich selbst wirklich zu lieben begann,
habe ich aufgehört
mich meiner freien Zeit zu berauben
und ich habe aufgehört weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen,.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude bereitet was ich liebe
und mein Herz zum Lachen bringt, auf meine eigene Art und Weise
und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man
„EHRLICHKEIT“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „GESUNDEN EGOISMUS“
aber heute weiß ich, das ist „SELBSTLIEBE“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört immer recht haben zu wollen
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt,
das nennt man „EINFACH-SEIN“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen,
jetzt lebe ich nur mehr in diesem Augenblick wo ALLES stattfindet.
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es „VOLLKOMMENHEIT“.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann,
da erkannte ich, daß mich mein Denken armselig und krank machen kann,
als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte, bekam der Verstand einen wichtigen Partner
diese Verbindung nenne ich heute „HERZENSWEISHEIT“.

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,Konflikten und Problemen
mit uns selbst und anderen fürchten, denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich,
DAS IST das Leben

Diese Worte schrieb
Charlie Chaplin
an seinem 70. Geburtstag
am 16. April 1959.

Näher zu Dir…

„Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!“
Karl Kraus, Fackel 202 2; Sprüche und Widersprüche

Als Teilnehmer des International Intensive Training (IIT) wurden uns Unmengen von Papier ausgehändigt. Wir mussten unseren Hausarzt angeben, Erkrankungen, wer im Todesfall (!) zu benachrichtigen ist, so erinnere ich den Fragebogen. Als wir darüber meuterten, für so viele Eventualitäten Angaben machen zu müssen, sagte eine der Trainerinnen, „das ist doch noch gar nichts! Für die IIT’s in Amerika musste man sogar unterschreiben, dass man sich der Gefahr bewusst ist. die von Empathie ausgeht.“ So wollte man sicher stellen, dass nicht eventuell ein Ehemann später die Veranstalter verklagt, falls die Partnerin zu einem anderen Teilnehmer tiefe Gefühle entwickelt.

Empathie birgt einen Zauber, der sich nicht auf ersten Blick erkennen lässt. Empathie schafft Intimität. Wikipedia unterscheidet hier zwischen körperlicher Intimität, emotionaler körperlicher Intimität und sexueller Intimität, und eine kleine Umfrage von mir in den vergangenen drei Tagen hat gezeigt, dass Intimität eine eigene Qualität hat, die tiefer geht als Nähe, und weiter gefasst ist als Sexualität.
Wenn ich ein Bedürfnis nach Intimität habe, geht das oft zusammen mit den Bedürfnissen nach Verbindung und Gesehen werden, mit Respekt, Sicherheit, Authentizität und Vertrauen und nicht so sehr mit Sexualität und Lusterfüllung. Wobei es ein Freund auf den Punkt brachte:
Ich kann mich an genau ein Mal erinnern, als ich Sex ohne Intimität hatte und das war für mich im wahrsten Sinne des Wortes „unbefriedigend“ . Und eine befreundete Sexualberaterin schrieb mir auf meine Anfrage: „Sex ist auch ohne Intimität möglich, da, wo ich innerlich nicht wirklich dabei bin, mich nicht wirklich öffne…“
Die Gebrauchsanleitung für eine erfüllte Beziehung könnte also lauten: Empathie erzeugt Intimität und Intimität ist die Voraussetzung für eine beglückende Sexualität. Damit kann ich Empathie und Intimität als Strategien für eine erfüllte Sexualiät betrachten. Der Vorteil ist: man kann beides leben und genießen, auch wenn kein Sexualpartner vorhanden ist. Denn es wird sicher jemanden geben, der bereit ist, Empathie zu geben.

Heute werde ich mich an der Nähe und Intimität freuen, die durch Empathie entsteht.

2000… Lets have a party!

Hallo, Welt!

Ich habe es kommen sehen die letzten Tage. Heute Nacht ist der Blog über 2000 Zugriffe „unique“ gekrabbelt, steht momentan bei 2002. Insgesamt gab es seit Ende Januar 8150 Zugriffe, also das Angebot der bisher 293 Artikel wurde über 8000 Mal abgerufen.

Ich denke, das ist ein Grund zu feiern. Die ersten 1000 Visits waren nach vier Monaten erreicht, für die zweiten 1000 brauchte es drei Monate. Das ist die Beobachtung. Und die Bewertung?! Ja! Es kommt einer vorbei und liest! Das erfüllt mein Bedürfnis nach Beitragen, Sinnhaftigkeit, Gesehen & Gehört werden. Ich freu mich!

