Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Sucht und GFK

Hallo, Welt!

Über den TrainerInnen-Rundbrief des CNVC wurde ich auf einen Artikel aufmerksam, der mich geradezu elektrisiert hat. Darin beschreibt der Autor Johann Hari die wahren Ursachen von Sucht. Eines der Beispiele, die Hari auseinander nimmt, sind die Forschungen von Prof. Alexander. Seit einigen Jahrzehnten gibt es ein klassisches Experiment mit Ratten. Sie werden allein in einen Käfig gesetzt und haben wahlweise Wasser oder heroin versetztes Wasser zum Trinken. Die einsamen Ratten besaufen sich am Heroin versetzten Wasser. Das galt als Indiz dafür, dass Heroin süchtig macht. Alexander hat nun an Ratten nachgewiesen, dass selbst welche, die wochenlang nur Heroinwasser zu sich genommen hatten, normales Wasser bevorzugten, wenn sie wieder in rättischer Gesellschaft waren. Sobald also ihre Einsamkeit aufhörte und sie mit anderen Ratten zusammen ein rattengemäßes Leben führen konnten, interessierte sie die Droge nicht mehr.
Hari führt noch diverse andere Beispiele an: US-Soldaten, die massenweise im Vietnam-Krieg Drogen konsumiert haben, aber nicht 100 Prozent von ihnen haben damit in der Heimat weiter gemacht, sondern nur rund 17 Prozent. Patienten, die wegen starker Schmerzen aus medizinischen Gründen Opiate bekamen, die dann später abgesetzt wurden, endeten nicht als Junkies in der Gosse, sondern lebten ganz normal ohne Drogen weiter…
Was also macht uns anfällig für Drogen? Und ich meine hier nicht (nur) Heroin oder Kokain, sondern genau so Alkohol, Spielen, Sexsucht, Süßigkeiten oder allgemein Fresssucht. Im Artikel heißt es dazu:

The street-addict is like the rats in the first cage, isolated, alone, with only one source of solace to turn to. The medical patient is like the rats in the second cage. She is going home to a life where she is surrounded by the people she loves. The drug is the same, but the environment is different.

This gives us an insight that goes much deeper than the need to understand addicts. Professor Peter Cohen argues that human beings have a deep need to bond and form connections. It’s how we get our satisfaction. If we can’t connect with each other, we will connect with anything we can find — the whirr of a roulette wheel or the prick of a syringe. He says we should stop talking about ‚addiction‘ altogether, and instead call it ‚bonding.‘ A heroin addict has bonded with heroin because she couldn’t bond as fully with anything else.

Wir bonden also mit der Droge, weil wir nicht (so) vollkommen mit anderen Menschen bonden können.
Ich bin nicht sicher, ob jedem von Euch der Begriff Bonding so zugänglich ist. Die Bonding Psychotherapie wurde von Dan Casriel begründet und soll dazu dienen, alte hinderliche Glaubenssätze und/oder Gefühle zu transformieren. Hort der Bonding-Psychotherapie in Deutschland sind die 12-Schritte-Kliniken Bad Herrenalb, Bad Grönenbach, Hochgrat-Klinik Stiefenhofen (Wolfsried) und Adula-Klinik Oberstdorf. In den Bonding-Gruppen findet also Bindung, Verbindung statt. Mein Gegenüber im Bonding-Prozess hält mich aus, bleibt mit seiner Präsenz bei mir, während ich eventuell mit lautem Schreien o.ä. verschüttete Themen bearbeite. So gesehen ein sehr GFK-kompatibles Konzept. (Unter Umständen nicht für Trauma-Patienten geeignet).

Also: Johann Hari stellt die These auf, dass wir mit der Droge bonden, eine Verbindung eingehen, weil uns die echte Bindung zu unseren Artgenossen fehlt. Schade, dass es unter Menschen nicht so leicht ist, in Gemeinschaft zu leben, wie es für Ratten zu sein scheint. Viele von uns bringen ein Päckchen (aus der Herkunftsfamilie oder traumatischen Erlebnissen) mit, die es uns so schwer machen, in Verbindung zu kommen. Und unsere urteilende Welt, die Unfähigkeit vieler Menschen, einfach nur zuzuhören oder wiederzugeben, was sie gehört haben, erschwert das noch zusätzlich. Wenn wir selber (dank 22000 Stunden elterlicher Erziehung) gnadenlose Richter als Introjekte haben, dann erwarten wir natürlich (unbewusst) auch von außen Kritik und Tadel. Wer fühlt sich da noch ermutigt, jemand anderes anzurufen und zu sagen, du, ich hänge durch. Hast du eine halbe Stunde Zeit für mich? A.) Ohne GFK merken wir vielleicht gar nicht, wie es uns geht, weil wir uns unserer Gefühle überhaupt nicht bewusst sind. Und B.) liegt die Tafel Schokolade näher als der Telefonhörer. Und ich laufe nicht Gefahr, mir eine Abfuhr abzuholen.

