Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Im Eingangskorb meines Lebens

Hallo, Welt!
Vor zehn Tagen rief mich eine Bekannte im Büro an. Sie käme mit ihrem Skype-Account nicht klar. Ich verabredete mich für abends um halb zehn mit ihr, weil ich wusste, dass ich vorher nicht von der Arbeit zu Hause sein würde.
Als ich sie anrief, war sie entspannt, leicht und beschwingt. Sie war mit ihrem Mann essen und Wein trinken gewesen und wollte jetzt nicht mehr am Computer schrauben.
Am Samstag sprach ich mit einem GfK-Freund, der ein Thema hatte, für das keine Zeit mehr übrig blieb. Ich bot an, wir könnten Sonntagabend um halb zehn darüber telefonieren, wenn ich vom Sport zurück sei. Irgendwann tagsüber merkte ich, dass es mir zu viel wurde, abends noch ein großes Gespräch UND Sport incl. der Hetze, pünktlich zu Hause zu sein. Ich habe also den Sport gestrichen.
Um 22 Uhr habe ich dann dem GfK-Freund eine SMS geschickt, jetzt würde ich ins Bett gehen und es sei mir zu spät zum Telefonieren.
Eine Weile später kam die Antwort, er sei noch mit der Steuererklärung beschäftigt.
Vorigen Mittwoch habe ich vor der Arbeit für eine Freundin noch eine DVD gebrannt, weil es für sie nicht möglich war, Dinge aus meiner Dropbox zu ziehen. Zusammen mit einem kleinen Geschenk ist die CD noch am Mittwoch rausgegangen. Gestern morgen habe ich nachgefragt, ob mein Umschlag angekommen sei. Die Antwort:
Ach, von Dir war das 🙂
Ich habe am Freitag eine Benachrichtigung über eine gewöhnliche
Briefsendung bekommen und bin danach sofort ins Wochenende gefahren.
Weil die Hauptpost am anderen Ende der Welt liegt, hatte ich mir
vorgenommen, es am Donnerstag vor dem abzuholen.
Oh, jetzt bin ich aber neugierig.
(Sonst mache ich den Ausflug immer für den Katalog von Medicom, den ich
überhaupt nicht haben will)
Ich glaube, ich muss Dir mal meine Firmen-Adresse geben 😀

und dann kam gestern ein Anruf von jemandem, dem ich mich sehr nahe fühle.

Die Person schilderte konkrete Schwierigkeiten, die wirklich die wirtschaftliche Existenz bedrohen. Und aus vollem Herzen hörte ich mich sagen, wenn es um die Zeit bis Weihnachten geht, bin ich bereit, dich zu unterstützen. Dabei habe ich total verdrängt, dass ich bereits finanziell engagiert bin und von dieser Person zur Zeit 234 Euro ausstehen, die eigentlich schon längst bei mir auf dem Konto eingegangen sein sollten.

Wie geht es mir, wenn ich auf diese so unterschiedlichen Ereignisse schaue?

Ich bin frustriert, traurig, erschöpft und einsam. In diesem Moment überwiegt gerade Trauer und Schmerz. Ich habe unerfüllte Bedürfnisse nach Verbindung, Zugehörigkeit, Gesehen und gehört werden, Sicherheit und – was mich selbst angeht – nach Authentizität.

Es fällt mir auf, dass ich zum einen ungefragt, unaufgefordert meine Unterstützung anbiete, sei es, dass ich eine DVD brenne, mich zum Telefonieren zur Verfügung stelle oder mit Geld einspringe. Zum zweiten kommt es ziemlich häufig vor, dass ich meine eigenen Interessen aus dem Auge verliere, wenn ich den Eindruck habe, jemand anderes braucht Unterstützung. Ich lasse also den Sport sausen, um mit dem GfK-Freund entspannt telefonieren zu können. Ich biete Geld an, obwohl noch eine Summe offen ist. Und ich schaffe es nicht, mich beim anderen zu melden und zu sagen, du, ich möchte lieber zum Sport gehen. Können wir zu einem anderen Termin telefonieren? Es gibt also auch den Glaubenssatz, dass ich zu einer einmal getroffenen Entscheidung oder zu einem Angebot stehen muss. Alle Achtung, da habe ich ganz schön was zu bearbeiten.
Den Glaubenssatz werde ich mir in den kommenden Tagen mal zusammen mit Byron Katie vornehmen. Wie ich mich selbst dahin kriege, nicht immer wieder ungefragt Unterstützung anzubieten ist mir gerade noch ein Rätsel. Hat jemand von Euch Ideen dazu?

So long!

Ysabelle

4 Reaktionen zu “Im Eingangskorb meines Lebens”

  1. Gabriel

    Nicht ungefragt Unterstützung anzubieten ist schwierig, wenn Du Dir damit wichtige Bedürfnisse – z.B. Verbindung, Zugehörigkeit und Beitragen – erfüllst. Andererseits merkst Du ja, dass damit andere Bedürfnisse auf der Strecke bleiben und die Strategie vielleicht auch nicht die optimalste ist. Die bekannten Klassiker zur Vermeidung von „ja“, wenn eigentlich „nein“ dran ist, helfen vermutlich auch, wenn da ein spontanes „ja“ in dir ist, das Du später bereust: Bis zehn zählen, bevor Du eine Antwort gibst, erst mal „nein“ sagen mit dem Zusatz „jetzt noch nicht, ich möchte mich kurz darauf besinnen, was ich wirklich möchte“. Wie Du das in einer spontanen Gesprächssituation hinbekommst, weiß ich leider nicht. Das Wort „Achtsamkeit“ möchte ich ungern auspacken, weil es so ein hervorragender Wolfslockstoff ist. Aber vielleicht kennt ein NLP-ler einen Trick, wie es auch ohne Achtsamkeit, gleichsam „programmiert“ oder „geankert“ geht.

  2. Ysabelle Wolfe

    Hi, Gabriel,
    Du triffst mal wieder den Nagel auf den Kopf. Verbindung, Zugehörigkeit, Beitragen, Unterstützung, vielleicht auch Nähe und Harmonie erfülle ich mir damit. Und ich denke an das „Spiel“, das wir im letzten Modul gespielt haben: Jeder zieht eine Karte mit einem Bedürfnis, guckt sie aber nicht an, sondern zeigt sie dem Gegenüber. der wiederum verrät, wie er sich dieses eine bestimmte Bedürfnis erfüllt. Nach zehn Minuten Herumwandern hatte ich für Zärtlichkeit sechs verschiedene Strategien, aber noch immer keine Peilung, um welches Bedürfnis es sich handelte. Dann haben wir uns zu zweit mit unseren Bedürfnissen zusammengetan und gemeinsam überlegt, welche Strategie es geben könne, diese beiden Bedürfnisse zu befriedigen. Dann saßen wir zu dritt und schließlich zu viert und wir fanden Strategien über Strategien, um all diese verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen…. Ich glaube, so eine Session brauche ich für dieses Thema auch.

    Danke für Deinen Hinweis!
    Y.

  3. MarkusC

    Dein heutiger Eintrag berührt mich sehr…ich finde grade nicht viele Worte um das auszudrücken, was in mir lebendig ist, deswegen möchte ich dir nur sagen, dass ich heute viel an dich gedacht habe.
    Und versucht habe, dir ganz viel Liebe zu schicken.
    Hoffe wir sehen uns bald!

  4. Ysabelle Wolfe

    Hallo, Markus,

    vielleicht haben wir dann die Gelegenheit, über andere Strategien zu sprechen. Ich habe die Fantasie, dass Dir das Thema auch nicht völlig unvertraut ist…

    Y.

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