Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Die Haltung der GfK leben lernen

„Man kann die Wirklichkeit nicht einfach abbilden. Wahrheit, das ist eine Haltung.“ – Jim Rakete, CASSONE art magazine

Gibt es „die Wahrheit“ in der Gewaltfreien Kommunikation? Je länger ich die GfK praktiziere, desto eher bin ich bereit einzugestehen, dass es viele Wahrheiten geben kann. Nicht ich habe Recht und du Unrecht, oder umgekehrt. Jeder von uns hat seine Wahrheit, und manchmal ist es schwer auszuhalten, dass sie so sehr voneinander differieren.

Einzugestehen, dass für mich etwas „so“ ist oder war, und mein Gegenüber es ganz anders empfunden hat, bringt  mich zu einer Herausforderung, die ich mit dem Begriff „die Haltung der gewaltfreien Kommunikation“ überschreiben möchte. Es geht nicht um Recht oder Unrecht, um die Größe von Giraffenherzen, die unfallfreie Formulierung der vier Schritte, um Gedichte von Rumi oder die Anzahl von Trainingstagen. Vielleicht gibt es Menschen, die die Haltung sehr leicht einnehmen konnten, für mich ist es immer noch eine bewusste Entscheidung, sie zu leben.

Was bedeutet diese Haltung für mich? Zunächst muss ich mir immer wieder vergegenwärtigen, dass ich dem Prozess der GfK vertrauen möchte, auch wenn die Wölfe ihr martialisches Geheul anstimmen. Wenn es für mich schwierig wird, möchte ich mich daran erinnern, mir Einfühlung zu geben, ja, vor allem mir erst Einfühlung zu geben, bevor ich dem anderen Einfühlung gebe. Wie oft habe ich mich früher verausgabt, für andere da zu sein, und meine eigenen, wunderbaren Bedürfnisse ließ ich unerfüllt…

Die wichtigste Frage zur Überprüfung meiner Haltung ist für mich zur Zeit: Ist meine Absicht Verbindung? Die zweite Frage lautet: Bin ich bereit, einen Weg zu finden, bei dem meine UND die Bedürfnisse des anderen erfüllt werden? Und bin ich bereit, meine bevorzugte Strategie aufzugeben, um genau dieses zu erreichen?

Wenn ich „in der Haltung“ bin, geschehen wundersame Dinge. Es gelingt mir auf einmal, den Blick auf die Fülle in meinem Leben zu richten. Ich sehe Reichtum statt Mangel, Auswahl statt Ausweglosigkeit, Leichtigkeit statt Enge. Oft stellt sich dann auch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit ein. Ängste und Depressionen lichten sich, eine spirituelle  Geborgenheit, Trost, Verbidung und Wärme hüllen mich ein. Ich bin nicht allein.

Heute will ich die Zeit genießen, in der ich bewusst „in der Haltung“ sein kann.

Leben mit 6,7 Milliarden Möglichkeiten

Wenn ich also die Erfüllung meiner Bedürfnisse von bestimmten Personen entkoppeln kann – es gibt sechs Milliarden Menschen auf der Welt – dann finde ich sicher jemanden, der etwas für mich tun kann. Mich selbst eingeschlossen. Ich kann auch etwas tun, zum Beispiel kann ich mir Selbsteinfühlung geben, um mein Bedürfnis nach Empathie zu nähren.

aus: Marshall B. Rosenberg im Gespräch mit Garbiele Seils:
Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation
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Wer mit dem Konzept und der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation nicht vertraut ist, könnte glauben, dass die Bedürfnisse nach Wärme, Nähe etc. recht egoistische sind.
Wenn die Bedürfnisse nach Nähe, Wärme, Intimität so ausgelegt werden, dass sich daraus beim Gegenüber eine Verpflichtung ergibt, diese Bedürfnisse zu  erfüllen, ist das sicher eine Haltung, die nicht dem Leben dient. Ich bin geil und du musst jetzt mit mir schlafen. Ich habe Hunger, du musst mir was zu essen machen. Ich will meinen Ärger vom Tag loswerden und Du, verdammt noch mal, bist der Mensch, der mir zuhören MUSS!
Das entspricht nicht meinen Vorstellungen von Nähe, Intimität, Verbindung und Kontakt. Wo sind da Respekt, Wertschätzung, Autonomie, die Freiwilligkeit?

