Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Im Krankenhaus

Hallo, Welt!

Heute habe ich wieder einen Krankenbesuch gemacht. Es hat mich gefreut, einfach nur empathisch da sein zu können und Angst und Tränen auszuhalten. Es war wirklich aus tiefstem Herzen ok für mich. Es erstaunt mich zwischendurch selbst, dass es so ist, aber die Fortschritte in Bezug auf die Giraffenohren sind wirklich ein Grund zu feiern.

Schwer hören konnte ich, was da in den vergangenen zwei Tagen mit dem Chefarzt abgelaufen war. Die Kranke hatte den Eindruck, dass er jetzt insgesamt schon drei Mal eine Verabredung nicht eingehalten hat. Termine wurden ohne Information verschoben. Dazu kommt, dass die Aufklärung über das weitere Vorgehen für sehr viel Angst und Unsicherheit gesorgt hat. Und der Arzt scheint das nicht wahrnehmen zu können. So wurde der Patientin zum Beispiel mitgeteilt, dass ihr erneut eine Magensonde für die Ernährung gelegt wird. Es wurde ihr aber auch gesagt, dass sie weiterhin essen könne. Auch ich habe nicht verstanden, warum man jemandem eine Magensonde legt, wenn derjenige doch essen kann. Zum Glück klärte das heute Abend eine Schwester auf. Bei der anstehenden Behandlung steht zu befürchten, dass die Patientin sich sehr schlapp und schwach fühlt, vermutlich auch keinen Appetit hat, nicht essen mag. Da ist es gut, wenn die Ernährung trotzdem gesichert ist, zumal die Patientin Diabetikerin ist. Und das stellt man halt mit dieser Sonde sicher.
Die Patientin erzählte zwei Beispiele aus dem Arztgespräch, die mich schwer frustriert haben, Und ich erinnerte mich an einen Besuch bei meinem Zahnarzt, den ich im übrigen sehr schätze. Mir musste oben ein Backenzahn gezogen werden und ich hatte super viel Angst. Ich lag also in diesem Stuhl, als der Zahnarzt rein kam. Er sah meine Tränen und sagte, was ist denn los? Ich antwortete, ich habe solche Angst! Seine Reaktion riss mich aus dem Sessel. Er knurrte zurück: Ich habe das schon öfter gemacht!
Er hatte Zweifel an seinen Fähigkeiten gehört – ich hatte aber nichts Derartiges gedacht oder gemeint. Ich wünschte mir Empathie. Stattdessen tröstete ich den Zahnarzt… Verkehrte Welt!
Ich finde, empathischer Umgang mit Patienten müsste ein Schwerpunkt im Medizinstudium sein. 80 Seminartage GfK, um überhaupt zugelassen zu werden, das wärs doch!

So long!
Ysabelle

Entscheidungen

Hallo, Welt!
Ich beobachte gerade ein interessantes Phänomen. Zuerst ist es mir vor ein paar Wochen bei mir selbst aufgefallen. In einer bestimmten Situation ging es darum, eine Entscheidung zu treffen und ich ertappte mich bei der Überlegung, der andere möge doch bitte endlich zu einem Entschluss kommen. Es gab eine wunderbare Wolfsshow dazu, die ich sehr genossen habe. Dann kam die Erkenntnis, ich selbst könne ja auch eine Entscheidung treffen, dann wäre das Thema erledigt. Ich sah dann bei näherer Untersuchung, welche guten Gründe ich hatte, die Entscheidung nicht übers Knie zu brechen und konnte jetzt in Ruhe abwarten.
Dieser Tage war ich mit einer Bekannten essen. Bei ihrem Mann gibt es berufliche Herausforderungen und sie drängt ihn, eine Entscheidung zu treffen. Während ich versuchte, ihr Empathie zu geben, wurde mir ganz deutlich, dass ich dieses „Spiel“ gerade aus meinem Leben kannte. Den Zeigefinger auf den anderen richten: DU musst das entscheiden!
Ein guter Freund von mir erlebt gerade in Liebesdingen eine Zwickmühle. Seine langjährige Partnerin will ihn aus veschiedenen Gründen bis Weihnachten nicht sehen. Er erwartet von ihr die Entscheidung zur finalen Trennung, findet aber innerlich nicht dir Klarheit, sich selbst zu trennen.
Wahrscheinlich lässt es sich nicht verallgemeinern, aber in diesen drei Fällen (und einigen kleineren Episoden der vergangenen Tage) war es so, dass jeweils vom anderen eine Entscheidung erwartet wurde, obwohl man selbst unklar war, was man wollte.
Wenn ich meinen eigenen Fall und die guten Gründe anschaue, weiß ich für dieses eine Mal, warum es so war:

Ich wollte keine Entscheidung „gegen“ mein Gegenüber treffen. Ich wollte Konsens, aber bitte mit meiner Lösung. Da ich nicht klar erkennen konnte, ob mein Gegenüber bereit war, sich meiner Lösung anzuschließen, strampelte ich auf der Stelle und forderte Klarheit von meinem Gegenüber. Ich blieb in der Deckung, ich traf eben keine Entscheidung. Ich übernahm nicht die Verantwortung für das, was ICH wollte.
Feigling, Weichei, Warmduscher – meine pelzigen Freunde haben da ein paar schöne Bezeichnungen für mich. Zum Glück gibt es ja auch noch den Blick auf die Bedürfnisse. Vielleicht brauche ich für eine gute Entscheidung in MEINEM Sinne Harmonie, Verbindung, Gesehen und gehört werden, Respekt und Verständnis.
Und vielleicht muss ich akzeptieren, dass nicht unbedingt mein Gegenüber mir diese Bedürfnisse erfüllen wird oder kann. Dann bin ich eingeladen, an anderer Stelle danach zu streben und für meine Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn mir das Angst macht.

So long!
Ysabelle

Wortschätzchen: Wehleidig

Männer [sind] zwar sprachlich oft Kraftmeier, aber in ihrem Inneren sensibel und vor allem wehleidig; sie möchten, dass jeder merkt, wenn es ihnen schlecht geht.
Aus Wiktionary, dem freien Wörterbuch

Was für ein Wort! Wer hat es doch gleich gestern benutzt? Ich fand es so phänomenal, dass ich es gleich aufgeschrieben habe, um nicht zu vergessen, daraus ein Wortschätzchen zu machen. Ich glaube, es war mein Auszubildender, der sich darüber äußerte, er sei wie so viele Männer wehleidig. Das riecht für mich nach Glaubenssatz und lohnt auf jeden Fall einen näheren Blick.

Wehleidig – damit ist eine Bewertung verbunden. Jemand erleidet einen Schmerz, eine Verletzung und zeigt mehr Leiden, als jemand anderes für angemessen hält. Vor meinem geistigen Auge erscheinen Witzfiguren von Männern, die angeblich „nur“ eine Erkältung haben, aber sich verhalten als sei es mindestens eine doppelte Lungenentzündung. Die nach einem Schnitt in den Finger ohnmächtig werden, weil sie kein Blut sehen können und denen im Kreisssaal schlecht wird.
Wehleidig – das sagen Menschen abfällig über andere um zum Ausdruck zu bringen, dass jene nicht so hart, belastbar, tough sind wie sie sein sollten. Welche Gefühle sind denn bei Menschen lebendig, die andere als wehleidig bezeichnen?
ärgerlich
vielleicht ängstlich. Mit ist unbehaglich, wenn du nicht so stark bist wir ich dich gern hätte
alarmiert
bestürzt
enttäuscht
ernüchtert
genervt
perplex
sauer
unbehaglich
verstört
und vielleicht noch manches andere.
Welche Bedürfnisse mögen im Mangel sein? Vielleicht
Schutz
Sicherheit
Ordnung
Selbstständigkeit
Kongruenz
Wertschätzung
Unterstützung
Geborgenheit
Leichtigkeit
und Klarheit?

Doch damit nicht genug! Welche Gefühle mögen denn in demjenigen lebendig sein, den der andere für wehleidig hält? Ich tippe auf
apathisch
ausgelaugt
einsam
durcheinander
elend/miserabel
erschöpft
genervt (von seinem ungewohnten Schwächezustand)
müde
schlapp
teilnahmslos
bitter
verstört
verzweifelt

Und die Bedürfnisse im Mangel könnten sein
Schutz
Gesehen/gehört werden
Selbstvertrauen
Wertschätzung – mit dir ist alles in Ordnung, auch wenn du krank bist
Unterstützung
Nähe
Verständnis
Und vielleicht so etwas wie Ritual oder Spiritualität.
Wenn ich mir ins Bewusstsein rufe, wie es dem anderen geht, kann ich ihn nicht mehr als wehleidig bezeichnen. Aber ich kann feststellen, dass ICH ganz offensichtlich etwas brauche, wenn ich so über den anderen – oder mich selbst – urteile.

