Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Glück zu zweit…

Dass gemeinsames Glück am haltbarsten ist, wenn sich jeder Partner Freiräume bewahren kann, wissen Paartherapeuten: Unglückliche Paare streben häufig ein Leben nach der „Amefi“-Formel an („Alles mit einem für immer“). Die übersteigerte Erwartung, in einer Partnerschaft Erfüllung in allen Lebensbereichen zu finden, produziert Enttäuschungen, die sich mit mehr Realismus wohl vermeiden lassen.
Spiegel vom Mai 2012

Hallo, Welt!
Nachdem ich ja vorgestern diese seltsame Begegnung hatte, berührt mich das Thema „glückliche Beziehung“ noch einmal besonders, denn ich erinnere mich daran, wie „AMEFI“ ich mich damals gefühlt habe, in den paar kurzen Wochen, die ich mit diesem Mann verbracht habe.
Und dank Arnina Kashtan merke ich, was ich mir selbst so alles erzähle zu diesem Thema.
Der heutige Mann meines Herzens wohnt ja nur zu bestimmten Zeiten bei mir und hat ansonsten sein Zuhause auf Lummerland, einer Insel. In den nächsten Monaten werden wir uns wenig sehen. Damit er bei mir Platz zum Arbeiten hat, haben wir vor einem Vierteljahr für ihn eine schlanke Kommode, einen Stuhl und einen Tisch gekauft und alles ins „Do-nothing“-Zimmer implementiert. Nun sind meine Räume alle sehr klein, und drei zusätzliche Möbelstücke machen 11,5 qm dann schon recht – voll. Vor einigen Tagen habe ich daher den Tisch rausgeräumt, in den Schuppen gestellt und mit Wachstuch abgedeckt. Mein Gehirn meldete: Warum soll die nächsten drei Monate das Zimmer so voll gestellt sein, dass man nur schwierig durch die Terrassentür rein und raus kommt, wenn der Arbeitsplatz sowieso höchstens sporadisch genutzt wird?
Hohoho!
Da gibt es aber noch ganz andere Stimmen! „Das ist ein kalter Rauswurf, jetzt hat er gar keinen Platz mehr im Haus!“ höre ich. Und: „Du bist egoistisch“. Na, den Vorwurf kenne ich doch irgendwoher… Also: Anteile von mir möchten, dass ich auch die Interessen meines Gegenübers im Auge behalte (Arnina Kashtan: „Schuldgefühle erinnern mich als Stammeswesen daran, dass meine Handlungen Auswirkungen auf andere haben.“).

Ok, die Kommode steht nach wie vor im Do nothing, und der Stuhl auch. Sein Fach im Schrank und im Badezimmer sind unberührt. Sein Lieblingsmüsli steht ebenso in der Küche wie die Konserven mit Fisch in Tomatensauce. Da meint wohl ein Teil des Gehirns, immer müsse alles für den einen bereit sein. Seufz.

Ich habe noch ein paar andere Beispiele für einschränkende Glaubenssätze: Mann 1996 sagte zum Beispiel, er habe noch eine Konzertkarte für die Musikhalle am XY Tag. Ich hätte gern nachgefragt, ob wir zusammen hingehen wollen. „Darfst du nicht“, sagte es in mir. Wenn du mit einem Mann zusammen bist, darfst du nicht mit einem anderen ins Konzert gehen. Wa? Das ist alt und für die aktuelle Situation neu. Denn natürlich bin ich in den vergangenen zehn Jahren mit anderen Männern ins Konzert gegangen, allein schon weil meiner gar nicht immer von Lummerland wegkam. Also: Mit Peter und Paul darf ich ins Konzert, nicht aber mit Bigfoot. Weil… Bigfoot das falsch verstehen könnte und der Lummerländer auch. Ach Leute… erzählen wir in unseren Seminaren nicht immer, dass wir für die Reaktion anderer Leute nicht verantwortlich sind?

Sagen wollte ich eigentlich: Wir überfrachten die Partnerschaft, wenn wir vom Gegenüber die Erfüllung all unserer Bedürfnisse erwarten. Und es gilt zu gucken, wie wir für unsere Bedürfnisse die Verantwortung übernehmen und welche Schritte wir dazu gehen. Dazu gehört auch, uns an andere Menschen zu wenden und um Empathie zu bitten, um die Begleitung zu einem Shopping-Bummel, in den kitschigen Liebesfilm im Kino, zum Volkshochschulkurs „Klöppeln für Einsteiger“. Im Gegenzug muss ich dafür nicht mit zum Fußball oder zum Angeln oder in „Die Hard XIII“. In der Theorie alles perfekt gelernt. Im praktischen Leben: I grow constantly less stupid“, möchte ich Marshall zitieren. ich werde fortschreitend weniger dumm…

