Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Nehmen Sie bitte Ihren Hund zurück?

Hallo, Welt!
Heute der Termin in der Tierklinik beim Spezialisten für Nierenerkrankungen. Wir waren pünktlich da und ich konnte mit Fontane noch eine kleine Runde durchs Wäldchen vor der Tür der Klinik drehen. Auf dem Rückweg kam uns eine Frau mit einem Golden Retriever entgegen, der die Nase am Boden hatte und uns immer näher kam. Eingedenk der Lektionen in der Hundeschule rief ich die Frau EXTRA freundlich an, „Nehmen Sie bitte Ihrem Hund zurück?“ Hatte ich doch gerade neulich eine umfangreiche Belehrung bekommen, warum einander fremde Hunde sich nicht an der Leine begegnen sollten, und meiner war nun mal an der Leine und den anderen kannte ich nicht.
Die Frau telefonierte und reagierte nicht. Inzwischen war ihr Hund bis auf eine gefühlt sehr kurze Distanz an uns rangekommen und ich rief etwas dringender, „nehmen Sie bitte Ihren Hund zurück?“
Jetzt sprach die Frau ins Telefon „Moment mal“ oder so ähnlich und sagte dann, „wieso denn, der macht doch gar nichts?“
Inzwischen war es mir echt dringend. Ich wollte in dieser Situation keinen großen freilaufenden Hund an Fontane haben und wiederholte meine Bitte eindringlicher. Da rief sie ihn beiseite und wartete mit ihm am Wegrand, bis wir um die Ecke waren. Mein Eindruck war, dass sie ihr Unverständnis über dieses Ansinnen von mir ins Telefon sprach.

Und ich dachte bei mir: Was ist daran so schwer zu verstehen? Warum können die Leute nicht einfach tun, worum man sie bittet? Warum muss ich mich erst erklären, warum ich auf einem öffentlichen Weg vor einer riesigen Tierklinik keine Begegnung mit fremden Hunden haben möchte? Mein Tier könnte doch zum Beispiel ansteckend krank sein. Oder einen Herzfehler haben, und dürfte sich nicht aufregen. Oder er hat eine schwierige Begegnung mit einem Retriever gehabt und fängt an zu beißen, wenn eine gewisse Distanz unterschritten ist …

Meine Bedürfnisse waren Ruhe und Schutz. Wenn der fremde Hund noch näher gekommen wäre, hätte ich Fontane hochgenommen, aber das ist nicht meine Lieblingsstrategie. Ich wünschte mir Kooperation und Gesehen werden, Respekt. Es blieb ein unbehagliches Gefühl. Habt Ihr eine Idee, warum es so unattraktiv ist, so einer Bitte nachzukommen? Ich schätze, die Frau wollte Leichtigkeit und Autonomie. Aber für mich endet sie da, wo die Bedürfnisse anderer Leute tangiert sind.

Der Aufenthalt in der Tierklinik dauerte ungefähr 90 Minuten inkl. Wartezeit. Die Ultraschall-Untersuchung hat ergeben, dass Fontanes Innereien nicht da liegen, wo sie üblicherweise hingehören. Die Blase liegt falsch und noch ist unklar, ob auch die Harnleiter an der falschen Stelle sind. In einer umfangreichen Operation soll Tany Ende Februar umgebaut werden. Wenn auch die Harnleiter falsch liegen, sind die Chancen bei 80 Prozent, dass er nach der OP stubenrein ist. Sind sie richtig angebaut, stehen die Chancen auf Besserung nur bei 30-40 Prozent. Gemacht werden sollte der Eingriff auf jeden Fall, denn sonst wird die Niere durch eine chronische Infektion dauerhaft geschädigt.

Ich bin traurig und erschöpft. Bis zuletzt hatte ich gehofft, es wäre nur eine Kleinigkeit.

So long!
Ysabelle

In der Hundeschule

Hallo, Welt!
Es geht voran, nur in welche Richtung? Heute habe ich einen Termin in einer Fachklinik gemacht, wo es einen Nierenspezialisten für Hunde gibt. Mein Stamm-Tierarzt ist mit dem Latein und seinen diagnostischen Möglichkeiten am Ende. Zwar haben wir in Sachen „stubenrein“ nur noch zehn Prozent der Probleme wie vor drei Wochen, aber wir haben halt immer noch mal welche. Nachts ist er mal trocken und mal nass … also nun: Katheteruntersuchung der Blase und Ultraschall. Wenn das so weiter geht, muss ich einen Kredit aufnehmen.