Ich glaube heute, dass unsere Bedürfnisse weltweit universell sind. Alle 6,7 Milliarden Menschen haben die gleichen Bedürfnisse. Sie brauchen Essen und Wasser, Schutz, Struktur, Autonomie, Unterstützung, Gemeinschaft, Sexualität, Spiritualität, Sinnhaftigkeit, Licht, Schlaf…

Wir sind es in unserer „Zivilisation“ sehr gewohnt, diese Bedürfnisse mit bestimmten Strategien zu erfüllen. Manche Leute gehen am liebsten zu McDonalds, wenn sie Hunger haben. Ich gehe meist in die Kantine, weil das bequem ist. Andere schmieren sich ein Brot, weil sie keine Lust haben zu kochen. Sich etwas kochen ist genau so eine Strategie wie zu McDonalds gehen. Für viele Dinge haben wir Lieblings-Strategien. Viele Menschen leben zum Beispiel in einer festen Partnerschaft, weil sie so glauben, bestimmte Bedürfnisse besonders effektiv bedienen zu können. Zum Beispiel nach Sex. Es ist ja noch nicht all zu lange her, da waren die Frauen zum Sex verpflichtet, und sich zu weigern war ein Scheidungsgrund. Mich gruselt es bei dem Gedanken, zum Sex verpflichtet zu sein.

Wenn ich heute bereit bin, mich von dem Gedanken zu lösen, der andere schulde mir etwas,

Wenn ich mich dafür entscheide, nur noch zu nehmen, was mir freiwillig geschenkt wird,

Wenn ich bereit bin, für all meine Bedürfnisse selbst die Verantwortung zu übernehmen,

Dann können sich ganz neue Welten eröffnen.

Ich bin überzeugt, dass von 6,7 Milliarden Menschen garantiert einer heute Abend Lust hätte, mit mir zu essen, zu telefonieren, zu kuscheln oder spazieren zu gehen.

In meinem Adressbuch stehen rund 300 Namen. Mit Sicherheit ist EIN Mensch dabei, den ich am Abend anrufen kann, wenn ich total frustriert und aufgelöst von der Arbeit komme.

Wenn ich es Leid bin, allein ins Kino zu gehen, wird es sicher im Kollegenkreis den einen oder anderen Bekannten geben, der Lust hat, einen Film zu sehen.

Was ist mein Bedürfnis? Und welche Strategien kann ich finden, um es zu erfüllen?

Ich erfülle mir zum Beispiel gelegentlich mein Bedürfnis nach Wärme und Berührung, indem ich mir eine Massage gönne. Am liebsten eine ayurvedische.

Mein Bedürfnis nach Gemeinschaft erfülle ich mir in  meinen Meetings am Mittwoch, durch vertrautere Kontakte mir einzelnen Kollegen, durch die die Freunde, die ich durch verschiedene Aktivitäten gefunden habe. Meine GfK-Familiengruppe trifft sich zu regelmäßigen Telefonkonferenzen. Ich habe außerdem Freundinnen, die mich gern besuchen.

Ich erfülle mir mein Bedürfnis nach Bewegung in meinem neuen Fitnessstudio. Andere gehen vielleicht tanzen, joggen, zum Badminton. Wir entscheiden uns für verschiedene Strategien, um ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen. (Und sicher erfüllen wir uns mit unserer jeweiligen Entscheidung auch noch andere, wunderbare Bedürfnisse).