So long!
Ysabelle

Werde ich bewertet…

Hallo, Welt!
Gestern kam es zu einem sehr speziellen Wiedersehen. 1996 hatte ich einen Mann kennen gelernt, der bei mir sämtliche Knöpfe gedrückt hat. Schon beim allerersten Kontakt dachte es in mir „den nehme ich!“. Wir waren nur drei Monate zusammen, aber der Impact dieser Verbindung beeinflusste mich noch bis zum Beginn meiner GfK-Karriere, als ich begann, nach meinen Gefühlen und Bedürfnissen zu schauen. Der Mann schien damals all meine Bedürfnisse nach Schutz, Geborgenheit, Verbindung, Ordnung, Wertschätzung, Spaß und Beitragen zu erfüllen. Ich konnte sehen – aber nicht merken – dass das Verhältnis zu seiner Noch-Ehefrau gar nicht geklärt war, und dass es noch eine weitere Frau in seinem Leben gab, die praktischerweise nur zur Hintertür hinaus wohnte. In meiner Erinnerung entglitt mir der Mann im Zeitlupentempo, wie ein großer Fisch, den man kaum in zwei Händen halten konnte. Nicht dass er so zappelte, er rutschte einfach weg. Bei zwei Gelegenheiten habe ich in wieder „über die Kante gezogen“, ihn mir also zurückgeholt. Als sich eine solche Situation zum dritten Mal wiederholte, habe ich die Entscheidung getroffen, nicht wieder hin zu fahren, zu reden, zu kämpfen. Denn an dem Tag, an dem er mir meinen Hausschlüssel zurückschickte, traf auch ein Buch bei mir ein. Louise Hay: Wahre Kraft kommt von innen. Das war am 9. Oktober 1996, und damit eigentlich der Beginn meines persönlichen Erwachens.
Gestern nun stand er vor meiner Haustür. Es war ein angekündigtes Wiedersehen. Wir hatten im vergangenen halben Jahr mehrmals telefoniert, denn er hatte die Absicht bekundet, in „meine“ Stadt zu ziehen. Ich kann heute noch erkennen, was mich damals so an ihm fasziniert hat, warum ich dieser Beziehung so lange nachgeblickt habe, warum sie in meinem Leben so eine Bedeutung hatte – ungeachtet der Kürze der Zeit, die wir in der Realität miteinander verbracht haben.

Er guckte durchs Haus, fand alle Um- und Ausbauten „toll“ und „super“. Als wir anschließend ein paar Meter gemeinsam gingen, sagte er mehrmals, „du bist eine tolle Frau“. Beim dritten Mal hätte ich ihn fast geschlagen. Leute, ich kann es nicht mehr ertragen, auf diese Weise bewertet zu werden!

Vor zehn Jahren wäre es mir vielleicht einfach peinlich gewesen. Ich kann doch nicht toll sein, wovon redet der? Heute werden andere Glocken bei mir angeschlagen. Ich muss mich geradezu dazu zwingen, die schönen Absichten im anderen wertzuschätzen. Denn in mir gibt es eben auch die Erfahrung, dass heute etwas „toll“ ist und morgen „Scheiße“. Mein früherer Chef war Experte darin. Dann flitzte er durch die Büroräume (zweimal jährlich, vermutlich nach einem Seminar), und rief den verdutzten Leuten zu: „Ihr seid eine tolle Mannschaft!“. Und drei Tage später fand er einen Fehler oder entdeckte etwas, was nicht seinen Vorstellungen entsprach (nicht, dass er die Vorstellungen vorher präzisiert hatte…), und dann waren wir alle nur unfähige Idioten, unter denen man mal aufräumen musste…

Sehr nett auch mein letzter Ehemann, der mir über viele Jahre sagte: „Ungeschminkt finde ich dich am schönsten“. Seine nächste Ehefrau war Kosmetikerin, ich dachte manchmal, die kann ihr Gesicht abends auch auf den Nachttisch legen, so künstlich wirkte sie auf mich…

Ich will nicht mehr bewertet werden, nicht mehr nach diesen Maßstäben. Offensichtlich bin ich mit dem Thema noch nicht durch, sonst würde mich ein nett gemeintes Kompliment nicht dermaßen in Wallung bringen. Gestern war die Zeit zu knapp, um den Mann zu fragen, ob er benennen kann, in welcher Weise ich gerade sein Leben bereichere. Seine Aussage, „das musst du jetzt gerade mal aushalten“, löste in mir nur noch mehr inneren Widerstand aus. Ich muss hier gar nichts aushalten! Leute… es klingelt bei mir… warum triggert mich das so?
Vertrauen.
Ich merke gerade, dass ich auf die Aussage überhaupt nicht vertraue. Unter meiner Wut und Empörung finde ich Trauer, Schmerz, Bitterkeit und Einsamkeit. Und meine unerfüllten Bedürfnisse sind neben Vertrauen „Gesehen werden“, Achtsamkeit, so etwas wie „Stille“, Verbindung und Schutz.
Na, es ist doch immer wieder spannend, bei sich selbst zu gucken, statt mit dem Finger auf den anderen zu zeigen…

So long!
Ysabelle

Die unausgesprochenen Worte (6)

Hallo, Welt!
„Trying is nothing. Mach’s einfach…!“ Wieder mal ein Original-Zitat, das ich im Workshop von Arnina Kashtan mitgeschrieben habe. Und diese Aussage schüttelt mich in den letzten Tagen.
Vor ein paar Monaten blätterte ich durch eine Ausgabe der Zeitschrift „Kommunikation & Seminar“ und delektierte mich an einem Themenschwerpunkt „Existenzgründung“. Seither wabern immer wieder Informationen aus dieser Artikelsammlung durch mein Hirn. Ich habe bestimmte Vorstellungen, was ich tun könnte oder tun sollte, wenn es jetzt in Richtung Selbstständigkeit geht, und gleichzeitig ist da immer noch eine angezogene Handbremse. Und so gibt es ein zögerliches „ich könnte mal dies oder das probieren“, und das war’s dann auch schon wieder.
Neulich hatte ich ein wunderbares Empathiegespräch mit meiner gleichnamigen GfK-Freundin. Und als Ergebnis habe ich mit rausgenommen, dass ich nicht wirklich weiß, wie ich meins in die Welt bringen kann. Vielleicht ist das die Energie hinter dem Versuch. „Das Wasser könnte kalt sein, aber ich könnte ja mal mit dem großen Zeh vorfühlen. Aber wenn es dann kalt ist… was dann?“