Was meint Ihr dazu?
Ysabelle

Wortschätzchen: Niederlage

„Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
Sunzi, Die Kunst des Krieges

Im Traum der letzten Nacht tauchte der Begriff Niederlage auf. Ich weiß nicht mehr den Zusammenhang, aber ich erinnere mich an die Gefühle. Daher ging heute mein Gang zu Wikipedia, die darüber nur wenig zu vermelden hatte:
Niederlage bezeichnet:

* das Gegenteil von einem Sieg
* die zum Deponieren (Lagern) bestimmte Zweigstelle eines Unternehmens (v. a. bei Brauereien)
* ein Zwischenlager (z. B. Kohleniederlage)

Ich beziehe mich auf „das Gegenteil von einem Sieg“. Spannend, dass auch Sieg ein Wortschätzchen sein könnte, ist mir vorher gar nicht aufgegangen.

Eben habe ich zum Großen Wahrig Wörterbuch gegriffen und fand: Niederlage – unterliegen, Besiegtwerden (im Kampf, in einem Streitgespräch),Fehlschlag; Lager, Aufbewahrungsort für Waren, Stapelplatz, Zweiggeschäft… Eine Niederlage erleben, erleiden, einstecken, hinnehmen müssen.

Ich glaube, dass Niederlage in die Dose mit den Interpretationsgefühlen gehört. Die dazu gehörigen Gefühle könnten sein:
angstvoll
apathisch
ausgelaugt
beklommen
bitter
deprimiert
dumpf
durcheinander
elend
erschöpft
erstarrt
gelähmt
leblos
mutlos
traurig
ohnmächtig
schwer
sorgenvoll
unglücklich
verstört
verzweifelt
widerwillig

Wahrscheinlich das eine mehr, das andere weniger. Und wenn man noch wehrhaft ist, kommen wahrscheinlich noch ein paar aktivere Gefühle dazu.
Welche Bedürfnisse sind denn nun lebendig, wenn ich von einer Niederlage spreche? Mal angenommen, wir reden von einem Gerichtsverfahren oder von einer unklaren Situation im Berufsleben:
Vielleicht sind es die Bedürfnisse nach
Ordnung
Selbstständigkeit
Autonomie
Integrität
vielleicht ist auch Ehrlichkeit im Mangel
Beteiligung, falls ich genau das wollte und es nicht bekam
Anerkennung
Vertrauen
Gesehen/Gehört werden
Verstehen
Friede
Harmonie
Eine Niederlage gehört für mich seit vergangener Nacht in die Welt von Richtig oder Falsch. Einer gewinnt, einer unterliegt, einer bekommt Recht, dann hat der andere natürlich Unrecht… Ich habe keine Lust mehr, so auf die Welt zu schauen. ich entscheide mich bewusst für den Blick auf meine Gefühle und Bedürfnisse. Und auf die meines Gegenübers. Was brauche ich? Und was brauchst Du?

Mögt Ihr Eure Gedanken dazu teilen?

Ysabelle

Glaubenssätze als Schutz

Hallo, Welt!
Markus schrieb dieser Tage einen Kommentar, der mich noch immer beschäftigt und freut. Dabei ging es um Glaubenssätze, die tief in uns verankert sind und zum Bestandteil unseres Selbstbildes wurden. Ich erlebe es als großes Abenteuer, meine Persönlichkeit nach und nach von diesen Glaubenssätzen zu entkleiden. Ich erinnere mich noch gut an meine Tränen und meine Scham, als ich das erste Mal zu dem Thema gearbeitet habe. So sehr hatte ich „du kannst nicht mit Geld umgehen“ verinnerlicht, dass ich in diesem Gestrüpp kaum in der Lage war, eine Beobachtung zu benennen. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich eine Vielzahl von Glaubenssätzen habe, die es lohnen näher angesehen zu werden. Bisher habe ich noch keine richtig erfreulichen gefunden, aber ich will nicht ausschließen, dass die noch kommen.
Vor rund 15 Jahren war ich allein im Skiurlaub. Ich fuhr den Idiotenhügel zum Sessellift hinunter und traf dort auf eine Gruppe fröhlicher Menschen, die offensichtlich einfach nur Spaß hatte. Einer der Männer gefiel mir ausnehmend gut, Da hörte ich in meinem Kopf eine klare Stimme, die sagte: der ist nichts für dich! Das war das erste Mal, dass ich bewusst mit einem meiner Glaubenssätze in Kontakt gekommen bin. Es wäre schön gewesen, wenn ich damals schon Byron Katie und ihre vier Fragen gekannt hätte. Ist das wirklich wahr?…