Vor ein paar Jahren hörte ich in einem therapeutischen Umfeld eine Geschichte, die mich bis heute tief berührt. Eine Frau berichtete aus ihrer Kindheit. Sie war vielleicht zwei oder drei Jahre alt und ihre Mutter stand am Bügelbrett. Das Kind krabbelte hin zur Mutter und begann ihr Bein zu streicheln. Die Mutter machte eine abschüttelnde Bewegung mit dem Bein und sagte dann mit scharfer Stimme, „lass das, ich bin doch keine Katze!“.
Ich glaube, das Kind hatte ein Bedürfnis nach Nähe, oder nach Verbindung, oder Gesehen werden, oder Beteiligung. Ich will nicht abstreiten, dass die Mutter ebenfalls wunderbare Bedürfnisse hatte, die sie dazu bewegten, sich so zu verhalten, wie sie es tat. Aber wenn wir als sehr junge Menschen oder eben auch in der Partnerschaft solche Erlebnisse haben, ist es doch kein Wunder, wenn wir uns anderen Menschen nicht „zumuten“. Es ist doch kein Wunder, wenn wir den Kühlschrank plündern, statt in die Arme unseres Nächsten zu sinken.
Die Geschichte fiel mir gestern Abend wieder ein, als ich sanft den Arm meiner Mutter streichelte. Fast erwartete ich, dass sie meine Hand weg schubste. „Olle Klette“ sagte sie in der Kindheit zu mir und das war durchaus nicht freundlich gemeint.
Und jetzt der Salto in die GFK.
Wenn ich in dem Bewusstsein lebe, dass mindestens einer von sechs Milliarden Erdlingen mit Freude meine Bitte erfüllt, dann kann ich vielleicht die Schokolade liegen lassen und mich statt dessen auf die Suche nach diesem einen machen. Einen Hinweis finde ich vielleicht in meinem Telefonbuch, der Facebook-Freundesliste oder unter den Weihnachtskarten, die irgendwo noch in der Küche liegen. Freitag vor einer Woche war es Michael aus UK, der mir seine Präsenz schenkte. heute habe ich das gleiche bei meiner Schweizer Trainer-Kollegin Sylvie genossen. Es braucht also zum einen die Gewissheit, dass ich willkommen bin. Und zum zweiten braucht es die Erkenntnis, was ich gerade brauche. Und drittens braucht es „Beine“, um auf den- oder diejenige zuzugehen, der oder die mir dieses Bedürfnis vielleicht erfüllen könnte. Und dafür ist es hilfreich, eine klare Bitte zu formulieren. Kannst du mir zehn Minuten ungebremst zuhören? Kannst du mich ein paar Minuten halten? Kann ich mal für eine halbe Stunde in deinem Arm liegen? Wäre es dir möglich, mir kurz die Schultern zu massieren? Ich trage gerade das Gewicht der Welt…

So kann’s gehen, wenn wir mithilfe der GFK uns selbst besser kennen, Bitten formulieren und ein Nein hören können, ohne dass Selbstzweifel an unserer Liebenswürdigkeit getriggert werden. Es ist lohnenswert, sich auf die Gewaltfreie Kommunikation einzulassen…

