Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Gewaltfreie Kommunikation als Lebenshaltung

Zentrale Commitments (Bekenntnisse)
Von Miki Kashtan
inoffizielle Übersetzung: Heike Krüger & Gerhard Rothhaupt

1. Lieben – wen oder was auch immer: Selbst wenn meine Bedürfnisse ernsthaft nicht erfüllt werden, so will ich mein Herz geöffnet halten. Wenn ich bemerke, dass ich Urteile fälle, wütend bin oder getriggert bin, so will ich Unterstützung suchen, um meine Be-/Verurteilungen umzuwandeln und Anderen in Liebe zu begegnen.

2. Unschuldsvermutung: Selbst wenn die Worte oder Handlungen anderer für mich keinen Sinn machen oder mich erschrecken, so will ich davon ausgehen, dass dahinter eine menschliche, bedürfnisorientierte Absicht steht. Wenn ich mich selbst dabei beobachte, andere Motive zu unterstellen, oder die Handlungen Anderer zu analysieren, so will ich Unterstützung darin suchen, mich selbst wieder zu erden in dem Wissen, dass jede menschliche Handlung ein Versuch ist, Bedürfnisse zu erfüllen, die sich von den meinen nicht unterscheiden.

3. Offenheit mir selbst gegenüber: Selbst wenn ich mich auf eine Art verhalte, die ich wirklich nicht mag, so will ich mein Herz mir selbst gegenüber offen halten. Wenn ich mich in Selbstverurteilung wieder finde, so möchte ich Unterstützung darin suchen, mich wieder mit mir selbst zu verbinden.

4. Offenheit für die ganze Bandbreite der Gefühle: Selbst wenn meine Gefühle sich für mich unangenehm anfühlen, so will ich präsent bleiben und mein Herz weiterhin geöffnet halten für die Fülle meiner emotionalen Erfahrungen. Beobachte ich, dass ich meiner Erfahrung ausweiche, erstarre oder mich verschließe, so will ich Unterstützung darin suchen, meine Schutz-/Verteidigungshaltung los zu lassen und mich für das zu öffnen, was ist.

5. Gleichgewicht: Selbst wenn ich die Versuchung spüre, mich zu überfordern (auch bei der Beachtung eines dieser commitments), so will ich aufmerksam bleiben in Bezug auf die Grenzen meiner Kapazitäten – in jedem Moment. Wenn ich bemerke, dass ich mich selbst bedränge, so will ich Unterstützung darin suchen, die natürliche Weisheit meines Organismus anzunehmen und darin zu vertrauen, dass das Bleiben innerhalb meiner gegenwärtigen Grenzen mich in der Verbesserung meiner Fähigkeiten im Laufe der Zeit unterstützen wird.

6. Mich meiner Bedeutung stellen: Selbst wenn ich voller Zweifel bin, will ich mich der Welt vollständig zeigen und anbieten. Wenn ich beobachte, dass ich denke, ich sei nicht wichtig oder meine Handlungen seien bedeutungslos, so will ich Unterstützung darin suchen, mich daran zu erinnern, dass meine Gegenwart und meine Fähigkeiten von Bedeutung sind.

7. Authentizität und Verletzlichkeit: Selbst wenn ich Angst habe und mich unsicher fühle, so will ich die in mir lebende Wahrheit mit anderen teilen, während ich Sorge und Mitgefühl für andere und mich selbst aufrechterhalte. Wenn ich bemerke, dass ich mich verstecke oder schütze, so will ich Unterstützung darin suchen, die Gelegenheit zu umarmen, mein Selbstempfinden zu erweitern und Scham zu verwandeln.

8. Verantwortung: Selbst wenn ich überwältigt bin von Hindernissen oder schwierigen Gefühlen, so will ich die volle Verantwortung für meine Gefühle, meine Handlungen, und mein Leben übernehmen. Wenn ich bemerke, dass ich meine Macht abgebe an andere Menschen, größere Gewalten oder analytischen Kategorien, wie meine Vergangenheit oder irgendwelche Etiketten die ich mir selbst gegeben haben, so will ich Unterstützung darin suchen, den Urgrund meiner Wahlmöglichkeit zu finden, um so zu leben, wie ich will.