Ich gewinne eine unglaubliche Freiheit, wenn ich nicht mehr EINEN Menschen für die Erfüllung (all) meiner Bedürfnisse verantwortlich mache, für zuständig erkläre. Wenn der Mensch Lust hat, gerade mein Bedürfnis nach Nähe, Intimität, Austausch, Gemeinschaft zu erfüllen, wunderbar. Aber es gibt keine Pflicht dazu! Und! Ich habe mindestens 6,7 Milliarden Möglichkeiten, meine Bedürfnisse zu erfüllen.

Hurra für jeden Tag, an dem ich diese Ketten sprengen kann!

Hohepriester der Gewaltfreien Kommunikation

„Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch, wie manche Menschen annehmen, aber es ist auch nicht so selbstlos, wie manche Co-Abhängige glauben.“ Melody Beattie

Wenn man manchen Menschen zuhört, könnte man zu dem Eindruck gelangen, es gäbe „richtige“ und „falsche“ GfK. Besonders schmerzhaft finde ich es, wenn GfKler sich untereinander mit solchen Etiketten belegen. „Das ist keine Empathie, was du da machst“ fällt genau so in diese Kategorie wie „also, ich kann deine Bedürfnisse nicht erkennen, du bist überhaupt nicht zu spüren“.

Ich erlebe die Gewaltfreie Kommunikation als ständige Einladung bei mir zu gucken: Wie geht es mir, was brauche ich? Wie geht es MIR, wenn ich den anderen nicht spüren kann? Was löst das bei MIR für Gefühle aus? Und wenn ich hier Klarheit gefunden habe, kommt der zweite, kostbare Schritt: Wie geht es Dir? Was brauchst Du?

Wann immer wir beim anderen diagnostizieren, dass er keine richtige GfK macht, ist offensichtlich bei uns selbst ein Bedürfnis im Mangel. Nehmen wir dieses Wolfsgeheul als Einladung, noch einmal genauer bei uns zu spüren, welche Bedürfnisse in uns lebendig sind. Was brauchen wir? Und wenn wir es herausgefunden haben, können wir fragen: Was braucht unser Gegenüber? Es geht nicht um Richtig oder Falsch: Es geht um Verbindung!

Heute will ich mich in schwierigen Situationen liebevoll fragen: Geht es mir gerade um die Verbindung?

Mich von Ansprüchen lösen

„Manche können es nicht lassen – das nicht Loslassen können.“ – Gerhard Uhlenbruck, Die Wahrheit lügt in der Mitte,

Mit meinen Tagesmeditationen möchte ich dazu beitragen, das Konzept und die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation weiter zu tragen. Es macht mir große Freude, gleichzeitig finde ich die Themen anspruchsvoll und ich brauche ziemlich lange, bis sie auch nur halbwegs so hier stehen, wie ich es gern hätte. Ich habe schon einige Jahre Übung damit, Tagesmeditationen zu kommentieren, sie zu verfassen ist aber noch etwas anderes.

ich freue mich darauf, abends mit den Tagesmeditationen für den folgenden Tag meinen Tag ausklingen zu lassen. Gleichzeitig ist es so, dass ich mich nicht immer fit genug fühle, um etwas Sinnvolles zu schreiben.

Ein Wolfsrudel sitzt dann an meinem Schreibtisch. „Das fängt ja gut an, wenn dir nach so kurzer Zeit schon nichts mehr einfällt“, jault der eine. Und ein anderer klagt: „du kannst da nicht irgendwelchen Mist reinschreiben, das muss schon Hand und Fuß haben…“ Ein dritter wiederum sagt: „du kriegst wieder nicht genug Schlaf. So geht das nicht weiter!“

Heute Abend habe ich mit einigen von ihnen verhandelt.
Ihr möchtet wirklich sicher sein, dass ich die Sache mit den Tagesmeditationen ernst nehme, ist das so? Euch ist es auch wichtig, dass ich Wertschätzung finde, wenn ich das ’schön‘ mache, stimmt das? Gleichzeitig seht Ihr auch, dass morgen wieder ein anstrengender Arbeitstag auf mich wartet, und Ihr wollt sicher gehen, dass ich dafür frisch und erholt bin, habe ich das richtig verstanden?