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: 24. Januar 2015

Hallo, Welt!
Gerade hatte ich überlegt, welche Überschrift mir für mein Sammelsurium an Themen hier passend erscheint: Kraut & Rüben? Spiritualität? Und dann war klar: Es ist Dankbarkeit.
Montag war ein bemerkenswerter Tag. Wir haben das neue Heft an die Druckerei geschickt. Und auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass mein früherer Arbeitgeber mir mitteilte, er wolle künftig ohne mich auskommen.
In diesen drei Jahren ist viel passiert. Ich habe meine Mediationsausbildung absolviert, die Zertifizierung hinter mich gebracht, zwei IIT*s organisiert, einen Webshop für GFK-Lernmittel ins Leben gerufen und diverse Projekte in Sachen Erwachsenenbildung geleitet. Das alles ist bereichernd, erfreulich und schön. Aber erst beim Versand des zweiten Heftes ist mir noch etwas anderes aufgegangen.
Zeitschrift machen, das kann ich. Das habe ich 30 Jahre gemacht. Autoren kontakten, Überschriften mit leichter Hand hinwerfen, Fotos aus dem Hut zaubern, Texte ergänzen oder einkürzen, kreative Lösungen für technische Probleme finden… Das aktuelle Heft war sauviel Arbeit (ich hatte mit meinem dreiköpfigen Grafiker-Team super Unterstützung), aber es war wie das berühmte Schwimmen oder Fahrrad-Fahren. Man verlernt es nicht. Fisch im Wasser. Und ich habe dabei gemerkt, dass mir dieser Zugriff auf meine Kompetenz einen neuen Frieden gegeben hat. Drei Jahre waren diese Skills nicht abgefragt, jetzt kann ich sie alle wieder abrufen. Alles scheint auf einmal folgerichtig. Die vielen Fotos von irgendwelchen GFK-Events, die zahlreichen Kontakte von meinen mittlerweile vier IIT’s, meine Verbindungen nach England und in die USA zu Trainern und Assessoren… alles passt auf einmal zusammen. Und ich bin einfach nur dankbar. So ist mein Leben also gedacht…
Wenn wir jetzt noch dahin kommen, dass ich von diesen Aktivitäten auch noch leben kann, ist wirklich alles gut in dieser Welt.
Aber darum mache ich mir heute keine Sorgen. One day at a time.
So long!
Ysabelle

Systemisches Konsensieren – wenns mal schnell gehen soll

Seit einiger Zeit bin ich begeistert vom Ansatz, Gruppenentscheidungen mit Systemischen Konsensieren zu meistern. Das Systemische Konsensieren oder SK-Prinzip ist eine Möglichkeit, Entscheidungen so nahe wie möglich am Konsens zu treffen, ohne die Gruppe in ihrer Arbeit zu behindern oder einzelne zu übergehen. Entwickelt wurde sie von Dr. Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta, die sich vor Jahren die Frage stellten, ob Entscheidungen nicht besser funktionieren würden, wenn man am Abstimmungsprozess etwas ändert.

Herausgekommen ist eine umfangreiche Methode, die sich nach wie vor weiterentwickelt und in der GFK Szene seit einigen Jahren immer größere Bekanntschaft und Beliebtheit erlangt.

Generell kann man eine Entscheidungsfindung grob in drei Kategorien einteilen, die jeweils eine maßgeschneiderte Variante des SK-Prinzips zugeteilt bekommen:

Problemorientiert „Die Angestellten sind überarbeitet“ Vertieftes Konsensieren
Fragenorientiert „Wie können wir auf die Gesundheit unserer Angestellten Rücksicht nehmen?“ Auswahlkonsensieren
Lösungsorientiert „Lasst uns heute eine Stunde früher nach Hause gehen“ Schnellkonsensieren

Das Vertiefte Konsensieren und das Auswahlkonsensieren werde ich ein andernmal beschreiben.

Ein Beispiel zum Schnellkonsensieren:P1100550

Jemand in der Gruppe schlägt vor, heute eine Stunde früher aufzuhören. Wenn sich auf die Frage nach den Einwänden niemand meldet wird der Vorschlag als konsensiert angenommen.

Gibt es hingegen Einwände durch Handheben wird der Vorschlag notiert und die Passiv-Lösung formuliert.

Die Passiv-Lösung beantwortet die Frage, was passiert, wenn wir keine gemeinsame Entscheidung treffen bzw. nichts verändern: Wir hören zur gewohnten Zeit auf.

Evtl. macht noch jemand einen weiteren Vorschlag, dann wird dieser ebenfalls notiert. Anschließend gibt jeder durch Handheben seine Widerstände zu den einzelnen Möglichkeiten ab.

  • Keine Hand: Ich bin einverstanden
  • Eine Hand: Ich habe leichte Bedenken
  • Zwei Hände: Ich habe starken Widerstand

Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand wird von allen am stärksten akzeptiert und gilt als konsensiert.

