Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Is der krank?

Hallo, Welt!
Jeder Spaziergang kann eine Herausforderung in Sachen Gewaltfreie Kommunikation sein. Heute Nachmittag kamen mir ein Mann und eine Frau entgegen. Fontane trug seinen neuen Regenmantel fontane-16_10_23. Der Mann sagte laut und in einem Ton, den ich nicht gern höre: „Is der krank?“ Dieses Mal schüttelte ich mich innerlich und antwortete strahlend: „Ja!“ Mehr muss der Mensch nicht sagen. Unerfüllte Bedürfnisse: Respekt und Schutz.

Tatsächlich finde ich Hundemäntelchen albern, doof, teuer und überflüssig. Trotzdem habe ich gestern einen Haufen Geld ausgegeben und dieses modische – vom Hersteller „Skijacke“ genannte Kleidungsstück für meinen Hund gekauft. Und nach drei Spaziergängen mit Fontane im Mantel bin ich sehr begeistert von diesem Dress. Der Hintergrund: Wir hatten gestern einen Notfall-Termin beim Tierarzt, der weit über zwei Stunden gedauert hat. Die Fotos von Fontane in Narkose erspare ich Euch. Die Röntgenbilder auch. Aktuell scheint es so, dass organisch alles in Ordnung ist, aber die dritte – und diesmal schlimmste – Blasenentzündung in neun Wochen gibt doch Anlass zu gesteigerter Besorgnis. Daher der Tipp vom Tierarzt, ein Mantel könnte dem Kleinen gute Dienste leisten, denn offenbar verkühlt er sich immer wieder. Also waren wir shoppen und ich bin mit Passform und Schutz hoch zufrieden. Heute Morgen waren wir in strömendem Regen unterwegs, aber Rücken und Bauch vom Hund blieben trocken und warm. Wenn bloß die Kommentare der Spaziergänger nicht wären.

Eben sind wir von unserer Abendrunde zurück gekommen. Obwohl ich eine knallgelbe Warnweste über meiner dunklen Jacke trage und der Hund Rallyestreifen an seinem neuen Mantel hat, meinte eine andere Hundebesitzerin ziemlich unwirsch, wir seien nicht zu sehen und ich müsse mit Taschenlampe spazieren gehen. Ihre unerfüllten Bedürfnisse? Vielleicht Schutz und Sicherheit, so was wie Klarheit. Meine bei dieser Ansage? Autonomie und Respekt. Statt einer Du-Botschaft hätte ich lieber eine Ich-Botschaft gehört. Ja, ja, ich weiß schon … wir sind hier nicht auf dem Ponyhof und nicht bei „Wünsch dir was“ …

So long!
Ysabelle

Die Rache an Prokrastinierenden

Hallo, Welt!
Fast hätte das heute ein Tag werden können, an dem Fontane nicht in die Bude pinkelt. Alles lief so gut … Ich bin sehr motiviert, alle 90 Minuten vom Schreibtisch aufzustehen und kurz mit ihm vor die Tür zu gehen. Das klappt viel besser als das kurze Tappen der IWatch an meinem Arm, die mich dran erinnert, im Stehen weiter zu arbeiten. Er sagt noch immer nicht Bescheid (angeblich hat er das Freitag bei der Hundesitterin gemacht) und im Auto klappt es manchmal richtig gut mit Nicht-Pipi, zum Beispiel gestern, als er während der Geburtstagsfeier meiner Enkeltochter nicht mit ins Indoor-Spielparadies durfte, sondern draußen seine Ruhe hatte (es gibt Stunden, da beneide ich meinen Hund). Ich mache ausführliche Spaziergänge mit ihm und schließe ihn anschließend neben meinem Schreibtisch in der Gitterbox ein. Heute am späten Nachmittag hat er sein Nickerchen auf der Box gemacht Friedliche Ko-Existenz. Auch sein Freundfeind, der schwarze Kater, kam mal vorbei. Dann wollte ich sofort nach Fontanes Essen mit ihm raus (wissend, dass er nach jedem Nickerchen muss). und zack … hatte ich es wieder versäumt und der Hund hat neben den Kratzbaum gepinkelt. Seufz.Das kommt davon, wenn man Sachen aufschiebt.
Apropos aufschieben: Ich habe zurzeit so unglaublich viel Arbeit, dass ich nicht mal anfangen mag. Gefühlt möchte ich dafür immer einen ganzen Tag haben, aber es landen so viele und so viele verschiedene Dinge an, dass ich einfach nicht hinterher komme und dann bleiben auch dicke Brocken liegen. Hatte ich nicht vor einem Jahr entschieden, dass ich arbeitsmäßig kürzer treten will? Na, wenigstens ist die gute Absicht mit dem „mehr bewegen“ inzwischen umgesetzt. Dank unseres täglichen Fitnessprogramms zeigt die Waage fünf Kilo weniger und Hosen, die in der Vergangenheit sehr – sagen wir mal – figurbetont – saßen, passen jetzt wieder bequem. Hurra! Vielleicht liegt es auch am vielen Boden putzen. Das ist ja auch Bewegung.

