Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Verantwortung den Gift-Zahn ziehen

Hallo Leute!

Ysabelle hat heute einen Artikel unter der Überschrift „Ich war’s“ gepostet, in dem es darum geht, Verantwortung zu übernehmen. Die Idee gefällt mir, doch an der Sichtweise der Kirchen gibt es einiges, was mich stört und was meiner Meinung nach besser auseinandergehalten wird. Ich hoffe, dass dieser Text von mir, den ich vor einigen Monaten angefangen und leider bisher nicht beendet habe, zur derzeitigen Diskussion über V. beitragen kann.

Arno Gruen, ein bekannter Psychoanalytiker, sagte einmal sinngemäß, dass Sprache nicht nur die Aufgabe hat, unsere Wahrnehmungen zu kommunizieren. Vielmehr wird durch unsere Sprache unser Denken geformt und auf diese Weise auch unsere Wahrnehmung. Wie ich die Welt sehe und über sie denke hängt also davon ab, welche Begriffe ich benutze, um sie zu beschreiben.

Zum Erlernen der GFK gehört für mich, meinen Wortschatz durch neue Formulierungen zu bereichern, alte auszumisten oder neu zu betrachten um mir ein stimmigeres Bild von den Vorgängen um mich herum zu malen. Eines dieser Wörter ist Verantwortung.

Ich bin für mich und meine Taten verantwortlich, nicht dafür, wie sie bei anderen Leuten ankommen. Andere Leute sind für ihre Taten verantwortlich, nicht für die Gefühle, die sie bei mir auslösen. Soweit alles noch GFK-Basiswissen, schnell gelernt, noch schneller dahingesagt.

Aber was genau bedeutet es für mich, Verantwortung zu übernehmen?

Besteht in der GFK ein Unterschied zu dem, was wir lebenslang gelernt haben?

Ich glaube Erich Fromm hat geschrieben, dass Verantwortung mit antworten zu tun hat. Ich kann zum Beispiel auf meine Umwelt antworten indem ich mich für ein bestimmtes Verhalten entscheide. Ich kann auf die Frage nach den Gründen meiner Handlung antworten. Insofern stehe ich zu mir und meinen Entscheidungen und übernehme dafür die Verantwortung.

Überwiegend scheint aber eine ganz andere Bedeutung hinter dem Wort zu stehen. In unserem gängigen Sprachgebrauch wird leider kaum zwischen Verantwortung, Pflicht und Schuld unterschieden.

Wikipedia schreibt zum Beispiel : „Der Begriff ist das Substantiv zu ‚verantworten’ von mittelhochdeutsch ‚verantwürten’ mit der ursprünglichen Bedeutung ‚sich als Angeklagter vor Gericht verteidigen’“.

In Sätzen wie „Übernimm endlich Verantwortung!“ oder „Der Schuldige wurde zur Verantwortung gezogen“ steckt also einiges mehr drin.

Oft geht es hinter den Worten in Wirklichkeit darum, zu gehorchen und seine Pflicht zu erfüllen, manchmal auch darum, den „Mut“ aufzubringen, eine Strafe für Ungehorsam, Fehlverhalten oder Regelbrüche zu akzeptieren. Womit in Wahrheit natürlich gemeint ist, sich wieder der Macht anderer zu beugen. Folgende Sätze aus der Fasten Mail machen das wie ich finde sehr deutlich: „Wer sich traut, „Mein Fehler“ zu sagen und um Entschuldigung zu bitten, ist stark. Auch wenn man zunächst Kritik auszuhalten hat – am Ende erntet man Respekt.“

Spürt mal bei euch selber nach, welche Nebenbotschaften für euch in solchen Sätze enthalten sind. Was bedeutet es für euch, wenn ihr sie lest?

Ist Verantwortung für euch eher angenehm oder unangenehm besetzt?

Wichtig ist mir hierbei nicht einfach sprachliche Genauigkeit um des klaren Ausdrucks willen. Es geht vielmehr darum, überhaupt  die nötigen Worte zu haben, um über wichtige Prozesse nachdenken zu können. Solange ein Wort wie Verantwortung mehrfach mit Bedeutungen aufgeladen ist (Schuld, Pflicht, Gehorsam, …) ist es schwer, nur über eine einzelne Sinnschattierung zu sprechen und nachzudenken. Die anderen Bereiche, insbesondere in unserem Gefühlsgedächtnis, werden von unserem Gehirn immer gleich mit aktiviert .

Nun sind Pflicht und Schuld sehr unangenehme Konzepte, weil sie u.A. die Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und Unversehrtheit beeinträchtigen. Wenn unser alltäglicher Sprachgebrauch also diese Prozesse vermischt, so dass wir nicht mehr klar unterscheiden können, was genau gemeint ist, wird es verständlich, wieso viele diesen Stricken aus dem Weg gehen und lieber keine Verantwortung übernehmen wollen. Wer möchte schon gerne bestraft werden?

So gesehen ist es ein verführerischer Gedanke, jemand anderem die Verantwortung (Schuld) für mein Handeln zu übertragen, damit ich nicht bestraft werde. Die Logik ist bestechend, denn wie sollte ich für etwas belangt werden, was ich gar nicht frei entschieden habe, ja, nicht frei entscheiden konnte, weil ja jemand anders seine Finger mit ihm Spiel hatte. „Die Frau die du mir gabst, sie gab mir von der Frucht und so aß ich“, mit diesen Worten hat schon der biblische Adam versucht, der Strafe eines autoritären Gottes zu entgehen.

Weite Teile unseres Rechtssystems basieren darauf, die Verantwortung für das eigene Handeln abzugeben um nicht schuld zu sein, nicht bestraft zu werden.

In einem System, das ohne Strafe und Belohnung auskommt wäre es also wesentlich leichter, die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Mit dem System, das wir vor unserer Haustür vorfinden, haben wir leider nicht dieses Glück. Deswegen ist es meiner Meinung nach wichtig, Verantwortung von Schuld zu trennen.

