Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Geschenke

Hallo, Welt!
Juristen kriegen ja Musterfälle, die sie lösen müssen. Ich hatte heute den Brief eines alten Ehepaares (keine Verwandten von mir…) auf dem Tisch. Darin schrieben die Herrschaften, sie hätten ihrem Enkel (33) per Brief zum Geburtstag gratuliert und 50 Euro beigelegt. Zum wiederholten Mal hätte es keine Reaktion gegeben. „Was machen wir falsch? Verlangen wir zu viel?“

Solche Aussagen kenne ich auch aus meiner Familie.
So war das Schreiben eine günstige Gelegenheit, noch einmal drüber nachzudenken, was es denn so auf sich hat mit Geschenken.

Ich vermute, das alte Ehepaar wollte sich mit dem Brief und dem Geldgeschenk an den Enkel einige wundervolle Bedürfnisse erfüllen:

Verbindung
Wertschätzung
Unterstützung
Gemeinschaft/Zugehörigkeit
Beteiligung

fielen mir dabei als erstes ein. Brief und Geschenk waren also eine Strategie, und in diesem konkreten Fall eine, die nicht funktioniert hat.

Ich habe ein paar Überlegungen angestellt, welche anderen Strategien es geben könnte, um diese wundervollen Bedürfnisse zu erfüllen. Ich bin mal gespannt, ob das alte Ehepaar darauf eingeht, ob ihnen meine Gedanken etwas nützen.

Geschenke sind eine zweischneidige Sache, das erlebe ich immer wieder. Ich finde es schwierig, Geschenke anzunehmen und schenke doch selber mit Freude. Ich glaube, es lohnt sich, wenn ich darauf noch mal einen genaueren Blick werfe. Welche Bedürfnisse will ich mir mit dem Schenken erfüllen? Und ist das wirklich die beste Strategie, die mir zur Verfügung steht?

So long!

Ysabelle

2 Reaktionen zu “Geschenke”

  1. MarkusC

    Hallo Ysabelle,

    ich könnte mir vorstellen, dass es nicht das Geschenk an sich ist, was Probleme bereitet, sondern vielmehr die unausgesprochenen Erwartungen, die damit verknüpft werden. Mit anderen Worten, wenn ich nicht deutlich ausspreche, was ich mir vom anderen zurückwünsche ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich es nicht erhalte.
    „Always end with a clear request“.
    Wie siehst du das?

    Gruß,

    Markus

  2. Ysabelle Wolfe

    Guten Morgen, Markus!

    Danke für diesen Gedanken. Ich wollte am liebsten sofort antworten, aber ich war zwei Tage auf Workshop und wünschte mir einfach den Komfort eines „richtigen“ Rechners, da es nicht nur um ein paar Zeilen geht.
    Ja, ich stimme Dir zu, dass es grundsätzlich um die Erwartungen geht. Und trotzdem schwingt da meiner Ansicht nach noch etwas anderes mit.
    In meiner Sozialisation/Erziehung spielten Formen noch eine riesige Rolle. Bestimmte Dinge „machte“ man eben so. Es gab einen ganzen Katalog von Richtig oder Falsch, und es war Sache der Eltern, diesen Katalog zu vermitteln. Ein paar Auszüge:
    Gib das schöne Händchen
    Samstag wird die Treppe gewischt
    Man sagt Bitte und Danke
    Man putzt sich die Schuhe ab, bevor man ins Haus kommt
    Man steht im Bus für ältere Leute auf (Ehret das Alter…)
    Dieser Katalog gab Orientierung, engte aber natürlich auch gleichzeitig ein. Denn ein „Danke“ aus Pflicht hatte meist nichts mit Gefühlen und Bedürfnissen zu tun, oder vielleicht flapsig formuliert nur mit dem Bedürfnis, nicht durchs Raster zu fallen. „Man“ machte es so, es gehörte sich so. ich erinnere mich noch gut an die Briefe, die ich an Onkel Willy schreiben musste. Ich kannte den Mann nicht wirklich, hatte keine Beziehung zu ihm. Aber Onkel Willy schickte für mich Fünf-Mark-Scheine, was damals schweineviel Geld war, und meine Großmutter hielt mich an, diesem verwitweten Mann ihrer Halbschwester Briefe zu schicken. „Er ist so allein…“
    Diese Orientierung durch „Pflicht“ und „gehört sich so“ ist seit den 70er Jahren weitgehend weggefallen, aber in meiner Augen nicht sinnstiftend durch etwas anderes ersetzt worden. Wir haben ja keineswegs in den achtziger und neunziger Jahren flächendeckend gelernt, nach unseren Gefühlen und Bedürfnissen zu agieren. Wie haben einfach nur den sozialen Schmierstoff, der durch dieses Codices geliefert wurde, über den Haufen geworfen. Ich habe es gehasst, Leuten ein Küsschen geben zu müssen, die ich nicht mochte, ich fand es furchtbar, mich als Kind an bestimmte Regeln halten zu müssen, die nicht mit meinen Bedürfnissen übereinstimmten. In der Erziehung meines Sohnes war ich eher permissiv, mit dem Ergebnis, dass er sich natürlich nicht bei meinen Eltern für die Geschenke bedankt hat. Daraufhin haben meine Eltern mich angerufen und sich über ihn beschwert, aber beim nächsten Geburtstag wieder Geld geschickt…
    Also: Eine Generation, die mit starren Regeln aufgewachsen ist, hat Schwierigkeiten mit einem Verhalten von jungen Menschen, denen (häufig) kein Orientierungsmaßstab mitgegeben wurde. Wenn das Alte auf den Müll geworfen wird und nichts Neues dafür kommt – wie sollen dann beide Generationen damit umgehen?
    Ich wünschte heute, ich hätte meinem Sohn beibringen können, wie wunderbar ein Leben in Einklang mit unseren Bedürfnissen ist und wie bereichernd es ist, zum Wohlbefinden anderer beizutragen. Nach allem, was ich heute sehe, ist das total in die Hose gegangen. Aber inzwischen ruft er „brav“ bei den Großeltern an, wenn ein Geschenk im Briefkasten war… Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll.

    Wie geht es Dir mit diesen Gedanken?
    So long!
    Ysabelle

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