So long!

Ysabelle

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben …

Hallo, Welt!
Bis 21.15 Uhr war ich nahezu euphorisch: Tag 1 ohne Pinkelei in der Bude. Eben brachte ich meinen Teller zur Spülmaschine … dann war es wieder Zeit für Wischtücher und Küchenpapier. Ok, ich feiere, dass wir von 10 Pinkeleien jetzt schon drei Tage runter sind auf eine. Und diese eine findet jeweils abends statt. Diese gerade nach einem 45-Minuten-Spaziergang. Ich muss das nicht verstehen.
Der Tag begann mit einem ausführlichen Marsch und endete auch so. Besondere Begeisterung löste bei Fontane fontane16_1003 das Skelett eines mittelgroßen Wirbeltiers aus, das er heute Morgen entdeckte. Normalerweise kommt er schon recht zuverlässig, wenn ich ihn rufe. Auf einer großen menschenleeren Anlage nahe dem Hafen habe ich ihn heute Morgen frei laufen lassen, obwohl das dort nicht erlaubt ist. Drei Mal kam er zurück, beim vierten Mal bewegte er sich überhaupt nicht vom Platz. Ich dachte auf Entfernung, er würde buddeln, aber nein, er hatte ein halbes Skelett im Maul *schüttel_grusel*. Ich bin kein Biologe, es hätte von einem großen Hasen oder von einem Lamm sein können. Jedenfalls habe ich es nur mit Gewalt aus Fontanes Schnauze gerissen bekommen. Das war echt ein schwerer Moment für mich.

Nahezu jeden Tag bin ich aufs Neue damit konfrontiert, dass Gewaltfreiheit eine Haltung ist. Heute bekam ich eine längere Info zum Thema Welpenerziehung. Es ging um Fontanes Wurfbruder. Unglaublich, wie anders er aufwächst. 20 Minuten Strafsitzen im Käfig, eingesperrt werden, wenn er was falsch gemacht hat wie Anspringen (oder Bellen). Bei fast jedem Gassigehen treffe ich auf Hunde, die „herkömmlich“ gehalten werden. Heute wollte ein junger Staffordshire Terrier mit Fontane spielen. Ich hatte echt Angst. Was für ein Kraftpaket! Das Frauchen musste sich ganz schön in die Leine legen, um ihn zu drosseln. Ich versuche mit allen Hundehaltern, auch mit denen, die Teletakt-Halsbänder benutzen oder ständig mit ihren Hunden schimpfen, empathisch umzugehen. Vor allem versuche ich, mit meinem Hund empathisch umzugehen. Und wenn ich merke, ich habe keine Kraft, sondern werde harsch und ungeduldig, dann nehme ich mir eine Auszeit. Tatsächlich lerne ich, mit mir empathisch umzugehen. Das ist ja mal was Neues!

Tatsächlich hilft es mir, die Gefühle und Bedürfnisse meines Hundes zu vermuten. Eigentlich ganz unspektakulär, oder? Bei Tieren scheint das noch krass-ungewöhnlicher zu sein als bei Menschen. Eine Bekannte erzählte mir heute Morgen, ihr Lebensgefährte habe die Krankheit Mukoviszidose und solle regelmäßig mit Sole/Salzwasser inhalieren. Es treibe sie in den Wahnsinn, dass er das nicht tue. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, mit dem Partner zu empathisieren. Dieser Umgang mit der eigenen Gesundheit war ihr total fremd und sie war schwerst genervt und hilflos. Wie soll man auch erwarten, dass Menschen, die mit sich und anderen eher tough umgehen, mit einem Hund empathisch sind? Na, kann ja noch kommen.

So long!
Ysabelle

Unterwegs

Hallo, Welt!
Ich bin ein Morgenmuffel. Ich funktioniere, aber ich bin nicht besonders gesprächig und vor dem ersten halben Liter Kaffee ist mit mir nichts anzufangen. Trotzdem habe ich keine Probleme, früh morgens mit Fontane rauszugehen. Morgens ist dafür sogar meine liebste Zeit, wenn alles noch so still und „natürlich“ erscheint.
morgenstimmung
Auf unserer Morgenrunde begegnete uns heute ein Mann mit seinem Hund. Ich ordnete ihn gedanklich unter „Kampfhund“ ein. Gerade suchte ich mit diesem Begriff nach einem Foto, um die Rasse benennen zu können, und fand unter den einschlägigen Label-Fotos von Stafford-Terriern und Bull Mastiff nichts, was auch nur annähernd so aussah. Was also macht für mich einen Hund zum Kampfhund? Er war etwa so groß wie ein Boxer, hatte einen gedrungenen Körperbau und eine breite Schnauze, die sehr kräftig auf mich wirkte. Der Anblick des Hundes an der Leine löste bei mir Unbehagen und Besorgnis aus.