Bei meiner Arbeit an Glaubenssätzen habe ich zwei verschiedene Ansätze. Beim Experimentieren mit Katies vier Fragen geht es darum, den Glaubenssatz als solchen in Frage zu stellen und zu gucken, welche Energie in mir lebendig ist. Den zweiten Ansatz nenne ich „die Einladung“. Ich vermute heute, dass diese Glaubenssätze einen Persönlichkeitsanteil von mir repräsentieren, der vor allem eins will: Mein Bestes. Und dieser Teil möchte gesehen werden mit seinen Anstrengungen, mich vor Schmerz, Strafe und Enttäuschung zu bewahren. Wenn er Gehör findet, können wir einen Weg entdecken, in dem alle meine Bedürfnisse zählen. Voraussetzung ist, dass ich bereit bin, mir zuzuhören…

So long!
Ysabelle

Was es ist…

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Aus einem Gedicht von Erich Fried

Wir sind schnell dabei, Dinge einzuschätzen, Urteile und Diagnosen zu stellen. Dabei kann es passieren, dass wir den Blick für das verlieren, was ist. Es gibt ein paar Bereiche meines Lebens, in denen ich immer besser annehmen kann, was ist. Wenn ich mit einem Urteil unterwegs bin, kann ich mir vier Fragen stellen, die ich bei Byron Katie gefunden habe:

1) Ist das wahr?

2) Kann ich wirklich wissen, dass das wahr ist?

3) Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken denke??

4) Wer oder was wäre ich ohne diesen Gedanken?

Anschließend versuche ich den Satz, das Urteil, die Überzeugung umzudrehen, neu zu formulieren. Statt:
Ich bin zu ungeschickt, um das zu basteln
formuliere ich
Ich bin zu geschickt, um das zu basteln.
Oder
du bist zu ungeschickt, um das zu basteln
oder
ich bin zu ungeschickt, um nichts zu basteln

Sinn der Sache ist, mindestens drei Umdrehungen zu finden und dabei auf die Energie im Körper zu achten. Wenn mein Kopf zuvor behauptet hat, dieses wäre wahr (und das natürlich in meinem Körper Gefühle auslöst), was geschieht dann, wenn ich mir sage, etwas anderes wäre wahr?

Es ist nur ein Gedanke, dass ich zu ungeschickt bin. Was ist die Beobachtung? Das von mir eingewickelte Geschenke aussehen als seien sie gerade runtergefallen und jemand wäre draufgetreten?
Dieser Tage quälte ich mich wieder mit dem Glaubenssatz, ich könne nicht mit Geld umgehen. Es ging mir schlagartig besser, als ich die Beobachtung benennen konnte: Es ist, was es ist! Ich habe Geld vom Sparbuch genommen, um andere Dinge zu bezahlen. Das ist es, was es ist. Diese Handlung sagt nichts über meine Fähigkeit aus, mit Geld umzugehen.

Heute nehme ich einen Anlauf, Dinge und Ereignisse als das zu betrachten, was sie sind. Ich möchte über nichts was geschieht, urteilen.

Unter Frauen

Hallo, Welt!
Die Giraffenohren wollen und wollen nicht wachsen.
Normalerweise gehe ich mittags mit vier Männern essen. Wir reden darüber, wie der HSV gespielt hat, ob es noch Versicherungsschutz gibt, wenn man im Winter ohne Winterreifen einen Unfall baut, wie man die Satellitenanlage neu ausrichtet und dass es bei REWE ITunes-Gutscheine zu kaufen gibt. Dazwischen nörgeln wir ein bisschen über das Kantinenessen.
Heute habe ich zwei Mahlzeiten im Kreis von Frauen eingenommen. Ich bin noch immer völlig geplättet über die Gesprächsinhalte. Die Frauen beurteilen sich selbst als zu fett, bezeichnen sich als dumm, untalentiert, ungeeignet, zu blöd. In mir war heller Aufruhr und ich wollte meinen Gesprächspartnerinnen Empathie geben. Aber sie wollten keine. Ja, sie verstanden nicht mal, wovon ich sprach. „Wieso, ist doch nicht schlimm, wenn ich dafür zu blöd bin?!“
Inzwischen habe ich Schübe von tiefer Irritation. Ist es wirklich nicht schlimm, sich so zu titulieren? In meiner Überzeugung fügen wir uns damit Schmerz zu und sind oft so gefühlstaub, dass wir es nicht mal merken. Doch ganz offensichtlich brauchen nicht meine Gesprächspartnerinnen Empathie. Sie scheinen nicht zu leiden. Aber mir geht es schlecht dabei und ich bin auf der Suche nach einem neuen Umgang damit.