„Ich habe dies und das gemacht und stehe dazu, ich hatte gute Gründe dafür und es war kein Fehler sondern in der Situation voll und ganz angebracht. Deswegen verdiene ich auch keine Bestrafung und brauche keine Vergebung oder Gnade von außen. Ich kann aus den Folgen meiner Handlung lernen und behalte die Macht über mein eigenes Leben.“

Wenn man sich erst einmal klar vor Augen führt, was es bedeutet, gibt es noch viele weitere gute Gründe dafür Verantwortung zu übernehmen. Und hoffentlich findet ihr in eurem Leben Strukturen vor, die es zulassen und unterstützen.

Und wenn es euch nicht gelingt zu sagen „Ich war’s“ könnte es spannend sein, zu schauen, was euch davon abhält.

Markus Castro

Eine kleine Geschichte (Von Markus)

Hallo ihr Lieben!

Heute gibts von mir mal wieder eine kleine Geschichte über Einsamkeit, innere Anteile, … ich hoffe ihr habt Freude am Lesen!

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Streetlife

Ich schleppe mich zitternd vorwärts, versuche der Eiseskälte zu trotzen.

Dicke weiße Schneeflocken fallen seit Stunden vom Himmel und hüllen die Stadt in einen hellen Mantel der alle Geräusche zu dämpfen scheint. Mein Atem kondensiert sofort in der frostigen Nachtluft, ich kann mit jedem Ausatmen sehen, wie mir ein Stück Wärme entgleitet. Meine Zehen spüre ich in meinen viel zu großen Stiefeln schon eine ganze Weile nicht mehr, sie sind undicht und bieten kaum Schutz gegen den Winter. Auch meine Kleidung taugt kaum um mich am Leben zu halten, ein Haufen dünner, verschmutzter Lumpen die an meinem ausgemergelten Körper schlaff herabhängen und kaum einem Windstoß standhalten können.

Ich versuche mich wach zu halten, laufe die dunklen Straßen auf und nieder um in Bewegung zu bleiben. In einer Nacht wie dieser kann es dein Tod sein, auf offener Straße einzuschlafen. Für einen Moment überlege ich, in die Mission zu gehen. Manchmal kannst du Glück haben und sie haben einen warmen Teller Suppe für dich übrig, an ganz besonderen Tagen vielleicht sogar einen Platz zum Schlafen.

„Aber heute nacht wird mir das Schicksal sicherlich nicht hold sein“, denke ich mir. „In einem solchen Sturm suchen selbst die härtesten Berber Unterkunft, wenn sie es sich nicht unter ihren Brücken einigermaßen geschützt eingerichtet haben, und da wird kaum ein Bett für mich übrig geblieben sein“.

Ich verwerfe den Gedanken und gehe weiter die erleuchtete Haupstraße entlang. Meine Finger sind in meinen abgeschnittenen Handschuhen zu blauen Stumpen erfroren, ich versuche, sie zu bewegen damit sie nicht absterben.

„Wenn ich wenigstens eine Decke hätte, oder mich rechtzeitig um einen Schlafplatz gekümmert hätte“, geht es mir duch den Kopf. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass es Ende Oktober bereits so stürmisch und kalt werden würde. „Vielleicht werde ich auf meine alten Tage auch langsam weich, schließlich ist das nicht mein erster Winter auf der Straße“, denke ich mir.

„Na Immerhin hast du eine lebenslange Erfahrung darin, nicht zu sterben. Also halt durch!“, versucht meine Zähigkeit mir Mut zuzusprechen.

Nach einigen hundert Metern komme ich am hell erleuchteten Rathaus vorbei. Im Innern findet gerade eine Art Ball statt, ich sehe einen Haufen schick gekleideter Tänzer in Masken wie sie sich umeinander drehen. Es geht hoch her, sie scheinen sich köstlich zu amüsieren. Ich kann nicht umhin, meine Nase an der Fensterscheibe plattzudrücken. Was ich sehe verschlägt mir beinahe den Atem: Eine riesige Festtafel, bestimmt zwanzig Meter lang, opulent gedeckt mit Speisen die ich seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen habe.

Spanferkel, Weintrauben, Käseplatten und Suppenterrinen soweit das Auge reicht. Unwillkürlich läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich schließe kurz die Augen, um wieder zur Besinnung zu kommen.

„Genau das hast du immer verabscheut!“ rede ich mir ein. „Dekadente Schweine wie dieser Geldadel da drinnen sind der Grund, warum du überhaupt erst auf die Straße gegangen bist. Guck sie dir nur an, mit ihrem verlogenen Lachen, ihrer unehrlichen Heiterkeit und ihrem gespielten Getue“.

Die Worte erklingen in meinem eigenen Kopf, und doch erscheinen sie mir irgendwie hohl, unehrlich. All die Jahre als Ausgestoßener der Gesellschaft habe ich gewußt, dass ich solche Menschen verachte. Es war eine meiner tiefsten Überzeugungen. Aber tiefempfundene Überzeugungen neigen dazu, weniger fundamental zu wirken, wenn sie einen an den Rand des Erfrierungstodes bringen.

Durch die Scheiben sehe ich, wie die Gäste sich vor Hitze Luft zufächeln und an ihren Gläsern nippen um mit der Wärme klar zu kommen. Plötzlich ertappe ich in meinem Herzen den Wunsch dazuzugehören. “Es müsste ja nicht einmal so ein ete petete Edelschuppen sein. In eiskalten Nächten wie diesen würde es mir schon vollkommen genügen, einen Ort zu haben, wo ich mich ein bisschen aufwärmen könnte. Vielleicht einen Teller warme Suppe oder eine Ecke zum schlafen, mehr bräuchte ich doch gar nicht.“

Diese Stimme erklang schwach, kaum wahrnehmbar in meinem Herzen, wie ein zu leise gedrehtes Radio, so dass ich zunächst Schwierigkeiten hatte, die Worte wahrzunehmen.