Wie es wirkt

Schluss mit…

  • endlosen Diskussionen
  • unzufriedenen Gruppenmitgliedern
  • halbgaren Kompromissen

Das „Systemische Konsensieren“ führt unabhängig von moralischen Appellen oder Regeln nahezu automatisch zu einer Verhaltensänderung in der ganzen Gruppe:

Statt einem Kampf gegeneinander führt es zu mehr Miteinander bei der Lösungssuche.
Der Name weist auf das Ziel hin, eine Lösung zu finden, die einem Konsens möglichst nahe kommt, aber ohne den Druck, ihn erreichen zu müssen. Damit sind Entscheidungen tragfähiger, es gibt keine Sieger und Verlierer mehr!

Flyer_SKBerlin_Jan15-1Wenn ihr mehr über das SK-Prinzip erfahren wollt empfehle ich euch einen Besuch auf meiner neuen Homepage, systemisches-konsensieren-berlin.de oder eines unserer Seminare in nächsten Halbjahr zu besuchen!

Markus

Die Haltung der GFK ./. GFK anwenden

Hallo, Welt!
In diesen Tagen habe ich mich mal wieder ein wenig intensiver mit den Schlüsselunterscheidungen beschäftigt. Es ist ja fast zwei Jahre her, dass ich mich für die Zertifizierung damit näher befasst hatte, und jetzt hatte ich mal wieder das Buch von Liv Larsson in den Händen. An anderer Stelle sagt Liv, sie und ihre Kollegin, mit der sie zusammen das Buch geschrieben hat, wären sehr bemüht gewesen, kein neues Richtig oder Falsch aufzumachen.

… clarifying some of the “Key Differentiations” in NVC. We shared the experience that during workshops and trainings, and in discussions with participants, one concept that was really important to shed some light upon, was that of “right” and “wrong”. We also shared the experience that – during our introduction to NVC – someone had “pointed finger at us” and told us “now you are up in your head” or something similar, indicating that we were wrong and not connected to our feelings.  
 

Ich mag gerade „die Haltung der GFK“ und „GFK anwenden“. Vor ein paar Jahren, in meiner ersten Jahresgruppe, habe ich meine damalige Trainerin gefragt, wie man in dieser oder jener Situation GFK anwenden würde. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zum damaligen Zeitpunkt verstanden habe, dass GFK nicht so etwas ist wie Schuhcreme oder Kopfschmerztabletten, was man anwendet, wenn entweder die Schuhe schwarz werden sollen (tu etwas für mich) oder das Pochen im Hirn verschwinden soll (geh endlich)… War dies oder das eine Situation, wo „mir das was taugt“?.
Die Haltung der GFK in mir zu tragen bedeutet für mich:
• ich höre auf, mich fertig zu machen, wenn mir Dinge nicht wie erhofft gelungen sind
• ich versuche, dich nicht mehr fertig zu machen, wenn ich enttäuscht oder im Schmerz bin
• in herausfordernden Situationen frage ich mich: Geht es mir um Verbindung?
• ich kann mir verzeihen, wenn ich in meiner Not oder meinem Frust rumbrülle
• ich akzeptiere, dass ich Lamm und Löwe in mir habe
• ich bemühe mich um eine stabile Verbindung zu mir und meinen Bedürfnissen.

Letzteres war in den vergangenen Tagen eine Herausforderung. Die Papierberge türmen sich hier in halb-Meter-hohen Stapeln und all meine Antreiber fordern mich zu Nachtschichten auf, und trotzdem habe ich mich gestern um 16 Uhr hingelegt und bis 19 Uhr geschlafen. Es ging nichts mehr. Und eben konnte ich einer wirklich ekelig süßen Tafel Schokolade nicht wiederstehen (jetzt ist mir schlecht). Aber ich bemühe mich um eine liebende und mitfühlende Haltung mir und meinen Mitmenschen gegenüber.

GFK anwenden – das ist etwas, was ich heute fürchte. Für mich schmeckt das nach Manipulation. Ich hab da doch noch so ein Werkzeug, das hole ich mal raus und dann schraube ich an unserer Verbindung. Es kann vorkommen, dass es mir dann eben nicht um die Verbindung geht, um den Giraffentanz, was brauche ich, und was brauchst du? Vielmehr setze ich GFK ein, um dich dazu zu bewegen, mir das zu geben, was ich will. Ich bin ganz schön tricky, was?
Es gibt so eine entzückende Stelle auf Marshalls Tonbändern, wo er von einem Streit mit seiner Frau Valentina erzählt, die wutschnaubend zu ihm sagte: „Don’t you NVC me!“
Also: Wenn ich GFK als Mittel einsetze, zum Beispiel um jemanden zu besänftigen oder ihn dahin zu bewegen, das zu tun, was ich will, dann ich das weit entfernt von dem, was wir unter „Haltung“ verstehen. Gerald Jampolski sagt es so treffend: „Stattdessen könnte ich Frieden sehen“.

