Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Worte aus der Ecke

Als die Reporter der „Welt am Sonntag“ Claudia (Schiffer) besuchten, entdeckten sie „Schokoladenfinger auf den Polstern“. Ist Claudia keine strenge Mutter? „Ich kann auch schon mal lauter werden und schimpfen, wenn ich müde bin und die mir den Molli machen.“ Den Molli machen? „Das sagen wir am Niederrhein, wenn sie einfach nicht gehorchen und machen, was sie wollen.“ Zur Strafe gehe dann auch mal die „naughty corner“ (ungezogene Ecke) eine Ecke in der Küche für ungezogene Kinder. Claudia Schiffer zur WamS: „Da kann man dann schmollen für fünf Minuten und wenn man sich beruhigt und entschuldigt hat, ist alles wieder gut.“
Aus einem Artikel anlässlich der Geburt des dritten Kindes von Claudia Schiffer in der Bild am Sonntag vom 16.5.2010

Was geben wir unseren Kindern mit?
Du hast etwas FALSCH gemacht, du warst UNARTIG. Geh in die Ecke und schäme dich! Nur wenn du dich ent-schuldigst, wirst du wieder in unserer Mitte aufgenommen. Viele von uns kennen solche Sätze aus ihrer eigenen Kindheit. Das Interview mit dem Top-Model fand aber 2010 statt.
Diese Wucht der Bemerkungen kann noch gesteigert werden. Jetzt hat Mutti/Vati dich nicht mehr lieb!
Und ich kenne auch mehr als einen Fall, in dem es hieß: Ich gebe dich weg!

Für manche Kinder fand die Trennung vom den Menschen, die sie liebten, tatsächlich statt. Scheidung ist eine klassische Situation, durch die Kinder ein Elternteil verlieren. Der Tod eines Angehörigen, Abwesenheit eines Elternteils durch lange Krankheit oder das Übergeben der Erziehung an ein Internat. In England, wo Claudia Schiffer lebt, übrigens an der Tagesordnung.

Je länger ich gegen die Gespenster ankämpfe, die in frühen Jahren in meinem Kopf implantiert wurden, desto intensiver spüre ich, wie mächtig dieses System aus Schuld und Scham seine Spuren hinterlassen hat. Ich feiere den Fortschritt, wenn ich bemerke, dass ich wieder auf ein „Richtig“ oder „Falsch“ hereingefallen bin. Und es gelingt mir immer besser, mich nicht dafür zu verurteilen, dass ich eben immer noch so denke, wenn ich quasi unbeobachtet denke. Jahrzehnte Autobahnpflege im Gehirn lässt sich nicht in vier Jahren GfK-Training in einen Feldweg zurückbauen. Wir sind so erzogen, es steckt uns in den Zellen, und es ist Arbeit, diesen Virus nach und nach auszuschwemmen.

Ich bin richtig und du bist falsch – was passiert mit uns, wenn wir uns in diesem Kosmos bewegen?
Wir spüren Wut und Ärger, wenn der andere FALSCH ist.
Wir empfinden Schuld, wenn wir den Gedanken haben, wir hätten etwas Falsches getan.
Und wir spüren Scham, wenn wir zu dem Glauben kommen, mit uns sei etwas falsch.

Das Schuldprinzip ist zentral für unsere heutige Gesellschaft.
In der Gewaltfreien Kommunikation machen wir die Erfahrung, dass wir Wut und Ärger wandeln können. Eine unserer möglichen Strategien ist zum Beispiel der Ärger-Tanz. Doch um uns von Scham zu lösen, brauchen wir Stärkeres als ein Tanzparkett. Wohl nur in einem spirituellen Prozess dürfen wir erkennen, dass wir wunderbare Geschöpfe sind.

Heute bin ich bereit zu sagen: So wie ich bin, bin ich ein wunderbares Geschöpf. Nichts an mir ist falsch, ich bin liebenswert und ich werde geliebt.

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