Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Strategien

„Ich glaube, die Verbesserung der Lebensbedingungen armer Menschen ist eine bessere Strategie als Geld für Gewehre. Der Kampf gegen den Terrorismus kann nicht durch Militäraktionen gewonnen werden.“ – Muhammad Yunus, Dankesrede zur Entgegennahme des Friedensnobelpreises, 10.12.2006.

Der Nobelpreisträger Muhammad Yunus, der als Bankier Mikrokredite an die Ärmsten in Pakistan vergibt und so zur Gründung unzähliger Kleinstunternehmen beigetragen hat, erläuterte in seiner Nobelpreisrede seine Strategie: Die Verbesserung der Lebensbedingungen armer Menschen ist ein Beitrag gegen den Terrorismus. Ich vermute, sein Bedürfnis ist Beitragen, Harmonie/Frieden und Unterstützung, seine Strategie ist die Vergabe von Geld.
Im Alltag fällt es uns manchmal schwer, zwischen Bedürfnissen und Strategien zu unterscheiden.
Ein Bedürfnis öffnet eine Tür, eine Strategie kann sie schließen.
In der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir, unsere Bedürfnisse klar zu benennen. Aber wenn es darum geht, die Bedürfnisse zu erfüllen, wird die Luft schnell dünn. „Aber ich will mit meinem Freund zusammen wohnen“ ist zum Beispiel so ein Wunsch. Das Bedürfnis dahinter könnte Unterstützung, Verbindung, Nähe, Wärme, Leichtigkeit, Kosteneffizienz oder Sexualität sein. Sich eine Wohnung zu teilen ist eine Strategie, mit der versucht wird, sich all diese Bedürfnisse auf einen Schlag zu erfüllen. „Unser Auto ist kaputt, wir brauchen ein neues!“ stellt den Betroffenen vor ein ähnliches Problem. Was ist das Bedürfnis? Leichtigkeit? Autonomie? Flexibilität? Verbindung? Und mit welchen verschiedenen Strategien könnten diese wunderbaren Bedürfnisse befriedigt werden? Es gibt sicher mehr als nur die Möglichkeit, sich für ein neues Auto zu verschulden.

Gern werden in der Partnerschaft Lieblingsstrategien mit Bedürfnissen gleichgesetzt. „Ich brauche es, dass du mir zuhörst“ oder „mir fehlt deine Unterstützung bei der Hausarbeit“ sind gängige Sätze. Wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir im ersten Beispiel vielleicht das Bedürfnis nach Austausch (was sich ebenso gut mit einer Freundin erfüllen ließe) oder nach Unterstützung. Gerade das wird aber nicht genannt. Im zweiten Fall geht es vielleicht nicht unbedingt um Hilfe bei der Hausarbeit, sondern um Ausgleich, Wertschätzung, Nähe oder Zugehörigkeit. Es lohnt sich also, die Bedürfnisse freizulegen, denn dann steigt die Chance, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllt werden.

Thomas D’Ansembourg schreibt in einem seiner Bücher von einem Paar, das einen gemütlichen Abend verbringen will. Er hat in einem nahen Restaurant einen Tisch gebucht. Sie hat nach der Arbeit noch schnell beim Schlachter ein paar Leckereien für den Abend eingekauft. Fassungslos stehen sich die beiden gegenüber und bekommen ihre unterschiedlichen Strategien nicht unter einen Hut. Beide wünschen sich Leichtigkeit und Zeit füreinander. Dummerweise sprechen sie sich nicht ab, und so findet jeder seine eigene Lieblingsstrategie, die leider nicht mit dem des anderen harmoniert. Im Gespräch konnte das Paar schließlich herausfinden, dass für beide Partner das ideale Abendprogramm ein Picknick an einem nahen See gewesen wäre… vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal, wenn man halt vorher miteinander redet…

Heute will ich erst auf meine Bedürfnisse achten, und dann Strategien zu ihrer Erfüllung entwickeln.

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