Wir haben uns geeinigt, dass es Abende gibt, an denen Schlaf und Ruhe einfach Vorrang haben vor dem Bedürfnis nach Beitragen, Kreativität, Wertschätzung für meine Autorenschaft und meine Leser. Das können die Wölfe gut hören, sie rollen sich friedlich zusammen und sehen auf einmal auch ganz anders aus…

Ein Wort gibt es, da heben sie sofort wieder die Köpfe, zeigen ihre wölfische Seite und fletschen die Zähne. „Leichtigkeit“. „Leichtigkeit ist nicht angesagt! Du hast hier eine Pflicht übernommen und jetzt willst du dich drücken. Nichts da, da kommt nichts nach! Das haben wir uns ja gleich gedacht, dass du das nicht ernst nimmst. Aber darauf werden wir schon achten!“ ertönt ihr schauriges Geheul. Oh ha! Damit ich mich von diesen Ansprüchen lösen kann, braucht es wohl noch viel Einfühlung für die Wölfe.

Heute bin ich bereit, auf meine inneren Stimmen zu hören und ihnen Einfühlung zu geben.

Klare Linie

„Wir sind das in sein eigenes Bild eingesperrte Märchen. Wir kommen und gehen, ohne Klarheit zu erlangen.“ – Jostein Gaarder, Maya

Wer eine klare Linie vertritt, gilt als verlässlich. Selbst wenn die Haltung anderen nicht zum Vorteil diente, werden Menschen, die an ihrer Überzeugung festhalten, für ihre Prinzipientreue oft hoch geschätzt. Einer, der sich viel Achtung erworben hatte, wird aber gern mit einem ganz anderen Satz zitiert: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern“, soll Konrad Adenauer gesagt haben. Die Gewaltfreie Kommunikation lädt geradezu dazu ein, sich immer wieder neu zu entscheiden und Entscheidungen immer wieder unter dem Blickwinkel zu treffen: Was ist jetzt gerade lebendig in mir?

Die Partnerschaft ist ausgereizt, die Trennung beschlossene Sache, doch plötzlich stehen sich zwei Menschen gegenüber, die sich nicht gehen lassen können. Hilft hier Prinzipientreue? Was vorbei ist, ist vorbei? Oder gibt es noch eine Chance auf einen Neubeginn? „Ich verliere doch im Freundeskreis mein Gesicht, wenn ich mich offensichtlich nicht entscheiden kann“, sagt ein Freund. Und ein anderer fürchtet: Wenn ich jetzt gegenüber meinem Chef wieder einknicke, bin ich doch völlig unglaubwürdig. Es muss doch irgendwann mal Klarheit sein…

Die Klarheit kommt, wenn die Zeit reif ist. Die Klarheit kommt, wenn alle anderen Bedürfnisse angemessen berücksichtigt sind. Solange verschiedene Bedürfnisse in uns lebendig sind, ist es schwierig, zur Klarheit zu finden. Wenn es uns gelingt, allen Bedürfnissen unsere Aufmerksamkeit zu schenken, wird die Klarheit sich einstellen.

Wenn wir noch keine Klarheit haben, ist das kein Zeichen von Schwäche oder Unfähigkeit. Es heißt einfach nur, dass wir noch nicht alle unsere Bedürfnisse in Einklang gebracht haben.

Heute will ich gelassen bleiben, auch wenn ich noch keine Klarheit gefunden habe.