9. Erreichbarkeit für Feedback: Selbst wenn ich gesehen und akzeptiert werden will, will ich mich dafür öffnen, Feedback von anderen anzunehmen, um zu lernen und zu wachsen. Wenn ich bemerke, dass ich in Rechtfertigungshaltung oder Selbsturteile abgleite, so will ich Unterstützung darin suchen, die Schönheit und das Geschenk in dem zu finden, was mit mir geteilt wird.

10. Empathische Präsenz: Selbst wenn andere im Schmerz sind, von sich selbst getrennt, Intensität ausdrückend, oder im Urteilen gefangen, will ich eine entspannte Präsenz mit ihrer Erfahrung aufrechterhalten. Wenn ich bemerke, dass ich versuche etwas zu reparieren, Ratschläge anbiete, mechanisch Empathie gebe oder meine Aufmerksamkeit anderswohin lenke, so will ich Unterstützung darin suchen, meinen Glauben an die verwandelnde Kraft und das Geschenk des einfachen Da-Seins zurück zu gewinnen.

11. Dialogische Grundhaltung: Selbst wenn ich sehr auf ein bestimmtest Ergebnis fokussiert bin, will ich offen bleiben für die Veränderungen meiner Haltung im Rahmen eines Dialogs. Wenn ich bemerke, dass ich eine Position verteidige, oder versuche, jemanden von seiner Position abzubringen, so will ich Unterstützung darin suchen, mich aus der Anhaftung zu lösen, mich mit meinen Bedürfnissen und den Bedürfnissen Anderer zu verbinden, und nach für beide Seiten unterstützenden Strategien zu suchen, welche aus der Verbindung mit Bedürfnissen entstehen.

12 Großzügigkeit: Selbst wenn ich Angst oder wenig Energie habe, will ich mich dafür öffnen, mich anderen anzubieten und auf ihre Bitten zu antworten. Wenn eng vor Angst ist und ich nicht bereit bin, zu geben, so will ich darin Unterstützung suchen, sämtliche Gedanken an Mangel loszulassen und die Gelegenheit zu geben umarmen.

13. Selbstfürsorge: Selbst wenn ich gestresst, überfordert oder von mir getrennt bin, will ich meine Selbstverpflichtungen für mein Wohlbefinden aufrechterhalten, und so handeln, dass ich mein Leben nähre. Wenn ich beobachte, dass ich Strategien, die mein Leben bereichern, unterlasse (wie z. B. Sport, Essen, wie ich will, Empathie und Unterstützung erhalten, wie ich sie brauche, angenehme Tätigkeiten oder alles andere, von dem ich weiß, das es mir gut tut), so will ich Unterstützung darin suchen, mich in der Kostbarkeit meines eigenen Lebens und in meinem Wunsch, mich selbst zu nähren, zu erden.

14. Auflösung von Konflikten: Selbst wenn ich große Schwierigkeiten habe, mit jemandem in Kontakt zu kommen, möchte ich dafür zur Verfügung stehen, die Probleme zwischen uns mit Unterstützung zu lösen. Wenn ich bemerke, dass ich jemanden aufgebe, so will ich darin Unterstützung suchen, mich an die Magie des Dialogs zu erinnern und mich dem Prozess der Heilung und Versöhnung anzuvertrauen, um wieder Verbindung herzustellen.

15. Das Leben feiern: Selbst wenn ich mit Schwierigkeiten konfrontiert bin, seien sie persönlich, zwischenmenschlich, oder global, so will ich eine Einstellung der Anerkennung und Dankbarkeit dazu aufrechterhalten, was das Leben mir bringt. Wenn ich beobachte, dass ich zynisch werde, oder nur Schmerz und Verzweiflung spüre/erfahre, so will ich Unterstützung darin suchen, mein Herz mit der Schönheit und den Wundern zu verbinden, die das im Leben sogar unter den schrecklichsten Umständen bereithält…


Die US-amerikanische Trainerin Miki Kashtan hat diese 15 Commitments aufgestellt, um ein Leben in Harmonie mit den Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation zu führen. Sie sind auch Grundlage eines Netzwerks, der Conscious transformation community, die Miki Kashtan aufbaut. Mehr Informationen und engl. Original unter HYPERLINK „http://ctc.learnnvc.com/“http://ctc.learnnvc.com/. Mehr Informationen zu Miki und ihrer Arbeit unter HYPERLINK „http://www.baynvc.org“ http://www.baynvc.org /.