Unter Antibiotika-Abdeckung geht es Fontane so gut, dass wir mittlerweile drei Mal in der Hundeschule waren. Das sind ja mal intensive Erlebnisse – für mich. Schon lange bin ich nicht so mit urteilenden Stimmen im Kontakt gewesen. Ich spüre Druck, tatsächlich so etwas wie Ängstlichkeit, Unsicherheit, Besorgnis. Meine unerfüllten Bedürfnisse sind – wie ich gerade merke, Vertrauen – Gemeinschaft/Zugehörigkeit (ich möchte nicht anders sein als die anderen Hundehalter. Und gleichzeitig merke ich dass ich nicht so sein möchte wie sie.) Ich bin beeindruckt, was deren Hunde alles können, wie gut die gehorchen. Und dann fühle ich mich schlecht. Mein Hund kann das nicht, also stimmt mit mir etwas nicht.
Ich kann das sehr bewusst wahrnehmen und bin mit Gefühlen und Bedürfnissen auf dem Platz. Lernen, Wachstum, Verstehen, Gemeinschaft, Sicherheit, … kaum macht Fontane etwas anders als andere Hunde, fühle ich Unsicherheit, Angst, Besorgnis. Ich könnte mir vorstellen, dass ich diese Gefühle schon als Schulkind hatte, aber damals durften sie keinen Raum haben. Es fühlt sich eindeutig so alt an, und ich nehme mich als so „klein“ wahr, jedenfalls einen Teil von mir. Das hat wahrscheinlich gar nichts mit der Hundeschule zu tun.

Stichwort „Leinenaggression“. Die Ansage lautet, wenn die Hunde an der Leine sind, sollen sie nicht miteinander spielen. „Das fördert die Leinenaggression“. Ich habe das eben mal gegoogelt und einen schönen Artikel zu dem Thema gefunden. Hier ein Ausschnitt:

Wie kann ich vermeiden, dass mein Hund zum Leinenrüpel wird?
Am einfachsten ist, man bringt bereits seinem Welpen bei, dass entgegenkommende Hunde „lecker“ sind, dieses Vorgehen nennt man in Fachkreisen Gegenkonditionierung: Andere Hunde werden mit Futter aus der Hand des Halters verknüpft. Oft sind viele Wiederholungen nötig, bis der entgegenkommende Hund als Signal für Leckerchen wird. Bei ausreichender Übung wird Ihr Hund sich Ihnen zuwenden und wie im Comic sein Leckerchen einfordern. Als Folge ignoriert er den anderen Hund. Auch für den entgegenkommenden Hund entspannt sich nun die Situation, denn er wird nicht mehr bedroht. Ein Passieren ist nun ohne Probleme möglich.

Also, dieselben Welpen, die gleich wild miteinander toben, die sich aus der Vorwoche kennen, dürfen jetzt beim Ankommen an der Leine den Kumpel nicht mehr persönlich begrüßen, sondern müssen Abstand halten. Ist das wirklich „Hund“, oder denkt da der Mensch, und zwar Bullshit? Ich wünschte, ich hätte mehr Kompetenz auf dem Gebiet. Ich habe deshalb explizit nachgefragt, denn die Trainerin hatte etwas ausführlicher über diese „Nicht-Begegnungen“ mit anderen Hunden referiert. Heißt das konkret, Hunde, die wir noch gestern freundlich begrüßt haben, die wir seit drei Monaten bei unseren Spaziergängen treffen, sollen wir jetzt nicht mehr begrüßen? Wie erkläre ich das dem anderen Hundehalter und vor allem meinem Hund?

Ich habe daraufhin noch einmal die Trainerin angesprochen. Ich könne ihre Aussage zur Leinenaggressivität nicht verstehen. Es leuchte mir nicht ein, wieso ich heute einen Bogen um den Hund machen müsse, den wir gestern noch freundlichst beschnuppert haben …
Also: Bekannte Hunde dürfen weiter beschnuppert werden. Keinen Kontakt sollen wir zu fremden Hunden aufnehmen, die wir nicht kennen, deren Halter wir nicht kennen, über deren Gesundheitszustand wir nichts wissen.

Und warum dürfen wir dann die Kumpels von voriger Woche nicht begrüßen, wenn wir uns wieder sehen?
„Das ist auf allen Hundeplätzen so“.

Ah, ja. Anweisung von oben. Es ist das Gesetz. Das haben wir schon immer so gemacht …

Zum Glück habe ich mittlerweile einige sehr schöne Hunde-Menschen-Freundschaften geschlossen. Da ist natürlich in erster Linie Sally, die Fontane für ihr Baby hält. Dann gibt es eine Frau, deren Hund rund wie eine Tonne ist. „Der frisst ja gar keine Leckerli. Das kommt von der Schilddrüse“. Warum hat sie dann nur ständig Leckerlis in der Hand, die auf Fontane herabrieseln? Und dann gibt es den Dalmatiner-artigen Ramon, der bereitwillig mit Fontane Bälle jagt. Ilvi ist seine Freundin aus der ersten Woche bei mir. Mit fünf Monaten ist sie nun eine echt schicker Hoverward-Teenager, mit dem man toll toben kann. Mit den Hunden finde ich es gar nicht so schwierig. Obwohl wir Freitag eine Begegnung mit einem Neufundländer hatten, die mich noch Stunden später schüttelte. Daran habe ich mal wieder gemerkt, dass ich mich zwischendurch mit meinem Hund identifiziere. Aber während er die Erfahrung anscheinend einfach verbucht als „ok, das war anstrengend“, war ich ziemlich aufgelöst und ängstlich und fast sicher, dass Fontane ein Trauma vor großen schwarzen Hunden erlitten hat. Erst nach gutem Zuspruch durch meinen Coach Marion bin ich wieder auf den Teppich gekommen.

Ja, ja, ich finde es schon spannend, was in meiner Innenwelt los ist. Eine neue Chance zum Lernen und Wachsen.

So long,

Ysabelle

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