Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt…

Hallo, Welt!
Was für lehrreiche Tage! Aktuell arbeite ich am zweiten Heft unserer GFK-Zeitschrift und lerne noch einmal ganz viel darüber, warum ich mich für die Zertifizierung entschieden habe. Und ich stelle in den vergangenen Tagen wiederholt fest, dass ich Groll habe. Groll – den Begriff kenne ich im Zusammenhang mit dem Genesungsprogramm der 12-Schritte-Gruppe und auf der heutigen sturmumtosten Autofahrt zu meiner Mutter gab es reichlich Gelegenheit, diesem Groll nachzuspüren.
Wenn wir im GFK-Terminus drei Statii (Statusse? Zustände!) kennen: Unterwerfung, Rebellion und Augenhöhe, dann gehört Groll wahrscheinlich zu Unterwerfung. Ich merke, dass es dahinter den Gedanken gibt (tief, tief verbuddelt), der andere schulde mir etwas. Aktuell sind das mindestens zwei Menschen in meinem Leben, von denen ein Teil von mir so etwas denkt. Der oder die schuldet mir was. Und damit kommen wir zu dem Zitat von Gerald Jampolski, der sagt: Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt, den ich annehme.
Einer dieser Menschen, ohne GFK-Erfahrung, schrieb mir vorgestern, „ich habe das Gefühl, du willst mir ein schlechtes Gewissen machen“. Uff. Rebellion, Kollegen, Rebellion! Kein Mensch kann einem anderen Gefühle machen, hoast mi?! Ich fand es dann doch lohnenswert, da näher hinzuspüren, und dabei habe ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Ich fand mich wild schluchzend im Bett wieder, verbunden mit all der Last und dem Schmerz, mit dem ich aktuell unterwegs bin: Die Begleitung meiner Mutter (ja, es kann ihr tatsächlich immer NOCH schlechter gehen…), der Druck mit dem neuen Heft, finanzielle Unsicherheiten, eine tiefe Einsamkeit, das ganze Paket.

Im Seminar sagte vorige Woche eine Teilnehmerin zur anderen: Gibt es da eine Bitte an uns? Ich war begeistert. Mir wurde gestern klar, dass ich auf ziemlich verschwiemelte Weise (kennt einer das Wort? ich liebe es!) versucht hatte, um Unterstützung zu bitten. Und als mein Wischiwaschi nicht verstanden wurde, ging ich in den Groll. Als ich meine Antwort an „Schlechtes Gewissen“ schrieb, war ich wieder mit der Lebensenergie verbunden. Und ich konnte mich outen mit meiner Angst und meiner Hilflosigkeit. Und ich konnte diese Strategie (ich Tarzan, du Jane und mir helfen…) loslassen. Gleichzeitig spürte ich wieder leises Vertrauen, dass schon irgendwo her die Hilfe kommen wird.
Tatsächlich erschien sie in Gestalt meines Hausmeisters, der im ganzen Leben noch kein GFK-Buch gelesen hat. Er saß mit mir beim Kaffee am Küchentisch, hörte mir einfach zu, machte ein paar wohlwollende Geräusche und schlug mir dann vor, er würde mich zu meiner Mutter fahren, damit ich im Auto ausruhen könne…
Ich habe dieses entzückende Angebot aus verschiedenen Gründen nicht angenommen, aber es hat mir noch einmal verdeutlicht, dass es eine Fülle von Strategien gibt, mit denen ich meine Probleme lösen kann. Und wenn ich für die Fülle offen bin, spülen die Lösungen von ganz allein an meine Küste. Oder mir fällt jemand ein, den ich anrufen könnte. Cool, oder? Jetzt braucht es nur noch die Zeit und die Energie, jemanden anzurufen. Na, heute Abend nicht mehr… Ist auch gar nicht mehr so schlimm!

So long!

Ysabelle

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