Trying is nothing. Ich fange an, diesen Satz zu verstehen. Im Versuch ist quasi das Aussteigen, das Scheitern und das es doch nicht so ganz tun enthalten. „Ich versuche es“ hat eine andere Energie als „ich mache es“. Beim Versuch schwingen alle Bedenken des 21. Jahrhunderts mit. Was wird? Werde ich meinen Lebensunterhalt verdienen können? Wird es genug Interessenten geben? Ich zitiere mich mal hier selbst:

4. Unterwegs in der Zukunft
Beispiel: Werde ich morgen noch einen Job haben? Wird sich meine Tochter von mir abwenden? Reicht das Geld für die Miete am Ende des Monats?
Klar zu erkennen: Der Aufenthalt in der Zukunft füttert die Angst.

Auch diese Überlegungen stammen aus dem Workshop von Arnina. Ich bin also nicht im Hier und Jetzt. „Versuch“ bündelt nicht alle meine Kraft im Jetzt. „Tun“ tut es. Aber wie ich den Absprung von meinem persönlichen Zehn-Meter-Brett schaffen soll, weg vom Zögern, von der Zukunftsangst, von der Unsicherheit, hin zum Tun, zum Sein, ins Hier und Jetzt – das ist mir gerade noch völlig unklar.

Jedenfalls habe ich mich eben bei K&S als freie Mitarbeiterin beworben und werde für Mai eine Urlaubsvertretung im Arbeitslosenprojekt übernehmen. Richtig gutes Geld gibt es für letzteres nicht, im Gegenteil, ich zahle drauf. Aber es erfüllt meine Bedürfnisse nach Sinnhaftigkeit und Struktur. Und das ist ja auch schon mal was. Ich tue es.

So long!

Ysabelle

Jetzt gehts looos!

Hallo ihr Lieben!
Ich sitze grade in einer Regionalbahn, barfuß und beseelt auf dem Weg von einem sehr besonderen Einführungsseminar in Gewaltfreier Kommunikation zurück Richtung Zivilisation…und ich kann die Eindrücke vom Wochenende immer noch nicht alle fassen.

Das Seminar fand in ländlicher Umgebung in der Alten Mühle Gömnigk statt und lief drei Tage auf Spendenbasis. Ich kann schonmal zusammenfassen, es hat alle unsere Erwartungen weit weit übertroffen.

Was sich in diesen paar Tagen ereignet hat, wie schnell die Zeit geflogen ist, und mit welchem Blick ich jetzt zurück in die Welt fahre ist schon sehr besonders. Die fantastische Gruppenstimmung, die besondere Umgebung, die alternative Unterbringung, das containerte Essen, der ganze Geist des Seminars war für mich von radikaler Freiheit geprägt. Zwei Eindrücke klingen noch besonders in mir nach.

Der eine ist sehr privat und hat mit meinem Bedürfnis nach Nähe zu tun, sowohl körperlich als auch emotional, seelisch. Das ich in so kurzer Zeit solch eine intensive Nähe spüren durfte, ohne sie mit Erwartungen oder alten Vorstellungen zu vermischen hat mich schon sehr beeindruckt.
Die zweite Geschichte betrifft meinen Blick auf Geld, Erwerbsarbeit, meinen Lebenstraum und damit verbundene Ängste. Ich habe an diesem Wochenende einen Schimmer davon mitbekommen, wie ich mir mein Leben wünsche.

Und besonders dank Jonas unbändigem Enthusiasmus sehe ich meine Zukunft grade unter einem anderen Stern als vorher. Ich hatte in den letzten Monaten einiges an Angst vor dem Sommer und den Veränderungen, die entstehen werden, wenn ich kein Student mehr bin. Das kam zum guten Teil daher, dass ich zu einer Anstellung in irgendeiner Firma keine wirklich Alternative gesehen habe, und es mir gleichzeitig ein ziemliches grausen bereitet, mich in solche Strukturen zu zwängen.

Es geht ne Weile lang irgendwie, aber viele meiner Bedürfnisse bleiben dabei auf der Strecke, nach freier Entfaltung, Sinnhaftem Gestalten, Teil etwas größeren sein, zu einer besseren Welt beizutragen.
Und wenn ich ehrlich bin ist mir auch die Arbeit als Trainer noch zu sehr eine Rolle die es zu verkaufen gilt und auf die ich manchmal einfach keine Lust habe. Zumindest möchte ich nicht die Trainer kopieren, die ich bisher kennengelernt habe.
Und jetzt erlebe ich plötzlich wie einfach und wie geil es kann, einfach das zu leben, was ich mir immer schon erträumt habe. Mit den Kompetenzen die ich habe anderen Menschen Wachstum und Lernen zu ermöglichen und mich gleichzeitig selber auf die schönste aller Forschungsreisen zu
begeben…
Und ich hab das ganze vor allem nicht alleine durchgezogen sondern durfte Teil eines wunderbaren Teams sein, in dem wir alle auf Augenhöhe standen und Teil einer wunderbaren Gruppe, die Lust darauf hatte, den gemeinsamen Prozess aktiv mitzugestalten!