Hat einer von Euch einen Tipp für mich?

So long!

Ysabelle

Selbstliebe

Hallo Welt!
Ich bin glücklich in Barcelona gelandet, wohin mich ein Wochenend-Termin verschlagen hat. Seit Stunden tobt hier ein Unwetter, es heult, pfeift und blitzt um dieses Haus hier auf dem Berg. Eben habe ich mit den Kollegen zusammen gegessen, und einer der anderen Gäste ließ sich dazu hinreißen, einen Witz zu erzählen. „Warum haben Männer keine Cellulite? Weil’s Scheiße aussieht!“ Vorausgegangen war ein Geplänkel unter Frauen über Figurprobleme, Dellen am Po und schlaffe Oberarme. Meine Gesprächspartnerin seufzte: „Männer kommen gar nicht erst auf die Idee, sich mal quer vor den Spiegel zu stellen. Die ziehen mal kurz den Bauch ein, lächeln sich zu und sagen: passt schon!“
Dieser Tage machte mich Gabriel auf Robert Betz aufmerksam, einen Psychologen und Psychotherapeuten, der auch sehr spannende Vorträge hält. In einem dieser Vorträge lädt er dazu ein, sich doch einmal nackt vor den Spiegel zu stellen und sich einmal selbst beim Denken zuzuhören. Liebe ich das, was ich da sehe? Oder mäkel ich an mir rum? Erfreue ich mich an mir und meinem Körper, oder liegt mein Fokus auf Cellulite, Speckröllchen und Hängebusen?
Betz glaubt: wenn wir uns selbst nicht so lieben, wie wir sind, und gleichzeitig hoffen, dass ein Partner das für uns übernimmt, ist das eine schwere Hypothek für jede Beziehung. Denn gegen unsere eigenen Glaubenssätze kann eigentlich kein Partner gegenanlieben.
Deshalb lautet mein aktuelles Projekt: Selbstliebe. Bei dem, was ich im Spiegel sehe, könnte es eine glückliche Beziehung werden…

So long!

Ysabelle

Glaubenssätze

„Der Glaube macht, dass Menschen Horoskope lesen, sich in die Luft sprengen oder bei Vollmond Ochsen melken.“
Dieter Nuhr, TV-Beileger zum Stern Nr. 25/2007 vom 14. Juni 2007, S. 2

Dieser Tage bin ich ständig über irgendwelche Glaubenssätze gestolpert. Eine Freundin arbeitete heute zum Beispiel zu dem Glaubenssatz:

Ich bin den Männern zu anstrengend, deshalb muss ich mich für sie anstrengen!

Wie sie genau diese Aussage für sich umwandelte, verrate ich in den nächsten Tagen. Heute will ich darauf hinaus, was dieser Gedankengang für einen Schatz birgt.
Wir gehen ja davon aus, dass unsere verschiedenen Persönlichkeitsanteile alle nur eins im Sinne haben: Unser Bestes. Und ein Persönlichkeitsanteil, der nun so einen Gedanken hegt, will das natürlich auch. In der Langfassung würde dieser Teil vielleicht sagen: Kind, wenn du einen Mann abhaben willst, musst du dir mehr Mühe geben! Es ist so anstrengend mit dir, und Männer wollen keine anstrengenden Frauen!
Dieser Persönlichkeitsanteil ist also:
besorgt
beunruhigt
irritiert
einsam
sorgenvoll
und unbehaglich.
Ich vermute, die unerfüllten Bedürfnisse dieses Persönlichkeitsanteils sind
Gemeinschaft
Ordnung (eine Frau muss einen Mann haben)
Selbstvertrauen
Authentizität
Zugehörigkeit
Wertschätzung
Unterstützung
Vertrauen
Intimität
Nähe
Zärtlichkeit
Sexualität
Harmonie
Leichtigkeit

Wenn ich mir das vergegenwärtige, überkommt mich ein tiefes Mitgefühl mit diesem Persönlichkeitsanteil. Er braucht Empathie. Bildlich gesprochen können wir die Persönlichkeitsanteile, die uns mit solchen Glaubenssätzen zu lenken versuchen, zärtlich an unseren Tisch bitten. Nur wenn diese Persönlichkeitsanteile gesehen und wertgeschätzt werden, gelingt es uns, sie in Liebe zu integrieren.

Heute will ich alle Teile von mir wertschätzen und willkommen heißen.