Plötzlich schweifen meine Gedanken ab, in meinem Kopf dreht sich das Rad der Zeit um Jahre zurück und sucht, sucht nach dem Punkt, an dem alles begann, sucht nach der Entscheidung, die mich zum Außenseiter machte, dem Tag, an dem ich mein altes Leben verließ und statt dessen ein Leben in der Gosse wählte.

Ich weiß, dass irgendwo so ein Tag existieren muss, zumindest theoretisch. Genauso wie die Unterschiede zwischen Arm und Reich theoretisch irgendwann einmal begonnen haben müssen.

Aber die Suche ist zwecklos, denn meine Erinnerung kann sich nicht besonders gut unter all den anderen Stimmen behaupten und weiß kaum mehr etwas von meinem alten Leben zu berichten. Hatte ich Familie? „Ich kann nicht einmal mehr sagen, ob du einst eine Frau hattest, die du verlassen hast, wer dich groß gezogen hat oder ob du einmal einen Beruf erlernt hast“.

Mir scheint als wären in meinem Dachgeschoß etliche dunkle Zimmer in denen ich nicht nur das Licht ausgeschaltet habe sondern sie vorsorglich noch mit Brettern vernagelt und zugemauert habe.

„Aber angenommen, nur mal angenommen, es gäbe ein Leben vor der Straße“, denke ich mir. „Sicher gab es gute Gründe, es aufzugeben, wie auch immer sie in Wahrheit aussehen mögen. Aber gibt es nicht auch genug gute Gründe, das Leben auf der Straße wieder aufzugeben?“

Meine Gewohnheit antwortet schnell mit einem entschiedenen NEIN, aber wer hat sie eigentlich zum Boss bestimmt?

Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin beneide ich die Menschen dort im Rathaus.

„Ich stehe hier halb verhungert in der Eiseskälte und kämpfe mit dem Tod während ein paar Meter von mir entfernt das Leben tobt und die schönsten Speisen aufgetischt werden.“

Sterben aus Gewohnheit? Nein Danke.

„Ok,“ meldet sich da eine weitere Stimme in meinem Kopf, „mag ja sein, dass sie es warm und gemütlich haben, aber sieh dir ihre Augen an. Viele von ihnen sind leerer und ausgebrannter als du es je warst. Willst du wirklich so enden?“ fragt mich meine Skepsis, und ich muss ihr zumindest ein gutes Argument zugestehen. Wahrscheinlich würde ich mich dort drinnen tatsächlich unwohler fühlen als hier draußen, zumal es wohl äußerst unwahrscheinlich wäre, dass sie einen zerzausten Straßenpenner wie mich auch nur in die Nähe der Türen lassen würden.

„Aber wie wäre es denn mit einem Kompromis? Vielleicht kann ich ja essen und es warm haben, ohne mich selbst aufzugeben.“ Ich bin selber überrascht darüber, so zu denken, denn bisher habe ich so einen Mittelweg nicht einmal in Betracht gezogen.

„Ganz oder gar nicht“ , das war immer schon mein Motto soweit ich zurückblicken kann, aber das ist ja wie bereits erwähnt nicht besonders weit.

Aber andererseits, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Ich kann ja nicht ewig Sklave meiner Vergangenheit bleiben.

Und vielleicht ist es ja mal wieder Zeit für Veränderung – ich merke wie meine Gewohnheit entsetzt aufschreit. „Ok ok, langsame Veränderung. Aber ich denke wir sind uns alle einige, dass etwas geschehen muss, wenn wir den Winter überleben wollen, oder?“ Zustimmendes Murmeln und Raunen in meinem Kopf.

Während ich mich langsam wieder vom Rathaus entferne um in Bewegung zu bleiben reift in mir auch langsam der Entschluss, mich vom Leben auf der Straße wieder zu verabschieden. Langsam natürlich…vielleicht fange ich an, indem ich zur Mission gehe und doch nach einem Schlafplatz frage? Oder ich könnte mich um ein paar neue gebrauchte Sachen kümmern um nicht herumzulaufen wie eine Vogelscheuche.

Wer weiß, auf was für Ideen mein Hirn noch kommt, wenn ich ihm mal wirklich zuhöre.

Markus


Der Weg vor mir ist dunkel und unbekannt,

doch das war der Weg hinter mir bis gestern auch

–        Früchte des Zorns

Free Hugs

Hallo Leute!

Ich habe grade auf  Sein.de ein wunderschönes Video gefunden, dass ich gerne mit euch teilen möchte!

Wärend ich es sehe kommen mir die Tränen, obwohl es eigentlich ein sehr schlichtes Video ist, aber es spricht meine Sehnsucht nach Geborgenheit und einer besseren Welt an…wie mit einer einfachen kleinen Geste schon so viel erreicht werden kann!

PS: Leider klappt es mit dem einbinden nicht so wie ich möchte, deswegen klickt einfach das Video oder die Seite an.



Markus

GFK Cartoons


Hallo ihr Lieben!

Vor ein paar Wochen bin ich auf die Seite von Sven Hartenstein gestoßen. Er hat einige herrlich treffende Cartoons zur GFK auf deutsch und englisch (finde ich persönlich bissiger) veröffentlicht, die mir die Tränen in die Augen getrieben haben!

Ich hoffe ihr könnt genauso drüber lachen 😀


Markus

Neuer Wein in alten Schläuchen

Hallo ihr Lieben!

Seit einigen Tagen versuche ich mich an einem Text für dieses Blog, der einfach nicht fertig werden will. Ich hatte eine relativ klare Vorstellung, worüber ich schreiben wollte: Es sollte um Sackgassen gehen, in die man beim Erlernen der GFK tappen kann, typische „Anfängerfehler“ wenn man so will, und was ich aus ihnen gelernt habe, bzw. wie man sie vermeiden kann.