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Toleranz

„Die Toleranz ist eine Übung und ein Sieg über sich selbst.“
Albert Memmi, Exercice du bonheur

Das Wort Toleranz hat lateinische Wurzeln und wird von tolerare, erdulden, abgeleitet. In der Bedeutung von duldsam oder nachsichtig ist es seit dem 18. Jahrhundert belegt. Aber schon im 16. Jahrhundert wurde es in Bezug auf die Religionsausübung angewandt. Obwohl ein Herrscher sich einer bestimmten Glaubensrichtung zugehörig fühlt, erlaubt er als Katholik etwa die Ausübung der jüdischen Religion in seinem Reich.
Interessanterweise diente die Ausübung von Toleranz auch zur Abschottung von Gruppen. Indem man sich tolerant zeigte, brauchte man sich über Integration keine Gedanken zu machen. „Wir lassen die anderen ja wie sie sind, das ist doch eine großzügige Haltung von uns.“
Zwar bietet damit eine ausgeübte Toleranz der Minderheit die Gewissheit, so sein zu dürfen und nach den Werten zu leben, die ihr richtig erscheint. Eine Eintrittskarte in bestehende Herrschaftssysteme bekommt sie aber nicht.
Ich bin gerade ganz erschrocken festzustellen, dass Toleranz geradezu ein Mittel zur Ausgrenzung sein kann. Über diesen Aspekt hatte ich bisher noch nie nachgedacht. Mir fallen dabei meine türkischen Nachbarn ein. Sie feiern ihre Feste und sprechen ihre Sprache. Letztlich habe ich keine Ahnung, was sie bewegt, und da ich sie auch nicht zu mir einlade oder nachfrage, was es mit bestimmten Dingen auf sich hat, kommt es nicht zu einer Verbindung.
Im Klartext kann das bedeuten: Toleranz und Gewaltfreie Kommunikation können sich ausschließen, wenn es nicht in einem tieferen Sinne um Verbindung geht.
Welche Gefühle mögen nun in jemandem lebendig sein, der sagt: „Da ist meine Toleranz am Ende“? Ich tippe auf
aufgeregt
ärgerlich
bitter
einsam
empört
entrüstet
ernüchtert
erschreckt
genervt
vielleicht sogar hasserfüllt
hilflos
in Panik
kalt
perplex
sauer
streitlustig
unbehaglich
unzufrieden
widerwillig
zornig

Ich vermute, es kommt ein wenig auf die Situation an. Wenn ich sehe, wie jemand sein Kind am Arm hinter sich her zieht, ist meine Toleranz in Sachen Kindererziehung am Ende, ich bin aber deshalb nicht hasserfüllt oder in Panik. Wäre ich Augenzeuge einer Steinigung, wie sie ja wohl im Irak kurz bevorsteht, wäre ich mit Sicherheit in Panik, aber ich wäre nicht kalt oder unzufrieden. Vielleicht habe ich auch das eine oder andere nicht gefunden, was einer von Euch in so einer Situation empfindet.

Was für Bedürfnisse sind im Mangel, wenn jemand sagt, „da hat meine Toleranz ein Ende“?
Verbindung
Autonomie
vielleicht Respekt vor der eigenen Weltanschauung o.ä.
Sicherheit
Schutz
Ordnung
Vielleicht Anregung
Sinnhaftigkeit
Integrität
Zugehörigkeit
Ausgleich
Gesehen/gehört werden.

Hier wird der Boden ganz schwankend. Ich würde da doch lieber auf eine einzelne Situation schauen, statt allgemeine Bedürfnisse zu vermuten.

Der Kollege, mit dem ich heute gearbeitet habe, erzählte, in Köln gebe es das Sprichwort, Toleranz kommt von Tellerrand, da muss man nicht drübergucken. Und Karl Popper schrieb die Worte: „Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ Was für ein spannender Gedanke!

Freunde

„Über Schiedsrichter diskutiere ich nicht mehr. Die sind mittlerweile alle meine Freunde.“ – Matthias Sammer, als Trainer von Borussia Dortmund, FOCUS online, Das große Fußball Special 2002/03