Kundendienst-Hotline

Hallo, Welt!

Freitagmittag habe ich bei einem großen Versender von Elektronik-Bauteilen fünf Einbau-Bodenstrahler gekauft und 24-Stunden-Lieferservice angekreuzt. Im Verlauf des Bestellvorgangs war dann auf einmal nicht mehr die Rede davon. Mit Entsetzen sah ich gestern bei genauem Nachforschen, dass ich eine Mail bekommen soll, wenn die Strahler versandt sind und natürlich ist auch diese Mail noch nicht eingetroffen. Also habe ich eben die Hotline des Unternehmens angerufen.

Meine Gefühle? Besorgnis, Unruhe, Aufregung. Ein Wolfsrudel, charmanterweise gegen das Unternehmen (wie bescheuert bauen die denn ihren Shop auf? Das müssen die doch deutlicher anzeigen, dass bei einer Bezahlung mit Paypal kein 24-Stunden-Service möglich ist und einen „Zurück-Button“ einbauen…) und natürlich gegen mich (du hast doch gesehen, dass da keine Sofort-Lieferung mehr angegeben war, du hättest den Bezahlvorgang abbrechen müssen, du warst nur zu faul, für eine neue Bestellung alle Daten noch mal einzugeben…)

Puh – wenn ich all diesen Wölfen zuhöre, wird mir wirklich eng in der Brust und innerlich ganz schwer.
Um Punkt neun hatte ich also den Kundendienst (natürlich eine 01805-Nummer…) an der Strippe. Nein, die Ware ist im Versand, da können wir nichts machen, das lässt sich nicht nachträglich beschleunigen, sie kommt am Donnerstag bei ihnen an… (zu spät… viel zu spät…)
In allen Fasern spürte ich die Verlockung, dem Unternehmen die Schuld zu geben: Sie haben Ihre Internetseite… und unter Aufbietung aller Kräfte ist es mir gelungen, bei Gefühlen, Bedürfnissen und Strategien zu bleiben. Sind in Hamburger Geschäften des Versenders diese Strahler vorrätig? Ist es möglich, die in einer Filiale zusammenzufassen? Ich konnte auch sagen: „Es ist meine Verantwortung, dass diese Bestellung schiefgegangen ist, denn ich habe im Verlauf des Bestellvorgangs gesehen, dass die 24-Stunden-Lieferung weg war, aber ich habe es nicht verstanden, was das bedeutet.“
Meine Gesprächspartnerin stimmte sich schließlich auf mich ein und wir haben uns geeinigt, dass sie mein Konto belastet und die Strahler heute noch mal im 24-Stunden-Eilservice rausschickt. Dann sind sie wenigstens morgen da. Übermorgen dann die nächsten fünf… und die soll ich einfach zurückgehen lassen: Annahme verweigert. Drei Wochen später hätte ich dann von Paypal mein Geld zurück…
Noch immer eine gute Gelegenheit, mich fertigzumachen.

Mein aktueller Wahlspruch:

Man kann sich über vieles wolfen,
aber man ist nicht verpflichtet dazu!