Ich bin verantwortlich für…

Projektion

[1] Meist vergrößerte Abbildung eines Bildes meistens an eine Wand oder Leinwand
[1] Darstellung auf einer Fläche
[2] Psychologie: Verlagern eigener Wünsche, Erwartungen und Gefühle auf andere Personen

Vor ungefähr zehn Jahren geriet ich an ein kleines Buch von Gerald Jampolsky und fand dort das erste Mal eine Schilderung zum Thema Projektionen, die mich sehr ansprach. Er schrieb in „Lieben heißt die Angst verlieren“ die Leitsätze: „Ich bin verantwortlich für das, was ich sehe“ und “ich bin entschlossen, die Dinge anders zu sehen“. In seinen Erläuterungen beschrieb er einen Projektor, der dafür sorgt, dass wir die Welt durch einen Filter sehen.

Dieser Tage geriet ich an eine Übung zum Thema Projektionen, die mich sehr nachdenklich stimmte. Ich wurde eingeladen an jemanden zu denken, dessen Verhalten mich so richtig schon auf die Palme bringt.
OK, ich hatte schnell einen Menschen im Sinn. Ich vermute, das geht vielen Leuten so. Dann kam die Beobachtung: Welche Verhaltensweise an meinem Gegenüber regt mich so auf?
Mich regte zum Beispiel auf, dass die Person rauchte ohne andere Anwesende zu fragen, ob es ihnen recht ist. Und mir fiel auf, dass die Person einen Umgang mit Kritik hat, den ich schwer aushalten kann. Insgesamt fand ich sechs Dinge, die mich an diesem Mitmenschen so richtig aufregten.
Dann ging es im nächsten Schritt darum, aus diesen Aufregern Eigenschaften zu destillieren, die vielleicht erstrebenswert sind. Ich fand vier, unter anderem die Eigenschaft, sich nicht jeden Schuh anzuziehen.

Im dritten Schritt ging es darum herauszufinden, wie es um diese „Un-Tugenden“ bei mir selbst bestellt ist. Da gab es dann ein großes Entsetzen. Drei dieser sechs von mir so abgelehnten Verhaltensweisen kenne ich in der einen oder anderen Form von mir selbst. Nicht zwingend von heute, aber durchaus aus meinem Leben. So erinnerte ich mich voller Trauer und Schmerz an eine Zeit, in der ich im Auto geraucht hatte, obwohl mich mein kleiner Sohn immer wieder darum bat, es nicht zu tun, weil ihm davon schlecht wurde. Seine Klagen habe ich damals einfach ignoriert…

Ich fand diese dreiteilige Übung bereichernd, einfach und hilfreich. Zum einen bringt sie mich näher zu mir: Wie geht es mir, wenn ich dieses Verhalten sehe? Was brauche ich dann, welche Bedürfnisse sind bei mir im Mangel? Zum zweiten finde ich heraus, was mir ganz gut tun würde: Ein bisschen mehr Selbstvertrauen, ein bisschen mehr Raum nehmen… Und zum dritten erkenne ich: Ich bin auch nicht „besser“ als mein Gegenüber. Wir sind auf seltsame Weise sehr ähnlich…

Heute bin ich bereit in mir zu suchen, was mir an anderen missfällt.

Lieben was ist am 14.9.2010

Hallo, Welt!
Heute Abend habe ich eine Lektion in Sachen „Lieben was ist“ erhalten. In den vergangenen Wochen ist mir besonders deutlich geworden, dass es die Gedanken sind, die mir/uns das Leben schwer machen, und nicht etwa die Dinge, die sich ereignen. Gestern zum Beispiel bekam eine GfK-Freundin eine SMS von ihrer Chefin, in der ihr mitgeteilt wurde, sie möge zum Arbeitsbeginn in der XY-Straße sein. Bei der Freundin ging gleich der Puls auf 180. Das konnte nur etwas Schlechtes bedeuten. Die SMS war der Auslöser für unzählige Gedanken. Dabei war es ja nicht das elektronische Signal, das sie besorgte, sondern die Befürchtungen, die damit verbunden waren. Hätte sie die Nachricht zwei Stunden später gefunden, wären es zwei sorgenfreie Stunden gewesen, obwohl die SMS ja schon verschickt war.

