Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Scary Honesty II

Kennst du das auch?
Du unterhältst dich mit einem Menschen, den du vor einiger Zeit kennengelernt hast, vielleicht in einer Übungsgruppe, in deiner neuen WG oder am Arbeisplatz. Er wirkt freundlich und nett, eigentlich könntet ihr echt gut miteinander reden. Am Anfang schien es auch so, du hattest wirklich den Eindruck, hier einen tollen Menschen gefunden zu haben.
Und doch gibt es da irgendwas, das zwischen eucht steht. Die Diskussion die ihr neulich abend geführt habt, hat euch vor Augen gehalten, dass ihr doch nicht in allen Belangen auf einer Wellenlänge seid.

Klar denkt ihr in einigen Teilen gleich – aber grade das Thema, dass dir am wichtigsten ist, sieht diese Person volkommen anders.
Wenn sie darüber schon so seltsam denkt, was erwarten dich dann noch für unangenehme Überraschungen? Vielleicht ist sie gar nicht so freundlich, wie es den Anschein hat? Hat sie nicht neulich erst eine total seltsame Meinung vertreten?
Und wenn du jetzt so darüber nachdenkst fallen dir bestimmt noch viele Beobachtungen ein, die auch nicht grade für sie sprechen.
Langsam wächst in dir das Mißtrauen. Der Graben der euch trennt wird immer größer. Wo du eben noch einen Freund gesehen hast, macht sich langsam ein Feindbild breit. Schleichend am Anfang, dann immer deutlicher ziehst du dich emotional zurück. Verschanzt dich hinter Mauern von Argumenten, Kritik, Sachdiskussionen. Ironie und Sarkasmus mischen sich in euren Umgangston, du fängst an, dich unwohl in Gegenwart des anderen zu fühlen.

Als dir bewußt wird, was da grade in dir abgeht ist es schon fast zu spät – euch trennt ein tiefes Mißtrauen, jeder hat jetzt Angst, auf den anderen zuzugehen. Du bist vielleicht unzufrieden mit der Situation, hast aber auch keine Idee, wie du etwas ändern könntest. Wenn nur der andere einen Schritt auf dich zumachen würde. Du spürst ganz deutlich, dass du dich eigentlich nach Verbindung sehnst. Dass du hinter die Fassade blicken möchtest, die ihr gemeinsam errichtet habt. Du möchtest gesehen werden, dich zeigen können, die andere Person wirklich spüren.

Und bei dem Gedanken wird dir gleich wieder mulmig. Lieber doch auf Abstand bleiben? Man kann sich ja auch nicht mit jedem verstehen. Aber grade dieser eine Mensch schien doch am Anfang so interessant, die Gespräche so lohnenswert.

„Ich sprech das jetzt aus!“ denkst du dir. Und mit Angstklopfendem Herzen schaust du ihm in die Augen. Oder doch lieber auf deine Füße. Und presst hervor, wie unwohl du dich grade fühlst und wie gerne du Verbindung zu ihm hättest. Puh, jetzt ist es raus. Was jetzt wohl passiert?

Überrascht hörst du den anderen sagen, dass es ihm genauso geht. Du spürst die Erleichterung in seiner Stimme, er musste nicht den ersten Schritt machen. Aber er möchte gerne den nächsten gehen. Wieder mit dir ins Gespräch kommen. Mal wirklich offen austauschen.

Erleichterung macht sich jetzt auch in dir breit. Die Angst akzeptieren und gleichzeitig in Verbindung kommen! Obwohl du es schon einige Male erlebt hast, ist es immer wieder überraschend für dich, wenn sich dein Kopfkino nicht bestätigt.
Und während du merkst, wie du langsam ruhiger wirst, erinnerst du dich daran, wie schön und bereichernd es sein kann, wenn du nicht deinem ängstlichen Ego gehorchst. Du siehst deinem Gegenüber ins Gesicht und freust dich tief und innig darüber, dass du eben deinen Mut zusammengekratzt hast. Denn plötzlich ist da wieder ein Anflug von Nähe und Verbindung, plötzlich sieht sie auch gar nicht mehr so grimmig aus. Du kriegst tatsächlich Lust, dich mit ihr einmal tiefer auszutauschen, fernab von Meinungen und Überzeugungen, du möchtest wissen, wer diese Person wirklich IST.

Und du beschließt, dass es das wert war, dich zu überwinden. Auch wenn der Schritt dir unglaublich viel Angst gemacht hat.

Ob es das ist, was die Trainerin im Seminar mal Scary Honesty nannte?

Markus

Kennst du das auch? Ich freue mich über deinen Kommentar, gerne auch auf meiner Homepage!

Wölfe in den Ruhestand

Hallo, Welt!
Ich bin zurück vom Assessment in Niederkaufungen. Mein Zertifizierungsprozess ist abgeschlossen. Hier mal ein Foto vom Abschluss-Ritual. Ysabelles ZertifizierungNoch bin ich zögerlich, irgendwo „Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC)“ draufzuschreiben, denn bis das Center in Albuquerque den Verwaltungsakt erledigt hat, können schon noch ein paar Wochen vergehen. Aber die Entscheidung des Assessorenteams ist gefallen und das war’s.