Was soll ich sagen, ich habe es geschafft ungefähr 5 Zeilen zu schreiben, bevor mir die Luft ausging. Jedes mal, wenn ich mich an diesen verflixten Text gesetzt habe war praktisch sofort die Lust weg, ohne dass ich den Grund dafür ausmachen konnte. Heute ist mir endlich ein Licht aufgegangen, warum ein Teil von mir diesen Text nicht schreiben wollte und mich so vehement davon abhielt. Also schreib ich doch lieber darüber!

Ich bin in einem sehr religiösen Kontext aufgewachsen und habe zwei Jahrzehnte lang gelernt in Begriffen von gut und böse, richtig und falsch, Sünde und Moral zu denken. Dauernd durfte ich mir Predigten über Liebe anhören, die eigentlich etwas ganz anderes aussagten.

Die ständigen Ermahnungen sind natürlich nicht ohne Folge geblieben, ich habe sie ziemlich gründlich verinnerlicht. Das Resultat davon war, dass ich letztendlich Bewertungen und Schubladendenken gelernt habe. Sobald ich Menschen eine Weile lang kenne setzt sich in meinem Kopf ein Automatismus in Gang, der sie in kleine Formen pressen möchte.

Ist dieser Mensch guter Umgang? Kann ich mich gefahrlos mit ihm unterhalten? Oder muss ich aufpassen, weil  er vielleicht irgendwelche Fehler an sich hat die er erst mal abstellen sollte? Vielleicht kann ich ihm sagen wo er falsch liegt, ihn in seinem Denken korrigieren?

Leider habe ich tief in mir drin die Vorstellung eingeprägt, dass Fehler etwas schlechtes sind, dass sie nicht sein dürfen und ich sie unter allen Umständen vermeiden muss. Diesen inneren Perfektionisten kennen bestimmt einige unter euch, und dank eines ausgefeilten Trainings findet er auch bei allen anderen etwas zu kritisieren, egal wie sie innerlich eingestellt sein mögen oder wie viel sie schon gelernt haben.

Ursprünglich war das wohl eine Reaktion auf den Glaubenssatz, dass andere Menschen es nicht gut mit mir meinen. Daher die Angst, mich auf jemanden „schlechten“ einzulassen, Menschen die ich lieber meiden sollte um nicht negativ beeinflusst zu werden.

Und dann kam die GFK daher und schlug ein wie eine Bombe. Als ich das erste Mal mit einem Buch darüber in Berührung kam hätte ich mir nie träumen lassen, was sie mit mir anstellen würde, sonst hätte ich es wahrscheinlich nie gelesen. Aber meine Einstellung hat sich geändert und in 2 ½ harten Jahren habe ich soviel von diesem moralisch bewertenden Denken aus meinem Kopf gestrichen wie ich nur konnte. An Stelle dessen versuche ich eine liebevolle Einstellung zu setzen, die anderen Menschen gegenüber aufgeschlossen ist. Auch wenn noch viel zu tun ist weiß ich doch endlich wo ich hin will und wie sich wirkliche Liebe anfühlt.

Tja, und dann kommt mir plötzlich die Idee für diesen Text über Fehler beim Lernen der GFK und wie man sie vermeidet. Oh, natürlich hätte ich das ganze anders umschrieben. Ich hätte nicht von Fehlern gesprochen, oder über etwas schlechtes das man vermeiden sollte. Die Ausdrucksweise der GFK kenne ich gut, ich hätte bestimmt keine verpönten Worte wie „Fehler“ oder „sollte“ benutzt (ja, auch die GFK muss manchmal für moralische Urteile herhalten…).

Aber Fakt ist, der Text wäre vom selben Geist geprägt gewesen wie die religiösen Artikel von früher, bei denen ich heute laut aufschreien möchte: Ich habe das Licht gesehen und jetzt ist es meine Aufgabe euch zu zeigen wo’s langgeht. Also seid gefälligst dankbar dafür, dass ich meine Weisheiten mit euch teile!

Ich habe mich ganz schön erschrocken, als ich das festgestellt habe, denn unter anderem sollte es in meinem ursprünglichem Text um genau diesen Falle gehen: Mit schönen neuen Worten alte überkommene Gedanken verpacken. Ich habe deswegen sogar die Überschrift beibehalten.

Ein Teil von mir hat das gemerkt und sich dagegen gesträubt, den belehrenden Zeigefinger zu erheben. Ich bin froh darüber, dass sich dieser Anteil von mir Gehör verschafft hat ohne mich zu kritisieren oder so, einfach durch passiven Widerstand. Und ich möchte feiern, dass ich den neuen Text ohne inneren Widerstand schreiben kann, voller Freude darüber, etwas mit ein paar Lesern teilen zu können und dadurch vielleicht einen bereichernden Beitrag zu leisten.

Ich möchte die Balance finden zwischen diesen beiden Teilen von mir, dem der bereits gelernt hat und nicht dieselben Fehler immer wieder machen möchte, und dem der die Erlaubnis haben möchte, neue Fehler machen zu dürfen. Denn davon wird der erste Teil klüger.
Von meinen Fehlschlägen, Umwegen und schmerzhaften Erfahrungen konnte ich bisher das allermeiste im Leben lernen. Gestern waren es die besten Entscheidungen, die ich treffen konnte, heute kenne ich die Auswirkungen und suche nach neuen Strategien die weniger kosten.

Der entscheidende Punkt ist der, dass ich diese Umwege nicht auslassen konnte. Selbst wenn ich zum Beispiel ein paar Jahre eher, zu meinen gewaltsamsten Zeiten, von der GFK erzählt bekommen hätte, ich hätte nichts von meinen Erfahrungen auslassen können. Ich wäre noch nicht bereit dafür gewesen. Und ich möchte anderen erlauben, dieselben Umwege zu machen wie ich, ohne über sie zu urteilen. Denn auch wenn sich dieser pädagogische Irrglaube noch in vielen Bereichen hält, durch Ratschläge und Ermahnung lernt man praktisch nichts.