Und ich erinnere mich an die DVD, die ich gestern Abend gesehen habe:

Rudi Ballreich/Gerald Hüther
Du gehst mir auf die Nerven!
Neurobiologische Aspekte der Konfliktberatung

erschienen im Auditorium Verlag und günstig geschossen bei Jokers.de

Rudi Ballreich erläutert im ersten Teil des Vortrags unter anderem, was im Körper passiert, wenn er unter Stress gerät und benutzt dazu eine leichte Abwandlung des Lernzonen-Modells, hier mal zitiert nach Wikipedia:

Lernzonenmodell

In dem Lernzonenmodell wird der Prozess der Lernens durch den Wechsel unterschiedlicher Zonen verdeutlicht. Die innere, sogenannte Komfortzone ist gekennzeichnet von Alltäglichem, das ohne herausragende Herausforderungen abläuft: „Sicherheit, Geborgenheit, Ordnung, Bequemlichkeit, Entspannung, Genuss“ (Michl 2009). Die Lernzone, die auch „Wachstumszone“ (Michl) genannt wird, stellt eine besondere Herausforderung, die das Bestehende erweitern kann, in Frage stellt oder modifiziert. Lernen finde statt, wenn die Lernenden entsprechend begleitet und unterstützt werden. Motivation und angemessene Aufgabenstellung wirken dabei lernförderlich: „Abenteuer, Unbekanntes, Unsicherheit, Problem, Herausforderung, Unerwartetes, Risiko, Unplanbares“ (Michl). In der äußeren, sogenannten „Panikzone“ setzt eine Blockade ein: „Notfall, Verletzung, objektive Gefahr, Unfall“ (Michl). Verunsicherungen und Panik können entstehen, verhindern Lernen und können auch das Gegenteil bewirken. „In diesem Bereich können wir nicht lernen, sondern bleiben immer nur frustriert. Alles, was darin liegt, ist unserer Persönlichkeit zu fern und zu fremd und nicht zu bewältigen“ (Senninger). Berufsschulnetz.de hat dazu eine schöne Grafik:

Ballreich nennt die Lernzone oder Wachstumszone STRESSZONE. Ich konnte wirklich deutlich spüren, wie ich unter Stress war, als ich bei der Hotline anrief, und wie der Stress sich verstärkte, als keine der vorgeschlagenen Strategien zu greifen schien. Je mehr Stress ich wahrnahm, desto größer wurde der Wunsch, nach dem anderen (verbal) zu schlagen: Was haben SIE für eine doofe Internetseite! Was ist das für ein doofer Laden! Sie sind aber auch gar nicht hilfsbereit…

Wie in einer Parallelspur im Kopf waren diese (alten) Töne zu hören und gleichzeitig konnte ich einigermaßen auf der Giraffenspur bleiben. Ich habe deutlich gemerkt, dass es eine Anstrengung war. Aber ich möchte feiern und dankbar sein, dass es mir gelungen ist. Ganz offensichtlich habe ich also die kuschelige Komfortzone verlassen, in der alle Bedürfnisse erfüllt sind oder keine unerfüllten Bedürfnisse spürbar. Ich war in der Stresszone, in der Lernen und Wachstum erfolgen können, und ich durfte spüren, dass ich wirklich neue Strategien, Worte und Handlungsweisen zur Verfügung habe, auch wenn es extrem anstrengend und herausfordernd ist, auf der Giraffenspur zu bleiben.

Mich erschreckt die Gewalt, die auf der Parallelspur in meinem Gehirn anrollt. Meine eigene Verzweiflung und die Kraft, andere abzuwehren, abzuwerten, zu kämpfen… So viel Energie ist da unterwegs. Und sie dient nicht dem Leben. ich bin dankbar, dass ich das heute so klar erkennen darf und dankbar für alle Fortschritte, die ich im Jahr 5 mit GfK feiern darf.

So long!

Ysabelle

Wortschätzchen: scheitern

Hexen-Einmaleins
du mußt verstehn!
aus eins mach zehn,
und zwei laß gehn,
und drei mach gleich,
so bist du reich.
verlier die vier!
aus fünf und sechs,
so sagt die hex,
mach sieben und acht,
so ist’s vollbracht:
und neun ist eins,
und zehn ist keins.
das ist das hexeneinmaleins.

