Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Ein Hoch auf Herrn T.

Hallo, Welt!
Mal wieder viel zu spät war ich in diesem Jahr dabei, meine Sommerreifen aufziehen zu lassen. Nach 100 Kilometern sollen die Radmuttern nachgezogen werden, und meine Fahrten waren so unglücklich getaktet, dass ich dann mit den neuen Reigen 300 Kilometer ohne Kontrolle hätte fahren müssen. Dazu war ich zu ängstlich.
Nun aber vor einigen Wochen hatte ich einen Termin in der Reifenwerkstatt. Als wir ihn vereinbarten, fragte der Meister: „Sollen wir auswuchten?“ Ey, fragt mich doch nicht so was? Wann muss das gemacht werden? Warum? ich frag ihn ja auch nicht, ob an die Hollandaise ein Spritzer Zitronensaft kommt!
Ich war zögerlich, fragte zurück, wieso ich das bräuchte. Und so kamen wir dazu ins Gespräch, dasss ich in Erwägung zog, ein neues Auto zu kaufen.
Vor ein paar Wochen hatte ich hier gepostet, dass eine Malerin Dankbarkeitsbilder gemalt hat und unter anderem auch eins für ihren Automechaniker gestaltet hat. Vielleicht könnte sie jetzt auch eines für meinen Werkstattmeister Herrn T. malen. Der Mann hat mit Sicherheit noch nie einen Kurs in Gewaltfreier Kommunikation gemacht, aber er hat mich genau da abgeholt, wo ich gerade stand.
Zunächst hat er gefragt, welches Bedürfnis ich mir mit der Anschaffung eines neuen Autos erfüllen möchte (Sicherheit vor Reparaturen, Schutz, nicht plötzlich liegen zu bleiben, Raum, um mehr transportieren zu können. Mein Wagen hat demnächst 70000 km auf dem Tacho und ich fürchte, jetzt gehen allmählich Dinge kaputt. Und später habe ich vielleicht kein Geld mehr, um ein neues Auto zu kaufen). Dann hat Herr T. mir erläutert, wie es um meinen Wagen steht: „Den fahren Sie noch 50000 km ohne Macken. Der hat bis jetzt noch nichts gehabt, dann hat der auch die nächsten drei Jahre nichts.“ Wow! Wie beruhigend! Und dann kamen die magischen Worte: „Ein neues Auto zu kaufen ist die schlechteste Geldanlage, die Sie nur planen können. Der neue Wagen verliert in zwei Jahren so viel Wert, so viele Reparaturen können Sie an Ihrem heutigen Wagen gar nicht haben. Was soll denn da kaputt gehen, was gleich 3-4000 Euro kostet?“
Dann erzählte er mir noch ein paar Details über die Gepflogenheiten des Herstellers meines Wunschwagens. Die vermeintlich günstigen Konditionen waren dadurch zustande gekommen, dass man mir einen B-to-B-Vertrag angeboten hatte. Business to Business. Und wisst Ihr was? Dabei habe ich keine zwei Jahre Garantie, sondern nur sechs Monate Gewährleistung. Wenn ich jetzt ein Montagsauto erwische, an dem alle Nase lang irgendetwas leckt oder klemmt, kann ich das nach einem halben Jahr alles schön aus eigener Tasche zahlen, denn das ist bei B-to-B-Verträgen üblich. Das läuft ja über die Firma … DAS hatte mir mein smarter Autoverkäufer natürlich nicht erzählt, der hatte nur mit freundlichen Zahlen gewunken.
ich bin aus diesem Gespräch mit Herrn T. mit wunderbaren Gefühlen marschiert. Meine Bedürfnisse nach Klarheit, Unterstützung und Verstehen waren komplett erfüllt. Meine Besorgnis, wie im Comic plötzlich vor einem Auto zu stehen, wo es aus dem Motorraum qualmt und die Reifen nach außen abfallen, hatte sich verflüchtigt, und die entspannte Stimmung hält jetzt schon drei Wochen an. Ich bin so dankbar, dass er sich die Zeit genommen hat, bei mir noch mal nachzufragen, welches Bedürfnis ich mir denn mit einem neuen Auto erfüllen will. Das wäre eine teure Strategie geworden, die mir wahrscheinlich nicht mal mein überbordendes Bedürfnis nach Sicherheit erfüllt hätte …

So long!
Ysabelle

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