Noch ein letzter Gedanke.
Es ist nichts falsch damit, gerade mal nicht mit „der Haltung“ unterwegs zu sein. Ein früherer Freund von mir sagte mal ungläubig-erstaunt: „Willst du, dass dich eine Reiseleiterin auf Naxos lieb hat?“ Bloß keinen Stress machen, bloß niemanden verärgern. Bullshit! Ehrlicher Selbstausdruck ist eine wunderbare Sache, wenn es mir gelingt, wirklich „bei mir“ zu bleiben. Da kommt dann ein kleiner GFK-Prüfstein: Von der Du-Botschaft zur Ich-Aussage in 110 CNVC-zertifizierten Seminartagen…

So long!

Ysabelle

Ein Freund, ein guter Freund…

Hallo, Welt!
Ich bin seit acht Uhr hoch und habe von all dem, was ich heute schaffen wollte, noch nichts angepackt. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, eben „mal schnell“ den neuen Labeldrucker zu installieren, um künftig ruck, zuck die Etiketten für die Briefumschläge beschriften zu können, aber diese Aktion hat mich an meine Grenzen gebracht.

Drucker auspacken
Drucker zusammenbasteln, verkabeln
Bedienungsanleitung für Installation lesen
Software installieren
Drucker anschließen, starten.
Er wird erkannt.

Alles chico, sollte man meinen, aber es ist mir auch nach zwei Stunden Probieren und Experimentieren nicht gelungen, in einem vorgegebenen Format ein Etikett auszudrucken.

Während ich noch überlegte, ob ich das Ding einpacke und zurückschicke, sehe ich eine Nachricht im Skype von meinem lieben Freund Michael aus England. Er hat eine Rückfrage zum IIT im Oktober. Es denkt in mir, gut, du lenkst dich da mal ein bis drei Minuten ab und sprichst eben mit ihm, dann geht es an die Arbeit, die sich hier türmt.
Der geplante Mini-Austausch zog sich dann eine Stunde und verbrauchte eine Packung Tempotaschentücher. Zum einen hat mein Freund Michael eine wunderbare Art „to reflect back“, also zu wiederholen, was bei ihm angekommen ist. Mein Wolf meldet sich und teilt mir mit: „Da kannste dir mal ne Scheibe von abschneiden, wie einfühlsam der immer ist!“ Vollends aus der Kurve getragen haben mich dann seine fürsorglichen Fragen, und er hat vorher auch noch gefragt, ob er was fragen kann: Wer unterstützt dich gerade? Kann es sein, dass du dich einsam fühlst? Machst du das, was du gerade machst, als eine Art persönliche Wiedergutmachung? Findet dort eine Form von Heilung statt? Was sagt dein inneres Kind dazu? Hattet Ihr kürzlich Kontakt?
Ich bin dank dieses Gesprächs viel mehr mit meinen Bedürfnissen in Verbindung gekommen, statt nur zu funktionieren. Nachdem wir aufgelegt hatten (na ja, ausgeskypt), habe ich zwei Sendungen versandfertig gemacht (mit verkorksten Labeln) und bin erst mal im Sonnenschein zur Post und auf den Markt gegangen. Dann habe ich mir was zu essen gemacht und mich an Schwarzbrot mit Krabbensalat delektiert. Dann habe ich einem Kunden sein Geld zurück überwiesen. Wie oberpeinlich, ich habe zweimal den gleichen Betrag bei ihm abgebucht, am 22.12. und am 16.1. Er wies mich vorhin sanft darauf hin und ich habe mich für dieses freundliche Feedback bedankt und die Kohle überwiesen. Er antwortete daraufhin:

kein Problem. Der Wolf wollte natürlich sofort der Lastschrift widersprechen, aber die Giraffe hat gewonnen!

Ist es nicht wunderbar, mit der Haltung der GFK unterwegs zu sein?
Jetzt werde ich mich hinlegen und so lange schlafen, bis ich erfrischt aufwache. Ich ich möchte darauf vertrauen, dass ich alle Arbeit schaffe, die noch zu erledigen ist.
Mal gucken, wann mein Sohn vorbei kommt, um mich in die Bedienung dieses Druckers einzuweisen. Das war nämlich dann meine klare Bitte um Unterstützung.