(ref:) immernoch werden hexen verbrannt
auf den scheiten der ideologie.
irgendwer ist immer der böse im land
und dann kann man als guter
und die augen voll sand,
in die heiligen kriege ziehn.

als sie giordano bruno verbrannten
sandte sein gott keine blitze gegen das unrecht.
munter flackerte das feuer.
der pöbel mußte manchmal husten zwischen zwei lachern,
so qualmte giordano. oder grandier,
neben seinem scheiterhaufen sonnte sich richelieu.
14 nonnen mit klistierspritzen garniert,
wälzten sich vor wollust und gier.
und das christliche abendland
sann befriedigt weiter auf gute taten.
was hat dieser ketzer mit uns zu tun,
flötet unser jahrhundert.
doch 300 jahre später
konnte ein gewisser trotzki,
angeklagt der unzucht mit der freiheit,
das haupt dogmen baljo gespalten,
300 jahre später konnte dieser trotzki
die menschheit nur noch
um vergebung bitten für seinen henker.

(ref:) immernoch werden hexen verbrannt
auf den scheiten der ideologie.
irgendwer ist immer der böse im land
und dann kann man als guter
und die augen voll sand,
in die heiligen kriege ziehn.

sacco und vanzetti, keiner rothaarig,
nie mischten sie zaubertränke um mitternacht.
auch des nachbarn kühe gediehen vortrefflich.
trotzdem wurden sie niedergemetzelt
von den schergen der mickey mouse.
oder sechs millionen juden,
fürwahr eine heerschar von hexern,
zum aderlaß geprügelt
für die reinheit des blutes.
schrecklich! schrecklich!
und die mönche der demokratie
wedeln verzeihung heischend
mit der rute und siehe,
der freigeist geht um!

alle sind aufgeklärt,
doch wer weiß bescheid!?
heute haßt man modern.
die angst ist die flamme unserer zeit
und die wird fleißig geschürt.
sie verbrennen dich
mit ihrer zunge und ihrer ignoranz.
dicke freundliche herren
bitten per television zur jagd.
tausende zum feindbild verdammt
halten sich für’s exil bereit.
die schlupfwinkel werden knapp,
freunde. höchste zeit aufzustehen!

du mußt verstehn!
aus eins mach zehn,
und zwei laß gehn,
und drei mach gleich,
so bist du reich.
verlier die vier!
aus fünf und sechs,
so sagt die hex,
mach sieben und acht,
so ist’s vollbracht:
und neun ist eins,
und zehn ist keins.
das ist das hexeneinmaleins.
Konstantin Wecker

Hallo, Welt!
Vorgestern sagte ein Bekannter im Gespräch: „Ich bin zweimal damit gescheitert, mit dem Rauchen aufzuhören.“ Ich fragte nach, was genau meinst du mit scheitern? Und er entgegnete, Na, ich habe das zwei Mal versucht und es nicht geschafft. Ich nahm bei ihm Scham wahr und Schmerz. Urteile wie „Weichei“ oder „charakterschwach“ lagen in der Luft. Und dann sagte er, „verdammte Sucht!“
Ich war selbst eine recht starke Raucherin. Noch heute bin ich voll des Bedauerns, dass ich es nicht einmal geschafft habe, während der Schwangerschaft damit aufzuhören. Jeder Raucher, der es schwierig findet, dieses Hobby aufzugeben, hat mein tiefstes Mitgefühl. Doch mit Scheitern hat das meiner Ansicht nach gar nichts zu tun. Scheitern beinhaltet eine Bewertung. Mitgeliefert wird in den meisten Fällen: Eigentlich hätte das klappen müssen/sollen. Aber du… und dann können wir aus verschiedenen Textbausteinen wählen.
Du hast dich nicht genug angestrengt
du hast das nicht sorgfältig genug geplant
du hast dir nicht die ausreichende Unterstützung geholt
du bist zu blöd
du gibst dir nicht genug Mühe…

Sicher könnt Ihr diese Liste mit eigenen Textbausteinen ergänzen.
Scheitern impliziert also, dass mit demjenigen, der scheitert, etwas nicht stimmt. Oder etwas anderes stimmt nicht. Die Himalaya-Expedition scheiterte, weil ein Schneesturm den Weg unpassierbar machte. Dann hat Scheitern etwas Schicksalshaftes. Höhere oder dunkle Mächte haben sich gegen mich verschworen, sonst hätte es doch klappen müssen mit der Erstbesteigung meines persönlichen Ratna Purna. Also: Entweder ich bin falsch oder ich habe keine Handlungsoptionen, weil von oben/außen bestimmt wird, was für mich richtig oder falsch ist.