Anscheinend zeigte diese Hündin – sie trug ein Geschirr mit der Aufschrift „Mama“ – Interesse an uns und zerrte an der Leine. Da holte der mutmaßliche Besitzer aus und zog ihr mit dem Ende der Leine einen Schlag über den Körper. Alle meine Spiegelneuronen liefen Amok.

Am Fahrradladen blieb ich vor einem schicken Lastenrad stehen und einer der Mitarbeiter kam raus und beantwortete meine Frage. Gegenüber war der „Kampfhund“ an einem Laternenpfahl vor KIK festgemacht. Plötzlich hörte ich ein Fiepen und sah, wie eine Frau mit ihrem Hund einen Satz Richtung Strasse machte. Anscheinend hatte „Mama“ mal kurz die eigene Sicherheitszone verteidigt, genau so aggressiv, wie sie auch behandelt wurde. Mir erschien es nur logisch, dass der Hund um sich biss. Wenn man mich schlagen würde, würde ich auch nicht schmusen und spielen wollen.

Hilflosigkeit und Ohnmacht sind bei dem Gedanken an diese Situation ganz vorn. Ich möchte nicht, dass jemand geschlagen wird. Kein Hund, kein Mensch.

Mitte der Woche raste ich noch kurz vor Feierabend zur Post, Fontane an der Leine. Ich bin echt so stolz auf ihn! Was er inzwischen schon alles kann mit seinen 15 Wochen! Als wir den Zebrastreifen überquerten, sah ich vor mir eine Konstellation, die mir auffiel. Ein Mann, ein oder mehrere Kinder, eventuell eins im Kinderwagen, ich erinnere mich nicht genau, dabei eine Frau, älter als der Mann. Und etwa fünf Meter weiter die Straße rein stand eine weitere Frau und redete auf ein weiteres Kind ein. Ihre Körperhaltung wirkte auf mich bedrohlich, sie hob die Hand zum Schlagen, ich hörte sie schimpfen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Über den Zebrastreifen lief ich direkt auf sie zu und starrte sie an, vermutlich mit offenem Mund. In meinem Kopf ratterte es. Augenscheinlich verhielt sich dieses eine Kind nicht so, wie die Erwachsenen es erwarteten. Vielleicht hatte es schon länger unterwegs Streit gegeben. Und jetzt wurde das Mädchen eingenordet.

Ich hatte den Eindruck, der Frau war es unangenehm, beobachtet zu werden. Warum sonst war sie weiter in die Seitenstraße hineingegangen? Und die beiden anderen Erwachsenen – warum standen sie abseits, während auf das Mädchen das Strafgericht zukam? Billigten sie die Maßnahme?

Was sollte ich tun? Ich erinnerte mich an eine vergleichbare Situation, die ich einmal in Kiel auf dem Weihnachtsmarkt erlebt hatte, und wo es mir nicht gelungen war, mit den mutmaßlichen Eltern in Kontakt zu kommen. Ich tröstete mich damit, dass die Frau anscheinend inne gehalten hatte, als sie meinen Blick sah. Ich dachte, anscheinend weiß sie, dass es nicht ok ist, das Kind zu schlagen, sonst würde sie nicht in die Seitenstraße gehen, sondern könnte das ja gleich am Zebrastreifen erledigen. Und dann flitzte ich weiter zur Post. Traurig, hilflos, ohnmächtig. Was muss passieren, damit Eltern nicht mehr schlagen, nicht mehr drohen, nicht mehr schreien? Ich merke es am Umgang mit dem Hund: Ich brauche Verbindung mit mir. Und das fällt mir heute viel leichter als vor 30 Jahren, als ich versuchte, meinen Sohn zu „erziehen“. Da gab es keine Sicherung, kein Stop-Signal, keine Selbstverbindung. Das wurde ganz schnell zur Existenzfrage: Er oder ich. Ich kann gar nicht beschreiben, wie dankbar ich Marshall Rosenberg für die Gewaltfreie Kommunikation bin, die dazu beiträgt, dass ich mit meinem einfühlsamen Selbst verbunden sein kann.

So long!

Ysabelle

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