Solange ich mich erinnern kann, habe ich immer Freunde gehabt, und beste Freundinnen. Die letzte Freundschaft dieser Art zerbrach 2002, als meine Freundin aus Schultagen etwas tat, was ich nicht ertragen konnte. Ich habe mich nie wieder bei ihr gemeldet, obwohl sie nur 20 Kilometer entfernt wohnt.
Andere Freunde kamen und gingen. Einer ist sogar schon tot. Doch in den vergangenen Jahren hat sich bei meinen Freundschaften etwas verändert.
Ich erlebe heute in Freundschaften weniger Verschmelzung und mehr Respekt. Weniger Co-Abhängigkeit, aber echte Unterstützung. Weniger Sympathie, aber mehr Empathie. Allein die Unterstützung, die ich in den vergangenen drei Wochen erlebt habe, macht mich staunen, und ich spüre tiefe Dankbarkeit und Verbundenheit. Gestern zum Beispiel habe ich eine Freundin um ein Telefonat gebeten. Ich wusste, dass sie zur Zeit sehr eingespannt ist und viele eigene Projekte bei ihr brennen. Und ich war bereit, ein Nein zu hören. Es gab Plan B und Plan C. Wenn diese Freundin nicht hätte reden können, hätte es andere gegeben. Und in dieser Freiwilligkeit war es ein wunderbares Geschenk, mit ihr reden zu können.
Heute hat mich ein Freund unterstützt. Ich war völlig ratlos in einer Angelegenheit, und er hat etwas für mich getan, was ich selbst zur Zeit nicht hätte tun können. Dabei fiel auch für mich eine ordentliche Scheibe Klarheit ab. Ich war so erleichtert und berührt, da saßen die Tränen ganz locker vor Dankbarkeit und Wertschätzung.
Am vergangenen Wochenende haben zwei Freunde mir mit der Seminarvorbereitung geholfen, heute gab es dazu sogar einen Nachschlag.
Ich merke, wie ich es gerade in schwierigen Zeiten genieße, mich an andere Menschen wenden zu können, die mich mit tragen. Früher hätte ich mich nicht zugemutet, sondern geglaubt, stark sein zu müssen.
Was hat sich verändert in den letzten Jahren?
Ich verbringe mehr Zeit damit herauszufinden, was ich brauche. Und dann überprüfe ich. wie ich bekommen kann, was ich brauche. Ich sage öfter nein als früher. Gestern fragte mich beispielsweise eine Freundin, ob ich ihr zum Gefallen an einer Marktforschungsstudie teilnehmen würde, und ich konnte nein sagen. Eine andere Freundin wünscht sich mehr Kontakt als ich geben kann. Ich halte es aus, in bestimmten Momenten zu sagen: Ich habe 15 Minuten von Herzen für Dich, wenn Du sie magst, nimm sie. Aber dann habe ich etwas zu erledigen, was mir wichtig ist.
Noch vor wenigen Jahren wäre es unvorstellbar gewesen, dass ich meinen Angelegenheiten eine höhere Priorität eingeräumt hätte als anderen Leuten. Heute habe ich begriffen, dass es in erster Linie meine Sache ist, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern.
Ich finde heraus, was ich brauche. Und ich wage zu fragen, ob ich Unterstützung haben kann. Und ich werte mich nicht mehr ab, wenn die Unterstützung von einer ganz bestimmten Person in diesem Moment gerade nicht zur Verfügung steht. Dann suche ich halt nach jemand anderem, der Zeit für ein Telefonat, einen Tipp für mein Seminar oder Ahnung von HTML hat. Ich bin freier, und doch spüre ich eine starke Verbundenheit mit den Menschen, die ich heute fragen kann: Hilfst du mir?

Heute will ich den Tag in dem Bewusstsein leben, dass es Unterstützung und Hilfe für mich gibt. Ich bin bereit, meine Sinne dafür zu öffnen, diese Menschen zu finden und in mein Leben einzuladen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten bin ich für andere da.

Wortschätzchen: zickig

„Mädchen sind häufig zickig. Alle Mädchen werden mit dem Zicken-Gen geboren, alle! Das ist für mich unfassbar, wie unterschiedlich die Geschlechter sind – ich nenne es nur noch das Z-Gen.“

Sky du Mont, Schauspieler und Autor, auf Bild online, 13. Juli 2008

Ich sprach gestern mit einer Freundin über innere Kinder, und sie bezeichnete eines der ihren als zickig.
Ich bin im Moment ziemlich empfindlich, was Worte angeht, und so haben wir gemeinsam überlegt, wie sich ihr inneres Kind verhält und was ihm wohl in der Pubertät (aus dieser Zeit stammt das Introjekt vermutlich) die Bewertung „zickig“ eingetragen hat.

Wir fanden dabei solche Beschreibungen wie
wehrhaft
energiegeladen
engagiert
wach
kraftvoll
klar
lebendig

Und vor unseren Augen entstand das Bild eines Mädchens, das Konventionen sprengte.
Wir versuchten auch herauszufinden, welche Bedürfnisse sich dieses Mädchen mit seinem Verhalten erfüllte. Wir fanden
Schutz
Autonomie
Authentizität
Ehrlichkeit
Gesehen und gehört werden
Klarheit
Spaß
Leichtigkeit.

Ich finde es spannend, jetzt mal bei den Leuten zu gucken, die andere als Zicken bezeichnen, wie etwa Sky du Mont, von dem das obige Zitat stammt. Welche Bedürfnisse mögen bei ihm unerfüllt sein?
Respekt
Ordnung
Sicherheit
Schutz
Wertschätzung
Anerkennung
Vertrauen
Verbindung
Verständnis
und Harmonie

möchte ich aufzählen. Sie springen mich gerade an.
Es ist also nichts falsch mit Zicken. Sie erfüllen sich wunderbare Bedürfnisse. Und es ist nichts falsch mit Menschen, die andere Zicke nennen: Sie haben einfach nur unerfüllte Bedürfnisse. So leicht kann das Leben sein…

Wie geht es Euch mit dieser Ansicht? Will etwa irgendjemand rumzicken?

Y.

Wortschätzchen: Todesurteil

„Die Woche fängt gut an.“
Mathias Kneißl (*1875, +1902), bayrischer Wilderer und Räuber;
Letzte Worte, 10. Februar 1902, nach der Verkündung des Todesurteils

Nein, ich will mich nicht über einen Mann lustig machen, der hingerichtet wurde. Mir geht es um unsere Sprache, um unseren Umgang mit uns selbst und mit anderen.

