Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Enjoy the pain…

Hallo, Welt!
Ich habe eine neue Aufgabe und weiß noch nicht, wie ich sie erfüllen oder lösen kann. Sie lautet: Enjoy the pain – genieße den Schmerz.
In diesen Tagen habe ich realisiert, dass es für mich schwierig ist, andere Leute ihrem Schmerz zu überlassen. Natürlich gibt es dazu auch ein Stück Lebensgeschichte. Und lange gehörte es für mich einfach dazu, einen Beitrag zu leisten, dass der Schmerz aufhört.
In diesen Tagen verbringe ich viel Zeit mit Byron Katies Buch „The Work – Lieben was ist“ und fand darin die Aufgabe, mein Leben zu leben. Es geht nicht darum, anderen Leuten ihr Los zu erleichtern. Am besten noch vorauseilend und ohne Einladung… Es geht auch darum, Vertrauen zu haben, dass andere Menschen Zugang zu ihrer eigenen Lösung finden. Auch im GfK-Prozess bin ich schnell wieder auf der Strategieebene. Und oft bin ich so besorgt um mein Gegenüber, dass ich zu schnell bin. Zu schnell für den Prozess, der ja gar nicht mein Prozess ist.
Mir ist noch nicht ganz klar, wie ich hier Tempo rauskriege und es noch besser schaffe, den Schmerz meines Gegenübers auszuhalten. Enjoy the pain… na ja, ich habe auch die Wolfsshow lieben gelernt. Warum also nicht auch den Schmerz? Ich werde Bericht erstatten.

So long!
Ysabelle–

Krankenbesuch

Hallo, Welt!
Komme gerade zurück aus dem Krankenhaus, wo ich die Patientin aus meiner Familie besucht habe. Fast neun Stunden hat man sie gestern operiert, sie wird noch länger nicht sprechen können. Sie atmet über einen Stopfen in der Luftröhre und wird per Magensonde ernährt.
Ich hatte mich ganz gut auf diese Situation innerlich vorbereitet und war also nicht zu erschreckt. Aber ich habe an Marshall denken müssen, der eine Geschichte aus seiner Zeit als niedergelassener klinischer Psychologe erzählt. Ihm wurde eine Patientin gebracht, die nach Elektroschocks und anderen Behandlungen nicht mehr sprach, sondern nur noch zusammengekauert im Sessel saß. Tag um Tag verging damit, dass Marshall die Gefühle und Bedürfnisse der jungen Frau vermutete und ihr vortrug und dann auch darüber sprach, was das Gesehene in ihm auslöste. Nach Wochen schließlich brachte Patientin eines Tages einen Zettel mit, den sie in ihrer Faust verborgen hatte. Mit dieser Faust fuchtelte sie vor Marshalls Gesicht hin und her, bis er verstand, dass sie etwas für ihn in der Hand hielt. Und auf dem Zettel stand, wenn ich mich richtig erinnere, helfen Sie mir, Doktor Rosenberg…
Ich habe nur zwei Stunden im Krankenzimmer verbracht, aber danach war ich total erschöpft. Ich habe die ganze Zeit versucht, mich mit den Gefühlen und Bedürfnissen der Patientin zu verbinden, aber das war superschwierig. Wir haben ziemlich lange Zeit damit zugebracht, ihre Uhr zu suchen. Ich konnte ihre Zeichen nicht deuten. Und alle wahrscheinlichen Orte waren bald durchsucht und ich war nicht fündig geworden. Den Kosmetikkoffer haben wir letztlich zwei Mal ausgekippt, ebenso die Handtasche. Es war schwer für sie, auf Schreiben umzuschalten. Zwischendurch fiel mir ein, dass wir ja vielleicht eine meiner kleinen GFK-Karten verwenden könnten zum Kommunizieren, aber sie winkte ab. Die Schrift ist zu klein.
Wir sind letzten Endes klargekommen, vielleicht auch, weil wir uns recht gut kennen. Aber meine Bewunderung für Marshall, der das über Wochen durchgehalten hatte, ohne auf Zettel und Stift zurückgreifen zu können, stieg ins Unermessliche.

So long!
Ysabelle

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