Deswegen werde ich weiter Fehler machen und genau dasselbe Recht möchte ich auch jedem anderen Menschen geben. Wenn ich helfen kann möchte ich natürlich einen Beitrag zu einer schöneren Welt leisten, aber das heißt nicht, dass keiner mehr die Fehler machen darf, die ich vielleicht schon hinter mir habe. Es bedeutet, dass ich lernen möchte, jeden einzelnen Menschen lieb zu haben, ihn nicht in seiner Entwicklung zu bewerten oder an meinen Einstellungen zu messen. Ich möchte das Vertrauen pflegen, dass jeder Mensch sein Bestes gibt.

Markus

“Wenn etwas wert ist, getan zu werden, dann lohnt es sich auch es schlecht zu tun!” Marshall

Der Nomade

Hallo ihr Lieben!

Vor ein paar Jahren habe ich diese kleine Geschichte geschrieben, die ich nach wie vor sehr spannend und aktuell finde. Ich möchte gar nicht viel dazu sagen, würde mich aber sehr über Kommentare freuen, weil man sehr viel hineinlesen kann.

Wie geht es euch mit diesen Zeilen? Findet ihr euch darin wieder? Welche Assoziationen weckt der Text in euch?

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Markus

Der Nomade

Hinter mir erstreckt sich eine kahle Eiswüste, soweit mein Auge reicht. In dieser unwirtlichen Tundra können sich nur die härtesten und zähesten Gewächse behaupten. Manchmal regnet es für Wochen nicht, oder die Sonne entscheidet sich, ein halbes Jahr lang woanders zu scheinen. Die Temperaturen können hier innerhalb von 24 Stunden so ruckartig fallen, dass unachtsame Tiere schon in Eisblöcke gefroren wiedergefunden wurden. Wolfsrudel die sich vielleicht niemals in die Nähe einer Zivilisation wagen würden, finden hier so wenig Futter, dass ihre zerlumpten und ausgemergelten Jäger vor nichts halt machen, sie würden weder eine Maus verschmähen noch vor einem Mammut Angst haben. Also alles in allem nicht gerade eine Gegend, in der man gerne wohnen würde.

Die wenigen menschlichen Siedlungen auf die man dann doch vereinzelt stoßen kann haben alle ihre eigene Methode entwickelt, um mit diesen Bedingungen umzugehen. Manche bilden lose Verbünde, unterstützen sich gegenseitig bei der Jagd oder Nahrungssuche, ohne sich jedoch auch nur im mindesten einander anzunähern. Jeder ist sich selbst der Nächste heißt es. Diese Bündnisse zerfallen meistens noch schneller, als sie entstanden sind, wenn einer daraus einen persöhnlichen Vorteil ziehen kann.

Dann gibt es die Eremiten, zähe Einsiedler die ihre Nische gefunden haben und irgendwie zurechtkommen. Sie vermeiden die Jagd und leben eher von dem, was sie der Natur durch ihre Schläue abtrotzen. In Höhlen gezüchtete Pilze, essbare Farne, seltene Vogeleier – sie wissen oft ganz genau, wie sie in dieser lebensfeindlichen Welt überleben können. Ich habe schon von einem Jungen gehört, der drei Jahre in einer Höhle überlebt hat indem er die moosigen Wände abgeleckt hat. Ich selbst habe einige dunkle Monate auf ähnliche Weise zugebracht, deswegen kann ich auch aus Erfahrung nicht viel gutes berichten. Ich habe existiert, überlebt, dahinvegetiert – bessere Bezeichnungen fallen mir für diese Zeit nicht ein.

Schließlich gibt es noch die Wanderer, Nomaden wenn man so will. Sie haben irgendwann die Entscheidung getroffen, dass es nicht schlimmer kommen kann, selbst wenn sie in einer Talsenke von Wölfen zerrissen würden. Oft entstammen sie den bereits erwähnten Zweckverbünden, dann erregt ihr Weggang keinerlei Aufsehen, oder sie lebten in den noch selteneren Großfamilien.

In diesen Patriarchaten herrschen Tradition und Strenge. Einige wenige profitieren von uralten Gesetzen die, wie in Stein gemeißelt, das Geschick der Sippe bestimmen. Der Rest fürchtet sich vor dem Zorn der Götter oder dem Ausschluss aus dem Stamm, vielleicht hoffen einzelne, selbst einmal das Zepter in die Hand zu nehmen oder sie wurden mit ähnlichen Versprechen nach Macht geködert.

Aus diesen Sippen gibt es kein einfaches Weggehen. Jedes Mitglied wird gebraucht um nicht zu sagen benutzt, jeder ist vom Anderen abhängig und auf eine gewisse Weise unentbehrlich. Deswegen sind es nur ganz wenige und zumeist junge Leute, die es wagen aus diesen menschlichen Teersümpfen auszubrechen. Sie haben erkannt, dass das Leben mehr zu bieten haben sollte als Dienen und schuften. Sie klammern sich an den naiven Glauben, dass die Sonne irgendwo mehr Kraft besitzt als hier in der Steppe. Und sie haben irgendwann angefangen, den Zweifeln Raum zu geben. Den Zweifeln an der Unfehlbarkeit des alten Greises an der Spitze. Den Zweifeln an der Gottgewolltheit der Traditionen und des Schicksals.

Sie glauben nicht mehr länger daran, dass hinter den Bergen die Welt aufhört und es nichts gibt, was sie dort finden könnten. In den meisten Fällen ist ihre Sippe irgendwann mit einem anderen Nomaden in Kontakt gekommen, vielleicht hatte er sogar das Glück, nicht als Dämon gesteinigt zu werden. Und ob er nun dieselbe Mundart beherrschte oder nicht, er pflanzte in diesen jungen Leuten Zweifel.