Neulich hörte ich eine Kollegin sagen, „als ich den Arztbrief las, wusste ich, das ist ihr Todesurteil!“
Mir wurde mulmig, als ich ihre Worte hörte, und seither kamen sie mir immer wieder in den Sinn. Es ging um einen Menschen, bei dem eine schwere Krebserkrankung festgestellt wurde. Und heute wurde mir klar, was mich an dem Wort so störte: Die eigentliche Bedeutung war ja vermutlich: Wir Ärzte sind machtlos und können nichts mehr für den Patienten tun.
Doch für mich ist das eine ganz andere Aussage als mit dem Wort Todesurteil beschrieben wird. Richter verurteilen Menschen zur Todesstrafe. Es gibt auch Menschen, die ohne Richterspruch der Ansicht sind, jemand anderes hätte sein Recht auf Leben verwirkt. Dieser Tage hat ein Mann seine Ehefrau und deren 23-Jährige Geliebte erschossen und anschließend versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Offenbar fand er keine andere Möglichkeit, seinem Schmerz und seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen. Doch Ärzte fällen zumindest hierzulande kein Todesurteil. Ärzte gestehen ihre Machtlosigkeit gegen den Lauf des Lebens ein. Wir werden geboren um zu sterben. Eine schwere Krankheit, ein Unfall, ein Tumor – sie können für uns Angehörige wie eine Strafe wirken. Und doch ist es nur der Lauf des Lebens.

Was mag meine Kollegin für Gefühle gehabt haben, als sie den Arztbericht las?
War sie

erschrocken
entsetzt
alarmiert
angespannt
beklommen
bestürzt
erschüttert
hilflos
angstvoll
traurig
scheu
sorgenvoll
im Schmerz
ohnmächtig
schockiert
und vielleicht zornig?

Und was könnten ihre unerfüllten Bedürfnisse gewesen sein?
Sehnte sie sich vielleicht nach
Sicherheit
Vertrauen
Geborgenheit
Schutz
Friede
Harmonie
Leichtigkeit
und Spiritualität?
Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit und ich kann sie fragen.
ich glaube nicht, dass Ärzte ein Todesurteil fällen oder aussprechen.
Ich glaube, dass unser aller Leben in der Hand einer Höheren Macht liegt. Und wir haben die Chance, aus jedem einzelnen Tag das Beste zu machen. Ob uns nun noch 10000 Tage oder nur 10 Tage vergönnt sind. Wer weiß das schon.

Heute bin ich nachdenklich. Wie geht es Euch da draußen? Seid Ihr gesund? Ist Euer Leben voller Glück, Wärme, Verbindung? Ich schicke gute Wünsche zu Euch, wo immer Ihr sein mögt.

So long!

Ysabelle

Rosa Tütchen

“Die Dankbarkeit ist am besten und effektivsten, wenn sie nicht in leeren Phrasen verdampft.”
Isaac Asimov aus Foundation and Empire

Hallo, Welt!
ich habe noch ein dickes Thema in petto, aber eben habe ich mich entschlossen, mein rosa Tütchen wieder aufzufüllen, also eine Dankbarkeitsrunde einzulegen.
Als ich heute von der Arbeit nach Hause kam, klingelte ich bei meiner Nachbarin, denn Amazon hatte mir mitgeteilt, sie hätten die Biographie von Gandhi bei meiner Concierge abgegeben… Ich habe die netteste Nachbarin der Welt, die nicht nur ständig meine Post entgegen nimmt, sondern mich auch mit allerlei versorgt, was ihrer Küche entspringt. Heute Abend sind es zwei Stücke Kuchen. Sie schmecken total super, nur darf ich nicht so dicht mit der Nase rangehen. Offenbar standen sie im Kühlschrank neben Wurst, jedenfalls passt der Duft nicht zum Aussehen und zum Geschmack.

Gestern stand auf einmal ein früherer Partner bei mir im Büro mit einem kleinen Präsentkorb voller Obst und Marmelade. „ich habe deinen Geburtstag verpennt und dachte, da muss ich mal persönlich vorbeikommen!“ Mir kamen fast die Tränen. In den letzten Monaten dachte ich manchmal, der ruft nur an, um sich auszukotzen. Aber gestern fühlte ich mich sehr gesehen und wertgeschätzt.
Ich habe heute Morgen endlich eine Mail an meinen besten Freund geschrieben, der mir vor einigen Tagen einen wunderbaren Brief aus Christchurch geschickt hat. Wir sind uns seit elf Jahren verbunden, haben Höhen und Tiefen miteinander erlebt und ich möchte feiern, dass wir uns immer wieder so viel zu sagen haben und uns so viel bedeuten.
Dann fand ich in meinem Mehlkasten ganz viel Post von Findhornern. Fotos, liebe Grüße, eine Einladung, eine Tomatensauce zu probieren… ach, das alles nährt zur Zeit so wunderbar mein tiefes Bedürfnis nach Zugehörigkeit!
Gerade klingelte noch mal mein Telefon. Es war ein Bekannter, der mich gelegentlich bei handwerklichen Dingen unterstützt. Geh mal an deinen Topfschrank, sagte er. Am Wochenende waren mir zum wiederholten Male Pütt und Pann entgegengekommen, ein Konstruktionsfehler. Mein Versuch, die Schwachstelle mit Textilklebeband zu fixieren, hatte keinen Erfolg. Daraufhin hatte ich den Schaden fotografiert und ihm das Bild mit einem Notruf gemailt. Nun war er heute da und hat alles wunderprächtig repariert und versprochen, dass es nun nie wieder zusammenbricht. „Hat nur fünf Minuten gedauert. Ich habe länger gebraucht, bei Dir die passende Schraube zu finden!“
Ist es nicht wunderbar, so unterstützt zu werden? Ist es nicht schön, Freunde zu haben?
Eine Freundin, die mir ganz wichtig ist, schrieb mir heute Abend:
„Deine beiden Kalendereinträge vom 15. und 16. haben mich sehr berührt, ich bin beeindruckt über Deine Offenheit, zumal ich auch denke, daß Deine Gedanken eine große Hilfe für andere Menschen sein können!!“ Wie schön! Da wird mir doch gleich wieder ganz deutlich, warum ich abends eben nicht vor dem Fernseher sitze, sondern meinem Bedürfnis nach Beitragen fröne.