Dazu kann ich so nicht ja sagen…

Die GFK entwickelt ihre Kraft und Schönheit nur da, wo Menschen in die Tiefe ihres Herzens gehen. Gewaltfreiheit ist nicht billig zu haben. Sie kostet uns etwas. Sie kostet Zeit. Sie kostet Wahrhaftigkeit. Sie kostet uns den Schmerz, unsere  Wolfsshow zuzulassen und zu durchdringen. Sie kostet die Mühe der Selbstreflexion.
Aus einem Essay von Gerlinde Fritsch

Je länger ich mich mit der Gewaltfreien Kommunikation beschäftige, desto klarer wird mir Marshalls Aussage: „GfK ist nichts für Weicheier“. Es erfordert Mut, uns selbst genau anzusehen, unsere Gefühle anzunehmen, unsere Bedürfnisse willkommen zu heißen. Es scheint viel leichter, durchs Leben zu dümpeln, mich möglichst nicht anzulegen mit anderen Leuten, nicht anzuecken, nicht aufzufallen. „Nice dead people“, nette tote Leute nennt Marshall solche Zeitgenossen.

Eine der schwierigsten Übungen ist das Neinsagen. Nein, ich möchte jetzt nicht telefonieren, nein, ich möchte nichts mehr essen, nein, ich möchte diesen Film nicht sehen, nein, ich schaffe diese zusätzliche Arbeit nicht mehr, nein, ich muss mein Geld selbst zusammenhalten…

Jedes dieser „Nein“ ist ein Ja zu uns selbst. Es besagt: Ich nehme meine Bedürfnisse ernst. Wir sind es gewohnt, ein Nein als Absage, als Ablehnung zu hören. Doch in der Gewaltfreien Kommunikation geht es um Verbindung. Zunächst einmal um die einfühlsame Verbindung zu mir selbst. Und dann um die Verbindung zu meinem Gegenüber. Mein Nein ist also ein Ausdruck meiner Verbindung zu mir und meinen Bedürfnissen. Doch wie finde ich jetzt die Brücke zum anderen?

Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Zunächst können wir fragen: Wie geht es dir, wenn du mein Nein hörst? Eine weitere Möglichkeit ist es, dem anderen Einfühlung zu geben. Bist du enttäuscht, weil du dir für die Zubereitung des Essens Wertschätzung gewünscht hättest? Und eine weitere Möglichkeit ist das Verhandlungs-Nein, das zunächst nicht wie ein Nein daher kommt: „Dazu kann ich so nicht ja sagen“, heißt aber zunächst mal im Klartext: Nein! Aber es hält eben eine Tür der Verbindung offen. „Vielleicht finden wir heraus, wie wir beide ja sagen können. Deine Bedürfnisse sind mir ebenso wichtig wie meine…

Heute will ich meinen Gefühlen nachspüren und herausfinden, wann ein Nein in mir entsteht.

Von Herzen ja sagen

„Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferner und lange: Sagen wir die Wahrheit.“ – Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Vorrede zur ersten Auflage

Wie oft sagen wir ja, ohne es wirklich zu meinen? Wir sagen Ja zu Lebensumständen, die uns nicht glücklich machen, wir sagen ja zu Aufgaben, zu denen wir eigentlich keine Lust haben. Manche antworten auf die Frage „hat es geschmeckt?“ auch dann mit ja, wenn sie das Essen überhaupt nicht mochten. Doch welche Bedürfnisse erfüllen wir uns damit, wenn wir ja sagen, obwohl wir eigentlich nein meinen?

Häufig ist es so, dass wir uns gar nicht bewusst sind, dass unsere Antwort eigentlich bestensfalls ein „ich weiß nicht“ ist. Wir antworten automatisch mit ja und haben keine Verbindung mit unseren Gefühlen.