So long!

Ysabelle

Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt…

Hallo, Welt!
Was für lehrreiche Tage! Aktuell arbeite ich am zweiten Heft unserer GFK-Zeitschrift und lerne noch einmal ganz viel darüber, warum ich mich für die Zertifizierung entschieden habe. Und ich stelle in den vergangenen Tagen wiederholt fest, dass ich Groll habe. Groll – den Begriff kenne ich im Zusammenhang mit dem Genesungsprogramm der 12-Schritte-Gruppe und auf der heutigen sturmumtosten Autofahrt zu meiner Mutter gab es reichlich Gelegenheit, diesem Groll nachzuspüren.
Wenn wir im GFK-Terminus drei Statii (Statusse? Zustände!) kennen: Unterwerfung, Rebellion und Augenhöhe, dann gehört Groll wahrscheinlich zu Unterwerfung. Ich merke, dass es dahinter den Gedanken gibt (tief, tief verbuddelt), der andere schulde mir etwas. Aktuell sind das mindestens zwei Menschen in meinem Leben, von denen ein Teil von mir so etwas denkt. Der oder die schuldet mir was. Und damit kommen wir zu dem Zitat von Gerald Jampolski, der sagt: Ich bin niemals aus dem Grund verstimmt, den ich annehme.
Einer dieser Menschen, ohne GFK-Erfahrung, schrieb mir vorgestern, „ich habe das Gefühl, du willst mir ein schlechtes Gewissen machen“. Uff. Rebellion, Kollegen, Rebellion! Kein Mensch kann einem anderen Gefühle machen, hoast mi?! Ich fand es dann doch lohnenswert, da näher hinzuspüren, und dabei habe ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Ich fand mich wild schluchzend im Bett wieder, verbunden mit all der Last und dem Schmerz, mit dem ich aktuell unterwegs bin: Die Begleitung meiner Mutter (ja, es kann ihr tatsächlich immer NOCH schlechter gehen…), der Druck mit dem neuen Heft, finanzielle Unsicherheiten, eine tiefe Einsamkeit, das ganze Paket.

Im Seminar sagte vorige Woche eine Teilnehmerin zur anderen: Gibt es da eine Bitte an uns? Ich war begeistert. Mir wurde gestern klar, dass ich auf ziemlich verschwiemelte Weise (kennt einer das Wort? ich liebe es!) versucht hatte, um Unterstützung zu bitten. Und als mein Wischiwaschi nicht verstanden wurde, ging ich in den Groll. Als ich meine Antwort an „Schlechtes Gewissen“ schrieb, war ich wieder mit der Lebensenergie verbunden. Und ich konnte mich outen mit meiner Angst und meiner Hilflosigkeit. Und ich konnte diese Strategie (ich Tarzan, du Jane und mir helfen…) loslassen. Gleichzeitig spürte ich wieder leises Vertrauen, dass schon irgendwo her die Hilfe kommen wird.
Tatsächlich erschien sie in Gestalt meines Hausmeisters, der im ganzen Leben noch kein GFK-Buch gelesen hat. Er saß mit mir beim Kaffee am Küchentisch, hörte mir einfach zu, machte ein paar wohlwollende Geräusche und schlug mir dann vor, er würde mich zu meiner Mutter fahren, damit ich im Auto ausruhen könne…
Ich habe dieses entzückende Angebot aus verschiedenen Gründen nicht angenommen, aber es hat mir noch einmal verdeutlicht, dass es eine Fülle von Strategien gibt, mit denen ich meine Probleme lösen kann. Und wenn ich für die Fülle offen bin, spülen die Lösungen von ganz allein an meine Küste. Oder mir fällt jemand ein, den ich anrufen könnte. Cool, oder? Jetzt braucht es nur noch die Zeit und die Energie, jemanden anzurufen. Na, heute Abend nicht mehr… Ist auch gar nicht mehr so schlimm!

So long!