Ich habe heute Abend „Trainhopping“ gemacht, bin von einem Zug zum anderen gesprungen, um meinen Anschluß nach Norden zu kriegen. Als der Zubringer in den Bahnhof einlief, sah ich auf dem Nachbargleis meinen Anschluß ausfahren, und zwei Minuten später den Nahverkehrszug vom Nachbargleis. Dabei hatte das Zugpersonal noch angesagt, der Anschluß wird erreicht. Also habe ich 55 Minuten auf dem Bahnhof verbracht und mich bemüht zu lieben was ist. Es sind meine Gedanken, die mir das Leben schwer machen. Gedanken an unfähige Schaffner, idiotische Transportleitungen, verpatzte Abende auf zugig-feuchten Bahnhöfen. Als ich beschloss, die Gedanken einfach zu ignorieren, ging es mir sofort besser. ich fand ein trockenes Plätzchen, der Zug wurde superpünktlich bereit gestellt, ich hatte ein Abteil für mich und alles war paletti. Ob ich die Tagesmeditation nun um 21.30 zu Hause oder im Zug schreibe, unterscheidet sich nur in der Anzahl der Tippfehler…
Also: Der Abend war gerettet, als ich die giftigen Gedanken losgelassen habe und angenommen, was gerade war.

Zur Nachahmung empfohlen!

So long!
Ysabelle

Allerlei

Hallo, Welt!
Heute Abend kein Thema mehr! Bin supererschöpft und hatte eben noch ein Telefonat mit Giraffenohren, das mich sehr angestrengt hat und das länger dauerte als ich geplant hatte.
Die nächsten Tage werden bei mir noch einmal oberstressig und ich kann daher hier nicht so beitragen, wie es mir ein Herzenswunsch wäre. Alle Wölfe machen auch schon wieder Männchen… Aber ich möchte in den nächsten Tagen über die Arbeit an Projektionen und die Arbeit mit Glaubenssätzen schreiben. Es lohnt sich also, hier vorbeizukommen. Als kleines Mitbringsel von der Fortbildung ein Lied von Shaina Noll, das ich leider nicht in der Originalversion gefunden habe.
How could anyone ever tell you that you were less than beautiful…

So long!

Ysabelle

Visionen

Hallo, Welt!
Gestern und heute haben wir zum Thema Visionen gearbeitet. Mir schien, als fiele mir nichts ein. Ich habe im vorigen Jahr erlebt, wie zahlreiche Visionen meiner Mit-Lernenden um die GfK kreisten, mehrere Giraffen liebäugelten mit dem Gedanken an eine Art Begegnungsstätte im Geiste der gewaltfreien Kommunikation. In einem Fall gibt es sogar schon eine Umsetzung, es ist der wunderschöne Seminarraum zeiTRaum in Bremen entstanden bei Fabienne und Hinrich Lau.
Ich war auch in diesem Jahr nicht sehr hoffungsfroh, dass mich eine Vision anspringen würde. Tatsächlich sah es bis heute Morgen ganz mau aus. Doch im Verlauf des Vormittags, während ich den Visionen der anderen lauschte, entstand etwas in mir. Es war ganz organisch und natürlich. So konnte ich zu guter Letzt doch noch die heutige Aufgabe meistern und eine Rede über meine erfüllte Vision halten: Es war eine Rede zu meinem 40. Firmenjubiläum, das gleichzeitig der Tag meiner Pensionierung war. Es war ein Rückblick auf gute und herausfordernde Zeiten. Ich habe mich voller Kraft und Wohlbehagen in den Unruhestand verabschiedet. In meiner Vision hatte ich zwei Enkelkinder, an denen ich wieder gut machen kann, was ich bei meinem Kind gesündigt habe. Und ich hatte einen lebendigen Freundeskreis, enstanden aus GfK-Freundschaften und Verbindungen aus 12-Schritte-Gruppen. Es war eine wundervolle Vision und ich schreibe sie deshalb hier auf, um mich noch ein bisschen daran zu freuen.

Visionsarbeit – wa?
Es ist Marshalls Anliegen, dass wir einen Beitrag dazu leisten, die Welt zu verändern, sie zu einem besseren, gerechteren Ort machen. Deshalb wird in vielen Jahresgruppen Visionsarbeit gemacht. Indem wir uns mit unseren Zielen verbinden, die wir sonst oft nicht einmal zu träumen wagen, und diese Visionen anschließend im geschützten Rahmen teilen, gehen wir einen ersten Schritt in Richtung Erfüllung.
Jemand erzählte heute, bei seiner ersten Visionsarbeit habe er sich gewünscht, sich wieder mit seiner Partnerin zu versöhnen und ein gemeinsames Kind haben zu können. Und beides habe er für komplett unwahrscheinlich gehalten. Doch nur ein Jahr später war beides Wirklichkeit. Es gab ein visionäres Ziel, und daraus entwickelte sich ein Weg. Und heute ist die Vision in Erfüllung gegangen.
Es wirkt!