Er war von „außerhalb“, das alleine war schon unerhört, wo doch jeder wußte, dass es außerhalb der Sippe nur Barbaren und gottlose Dämonen gab, vielleicht noch ab und zu wilde Tiere aber sicher keine menschlichen Wesen. Wenn sich die Ältesten nun in diesem Punkt irrten….

So fing der Zweifel auch in mir zu wachsen an. Neben meinen festverwurzelten Überzeugungen an die Tradition, die Gemeinschaft und die herrschende Autorität fing ganz langsam, zunächst sogar von mir selber unbemerkt, die Saat des Zweifels an ihre Wurzeln der Vernunft zu treiben und zu blühen.

Irgendwann war es mir unmöglich, das Versteckspiel länger mitzumachen. Bei den wöchentlichen Rezitierungen der unfehlbaren Tradition durch unseren allweisen Führer schrien plötzlich fremde Gedanken so laut in mir, dass ich Angst hatte, alle um mich herum würden es hören. Dennoch dauerte es sehr lange, bis ich den Mut fand, diesen neuen Stimmen Gehör zu schenken. Was sie mir zu sagen hatten war so unfassbar und so radikal neu, genausogut hätten sie mir weißmachen können, oben wäre unten oder ich würde in Wirklichkeit seit meiner Geburt schlafen und mir mein Leben nur erträumen.

Und in der Tat waren die Stimmen von ganz ähnlicher Qualität. Nun würden bestimmt viele diese Stimmen Lügen strafen und ihnen nicht weiter zuhören. Ich war versucht, ebenso zu tun. Aber etwas in mir zögerte. Irgendeinem Teil von mir war bereits bekannt, was diese neuen Stimmen sagten und es fühlte sich auf eine nicht zu beschreibende Art vertraut an.

Vielleicht taugt dieses Beispiel: Stellt euch vor, ihr wärt unter lauten Farbenblinden aufgewachsen. Schwarz, Weiß und vielleicht Grau sind die einzigen Schattierungen, in denen alle um euch herum denken, das einzige, von dem sie euch erzählen. Und plötzlich kommt jemand und nennt euch alle Farben des Regenbogens, betrachtet mit euch einen Sonnenuntergang oder die einzige Blume in tausend Meter umkreis. Und das diffuse Gefühl, das ihr schon seit eurer Kindheit mit euch herrumtragt, wird plötzlich zu einer Gewißheit. Ihr lernt, eurer eigenen Wahrnehmung zu trauen und nicht mehr den verkrüppelten Vorstellungen der halbtoten um euch herum. Ihr lernt, Farben selbst in den endlosen Eiswüsten zu erblicken, das Licht zu betrachten, das sich in schmelzendem Eis bricht, die Schönheit des Lebens statt das aschfahlem Grau des Todes zu entdecken….wenn ihr begreift, wie sich dieser Prozess anfühlt, dann könnt ihr erahnen, wie es mir erging.

Es dauerte noch sehr lange, bis ich mich traute, aus der Gemeinschaft fortzulaufen. Es war nicht ungefährlich, da Verräter bei uns normalerweise zu ihrem eigenen Besten gesteinigt und verbrannt werden – auf diese Weise wird ihre unsterbliche Seele gerettet vor dem, was der erkrankte Körper ihr durch seinen Verrat antun würde.

Da ich an meinem Körper sehr hänge, beschloss ich, heimlich fortzugehen. Als die anderen schliefen stahl ich mich davon mit ein paar gestohlenen Vorräten und sonst nur dem, was ich an Lumpen am Leibe trage. Ich kann nicht sagen, wie lange meine Flucht nun schon dauert. Mein Gedächtnis sagt mir, dass ich noch keinen Sonnenzyklus lang unterwegs bin, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich schon mein ganzes Leben lang laufe.

Die letzten Wochen habe ich damit zugebracht, ein steiniges Gebirge zu überqueren. Einmal wäre ich fast in eine Eisspalte gerutscht, aus der es alleine kein Entkommen gegeben hätte, aber die Götter waren mir wohl noch einmal gnädig. Ich habe inzwischen soviel abgenommen, dass ich wahrscheinlich als wandelndes Gerippe durchgehen würde, sofern ich überhaupt jemals wieder auf Menschen treffen sollte. Vor Hunger plagen mich manchmal Halluzinationen die für mich realer sind als alles andere. Und an einem scharfen Felsen habe ich mein Bein aufgeschnitten das mir jeder Schritt schmerzt.

Aber wie ich diese Zeilen in mein Tagebuch schreibe sitze ich hier unweit des Gipfels und werde für alles entschädigt.

Vor mir fallen die Berge steil ab und zu ihren Füßen beginnen Gewächse die scheinbar endlos reichen. Ein Grün bedeckt den Boden dass ich bisher nie erblicken durfte, am Rand meines Blickfelds sehe ich übermannshohe Gewächse, braun und Grün und so lebendig das mein Herz schreien möchte vor Freude. Und in weiter weiter Ferne sehe ich Rauch aufsteigen. Rauch bedeutet Menschen, bedeutet Leben, bedeutet Wärme!

Bei diesem Anblick festigt sich erneut mein Entschluss, weiterzugehen. Ich werde diese Menschen erreichen, und wenn es das letzte ist was ich tue.

Diese Aufzeichnungen lasse ich hier in dieser Höhle zurück, einen Tagesmarsch entfernt von diesem wundervollen Anblick, in der Hoffnung, dass ein anderer junger Nomade sie finden mag. In der Hoffnung, dass sie dich bestärken mögen, weiterzugehen und nicht umzukehren. Höre auf die Stimme deines Herzens, dein Ziel ist nicht mehr weit. Und wenn du diese Aufzeichnungen ebenfalls einen Tagesmarsch zurück in die Eiswüste tragen magst, so wird vielleicht irgendwann dieses ganze gottverlassene Tal von all den armen, traurigen und erbärmlichen Menschen verlassen werden, für die dieses Gefängnis jetzt noch die ganze Welt darstellt.