„Scheiter der Ideologie“ schreibt Konstantin Wecker in seinem Chanson. Scheite sind Holzklötze. Wer also scheitert, errichtet sich seinen persönlichen Scheiterhaufen.
Ich vermute, in diesem Fall sind die Bedürfnisse
Selbstvertrauen
Autonomie
Sicherheit
Anerkennung
Begeisterung
Leichtigkeit
und vielleicht Spiritualität im Mangel.

Und die Gefühle, die sich hinter diesem Scheitern verbergen,
sind vielleicht
frustriert
traurig
verzweifelt
voller Scham
ratlos
mutlos
miserabel
müde
deprimiert
und erschöpft.

Ich könnte mir vorstellen, dass mancher auch aus der Tatsache, dass er oder sie ein Vorhaben nicht umsetzen konnte, ganz andere Gefühle aktiviert:
Er ist dann vielleicht
mutig
gelassen
eifrig
überlegt
hoffnungsvoll
inspiriert
weise (hat etwas gelernt aus der Erfahrung)
kraftvoll
und lebendig.

Sicher kann man diese Gefühle noch tiefer interpretieren. Aber ich vermute, es ist schon klar, worum es mir geht. Der eine erlebt sein „Scheitern“ als eine persönliche Niederlage, die ans Selbstwertgefühl geht. Der andere nimmt das Scheitern als Herausforderung an, geht mit Leidenschaft daran, einen neuen Plan zu schmieden.

Wie kann ich dem Scheitern den Stachel ziehen?
Im ersten Schritt möchte ich dazu einladen, die nackte Beobachtung zu finden.
Was genau ist geschehen?
Ich habe zwei Anläufe genommen, nicht mehr zu rauchen. Ich habe weiterhin geraucht.

Und dann schaue ich auf die Bedürfnisse.
Welche wunderbaren Bedürfnisse wollte ich mir erfüllen, als ich mit dem Rauchen aufhören wollte?
Gesundheit
Effizienz (was meine Finanzen angeht)
Ordnung (keine Kippen mehr in der Wohnung)
Schönheit (kein Gestank in der Bude, die Klamotten riechen immer frisch)
Atmen
Gemeinschaft (ich will nicht mehr auf den Balkon!)
Friede (nicht mehr vom Verlangen geplagt zu werden)
Leichtigkeit
und vielleicht Spiritualität im Sinne von Schutz für meinen Körper, dieses wunderbare Geschenk der Natur

Und jetzt wird es spannend:
Welche wunderbaren Bedürfnisse habe ich mir erfüllt, als ich wieder zur Zigarette griff?
Leichtigkeit
Entspannung – auch im Sinne von Stress-Management
vielleicht Beteiligung und Gemeinschaft, wenn ich mit anderen Rauchern zusammen bin?
Schutz (vor Verwundbarkeit, ich fühle nichts, ich rauche…)
Zeit zum Nachdenken oder Reagieren (bevor ich was sage, steck ich mir erst mal eine an…)
und bei meinen eigenen „Wieder rauchen“-Aktionen spielte oft der Aspekt des Verwöhnens eine Rolle. Ich ent-schädige mich für etwas anderes… Also ist auch mein Bedürfnis nach Liebe im Mangel.
Wenn es mir also gelingt, diese Bedürfnisse, die ich mir mit dem Rauchen erfülle, auf andere Weise zu erfüllen, dann gibt es auch keine Veranlassung mehr zu rauchen.
Das klappt bestimmt auch bei anderen Herausforderungen, denen ich mich stellen möchte. Vielleicht sollte ich diese Methode an Volkshochschulen unterrichten.

So long!

Ysabelle

Der bessere Chef ist die Chefin. Manchmal.

Hallo, Welt!