Kann es was genialeres geben?
Das für mich bahnbrechende ist jetzt aber, dass durch dieses tolle Erlebnis die Prämisse von Marshall Rosenberg eine Ebene tiefer gerutscht ist:

„Arbeite niemals für Geld. Lass dich für das bezahlen, was du
sowieso gerne tust.“!

Genau daran möchte ich in den nächsten Wochen arbeiten, mir mit anderen Menschen die Möglichkeit aufbauen, so eine nährende Gemeinschaft nicht nur ab und zu, sondern permanent zu genießen und gleichzeitig genug Geld zum Leben und für die Erweiterung unserer Strukturen ranzuschaffen. Bäm!
Ich habe vor ein paar wochen beschlossen, meine letzten Vorlesungen sausen zu lassen und mich statt dessen voll und ganz auf meine Projekte zu konzentrieren. Dadurch konnte ich endlich anfangen, mich ungeteilt der GFK zu widmen ohne dauernd von der technischen Welt abgelenkt zu sein. Das war schon eine sehr erleichternde Entscheidung, aber mit dem neuesten gedanklichen Schritt ist jetzt noch eine viel größere Last von mir gefallen!
Ich bin beschwingt, fühle mich frei und schaue hoffnungsvoll in die Zukunft.

Wir sind dabei, Anschluss- und Fortsetzungsseminare zu konzipieren, in meinem Kopf schwirrt zudem eine ganze Palette an Seminarideen herum, die ich schon lange mit mir herumtrage und die im nächsten Jahr Wirklichkeit werden sollen:

„Gewaltfreie Kommunikation und Kooperative Abenteuerspiele“, „Liebe Sex und Zärtlichkeit“, „Giraffen Treibstoff tanken um Träumen Flügel zu verleihen“, Bauwochen getragen vom Geist der Verbindung, …
Plötzlich ist so vieles möglich!

Seid umarmt,
Markus

PS: Auf meiner Homepage werde ich neue Seminare frühzeitig ankündigen!

Die unausgesprochenen Worte (5)

Hallo, Welt!
An anderer Stelle bin ich heute Morgen über das Wort Selbstempathie gestolpert und bringe das gerade einmal in Verbindung mit Arninas Training: „What are you telling yourself?“
Ich erzähle mir anscheinend selbst, dass alles, was ich tue nicht ausreicht, nicht genug ist. Und es gibt eine „alte“ Stimme, die behauptet, mit mir wäre etwas nicht in Ordnung. Dieser Tage gab ich einer 89-jährigen Dame meine Visitenkarte, damit sie mich in einer bestimmten Angelegenheit kontaktieren kann. Gestern rief sie mich an und sagte: Die Nummer auf deiner Visitenkarte stimmt nicht. Zum Glück sprach ich heute mit XY, die mir deine RICHTIGE Nummer gegeben hat.
Boah! Ich spürte sofort eine intensive Aufwallung in mir, einen Impuls, mich und meine Visitenkarte zu rechtfertigen. Ich habe eine internationale Schreibweise für die Rufnummer, +49… anscheinend hat das für Verwirrung gesorgt. Der Lernfortschritt besteht darin, dass ich eben nicht in die Rechtfertigung gegangen bin, sondern einfach ausgehalten habe, dass die alte Dame auf diese Weise formuliert, dass sie mich anhand der ihr vorliegenden Informationen nicht kontaktieren konnte. Aber solche Äußerungen spielen auf mein Tor. Ich merke, dass ich im Inneren anspringe wie eine Maschine.
Aus meinen Arnina-Mitschreibseln finde ich dazu wunderbare Textbausteine.
1. Wenn ich Dingen einen Namen gebe, schaffe ich Ordnung. (Und Ordnung trägt zur Entspannung bei. „Ach, so ist das…“)
Also: „Deine Nummer stimmt nicht“ sorgt also für Klarheit und Entspannung. Jetzt wissen wir, woran es liegt. Nicht an meinem Telefon, nicht, dass ich die Tasten nicht richtig treffe, nein, deine Nummer ist falsch.
2. Tief in mir weiß ich, mit mir ist nichts falsch.
Das ist mal ein spannendes Feld. Weiß ich das wirklich? Ich schwöre sofort auf den Grundsatz der GfK, dass niemals jemand etwas falsch macht. Und trotzdem gibt es mir immer mal wieder den Gedanken, ich müsse anders sein. So wie ich sei, sei ich nicht „richtig“. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind großen Schmerz gespürt habe, wenn andere mir signalisierten, ich sei so nicht richtig. Aber im Verlauf der Jahrzehnte habe ich diesen Kram wohl so oft wiederholt, dass ich es in un-bewussten Zeiten selber glaube. Also: Ich erzähle mir zum Beispiel, ich würde mich nicht genug anstrengen, nicht genug arbeiten. Das tue ich im Unbewussten. Wenn ich daraus aufwache, auftauche, kann ich mir Selbstempathie und Selbstfürsorge angedeihen lassen. Selbstempathie setzt also Bewusstheit voraus.
3. Es gibt kein falsches Kind.
Durchatmen. Genau! Es gibt kein falsches Kind. Mir kommen die Tränen bei dem Gedanken an all die Kinder, die allein heute in meiner unmittelbaren Nachbarschaft so erzogen werden, dass sie glauben, sie hätten die Verantwortung für die Gefühle anderer. Ein Teil ihrer Zähmung. Und genau so war es bei mir. Und genau so habe ich es aus Unwissen an meinen Sohn weiter gegeben. Und heute gibt er es weiter. Wie furchtbar!
4. Wir sind auf der Reise zurück zu uns.
Genau.
Meine Reise zurück zu mir führt mich gleich auf die Couch. Zur Selbstempathie gehört auch die Selbstverantwortung. Heute Nacht um 0.10 Uhr habe ich den letzten Beleg in den Ordner für den Steuerberater einsortiert, noch zwei Rechnungssteller angefragt, ob sie von mir Geld bekommen haben, denn ich habe eine Rechnung, aber keine Kontobewegung dazu. Ich habe also das ganz Wochenende durchgearbeitet. Und jetzt mache ich eine Pause. Immerhin war ich heute morgen schon mit dem Hund unterwegs und zur Krankengymnastik, die Mails sind gecheckt, das Altglas aussortiert, die Tierschar gefüttert. Jetzt gibt es eine Pause. Mindestens zwei Stunden.