Wer weiß, vielleicht werden wir uns jenseits dieses Gebirges eines Tages begegnen, in einer freien und freundlicheren Welt.

Vielleicht werde ich sogar irgendwann die Kraft haben, in das Tal zurückzukehren um von meiner Reise zu berichten, in der Hoffnung, Gehör zu finden und weitere Blumen in offene Herzen auszusäen.

6. September 2008

Gewidmet allen Zweiflern die ihren Sinnen trauen wollen!

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Ich-Treue und Du-Treue

Hallo ihr Lieben!

Als ich heute die Tagesmeditation von Ysabelle gelesen habe musste ich an meine eigene Situation denken. Vor ein paar Monaten stand ich vor einer sehr wichtigen Entscheidung. Es ging im Wesentlichen um eine tiefgreifende Veränderung in meinem Leben, die viele in meinem Umfeld schockiert hat.

„Wie kannst du nur heute so ganz anders denken, wenn du dich doch damals aus freien Stücken für diesen Weg entschieden hast. Wie kannst du jetzt guten Gewissens sagen, dass dein Versprechen nicht mehr gilt?“ bekam ich zu hören.

Es geht hier um nichts geringeres als um Treue, einen Wert den ich sehr hoch schätze, und um die Frage wie Treue mit Veränderung zusammenpasst. Ich fand für mich eine wichtige Unterscheidung zwischen Treue zu mir selbst und Treue zu etwas oder jemand anderem.

Ich-Treue bedeutet für mich, dass ich meinen Idealen und Werten entsprechend handle und mich so verhalte, wie ich es entsprechend dieser inneren Richtschnur als angemessen empfinde.

Du-Treue auf der anderen Seite heißt für mich, dass ich dir gegenüber ehrlich bin, dir meine Werte und die Bedürfnisse hinter ihnen zeige und versuche, mich danach auszurichten. Auf die Weise kannst du sicher sein, dass ich wirklich hinter dem stehe, was ich sage. Es kann heißen, mich mit ganzer Seele für etwas, das mir jetzt wichtig ist einzusetzen. Landläufig wird Du-Treue aber eher als Verpflichtung verstanden, alles so einzurichten, dass ich mich auch morgen noch nach dem ausrichte, was ich gestern gelobt habe. Beispiele sind die Ehe, die Religion oder die politische Einstellung.

Die Ich-Treue verletze ich in dem Moment, wo ich etwa aus Unachtsamkeit etwas sage oder mache, was nicht den Werten entspricht, die ich gerne leben möchte. Im Idealfall meldet mein Körper mir das zurück, etwa in Form von Traurigkeit und gibt mir die Chance, aus dieser Erfahrung zu lernen. Ich kann mich dann in mich selbst einfühlen und meine Bedürfnisse hinter dieser Handlung suchen um dann entweder meine Handlungen oder meine Werte zu überdenken.

(Wenn es nicht so ideal läuft werde ich mich vielleicht innerlich dafür verurteilen, „nicht nach meinen Werten zu leben“ oder etwas zu tun, was ich „nicht tun sollte“. Das kann zu einer inneren Blockade führen die meine Einsicht und Veränderung lähmt, weil ich mich dann nur noch damit beschäftige, als Angeklagter, Verteidiger und Richter über mich selbst aufzutreten.)

Mir ist nämlich wichtig, ein kohärentes, in sich stimmiges und fortlaufend mitwachsendes Wertesystem zu entwickeln. Der letzte Punkt ist für mich besonders wichtig, denn er berührt sehr entscheidend die Du-Treue. Wenn sich meine Werte entwickeln oder ändern werde ich mit dir erneut in Verhandlung darüber treten, was uns beiden wichtig ist und ob unsere bisherigen Strategien dafür noch taugen. Auf die Weise kann ich die Verbindung und die Tiefe in unserer Beziehung erhalten, die mir wichtig ist.

Äußerlich bin ich heute nicht mehr derselbe Mensch wie noch vor einigen Jahren. Um mir selbst treu zu bleiben habe ich mich verändert, ich habe neue Erfahrungen zugelassen und meine Innenwelt ist gewachsen. Mir selbst treu zu bleiben hat für mich bedeutet, frühere Entscheidungen erneut zu prüfen um festzustellen ob ich weiterhin zu ihnen stehen konnte.

Manchmal gab es fließende Übergänge, manchmal waren Erfahrungen aber auch so radikal und einschneidend, dass ich erst einmal Tabula rasa machen wollte.

Manchmal bedeutete es Anstrengung, weiterhin hinter früheren Entscheidungen zu stehen oder mich erneut für etwas anderes zu entscheiden. Immer bedeutete es innere Zwiespälte und Konflikte um abzuwägen, was von beidem angesagt war.

Hier ist die Methode der Selbstempathie wirklich ein wertvolles Werkzeug um festzustellen, was hinter den warnenden inneren Stimmen steht. (Gerhard Rothaupt hat auf seiner Internetseite einen Text zu dem Thema „Angst – Wegweiser zur Freiheit oder ins innere Gefängnis“ veröffentlicht, den ich dafür sehr hilfreich finde)

Ein Beispiel damit es anschaulicher wird:

Vielleicht sind mir Gemeinschaft und Freundschaft wichtig und ich entscheide mich dafür, Samstags mit Freunden einen Videoabend zu machen, vielleicht mögen sie alle Action und wir schauen deswegen entsprechende Filme.

Wenn ich mich nun entscheide, gewaltfrei zu leben und inneres Wachstum anzustreben, dann werden diese Werte vielleicht verletzt, wenn ich mir einen brutalen Actionfilm anschaue. Vielleicht werde ich in der folgenden Nacht Alpträume haben oder mich an einzelne furchtbare Szenen aus dem Film erinnern und unwohl fühlen.