Vivet Alevi gehörte zu diesem Assessoren-Team. Sie lebt ja die Hälfte des Jahres in Istanbul und die aktuelle Entwicklung hält sie ziemlich in Atem. Bei einem Tischgespräch schlug sie vor, man möge doch seine Wölfe in den Ruhestand schicken. „Sie sind alt und müde. Sie haben sich die Rente wirklich verdient…“

Heute beim Abendbrot sagte der Mann an meiner Seite über eine unerledigte Aufgabe: „… das habe ich heute verpennt“. Dann kam ein Versuch, die Aussage zu entwolfen: „Das habe ich nicht gemacht.“ Gerade zu diesem Thema hatte ich mit Marianne Sikor einen wunderbaren Gedankenaustausch: Wie will ich etwas beobachten, was jemand nicht gemacht hat? Im konkreten Fall wäre die Beobachtung tatsächlich gewesen: Du hast dich um 15.30 Uhr hingelegt und bist um 18.15 aufgestanden. Ein „nicht“ ist da nicht vorgesehen.

Es schloss sich ein kleines Gespräch über „sich wolfen“ an, und ich zitierte Vivet: „Schick doch die Wölfe in den Ruhestand…!“ Wie!? Dass sie gar nicht mehr zu tun haben? Das ist ein Todesurteil! Willst du meine Wölfe umbringen?

Nein, ich rufe nicht zum heimlichen Wolfsmord auf. Ganz im Gegenteil. Ich möchte sie feiern, wenn sie ihre Köpfe erheben, um mich auf ihre Bedürfnisse hinzuweisen. Letzten Endes gehen Wölfe auch nur ihrem Bedürfnis nach Unterstützung nach. Sie reagieren ja so, um zu meinem Wohlergehen einen Beitrag zu leisten, um mich vor Stress und Ärger zu schützen, um mich zu einem angesehenen Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu machen … oder so etwas, was meine Erziehungsberechtigten darunter verstanden…

Also: Wölfe in den Ruhestand.
Und wenn sie gelegentlich den Kopf heben und heulen, möchte ich sie beruhigen: „Toll, dass Ihr so gut aufpasst! Danke, dass Ihr mein Wohl immer noch im Blick habt. Und jetzt legt Euch wieder in die Sonne. Ich schaff das schon…“

So long!
Ysabelle

Mitgefühl als Weg

„Jedes Mal, wenn wir ein Arschloch sehen, zahlen wir dafür, denn dann leben wir in einer Welt voller Arschlöcher.“
Marshall Rosenberg

 Hallo Ihr Lieben!

Um die Haltung der GFK zu entwickeln reicht es nicht, ab und zu ein Seminar zu besuchen oder ein Buch zu lesen. Die neuen Verknüpfungen in unserem Gehirn, die während eines intensiven Seminars entstehen können, müssen so oft wie möglich benutzt werden damit sie sich verfestigen können.

Für mich bedeutet das, besonders in Alltagssituationen immer und immer wieder eine empathische Haltung einzunehmen und meinen Blick auf das Wesentliche zu richten.

 

Wenn ich meine ein Arschloch zu sehen kann ich mich fragen:

Was fühle ich jetzt grade? Was brauche ich?

Was fühlt diese Person, was braucht sie wohl grade?

 

Leichter gesagt als getan. Viel zu oft vergesse ich im Alltag meine Giraffenohren und finde mich in einer Welt der Rechthaberei wieder.

Am Hilfreichsten dabei, mich immer wieder daran zu erinnern, wie ich eigentlich leben will, habe ich wöchentliche Treffen in Empathiegruppen erlebt.

Ein fester Zeitpunkt in der Woche, an dem alles andere draußen bleibt.

Zwei Stunden, in denen ich mich einfach nur dem empathischen Blick widme.

Unterstützung durch eine erfahrene Trainerin die mir ihre Giraffenohren leiht.

 

Das erste Jahr regelmäßigen Übens hat aus mir einen ganz anderen Menschen gemacht. Ich ärgerte mich weniger als früher, hatte plötzlich weniger Angst vor fremden Menschen.Schwierige Entscheidungen in meinem Leben verloren ihren Schrecken.

Ich bin überzeugt, dass jeder davon profitieren kann, sich auf einen längeren, regelmäßigen Übungsprozess in Gewaltfreier Kommunikation einzulassen. Inzwischen gibt es viele offene Übungsgruppen in ganz Deutschland, wo man ohne Verpflichtung reinschnuppern kann, ab September auch eine neue in Hamburg mit mir :-).

Für alle die ein etwas flexibleres Trainingsprogramm suchen kann ich den Online Kurs „Mitgefühl als Weg“ mit Thom Bond empfehlen.

Der Kurs läuft über email und Skype und hat bereits gestartet.

Eine Anmeldung ist allerdings noch bis zum 2. Juli möglich.

 

In diesem Kurs werden wöchentliche Anregungen gegeben um immer wieder den Blick für das wesentliche zu schärfen, kombiniert mit Geschichten und Erklärungen.

Was mich besonders freut: Die Kursgebühr ist frei wählbar!

Es kann also absolut jeder teilnehmen.

 

Viel Freude beim Üben!

 

Markus

Neuer Shop online

Auf http://www.kommunikations-zauber.de/shop ist soeben ein neuer Shop online gegangen in dem ihr interessante Materialien zur Gewaltfreien Kommunikation und wunderschöne Postkarten bestellen könnt.

Demnächst gehen noch mehr Produkte online!

Viel Spaß,

Markus

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