So long!

Ysabelle

Die unausgesprochenen Worte (4)

Hallo, Welt!
Seit gestern Abend denke ich darüber nach, was Arnina Kashtan eigentlich genau macht. Hier gibt es ein Video (auf englisch), in dem sie ein bisschen über ihre Lebensgeschichte erzählt,

und obwohl wir einen ganz unterschiedlichen Hintergrund haben, nehme ich doch viele Parallelen wahr. Mir fallen zur Beschreibung ihrer Arbeit nur poetische Wendungen ein und ich widerstehe dem Impuls, mich dafür in die Pfanne zu hauen. Ich bin ja kein Werbetexter auf der Suche nach dem perfekten Slogan… Ich erlebe sie als Reiseleiterin in ein glückliches Leben. Travel Guide into here and now.
Auf dem IIT in der Schweiz habe ich 2009 das erste Mal den Begriff „Radikale Selbstannahme“ gehört. Radikal im Sinne von Wurzel, Ursprung. Bedingungslose Annahme, das erlebe ich bei Arnina. Sie ist eine Empathie-Hexe (oder Hebamme, was früher mal dasselbe war). Das, was sie macht, geht für mich tiefer als GfK allein oder als „The Work“, was ich teilweise als brutal wahrnehme. Da fehlt mir das Mitgefühl. Integrale GfK. So könnte man es nennen. Damit meine ich, es geht viel tiefer als nur in die vier Schritte und Selbstempathie. Sie geleitet die Teilnehmer durch das Raue zu den Sternen. Integrale GfK führt zu Heilung und Wach-sein. Es gibt ein Buch von Oliver Sacks, das mit Robert de Niro und Robin Williams 1990 verfilmt wurde: Awakenings: Wikipedia schreibt:

Der in den 1960er Jahren in New York City tätige Arzt Malcolm Sayer erforscht die Europäische Schlafkrankheit. Die seit Jahrzehnten darunter leidenden Patienten gelten als unheilbar.
Sayer benutzt ein Mittel, von dem er sich die Rückkehr der seit Jahrzehnten im komatösen Zustand befindlichen Patienten zum normalen Leben verspricht. Der erste Patient, an dem das Mittel ausprobiert wurde, war Leonard Lowe, der sich zu diesem Zeitpunkt schon seit 30 Jahren im Zustand des Komas befand. Lowe erlangte das Bewusstsein wieder, seine Rehabilitation beginnt. Nach einiger Zeit kommt es zu Rückfällen, schließlich fällt Lowe ins Koma zurück.

Mal abgesehen davon, dass ich nicht den Eindruck habe, wieder ins Koma zurück zu fallen: Unbewusste Zustände/Zeiträume kenne ich aus meinem Leben zur Genüge. Nun zeigt sich der Sinn des Aufwachens, des Auftauchens aus großen Tiefen des Unbewussten. Nur im Hier und Jetzt kann ich mein Leben gestalten, beeinflussen, ihm Sinn und Erfüllung geben.

So, nach dieser langen Vorrede (seid Ihr noch da?) komme ich nun zu meinem heutigen Thema, das ich aus dem Workshop von Arnina mitgebracht habe.
Wie erkenne ich, ob ich in einer Geschichte bin oder in der Realität?
Im Verlauf des Wochenendes sind dazu mehrere ganz handfeste Prüfinstrumente präsentiert worden. Hier eine Auswahl am Warnblinkleuchten:
1. Solange ich über eine andere Person nachdenke, bin ich nicht in der Realität.
Beispiel: Warum will Kurt nicht (mehr) mit mir schlafen? Warum kann Doris nicht einmal pünktlich sein? Was geht in meinem Chef vor, wenn er so guckt?
2. Verwendung von Floskeln und Verallgemeinerungen
Beispiel: Immer machst du… / nie ist jemand zu Hause / mir hört keiner zu / man sollte mal… /
3. Unterwegs in der Vergangenheit
Beispiel: ich hätte das Bügeleisen ausstellen sollen / Wenn ich in der Schule besser aufgepasst hätte / wenn ich mein Kind nicht geschlagen hätte
Diese „Sollte“-Formulierungen füttern unsere Schuldgefühle.
4. Unterwegs in der Zukunft
Beispiel: Werde ich morgen noch einen Job haben? Wird sich meine Tochter von mir abwenden? Reicht das Geld für die Miete am Ende des Monats?
Klar zu erkennen: Der Aufenthalt in der Zukunft füttert die Angst.
5. Denken und reden in Kategorien
Gut/schlecht/; Richtig/falsch; gerecht/ungerecht; Hier passen auch alle Interpretationsgefühle hin.
6. Was werden die Leute sagen?
Das ist besonders glorreich, weil wir in Wirklichkeit keine Ahnung haben, was die Leute sagen werden. Vielleicht bewundern sie uns für unseren Mut und unsere Authentizität. Vielleicht verabscheuen sie uns, weil unser Verhalten bei ihnen Angst auslöst. Aber auf beides haben wir keinen Einfluss, denn auch wenn wir im Verlauf unserer Zähmung dazu erzogen wurden zu glauben, wir hätten die Verantwortung für anderer Leuts Gefühle – das ist nicht der Fall.

