Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Empathie & Co-Abhängigkeit

Das Gebet des Co-Abhängigen

Von Kelly Bryson

Unsere Autorität, die du bist in anderen,
Selbstaufgabe sei dein Name.
Co-Abhängigkeit entsteht, wenn wir den Willen andrer erfüllen,
zu Hause wie am Arbeitsplatz.
Gib uns heute
unsere täglichen Krümel Liebe.
Und lass uns die Last unserer Schuld spüren,
so wie wir selbst anderen das Gefühl, uns etwas zu schulden, vermitteln.
Und führe uns nicht zur Freiheit,
sondern erlöse uns von dem Gewahrsein.
Denn dein ist die Sklaverei und die Schwäche und die Abhängigkeit,
für immer und in Ewigkeit,
Amen


Gefunden in dem Buch „Sei nicht nett, sei echt!“
Handbuch für Gewaltfreie Kommunikation

Das Gleichgewicht zwischen Liebe für uns selbst und Mitgefühl für andere finden

Kelly Bryson,
Junfermann Verlag, 22,50 Euro

Eine Lektion, die ich in diesen Tagen schmerzhaft erfahren musste, lautet: Empathie ohne Selbstempathie ist Co-Abhängigkeit. Und ich möchte diese Aussage von Gerhard Rothhaupt noch ergänzen: Und Co-Abhängigkeit ist ziemlich weit von GfK entfernt.
Was heißt das?
In der Gewaltfreien Kommunikation geht es um Verbindung. Und zwar nicht nur um die Verbindung von mir zu dir, sondern insbesondere um die Verbindung zu mir selbst. Wie geht es mir ganz grundsätzlich? Aber auch: Wie geht es mir mit dir, mit dem was ich von dir sehe und höre?
Wenn Paul nach einem netten Kinoabend plötzlich laut wird und sich darüber aufregt, dass kein Bier mehr im Haus ist, hat Pauline eine Palette von Möglichkeiten. Zunächst kann sie ihr Set Wolfsohren austesten: Ohren nach innen: Oh, Mist, ich hab tatsächlich vergessen, welches einzukaufen. Auf mich ist auch wirklich kein Verlass…
Oder sie trägt die Ohren nach außen: Sag mal, mach hier nicht den Affen! Du kannst doch wohl selbst Samstags mal ne Kiste Bier holen? Wie führst du dich überhaupt auf?

Wenn Pauline jetzt eine GfK-Gruppe besucht, ist es ihr vielleicht ein Anliegen, die Wolfsohren im Schrank zu lassen. Gilt ihre Aufmerksamkeit allerdings nur Paul und seiner Befindlichkeit, hat sie ein Problem. Vielleicht scheint sie selbstlos, wenn sie sich jetzt liebevoll um Paul kümmert: Dir ist es wirklich wichtig, dass die Einkäufe überprüft werden und Vorräte aufgefüllt, höre ich das richtig? Du hattest dich auf Entspannung und Leichtigkeit gefreut, und jetzt bist du frustriert und ärgerlich, weil du kein Bier vorfindest…?
Doch das ist keine echte Verbindung, sondern Co-Abhängigkeit. Die Verbindung kommt erst zustande, wenn Pauline mit ihren Giraffenohren auch nach innen lauscht und herausfindet: Wie geht es mir, wenn ich dich so höre? Was brauche ich? Geht es mir vielleicht um Respekt? Wünsche ich mir Unterstützung beim Überprüfen der Vorräte? Und dann kommt der nächste Schritt, der mir und so vielen anderen Isabells, Paulines, Gudruns und Lisas dieser Welt so schwer fällt: Ich zeige mich mit dem, was in mir lebendig ist. Ich lerne mich zuzumuten. Erst dann beginnt der Giraffentanz. So geht es mir. Wie geht es dir? Was brauche ich, und was brauchst du?


Heute will ich achtsam sein, auch meine Bedürfnisse wahrzunehmen und auszudrücken. Wenn Empathie für mein Gegenüber allein im Fokus ist, werde ich überprüfen, wie ich meine Bedürfnisse angemessen ausdrücken kann.

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