Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Die Farben der Wut

* „Ein Soldat zittert nicht, weil er friert, sondern aus Wut, dass es so kalt ist.“
Graffiti n der Wand des Factory Restaurantes, S-Bahn Hasselbrook (Hamburg)

Wut kann viele Nuancen und Farben haben. Dieser Tage haben wir ein paar Begriffe für Wut gesammelt. Irritation, Frustration, Verstimmmung, Missfallen, Unmut, Ärger, Groll, Rage, kochen (vor Wut), rot sehen, außer sich sein – diese Worte geben nur einen kleinen Geschmack auf das, was wir umgangssprachlich als Wut bezeichnen.
Wut tut gut ist die Botschaft der Gewaltfreien Kommunikation. Denn Wut bringt uns mit unseren tiefer liegenden Bedürfnissen in Verbindung. Und über die Wut können wir Zugang zu Gefühlen finden, von denen wir bisher keine Ahnung hatten.
Ein nicht ganz fiktives, aber anonymisiertes Beispiel:
Der kleine Sohn steht morgens am Bett und sagt: Papa, ziehst du dich jetzt an?

Papa wird wütend. In diesem Fall hat er ein ganzes Rudel Wölfe an seiner Seite. Die Wölfe kommentieren heftig: Kann dieses Gör nicht mal guten Morgen sagen? Da will man ein Mal die Woche ausschlafen, aber nein, dieser Junge hat einfach keinen Respekt! Es muss doch möglich sein, wenigstens am Sonntag mal eine Stunde länger zu schlafen. Kann der sich nicht mal selbst beschäftigen? Haben wir gestern nicht zwei Stunden mit der Eisenbahn gebaut? Er hat eben keinerlei Rücksicht, Das fehlt dem Jungen! Da könnte seine Mutter doch wirklich mal aktiv werden!


Ohne Zeifel, der Vater ist stinksauer. Doch seine vehemente Wolfsshow hilft ihm und uns, die tiefer liegenden Bedürfnisse näher kennen zu lernen. Der Vater wünscht sich Erholung und Wertschätzung, er wünscht sich Respekt und die Möglichkeit, in seinem eigenen Rhythmus in den Sonntag zu starten. Doch das ist nur die äußere Schale dessen, was sich für den Vater bei der Arbeit an diesem Beispiel zeigt. Denn der Blick auf die Bedürfnisse eröffnet auch den Zugang zu weiteren, tiefen Gefühlen: Der Vater empfindet Scham, weil er sich eben nicht einfach freut, dass das Kind so einen vertrauensvollen Zugang zu ihm hat, sondern weil er stattdessen ärgerlich und ungehalten reagiert. Schmerz, dass er selbst bei seinen eigenen Eltern kein Verständnis, kein Gesehen werden erlebt hat. Er spürt die Trauer, dass er so wenig Zeit mit seinem Sohn verbringen kann, weil er gleichzeitig von anderen Herausforderungen sehr erschöpft ist…
Und dann ist die Wut auf einmal wie weggeblasen. Er ist verbunden mit sich, mit seinen Gefühlen, und mit dem Wunsch und der Freude seines Sohnes, mit ihm in den Tag zu starten. Eine gute Basis für eine gemeinsame Lösung, oder?

Heute will ich mir vergegenwärtigen, dass meine Wut mich mit meinen tiefen Bedürfnissen in Verbindung bringt und darunter ganz andere Gefühle verborgen sind. Ich bin bereit die Zeit zu investieren, diesen verborgenen Schatz zu heben.

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