Ich möchte feiern, dass ich trockenen Fußes nach Hause gekommen bin, obwohl es jetzt schon wieder pladdert, und ich möchte feiern, dass mir zwei Menschen in den vergangenen Tagen zu GfK-Themen Beistand geleistet haben. Ich spüre eine wohlige Wärme bei dem Gedanken an so viel Unterstützung, Verbindung, Wertschätzung und Gemeinschaft.

Ich merke gerade, mir widerfährt so viel Gutes, dass diese Aufzählung sich vielleicht ganz unrealistisch liest. Das wiederum erinnert mich an eine Geschichte, die Kit in Findhorn erzählt hat: da war eine Frau, die sagte, ich kann jeden Tag zwei Geschichten erzählen. Eine ist voller Freude, Dankbarkeit und Glück. Die andere ist voller Ärger, Frust und Mutlosigkeit. Es kommt nur darauf an, worauf ich meinen Blick richte. Und ich versuche täglich, ungefähr die Mitte zwischen diesen beiden Leitplanken zu finden…
Ich könnte auch eine andere Geschichte erzählen, denn es gibt durchaus ein paar Dinge in meinem Leben, die mich im Moment mit Schmerz, Frustration und Trauer erfüllen. Aber ich habe die Wahl, worauf ich meinen Blick richte.
Heute möchte ich dankbar sein für all die wunderbaren Dinge, die in meinem Leben passieren.

So long!

Ysabelle

Neue Ansage!

„Die Gewalt besitzt nicht halb so viel Macht wie die Milde.“
Samuel Smiles, Charakter

Vor ein paar Wochen gelang mir etwas nicht so, wie ich es gern gehabt hätte. Daraufhin gab mir mein Freund Gabriel einen Rat, den er von seiner Mutter übernommen hatte: Sei milde mit dir! Ich halte es für eine gute Idee, mir den Satz auf die Stirn zu tätowieren, denn nicht nur ich, sondern auch viele meiner Mitmenschen könnten eine Portion Milde mit Sicherheit gut gebrauchen.

Eine junge Schreibfreundin interpretierte eine Information von mir heute als Kritik. „Du hast Recht, ich war voreilig“. Erstaunt rieb ich mir die Augen. Davon hatte ich gar nichts geschrieben. Beim Mittagessen hörte ich mich zu einem Kollegen sagen, vielleicht ist das Gerät dafür besonders anfällig, und dachte hinterher, das ist doch bestimmt auch schon wieder ein Wortschätzchen wert! Zwei Mal hatte ich heute in beruflichem Zusammenhang mit Perfektionismus zu tun: Das ist alles andere als perfekt! Ok, Perfektionismus habe ich für mich selbst als den sichersten Weg ins Unglücklichsein entdeckt. Und immer schön die Latte hoch hängen!
Der Abschied vom Perfektionismus passt gut zu dem Entschluss, milde mit mir zu sein.
Ich habe nicht alles geschafft, was ich mir heute vorgenommen habe? Sei milde mit dir! Meine Waage zeigt mehr an als ich gutheißen kann? Sei milde mit dir! Dein Kontostand sinkt bedrohlich und es ist noch so viel Monat übrig? Sei milde mit Dir!
Milde sein bedeutet nicht, sich um die Verantwortung für das eigene Handeln zu drücken. Milde sein bedeutet, dass ich mich für das Verhalten nicht noch zusätzlich wolfe und verurteile, das ich ohnehin schon als nicht förderlich erkannt habe. Ich habe ja bereits begriffen, dass Übergewicht mein Wohlbefinden beeinträchtigt, unerledigter Papierkram eine bedrückende Bugwelle erzeugt und aufgeschobene Hausarbeit sich eben nicht von allein erledigt. Muss ich mir dafür noch eine Rüge erteilen, mich als fett, faul, unfähig oder nachlässig beschimpfen? Die Pflicht zur Selbstbeschimpfung ist offiziell aufgehoben. Die neue Ansage lautet:
Sei milde mit Dir!

Heute will ich darauf achten, wie ich mit mir selbst rede. Ist mein Ton harsch und unfreundlich, will ich mich daran erinnern, milde mit mir zu sein.