Wie sieht es mit Euch aus da draußen? Habt Ihr Visionen? Gibt es etwas, wovon Ihr bisher nur träumt? Ich wäre neugierig, es zu erfahren!

So long!

Ysabelle

Enjoy the pain…

Hallo, Welt!
Ich habe eine neue Aufgabe und weiß noch nicht, wie ich sie erfüllen oder lösen kann. Sie lautet: Enjoy the pain – genieße den Schmerz.
In diesen Tagen habe ich realisiert, dass es für mich schwierig ist, andere Leute ihrem Schmerz zu überlassen. Natürlich gibt es dazu auch ein Stück Lebensgeschichte. Und lange gehörte es für mich einfach dazu, einen Beitrag zu leisten, dass der Schmerz aufhört.
In diesen Tagen verbringe ich viel Zeit mit Byron Katies Buch „The Work – Lieben was ist“ und fand darin die Aufgabe, mein Leben zu leben. Es geht nicht darum, anderen Leuten ihr Los zu erleichtern. Am besten noch vorauseilend und ohne Einladung… Es geht auch darum, Vertrauen zu haben, dass andere Menschen Zugang zu ihrer eigenen Lösung finden. Auch im GfK-Prozess bin ich schnell wieder auf der Strategieebene. Und oft bin ich so besorgt um mein Gegenüber, dass ich zu schnell bin. Zu schnell für den Prozess, der ja gar nicht mein Prozess ist.
Mir ist noch nicht ganz klar, wie ich hier Tempo rauskriege und es noch besser schaffe, den Schmerz meines Gegenübers auszuhalten. Enjoy the pain… na ja, ich habe auch die Wolfsshow lieben gelernt. Warum also nicht auch den Schmerz? Ich werde Bericht erstatten.

So long!
Ysabelle–

Krankenbesuch

Hallo, Welt!
Komme gerade zurück aus dem Krankenhaus, wo ich die Patientin aus meiner Familie besucht habe. Fast neun Stunden hat man sie gestern operiert, sie wird noch länger nicht sprechen können. Sie atmet über einen Stopfen in der Luftröhre und wird per Magensonde ernährt.
Ich hatte mich ganz gut auf diese Situation innerlich vorbereitet und war also nicht zu erschreckt. Aber ich habe an Marshall denken müssen, der eine Geschichte aus seiner Zeit als niedergelassener klinischer Psychologe erzählt. Ihm wurde eine Patientin gebracht, die nach Elektroschocks und anderen Behandlungen nicht mehr sprach, sondern nur noch zusammengekauert im Sessel saß. Tag um Tag verging damit, dass Marshall die Gefühle und Bedürfnisse der jungen Frau vermutete und ihr vortrug und dann auch darüber sprach, was das Gesehene in ihm auslöste. Nach Wochen schließlich brachte Patientin eines Tages einen Zettel mit, den sie in ihrer Faust verborgen hatte. Mit dieser Faust fuchtelte sie vor Marshalls Gesicht hin und her, bis er verstand, dass sie etwas für ihn in der Hand hielt. Und auf dem Zettel stand, wenn ich mich richtig erinnere, helfen Sie mir, Doktor Rosenberg…
Ich habe nur zwei Stunden im Krankenzimmer verbracht, aber danach war ich total erschöpft. Ich habe die ganze Zeit versucht, mich mit den Gefühlen und Bedürfnissen der Patientin zu verbinden, aber das war superschwierig. Wir haben ziemlich lange Zeit damit zugebracht, ihre Uhr zu suchen. Ich konnte ihre Zeichen nicht deuten. Und alle wahrscheinlichen Orte waren bald durchsucht und ich war nicht fündig geworden. Den Kosmetikkoffer haben wir letztlich zwei Mal ausgekippt, ebenso die Handtasche. Es war schwer für sie, auf Schreiben umzuschalten. Zwischendurch fiel mir ein, dass wir ja vielleicht eine meiner kleinen GFK-Karten verwenden könnten zum Kommunizieren, aber sie winkte ab. Die Schrift ist zu klein.
Wir sind letzten Endes klargekommen, vielleicht auch, weil wir uns recht gut kennen. Aber meine Bewunderung für Marshall, der das über Wochen durchgehalten hatte, ohne auf Zettel und Stift zurückgreifen zu können, stieg ins Unermessliche.

So long!
Ysabelle

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