Gestern entdeckte ich im Spiegel einen Artikel, der mich sehr angesprochen hat. Ein hochrangiger Mitarbeiter bei Microsoft hat sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Vorher galt er in seiner Abteilung als harter Hund, als Frau jedoch findet der neue Führungsstil dieser Person großen Anklang.
Zitat:
Obwohl diese Frage-Antwort-Sitzungen (Erläuterung: in denen die Betroffene vorab die Mitarbeiter über die geplante Geschlechtsumwandlung persönlich informierte) nicht immer einfach waren, betrachtet Wallent sie jetzt als wichtigen Bestandteil ihrer inneren Wandlung. „Hinterher kamen viele Leute auf mich zu und erzählten mir unglaublich persönliche Geschichten von eigenen Erlebnissen, die eine ähnlich tief greifende Auswirkung auf ihr Leben gehabt hatten“, erinnert sie sich. Letztendlich, so glaubt sie, hat ihr neuer Managementstil nicht so viel mit den Östrogentabletten zu tun, die sie täglich einnimmt. Ihrer Meinung nach handelt es sich dabei um ein Nebenprodukt dieser sehr intimen Gespräche mit ihren Kolleginnen und Kollegen. „Diese Gespräche haben mir klargemacht, wie wichtig ein authentischer Führungsstil ist und dass man seinen Mitarbeitern sein wahres Ich zeigen muss – ohne jede Einschränkung“, sagt sie. „Dann fühlen sie sich in ihrem Job wohler.“
Mich haben diese Worte sehr angesprochen. In den vergangenen Monaten habe ich in Abteilungskonferenzen mehrmals darüber gesprochen, wie es mir mit bestimmten Dingen geht, welche Bedürfnisse bei mir unerfüllt sind. Der Kollege, der die Sitzungen leitete, reagierte oft sehr „angefasst“. Ich war selber wegen meines Verhaltens in Sorge. War das noch loyal? im Anschluss an die Sitzungen konnte ich meinem Kollegen oft Empathie geben. Am erstaunlichsten war für mich die Reaktion der anderen Kollegen. Es entstand eine neue Intimität zwischen uns. Wir konnten offener miteinander umgehen, wir haben deutlich mehr Spaß in unseren Konferenzen. Meine Ehrlichkeit schien den Weg freigemacht zu haben für die größere Ehrlichkeit der anderen.
In meinem Erleben ist es bisher nicht so gewesen, dass Ehrlichkeit oder Offenheit im Geschäftsleben besondere Tugenden sind. Ein Professor, der vor einigen Jahren in unserer Abteilung eine Fortbildung leitete, gab mir in der Mittagspause die Rückmeldung, er erlebe mich als unglaublich authentisch. Und damals war ich mir absolut nicht sicher, ob ich das wirklich als Kompliment auffassen sollte oder dürfte. Hieße das nicht zugleich, ich würde mich nicht an dem Maskenball der Geschäftswelt beteiligen? Und war das nicht eine Voraussetzung für erfolgreiches Führen?
Ich persönlich glaube das nicht. Sich zu zeigen, sich verletzlich zu machen ist eine Stärke. Das haben nur die noch nicht erkannt, die über ihre eigenen Verletzlichkeiten noch nichts wissen. So scheint es mir manchmal. Und daraus folgt: Manager brauchen Empathie. Genau wie Mitarbeiter!

So long!

Ysabelle

Über die Liebe

Hallo, Welt!

Dieser Tage erinnerte mich eine Freundin daran, dass Marshall der Ansicht ist, Liebe sei ein Bedürfnis und kein Gefühl. Gelesen habe ich diesen Gedanken schon öfter, auch hier vertreten. Doch zur Zeit beschäftigt mich die Frage: Wenn Liebe kein Gefühl, sondern ein Bedürfnis ist, welche Gefühle habe ich dann, wenn ich sage, ich fühle Liebe? Das ist doch das, was man landläufig sagt: Ich liebe dich…

Ich habe verstanden, dass ich mein Bedürfnis nach Liebe auf verschiedene Weise erfüllen kann. Vielleicht mit einer Schmusestunde, mit einem empathischen Gespräch, die Füße beim anderen unter die Bettdecke stecken, sich ankuscheln, im Kino an einer spannenden Stelle Hände halten… – das und vieles mehr kann mir mein Bedürfnis nach Liebe erfüllen. Aber was sind das für GEFÜHLE, die bisher immer mit Liebe umschrieben wurden?