Und nun?
Also: Wenn ich eine dieser Warnlampen bei mir entdecke, kann ich überprüfen, ob ich gerade im Hier und Jetzt bin. Bewusst atmen ist ein guter Start, um hier wieder anzukommen. Wenn wir feststellen, dass wir in Angst (Zukunft) und Schuld oder Scham (Vergangenheit) feststecken, kann und eine Frage uns ent-blocken:
Und dann? Und was ist dann? Und was wäre dann?
Angst und Schuldgefühl erweisen sich häufig als Mauer, vor der wir hilflos stehen. Mit der „Und dann…?“-Frage werden wir in die Lage versetzt, über die Mauer hinwegzugucken. Ich habe es ausprobiert. Es funktioniert.

So long!
Ysabelle

Die unausgesprochenen Worte (3)

Hallo, Welt!
Sagt Bescheid, wenn Euch die Workshop-Infos langweilig werden. Mich beflügeln sie noch immer und sausen durch mein Hirn. Gestern ging es um den Satz „Wer wärest du ohne diese deine Geschichte?“ Dazu fand ich eine Ergänzung, die lautet: Was ist der Pakt, den du mit XY hast?
Ich sehe auf die Buchstaben und merke, wie es in mir vibriert. Dieser Gedanke war mir wirklich nie zuvor gekommen. Es ist ein Pakt. Und unter Umständen zu einer Zeit abgeschlossen, als ich noch gar nicht geschäftsfähig war, nämlich als sehr kleines Kind.
Beim Nachspüren kommt mir ein Pakt in den Sinn, den ich bewusst noch nie so formuliert habe. Er lautet: Ich darf nicht gut sein.
Ich denke dabei speziell an meinen letzten Chef. Er hatte sicher viele Qualitäten. Ich möchte ihn nicht mies machen, das ist nicht die Botschaft. Was aber schwierig wurde, war wenn ich mit meiner Kompetenz strahlte. Immerhin hatte ich diesen speziellen Job rund 20 Jahre gemacht, davon die vergangenen sechs Jahre vor seiner Einstellung quasi alleinverantwortlich. Also: Bloß nichts tun, was beim Chef den Anschein erweckt, ich würde mit ihm in Konkurrenz treten. Also lautete der unausgesprochene Pakt: Ich tue nichts, was deine Position gefährdet und verteidige gegenüber den Mitarbeitern auch Entscheidungen, die ich für komplett schwachsinnig halte, damit du mich nicht feuerst.

Es hat mehrere Situationen gegeben, in denen ich seine Entscheidungen extra behutsam und gfk-like angezweifelt habe, und die Reaktion hat mich jedes Mal geschüttelt. An dieser Stelle gucke ich direkt mal in die Gefühlsliste, denn ich merke, dass ich nur zusammengerechnete Gefühle und Bewertungen dazu im Kopf habe. Wie habe ich meinen Chef wahrgenommen, wenn ich seine Entscheidungen angezweifelt habe?
Ärgerlich
alarmiert
entrüstet (manchmal)
genervt
kalt
sauer
streitlustig
ungeduldig
widerwillig

Ich glaube, das war’s im Wesentlichen. Schon das fühlt sich in mir ganz anders an als mein „Zusamengerechnetes“, was ich noch vor drei Minuten im Kopf hatte. Und seine Bedürfnisse waren vielleicht
Respekt
Effizienz
Autonomie
Selbstvertrauen (das ist mal ein Schuss ins Blaue)
Anerkennung
Harmonie
an einem Strang ziehen

Und JETZT wird mir gerade ganz deutlich, dass ich mich mit all diesen Bedürfnissen total verbinden kann. Der unausgesprochene Pakt, mit dem ich unterwegs war, war wohl, dass ich dafür zuständig bin, all diese Bedürfnisse zu erfüllen. Weil du XY brauchst, muss ich dir das geben… Ich bin verantwortlich, ich bin zuständig… na, das kommt mir aber bekannt vor…

Seid Ihr mal durch eine Brombeerhecke gegangen? Gefühlt habe ich meine Kindheit mit Brombeeren suchen verbracht. Die Ranken kleben mit kleinen Dornen an den Klamotten oder an der Haut. Und so geht es mir auch mit solchen Geschichten. Ich bin „gefangen“oder „eingesponnen“ in solche Pakte. Im Alltag merke ich das oft nicht. Und dann lande ich bei einem weiteren Satz von Arnina: Verstehen und Akzeptieren (Mitgefühl mit mir selbst) ermöglichen die Veränderung. Ich treffe die Wahl, aus meinem Automatismus auszusteigen. WOW! Und da steht auch: Wir machen den anderen zum Grund für unser Gefängnis. Wie wahr…
Vielleicht hätte ich die Flipcharts doch nicht Matthias mitgeben sollen, sondern hier damit meine Hütte tapezieren. Aber ich habe sie alle als PDF und kann darauf zurückgreifen, wenn mir die Dinge aus dem Bewusstsein rutschen.