Ysabelle

Angekommen in 2015

Hallo, Welt!
Euch allen ein frohes neues Jahr! Eben habe ich die Kontostände kontrolliert und mit mildem Schreck festgestellt, dass der Golfclub abgebucht hat. Klar, wenn man nicht kündigt, läuft die Mitgliedschaft weiter und die buchen ab… und kündigen wollte ich in meinem Herzen nicht. Trotzdem waren diese Minus 450 Euro Jahresbeitrag gerade ein kleiner Schock.
Überhaupt, das liebe Geld… Ein Anlass, immer wieder Ohnmacht zu spüren. Gestern habe ich mit einem Kollegen abgerechnet: Wir nehmen alle Ausgaben, die wir hatten, und addieren sie. Dann ziehen wir diese Summe von den Einnahmen ab und teilen den Rest. Oh – ich krieg noch 100 Euro von dir, wie schön! Dummerweise hatte ich dabei übersehen, dass der Kollege bis da hin ja seine Ausgaben aus eigener Tasche bestritten, und sie noch nicht aus dem Topf ersetzt bekommen hatte… Ich spürte die Einladung zur Selbstabwertung und habe sie dann doch dankend abgelehnt.
Gestern Abend hatte ich ein langes Telefongespräch mit einem alten Freund. Er berichtete von einem schmerzhaften Treffen mit seiner Ex-Freundin und ihren Bewertungen, die bei ihm die Gedanken auslösten, er sei nicht gut genug und habe sich in der Partnerschaft nicht genug angestrengt. Im Nachklang zum Workshop am Wochenende habe ich ganz deutlich spüren können, dass das Thema hier Anhaftung ist. Du sagst etwas und ich beziehe es auf mich. Ich kann dich gar nicht hören, weil ich es so sehr auf mich beziehe. Ich nehme deine Worte und richte sie als Messer gegen mein Herz…
Es kann schon sein, dass du die Worte sogar als Messer handhaben wolltest. Aber wenn es so war, dann hast du das getan, weil du ein dringendes unerfülltes Bedürfnis hast. Und ich lerne, das zu hören, ohne es auf mich zu beziehen…
Es gibt Situationen, in denen gelingt mir das gut. In anderen Situationen fällt es mir schwer. Silvester hatte ich eine Danke-Mail an eine Freundin geschickt. Gestern kam die Antwort. Sie schrieb über ihren Schmerz, dass wir so selten Verbindung haben, und ihre Not damit. Ich kann das lesen ohne es GEGEN mich zu richten. Aber ausgelöst werden Hilflosigkeit, Druck, ja sogar Verzweiflung. Ich gebe wirklich mein Bestes, ich bemühe mich so sehr, all die Sachen zu handhaben, die in meinem Leben aufpoppen, und trotzdem schaffe ich nicht alles, was in meinem Herzen schön wäre.

In einer Seminarpause habe ich wieder einmal fantasiert, was wäre, wenn ich mir wirklich die Auszeit nehme, die ich mir für Ende diesen Jahres vorgenommen habe. Dann schaue ich mich um und sehe die Papierberge auf meinem Schreibtisch. Ich sehe den vollen Korb mit den Glasflaschen, die zum Altglas-Container müssen. Ich sehe in meinem Posteingang 2653 Mails. Fast alle gelesen, aber nicht alle bearbeitet, beantwortet… Gestern erreichte mich eine Mail einer Teilnehmerin vom IIT im vergangenen Jahr. JETZT braucht sie eine Abrechnung… Dinge haben so einen Rattenschwanz!
Der Freund, mit dem ich gestern sprach, hat seinem Leben eine klare Struktur gegeben. Es gibt Zeiten, in denen er arbeitet und Zeiten, in denen er Ruhe findet. Stunden der Meditation und des Entspannens. Er genießt es, in der Natur zu sein oder ein Buch zu lesen. Und ich sitze vor einer Papierexplosion am Schreibtisch, die Seminarkisten sind noch nicht ausgepackt, Wäsche ist zu waschen, die Bilder für die nächste Ausgabe der Zeitung zu sortieren und zu benennen. Katzenklos sind dran, ich muss noch die Zählerstände für die Stadtwerke ablesen und nachher geht es zu meiner Mutter, dann ist dieser Tag als effektiver Arbeitstag auch schon wieder Geschichte. Meine Tage reichen nicht für das, was auf meinem Zettel steht, und ich kriege keine Ruhe da rein. Immer noch mal was obendrauf. Ich glaube, ich hätte gern eine Stunde am Tag, in der ich mich frei fühle nichts zu tun. Keine Ahnung, wie das gehen kann. Aber ich behalte es im Auge.
So long!
Ysabelle

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