Wenn ich diese Erfahrung ernst nehme kann ich meine Gefühle und Bedürfnisse zur Sprache bringen und habe die Chance mich zu verändern. Vielleicht erkenne ich, dass mir die Gemeinschaft mit diesen Menschen auf genau diese Art und Weise viel wichtiger ist als Gewaltfreiheit und ich ändere mein inneres Wertekonzept entsprechend. Oder wir einigen uns beim nächsten Mal auf einen sanfteren Film. Im Extremfall könnte es vielleicht sogar bedeuten, mir andere Freunde zu suchen wenn unsere Werte sich nicht in Übereinstimmung bringen lassen.

Auf diese Weise bleibe ich mir zuallererst selber treu und kann dann mit dir in Verbindung gehen.

Ich habe in der Vergangenheit die Vorstellung verinnerlicht, dass es so etwas wie feste Versprechen gibt, die unter allen Umständen eingehalten werden müssen. Diese Vorstellung berücksichtigt nicht die Dynamik im menschlichen Leben – innere und äußere Umstände ändern sich, Werte entwickeln sich, Erfahrungen kommen hinzu oder werden in neuem Licht gesehen.

Um wirklich alle Erfahrungen angstfrei und ohne vorgefertigte Meinung zu betrachten, finde ich es deswegen nützlich, die äußere Realität wie sie sich mir darstellt auch dann akzeptieren, wenn sie von dem abweicht, was ich bisher als meine innere Realität annehme. Das bedeutet für mich der erste Schritt der GFK, die Beobachtung.

Nur wenn ich treu zu mir selber stehe kann ich auch ehrlich mit dir in Verbindung treten. Wenn wir beide uns immer aufs neue darüber austauschen, was uns wichtig ist und wo wir in unserem Streben danach Überschneidungen haben, werden wir wahrscheinlich die Herzensverbindung länger halten können als wenn wir sie als unbedingte Verpflichtung ansehen. Und wir werden uns einander offen zeigen können, weil wir keine Angst haben müssen vor dem, was wir in uns spüren, wir müssen uns nicht schämen für das was wir denken, glauben oder fühlen. Wenn wir dazu fähig sind werden wir auch von Veränderungen nicht überrascht werden, weil wir ehrlich zu uns sein durften.

Markus

Ist Verlässlichkeit ein Bedürfnis?

Hallo ihr Lieben!

Ich glaube ich kann gut nachvollziehen, warum Respekt und Verlässlichkeit für viele Menschen wichtig sind. Gleichzeitig bin ich mir bei diesen und einigen anderen Bedürfnissen nicht wirklich klar, ob sich nicht eine Strategie eingeschlichen hat, nämlich dass mein Gegenüber sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält.
In dem Moment, wo ich Bedürfnis und Strategie vermische gebe ich sehr viel Macht über mein Leben aus der Hand, weil ich dann nicht mehr sehe, wie ich mein Bedürfnis auf andere Weise erfüllen könnte.
Wenn ich aber in mich gehe und versuche herauszufinden, warum ich mir z.B. von meiner Partnerin Verlässlichkeit wünsche dann merke ich vielleicht, das es etwas mit mir zu tun hat.

Damit, dass ein Teil von mir sich auf etwas bestimmtes einstellen können möchte, sicher sein möchte, dass sich meine Bedürfnisse erfüllen, das nicht irgendeine unangenehme Überraschung dazwischen kommt.

Wenn ich ehrlich zu mir bin bräuchte ich diese Sicherheit und Verlässlichkeit im Grunde nicht, denn sie stellen Strategien dar, mir meine Bedürfnisse zu erfüllen. Ein anderer Weg wäre zum Beispiel möglich wenn ich genügend Selbstvertrauen hätte. Damit meine ich das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, mit jeder Situation auf die ich treffe umgehen zu können. Ich könnte zum Beispiel jeden Moment – ob schön oder nicht – einfach akzeptieren und annehmen. Oder ich entscheide mich, selbst dafür zu sorgen, dass sich meine Bedürfnisse erfüllen – zum Beispiel auch indem ich eine Bitte an mein Gegenüber stelle und klar mache, was ich grade brauche.

Eine GFK-Trainerin aus Hamburg sagte einmal, dass Bedürfnisse in Schichten kommen. Nach außen sieht vieles wie ein Bedürfnis aus was ich für mich, intern, noch tiefer ausbuddeln kann. So stellt jede Schicht eigentlich eine Strategie dar bis ich beim ultimativen Grund-Bedürfnis ankomme (Glücklich sein oder wie auch immer man das nennen möchte). Bis dorthin kann ich mich immer fragen: Welches Bedürfnis erfüllt sich für mich wenn … gegeben ist?
Unterm Strich würde ich für mich sagen, dass ich mir Verlässlichkeit, Respekt, Sicherheit und vieles mehr von anderen wünsche, aber ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich eines Tages nicht mehr darauf angewiesen sein werde, weil ich dann hoffentlich in mir selber diese Sicherheit und das nötige Vertrauen in das Universum und mich selber haben werde.

Bis das soweit ist möchte ich üben, konkrete Bitten zu stellen, damit mein Gegenüber weiß, wie er dazu beitragen kann, dass mein Leben schöner wird.

Markus

Willkommen bei den Westküsten-News

Hallo, Welt!

Mein GfK-Freund Markus bereichert mein Leben mit Gedanken, die mir oft Klarheit schenken, Verbundenheit, Leichtigkeit und Wärme geben.
Jetzt habe ich ihn gebeten, ob ich den einen oder anderen seiner Gedanken hier mit aufnehmen darf und er ist einverstanden. Dabei hatte ich die Idee, dass er sie genau so gut selbst hier einstellen kann.

Hier also der Thread für den Austausch mit Markus.  Um schneller erfassen zu können, wer was geschrieben hat, sind Markus‘ Texte in dunkelblau dargestellt.

So long!

Ysabelle

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