Versprechungen

„Selbstverständlich hat jede Religion ihre Geschichte, die ihr gemäßen Versprechungen von Gott, dessen Propheten und deren weise Lehrer, die gesagt haben … Die Beweise der Wahrheit gehen immer vom Zentrum der eigenen Religion aus. Das Ergebnis ist ein befangenes Denken, in dem wir von Kindheit an zu denken und zu glauben erzogen wurden; immerhin lebten und leben Generationen in der Überzeugung, daß sie die »Wahrheit« haben.“
Erich von Däniken, Erinnerungen an die Zukunft. Ungelöste Rätsel der Vergangenheit. Düsseldorf und Wien: Econ-Verlag, 1968. S. 85

Warum ist es sinnvoll, Gewaltfreie Kommunikation zu erlernen? Anfangs dachte ich, es wäre schön, mich in Auseinandersetzungen so ausdrücken zu können, dass es den anderen nicht verletzt. Dieses Verhalten nennt man Co-Abhängigkeit. Als nächstes dachte ich, ich könnte den anderen besser verstehen, und besser auf ihn eingehen, wenn ich seine Gefühle und Bedürfnisse klarer erkennen könnte. Auch dieses Verhalten kann man mit der Diagnose Co-Abhängigkeit belegen, wenn der Betreffende sich nicht gleichzeitig auch selbst im Fokus hat, was ich sehr gern aus den Augen verliere. Denn Co-Abhängigkeit ist seit vielen Jahren ein wichtiges Thema für mich. Dann las ich eine Aussage von Marshall, GfK sei nichts für Weicheier. Oh ha! Und das mir, da ich mich doch so oft als ängstlich erlebte. Irgendwo schnappte ich dann die Aussage auf, in der GfK hätten alle Bedürfnisse von verschiedenen Leuten die gleiche Wertigkeit, den gleichen Rang. Wie, auch meine?!
Das war der Durchbruch. Meine Bedürfnisse sind ebenso wichtig wie deine, und ich will sie ebenso achten.
Im vorigen Jahr war ich dann beim internationalen Intensivtraining (IIT) bei Marshall in der Schweiz. Dort wollte eine Teilnehmerin die Inhalte des Seminars aufnehmen und neun Tage tobte der Kampf darum, ob das Bandgerät laufen dürfe oder nicht. Nach dem dritten Tag gab es einige Teilnehmer, die die Frau am liebsten in die nächste Schlucht geworfen hätten, und ich bekam eine Vorstellung davon, warum Cato der Ältere im römischen Senat nicht sonderlich beliebt war, denn über Jahre beendete er jede Rede mit dem Ausspruch: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ * (Original lat.: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“). Obwohl mir die Prozessarbeit unendlich auf den Senkel ging, habe ich jedes Mal gefeiert, wenn die Frau sich meldete und sagte, sie würde aber gern jetzt den Workshop aufnehmen. Sie kämpfte meinen Kampf! Sie sagte stellvertretend für mich: Meine Bedürfnisse sind wichtig! Ich setze mich für mich ein! Ich stehe auf für meine Interessen!
Dieses Jahr hatten wir wie bereits berichtet ein Baby mit im Workshop. Wieder prallten verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Lernen, Wachstum, Leichtigkeit, Bindung (an das Kind) und so manches andere. Als das Thema am zweiten Tag öffentlich wurde, war ich erstaunt, für wie viele Menschen es schwierig war, das Baby mit im Raum zu haben (plus gelegentlich noch vier Jungs). Und trotzdem verdunstete irgendwie die Energie, die zuerst in die Richtung gegangen war, das Kind muss hier raus! Dann müssen sich eben die Eltern abwechseln in der Workshop-Teilnahme…
Meine Beobachtung ist, dass mehrere Menschen, die zu diesem Thema gesprochen haben, anschließend kein (großes) Problem mehr mit der Anwesenheit des Kindes hatten. Ich weiß aber auch von Menschen, die nicht in der Gruppe ihre Meinung gesagt haben, und für sie war es nicht leicht, die Anwesenheit des Babys hinzunehmen.
Eine Zeit lang hatte ich geglaubt, wenn man nur genug GfK machen würde, ließen sich alle Konflikte irgendwie beilegen. Das war die Vision, das Heilsversprechen, das ich aus Marshalls Worten destilliert hatte. Am praktischen Beispiel erlebe ich, dass es nicht immer klappt, auch wenn 65 GfKler im Saal sich nach Kräften darum bemühen. Aber ich weiß, dass meine Chancen, meine Bedürfnisse erfüllt zu sehen steigen, wenn ich bereit bin, sie offen zu machen und mich dafür einzusetzen.

Heute bin ich bereit, einem Bedürfnis Ausdruck zu geben und mich für seine Erfüllung einzusetzen.

Es geht noch tiefer

Hallo, Welt!
Vor ein paar Monaten hatte ich jemandem ein Anliegen vorgetragen und es gab einen Termin, an dem wir das klären wollten. Doch trotz meiner Nachfragen fand sich letztlich am vorbestimmten Termin keine Zeit, darüber zu reden.
Ich war „heartbroken“, aufgelöst, in Kontakt mit tiefem Schmerz. Mein Gegenüber realisierte erst jetzt, wie viel mir der Termin bedeutet hatte. Er nahm mich in den Arm, drückte sein Bedauern aus. Allein, die Botschaft kam nicht bei mir an, weil ein gelerntes Muster nicht bedient wurde. Die Person hatte doch etwas „falsch“ gemacht, wieso guckte sie jetzt so – unbeteiligt? Ich vermisste so etwas wie den Ausdruck von Schuldgefühlen. Wie ein geschlagener Hund. So guckte man doch, so verhielt man sich doch, wenn man etwas „versäumt“ hatte, oder? Irgendwie fiel es mir schwer zu glauben, dass dieser Mensch wirklich ein Bedauern dazu hatte, dass unsere Verabredung nicht wie besprochen zustande gekommen war.