Oder wir sagen ja, weil es sich so gehört, weil wir den anderen nicht verärgern wollen, die Partnerin, den Chef, den Kellner. In diesem Fall ist uns vielleicht Harmonie wichtiger als Ehrlichkeit, oder es geht um Unterstützung, Gemeinschaft, Friede.
Doch jedes Ja, das eigentlich ein Nein ist, hat fatale Folgen für die Beziehung. „Jeder der Beteiligten wird dafür bezahlen“, sagt Marshall Rosenberg und lädt dazu ein, wirklich nur ja zu sagen, wenn es von Herzen kommt.

Ich habe es schon häufig erlebt, dass ich für ein Ja bezahlt habe. Mein Gegenüber kann nicht wissen, was wirklich in mir lebendig ist. Und er hat das Recht, mein Ja für bare Münze zu nehmen. „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ heißt es bei Matthäus 5,37 im Neuen Testament. Da ist kein Platz für Herumlavieren, Tricksen oder Verbiegen.

Doch was können wir tun, wenn uns partout kein Nein von den Lippen kommen will, wenn andere, wunderbare Bedürfnisse uns daran hindern, das nein so herauszuschmettern, wie es sich eigentlich im Inneren anfühlt? Dann gibt es einen wunderbaren Satz, der einen neuen Ansatz für die Schleife der Verbindung ermöglicht: Dazu kann ich so nicht ja sagen!

Heute will ich genau nachspüren, ob mein Ja auch wirklich ein Ja ist.

Unsere Bedürfnisse kennen lernen

„Je besser Du Dich und Deine Bedürfnisse kennst, desto weniger können die Dinge Dir anhaben.“ Bill Murray als Bob Harris in dem US-Spielfilm „Lost in Translation“ von 2003

Kennen wir unsere Bedürfnisse? Und handeln wir danach? Im Grunde sind es nur wenige Dinge, die wir Menschen zum Leben brauchen. Neben Luft, Nahrung, Obdach oder Schutz sind es ichbezogene und soziale Bedürfnisse wie Autonomie, Ehrlichkeit, Beteiligung, Verbindung, Zugehörigkeit, Anerkennung, Vertrauen, Nähe, Zärtlichkeit, Gesehen werden, Sinnhaftigkeit, Spaß und Spiritualität.
Viele Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, was ein Bedürfnis, und was eine Strategie ist. „Ich möchte mit Dir zusammenwohnen“ ist kein Bedürfnis, sondern eine Strategie, um sich bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen, zum Beispiel nach Verbindung, Nähe, Unterstützung, Sexualität und Gemeinschaft. Geld auf dem Sparbuch zu haben ist kein Bedürfnis, sondern eine Strategie. Das zugrunde liegende Bedürfnis ist vielleicht Sicherheit, Autonomie oder Leichtigkeit, sich die Dinge kaufen zu können, die man sich wirklich wünscht.

Wenn wir uns über unsere Bedürfnisse klar werden, geschieht etwas Wunderbares. Wir können feststellen, dass es eine Vielzahl von Strategien gibt, um sie zu erfüllen. Und wir entlasten damit häufig DEN EINEN MENSCHEN, den wir im ersten Moment im Visier haben, von der Bürde, gerade dieses Bedürfnis jetzt am besten sofort bei uns erfüllen zu müssen. Ich habe vielleicht das Bedürfnis, gesehen und gehört zu werden. Aber muss es wirklich der Partner sein, der dieses Bedürfnis in diesem Augenblick befriedigt? Kann es nicht auch die Freundin sein? Wir können also Bedürfnisse und Personen entkoppeln. Vielleicht ist es unsere Lieblingsstrategie, dass gerade jetzt der Sohn sein Zimmer aufräumt, um unser Bedürfnis nach Schönheit zu erfüllen. Vielleicht gibt es aber auch noch unzählige andere Strategien. Und vielleicht merke ich beim Nachspüren auch, dass es letzten Endes vielleicht gar nicht ums Aufräumen und damit um Schönheit oder Ordnung geht, sondern um Wertschätzung, um Gemeinsamkeit, um Ausgleich oder um Beteiligung.