Meine so hoch geschätzte Liste der Gefühle und Bedürfnisse gibt dazu Folgendes her:
Wenn mein Bedürfnis nach Liebe erfüllt ist, fühle ich mich je nach Verfassung

angenehm
angeregt
ausgeglichen
behaglich
berührt
beschwingt
bewegt
ekstatisch
energiegeladen
enthusiastisch
entspannt
entzückt
erfreut
erfüllt
ergriffen
erstaunt
friedlich
froh
gebannt (im Sinne von fasziniert)
gelassen
gerührt
geschützt (ist das ein Gefühl oder ein Interpretationsgefühl?)
glücklich
heiter
hellwach
inspiriert
kraftvoll
klar
lebendig
leicht
lustvoll
satt
selbstsicher
selig
sicher
still
strahlend
überwältigt
unbeschwert
wach
zärtlich
zuversichtlich.

So weit mal die Liste der Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen. Das sind so gut 4/5 aller Gefühle auf der Liste.
Bei den Gefühlen bei unerfüllten Bedürfnissen springt mich eigentlich nur Schmerz an.

Ich bin mit dieser Aufzählung unzufrieden, weil ich spüre, dass all diese Worte nicht das beschreiben, was ich fühle, wenn ich in der Vergangenheit gesagt habe, ich liebe dich.
Wie fühlen sich weiche Knie an? Was ist mit dieser tiefen Freude der Verbundenheit? Ist nicht Liebe ein gefühlter Mix aus den verschiedensten erfüllten Bedürfnissen? Respekt, Wertschätzung, Nähe, Verbindung, Wärme, erotische Anziehung, Intimität, Spiritualität? Der Eindruck, gesehen, erkannt zu sein, angenommen. Den anderen anzunehmen, ihn genau so zu akzeptieren, wie er ist, in diesem einen kostbaren Moment. Vielleicht kann ich es am ehesten beschreiben, wenn ich wirklich versuche, bei den Körpersensationen zu bleiben, die ausgelöst werden, wenn mein Bedürfnis nach Liebe erfüllt ist. Oder ist muss noch mal mit Marshall sprechen, wie es sich das genau vorgestellt hat. Kann Liebe nicht beides sein, ein Gefühl und ein Bedürfnis?

So long!

Ysabelle

William Shakespeare
Sonett No. 116

Let me not to the marriage of true mindes
Admit impediments, love is not love
Which alters when it alteration findes,
Or bends with the remover to remove.

O no, it is an ever fixed marke
That lookes on tempests and is never shaken;
It is the star to every wandring barke,
Whose worths unknowne, although his hight be taken.

Lov’s not Times foole, though rosie lips and cheeks
Within his bending sickles compasse come,
Love alters not with his breefe houres and weekes,
But beares it out even to the edge of doome:

If this be error and upon me proved,
I never writ, nor no man ever loved.

116

Was man sich treu gelobt, wenn man sich liebt,
gilt ausnahmslos. Denn wahre Liebe, die
weicht nicht vom Weg, wo es sich grad ergibt,
mag auch der Wind sich drehn, sie dreht sich nie.

O nein, sie bleibt auf festgelegter Bahn,
steht auch bei Stürmen fest am Firmament,
und dient als Leitstern dem verirrten Kahn,
unschätzbar, selbst wenn man die Höhe kennt.

Sie ist nicht an Vergänglichkeit gebunden,
wenn auch der Wangen Rot verfallen mag,
sie ändert nicht in Wochen oder Stunden,
sie bleibt bestehen bis zum jüngsten Tag.

Wenn man mir dies als falsch beweisen kann,
wär ich kein Dichter, liebte nie kein(’n) Mann.

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