Ich versuche zur Zeit eine Angelegenheit in meinem Leben zu handhaben, damit einen angemessenen Umgang zu finden, die sehr schwierig für mich ist.
Gestern bekam ich zwei Mails, die intensive Gefühle bei mir auslösten. Obwohl es da nicht stand, las ich, du bist nicht authentisch, dein Verhalten ist nicht kongruent mit den von dir verkündeten Werten, du hast mir Schmerz zugefügt, ich weiß nicht, in welchem Rahmen ich mit jemandem wie dir noch Verbindung haben möchte, und ich kann das aus verschiedenen Gründen auch jetzt nicht klären.
Im ersten Moment fühlte es sich an, als sei ich gegen einen Schrank gelaufen.
im Verlauf der nächsten Stunden lüftete sich dann Schleier um Schleier. Relativ bald konnte ich feststellen, dass diese oben zitierten Worte da wirklich nicht standen. Ich erkannte also, dass das, was da stand, in mir eine Resonanz auslöste. Es war direkt ein Fahrstuhl in meine Kindheit. „Du warst nicht lieb, und jetzt überlege ich mir mal, ob ich dir verzeihe und dich wieder in Gnaden aufnehme. So eine Tochter will ich nicht haben!“
– Zwischenfrage: Kennt das einer von Euch? –
Im nächsten Schritt war es wie der Blick auf ein Vexierbild:
Mal war ich „im Recht“, mal machte ich mir die Gedanken und Urteile meines Gegenübers zu eigen. Du bist scheiße, ich bin scheiße, immer schön im Wechsel. Am meisten verblüffte mich immer wieder der Blick auf die Zeilen in der Mail. Da stand etwas, und das was ich fühlte, war etwas ganz anderes. Die Zeilen waren der Auslöser, sie schufen eine Verbindung zu abgespeicherten Erinnerungen, zu alten Verletzungen, zu eingelagerten Schmerz- und Schuldgefühlen, die plötzlich aktiviert wurden. Ich las gestern einen Artikel über das Schmerzgedächtnis, und wie sich die Nerven verändern und dann Sachen weh tun, die gesunden Menschen eben nicht weh tun, und ich vermute, so was ist es hier auch. In meiner Vergangenheit ist ein Schmerzgedächtnis entstanden, und wenn heute nur eine Feder darauf fliegt, tut es weh. Aber dafür ist nicht der Auslöser verantwortlich. Es ist einfach nur eine Einladung, genauer hinzuschauen. Dann kann mein Blick unschuldig werden, wenn mich jemand mit seinem Schmerz konfrontiert. Dann bin ich in der Lage zu hören: Ich habe ein brennendes unerfülltes Bedürfnis! Dann fährt mich nicht mehr der Fahrstuhl in die Grabkammer meiner Kindheit, in der ich glaubte, sterben zu müssen, wenn mich der andere nicht in Gnaden wieder aufnimmt. Dann kann endlich Schluss sein mit Wohlverhalten, nur um das Bild einer Beziehung nicht zu gefährden, das ich als Kind abgespeichert habe. Dann finde ich zu tiefer Authentizität und Kongruenz und echtem Mitgefühl. Gestern gab es davon einen Vorgeschmack.

So long!

Ysabelle

Die Geister, die ich rief…

Der Zauberlehrling

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort‘ und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu‘ ich Wunder auch.
 
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe,
Und mit reichem, ollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
 
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf!
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
 
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
 
Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
 
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
 
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.
 
Nein, nicht länger
Kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
 
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
 
Willst’s am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.
 
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!
 
Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
 
Und sie laufen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
 
„In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke
Erst hervor der alte Meister.“