So long!
Ysabelle

Die unausgesprochenen Worte (2)

Hallo, Welt!
Auf meiner Seminarmitschrift vom Workshop mit Arnina Kashtan am vergangenen Wochenende findet sich der grandiose Satz: Wer wärest du ohne diese deine Geschichte?
Das erste Mal bin ich über diese Frage durch Eckart Tolle gestolpert. Der erzählt auf einer CD von einer Frau, die immer über ihren schrecklichen Mann klagte. Ihr ganzes Sein rankte sich nur darum, wie schlecht er sie behandelte. Irgendwann fragte Tolle die Frau, wie es wäre, diese Geschichte aufzugeben und sie antwortete nach einigem Nachdenken: Aber wer bin ich dann?
Es geht also darum zu erkennen, welche Geschichten wir uns selbst erzählen. Das Tragische ist, dass wir oft selbst nicht wissen, was wir uns erzählen. Einigen meiner Geschichten bin ich inzwischen auf die Spur gekommen. Auswahl gefällig?

  • Selbstständig arbeiten ist kompliziert.
  • Ich kann keine Aufträge akquirieren.
  • Ich bin zu doof, die Rechtslage für Selbstständige zu verstehen.
  • Meine Mutter wird mich nie so verstehen, wie ich es wirklich brauche.
  • Bei Schnee und Eis kann ich nicht Auto fahren.
  • Ich schlafe nur ein, wenn ich vorher noch gelesen/einen Film auf Arte gesehen/einen Artikel auf „Spiegel online“ konsumiert habe.
  • Die Einkommenssteuer kann nur ein Steuerberater verstehen und für mich ausfüllen.
  • Ich kann nicht mit der Bohrmaschine umgehen.
  • Ich kann nicht zeichnen (stimmt!)
  • Ich kann nicht schreiben (stimmt nicht, denke ich trotzdem oft).

 
Ihr merkt schon, worum es geht: Überzeugungen, die wir von uns selber haben. Vor ein paar Jahren, ich hatte noch meinen alten Polo, nahm ich an einem Verkehrssicherheitstraining teil. Ich selber hatte den Eindruck, ich könne überhaupt nicht angemessen mit dem Auto umgehen. Der Fahrtrainer meinte allerdings, ich würde exzellent reagieren und wäre mit meinem Altauto viel besser davor als die Kollegen, die sich alle auf ESP und ABS und sonst was für technische Unterstützung verließen.

Ich glaube also etwas über mich, und das führt dazu, dass ich bestimmte Dinge nicht mache, mir nichts zutraue, mich vielleicht überschätze. Und wenn wir einen Glauben (s-Satz) haben, findet das Gehirn dafür Beweise. Auch das ist ein Satz aus dem Seminar von Arnina. Zum Beispiel gibt es in mir den aus meiner Kindheit übernommenen und dann abgewandelten Glaubenssatz, meine jeweiligen Ausbildungstrainer würden mich nur akzeptieren, wenn ich mich in bestimmter Weise verhalte. Mein Gehirn wird dafür Beweise finden, wenn ich den Suchmodus aktiviere. Aber mal gfk-like gefragt: Was ist die Beobachtung dazu?
Die Beobachtung ist, dass ich in vorauseilendem Gehorsam meine Lebendigkeit unterdrücke, weil ich befürchte, wenn ich so bin, wie ich bin, dann würde ich abgelehnt werden. Das kenne ich nämlich aus meiner Ursprungsfamilie: Sei nicht so wie du bist. Also versuche ich mich so zu verhalten, wie ich denke, dass mich die Trainer wollen.
Das hat gar nichts mit einer bewussten Angst vor Autoritäten zu tun. Wenn ich bewusst drüber nachdenke, was da los ist und wie es mir damit geht, merke ich, dass mir meine Authentizität total wichtig ist. Und gleichzeitig geht es mir auch um Respekt für den Stil des anderen, um Anerkennung der Erfahrung. Immer und immer sind wir hierarchisch organisiert, Lehrer, Schüler, Vorgesetzte und Untergebene, Auftraggeber und Auftragnehmer, Mächtige und Ohnmächtige. ich kann gar nicht erkennen, wo wir eine Kultur der Augenhöhe und der Gleichwertigkeit haben. Und das geht weit über Gleichstellung der Frau oder ähnliches Gedöns hinaus. Mir geht es auch um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern oder Experten und Laien. Augenhöhe ist anscheinend mein Wort des Jahres 2013. Augenhöhe… vielleicht kann ich es mir einfach noch öfter ins Bewusstsein rufen…

Ich wäre neugierig, auch etwas über die Geschichten zu erfahren, die Ihr Euch erzählt. Ein Freund berichtete gestern, eine seiner Geschichten laute: Ich muss alles tun, um andere zufrieden zu stellen, damit sie mich lieb haben und mich nicht anschreien…

Der Freund ist 61 Jahre alt. Ist das nicht schrecklich, erst auf intensives Nachfragen dahinter zu kommen, welche Geschichten uns steuern? Seit über 60 Jahren…?