Hallo, Welt!
Die Goethe-Ballade kam mir in den Sinn, als ich an mein nächstes Vorhaben dachte. Der Zauberlehrling bin natürlich ich, Hexenmeister sind in diesem Fall Marshall Rosenberg und Gerhard Rothhaupt.
Alljährlich findet in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, eine Fortbildung für Ausbilder statt. Ihnen soll fortlaufend das Rüstzeug gegeben werden, um mit ihrer Aufgabe gut klarzukommen. Für viele von uns liegt ja die Ausbildereignungsprüfung schon ein paar Jahre zurück.
Im vorigen Jahr habe ich das erste Mal die Hand gehoben und gesagt, ich möchte mich mit meinem GfK-Wissen (boah – da spüre ich Scham!) daran beteiligen. Die Trainer haben dann eine Unterrichtseinheit von mir zum Thema Wahrnehmung eingeplant und ich hatte ungefähr eine Stunde zum „Beobachten ohne zu bewerten“. Offensichtlich waren sowohl Kollegen, als auch Seminarleitung damit so zufrieden, dass ich sehr willkommen war, als ich mich für dieses Jahr mit dem Thema „Empathisch zuhören“ zu Wort gemeldet habe. Also: Mitte September eine Unterichtseinheit „Emphatisch zuhören“ für Ausbilder. HILFE! Was habe ich gemacht? Wie bin ich auf diese irrsinnige Idee gekommen? Ich kann nicht einfach irgendwo abschreiben, ich habe keine Ahnung von Seminarkonzepten. Montag soll ich einen Rohablauf vorlegen, damit die anderen Trainer wissen, wie sie mich am besten einfädeln. Oh, mir wird bange!
GfK in Gruppen macht mir sowieso Sorge, seit ich vor Jahren einmal erlebt habe, wie eine Situation komplett entgleiste und 20 hilflose Menschen zurückblieben. Ich weiß, dass ich in Einzelgesprächen Qualitäten habe, aber es fällt mir auch nicht schwer, mich auf einen Menschen einzustellen.
Nun sitze ich über meinem Bücherstapel und grüble. Die Ausbilder sollen etwas davon haben, gleichzeitig wünsche ich mir Verbindung, Leichtigkeit und Spaß. Halt, ich hab’s! Learning aus meinem Schottland-Urlaub: wenn du ein Projekt planst, such dir erst Unterstützung! Also, Leute, wer von Euch wäre bereit, mich dabei zu begleiten und zu unterstützen?! Das ist Eure Chance, Euer Bedürfnis beizutragen zu erfüllen!

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: Fähig

Ich brauche mich jetzt nicht mehr als intolerant zu sehen, sondern einfach nur in der damaligen Situation nicht fähig, meinen Bedürfnissen (…) so Ausdruck zu verleihen, dass sie gehört und verstanden werden.
Gabriel in einem Kommentar zu einem Wortschätzchen

Klingt doch ganz harmlos, oder? Nicht fähig… Klingt auch nicht so schlimm wie unfähig. Trotzdem haute ich mir an der Begrifflichkeit gleich ein Auge blutig und ich habe Gabriel gefragt, ob ich ihn für das nächste Wortschätzchen zitieren darf.

In einem meiner GfK-Bücher fand ich vor Jahren einen Hinweis, man möge einen Koch nicht mehr einen Koch nennen, weil das ein Label, ein Etikett sei. Als ich das damals las, dachte ich, Himmel, man kann’s auch übertreiben. In dem Textabschnitt wurde vorgeschlagen, man möge sagen, jemand sei beruflich mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt, oder man möge die Tätigkeiten aufzählen, die der „Koch“ vornehme. Und ich dachte, ne, das geht mir echt zu weit.

Doch neulich habe ich miterlebt, wie ein Mensch zum Gewalttäter erklärt wurde. Menschen, die sich so und so verhalten, sind Gewalttäter. Zack! Da klebte ein Etikett an der Person. Es war geeignet, den anderen zu diffamieren.
Das gilt auch für Vergewaltiger, Polizistenmörder, Steuerhinterzieher, Schlaumeier, Drückeberger, Karrieristen, Faulpelze, Kanaken, Rechte, Linke, Schwule, Behinderte, grüne und schwarze Witwen, Mercedesfahrer und Arschkriecher.

Nun scheinen diese Beispiele noch einigermaßen einleuchtend und nachvollziehbar. Doch was ist „falsch“ mit fähig?

Gehen wir zum Ausgangspunkt zurück:
Gabriel schätzte sein eigenes Verhalten ein. „Ich war nicht fähig, meinen Bedürfnissen … Ausdruck zu verleihen.“ Im günstigsten Fall ist dieser Satz ein Ausdruck von Trauern und Bedauern.
Seine Gefühle wären dann vielleicht:
bedrückt
bitter
deprimiert
einsam
elend
enttäuscht
frustriert
hilflos
leblos
perplex (ob der neuen Erkenntnis)
traurig
unbehaglich
unzufrieden

je nach Tagesform vielleicht vom einen mehr und vom anderen gar nichts.
Wenn aber jemand, der denkt, er sei zu etwas nicht fähig gewesen, das durch die urteilende Brille betrachtet, kommen wahrscheinlich noch ein paar mehr Gefühle ins Spiel oder einige der bereits aufgezählten würden ihre giftige Note entfalten, weil sie durch den Fleischwolf gehen (= im Kopf wird das Gefühl interpretiert und ein paar Urteile kommen dabei raus). Und dann sind wir in Nullkommanix bei beschämt, niedergemacht, schuldig, unwichtig, unwürdig und wertlos. Wenn ich dazu nicht fähig bin, bin ich… FREIE AUSWAHL…

Als Gabriel also schrieb, er sei nicht fähig gewesen, waren vermutlich folgende Bedürfnisse bei ihm im Mangel:

Sicherheit
Selbstvertrauen
Integrität
Kongruenz
Authentizität
vielleicht auch Beteiligung
Gesehen und gehört werden
Vertrauen
Wertschätzung
und Harmonie.

So oder ähnlich könnte es gewesen sein.
Und fähig als Pendant zu „unfähig“ ist ab sofort auf der Roten Liste der Worte, die ich nur zu sehr bestimmten Anlässen heraushole. Aber möglichst nicht um mich oder andere zu beurteilen.

Mögt Ihr die Gedanken ergänzen?

Ysabelle

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