So long!
Ysabelle

Die ungesprochenen Worte (1)

Hallo, Welt!
Dieses Wochenende habe ich auf einem Workshop von Arnina Kashtan verbracht, der von Matthias Albers organisiert wurde. Meine dringende Empfehlung: Wer das Geld zusammenkratzen kann und am kommenden Wochenende noch nicht gedatet ist: Fahrt nach Berlin, wo es einen zweiten Workshop zu diesem Thema gibt. Ich habe selbst ja schon viel Glaubenssatz-Arbeit gemacht, aber diese Erfahrung war einfach noch mal eine ganz andere. Arnina verbindet Ideen von „The Work“ von Byron Katie mit gewaltfreier Kommunikation. Der Workshop ist nichts von beidem und doch so viel mehr. Für mich ist in diesen drei Tagen etwas ganz Besonderes, etwas unglaublich Tiefes geschehen. In Gegenwart anderer Trainer hatte ich bisher immer innerlich eine angezogene Handbremse, eine Mahnung „sei nicht so wie du bist“. Die Stimmen sagten Dinge wie „Reiß dich zusammen“ oder „spiel dich bloß nicht auf“. Mir steigen sofort wieder die Tränen in die Augen bei der Erinnerung, WIE willkommen all meine Beiträge waren. Es gab zwei Situationen, in denen ich nicht auf der gleichen Spur war wie Arnina. Und die Art, wie sie dann für IHRS ging, war so liebevoll und komplett ohne Backlash, ohne dass bei mir auch nur im entferntesten so etwas wie Unmut von ihr über die „Störung“ oder Stirnrunzeln über meine Fehldeutung ankam – das gehört sicher zu einem der größten Erlebnisse in meinem Leben. Ich glaube, so ungefähr fühlt sich bedingungslose Annahme an. Ooooohhhh! Da möchte ich auch hinkommen! Das möchte ich meinen Teilnehmern auch schenken können!

Zum einen hat das sicher mit meinen eigenen Filmen zu tun: What are you telling yourself? Welche Geschichten erzählst du dir? Das war eine der Kernfragen in diesem Workshop. Und das Gegengift zur Eigenlähmung lautet: „Ich höre mich selbst zu mir sagen…“ Die Geschichten, mit denen wir aufgewachsen sind, die Definitionen dessen, wie wir zu sein haben oder wie wir sind. Ich bin beispielsweise mit der Botschaft aufgewachsen, ich sei „stinkefaul“. Und wie ja neulich bereits berichtet, künstlerisch komplett unbegabt. Wisst Ihr, was ich in diesem Workshop getan habe? Ich habe 2,5 Tage an der Flipchart mit protokolliert. Ich kann selbst noch gar nicht fassen, was ich da gemacht habe! Das Gehirn habe ich noch abgemalt von einer Grafik aus dem Internet. Aber meine anderen Illustrationen entstanden freihändig, verbunden mit einer gehörigen Portion Scham und der Selbst-Versicherung: Anything worth doing is worth doing poorly. Den Satz habe ich aus einer Erzählung von Marshall aufgeschnappt und es geht darum, dass man nicht Sachen unterlassen soll, nur weil man sie vermeintlich nicht „gut“ macht. Jemand, der anfängt Klavier zu spielen, spielt anfangs „poorly“ im Vergleich zu einem Konzertpianisten. Sollte er es deshalb gar nicht erst versuchen? Ich kann es nicht gut, also mache ich es nicht? Das wäre „altes Denken“ und davon möchte ich mich verabschieden.
So versuchte ich mich an einem Elefantenkopf, an einem Stoppschild, Messer und Gabel (Rechtfertigungen und Erklärungen füttern die Schuldgefühle) und einer Illustration, wie man einem Hund und sich selbst Einfühlung geben kann. Ich habe ungefragt eine wichtige Rolle in diesem Workshop übernommen und es war – unbeschreiblich. Heute Morgen bekam ich dazu von einer Seminarteilnehmerin eine Rückmeldung:

ich bin so dankbar über deine Seminarmitschrift. Üblicherweise bin ich eine „dauernd Mitschreiberin“ und diesmal hatte ich die Gelegenheit meine Hände ruhig zu halten und mich auf ganz andere Dinge zu konzentrieren ohne „mitzuschreiben“.
Das war eine großartige Erfahrung und vermutlich hätte ich nicht gedacht, dass es für mich doch so einen großen Unterschied macht. Also vielen Dank, dass ich das durch deine Unterstützung erleben konnte.
Gleichzeitig bewundere ich deine Ruhe und gleichmäßige Schrift, ich wünschte ich könnte dies auch über 2 1/2 Tage schaffen.
Es hat mir Spaß gemacht bei deinem Kunstwerk zusehen zu können und ich konnte teilweise erleben, welche Inputs von Arnika dich besonders berührt haben. Du bist dann „aufgesprungen“ und hast manches so passend für mich in deinen Worten niedergeschrieben. Ja so ging es mir damit. Danke

Arnina bat mich (und Matthias), ob wir diese deutschen Sätze von den Flipcharts für sie übersetzen könnten. Und in der Abschlussrunde teilte sie, dass sie fast ihr ganzes Leben damit zu tun hatte, „nichts zu wissen“. Und nun, als alle Wände des Seminarraums zugepflastert waren mit quietschbunten Flipcharts, werde ihr (noch mal) ganz deutlich, wie viel sie wisse… Da haben sich wohl an diesem Wochenende zwei gesucht und gefunden…

Jetzt sitze ich hier vor 13 Seiten „Perlen der Weisheit von Arnina Kashtan“ und habe damit wunderbares Futter für den Blog für die kommenden Tage. Ich bleibe dran, versprochen. Und für alle, die es irgendwie einrichten können, die dringende Empfehlung: Geht nach Berlin!

So long!

Ysabelle

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