Heute will ich meinen Bedürfnissen nachspüren und mich daran freuen, dass es viele Strategien gibt, um sie zu erfüllen.

Blumenladen der Gefühle

Heute will ich mir erlauben, alle Gefühle, die mich überkommen, anzuerkennen und anzunehmen. Ohne Scham werde ich mich in Einklang bringen mit dem emotionalen Bereich meines Innern. Melody Beattie, Kraft zum Loslassen vom 15. Dezember

heute lernen wir unsere Gefühle näher kennen. Drei Listen mit Gefühlswörtern stehen uns zur Verfügung. Doch es ist nicht wichtig, auf welcher Liste wir das Gefühl finden, das wir benennen. Wichtig ist es uns zu vergegenwärtigen, dass Gefühle „nur“ Gefühle sind.

Rund 90 Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen listet meine kleine Gfk-Karte auf. Ebensoviele stehen unter der Rubrik „Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen. 44 Begriffe umfasst die Liste der so genannten Interpretations- oder Opfergefühle. Und sicher sind diese Aufzählungen nicht vollständig.

All diese Gefühle ließen sich auch hinunterbrechen auf eine Handvoll Kategorien: Liebe, Freude, Schmerz, Wut, Trauer, Angst und Scham. Für einen schnellen Überblick kann es nützlich sein, nicht 250 Gefühle im Kopf Revue passieren zu lassen um vielleicht zu prüfen, welche Gefühle gerade in meinem Gegenüber – oder in mir – lebendig sind. Der genauere Blick auf die Gefühlsworte eröffnet uns jedoch tiefe Einsichten. Wie der Duft einer Blume weisen uns die Gefühle auf unsere Bedürfnisse hin. Ich fühle mich ängstlich, beklommen und verwirrt? Dann brauche ich vielleicht Klarheit und Sicherheit. ich bin froh, kraftvoll und eifrig? Da ist wahrscheinlich mein Bedürfnis nach Wachstum erfüllt, nach Kreativitöt und Selbstvertrauen.

Gefühle sind wundervolle Wegweiser hin zu unser aller Bedürfnisse. Wenn wir ihrem Duft folgen, finden wir eine Verbindung zu uns selbst und zu anderen.

heute will ich all meine Gefühle willkommen heißen. Wenn mich ein mächtiges Gefühl irritiert, will ich überprüfen, was ich brauche – oder mein Gegenüber.

Vorwürfe in der Waschmaschine

„Wer so recht aus voller Seele lacht, der kann kein schlechtes Gewissen haben.“
– 39. Brief, Der Witz. Aus: Briefe an eine Jungfrau über die Hauptgegenstände der Aesthetik. Ein Weihgeschenk für Frauen und Jungfrauen. 22. verbesserte Auflage. Bearbeitet und hg. von A. W. Grube. Leipzig: Friedrich Brandstetter, 1880. S. 313

Es gibt immer einen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Mehr Geld ausgegeben als geplant, nicht beim Sport gewesen, zu viel gegessen, eine wichtige Verabredung vergessen. Schlimmer geht es immer: Manchmal treffen gleich mehrere Gründe zusammen.

Wer meldet sich da und macht uns Vorhaltungen? Du musst das Geld besser zusammen halten! Du weißt doch, dass du für den Rücken Bewegung brauchst! Kein Wunder, dass die Hose kneift, wenn du auch kein Maß kennst! Himmel, die Leute erwarten dich, und dir geht einfach der Termin durch die Lappen… So oder ähnlich klingt es dann.

Wem können wir diese Stimme zuordnen? Und was will der Sprecher von mir?
Ich kenne diese Sätze aus meiner Kindheit. Besorgte Eltern, Großeltern, Lehrer, aufgewachsen in Dominanzstrukturen, wollten uns mit solchen Vorwürfen dazu bewegen, uns möglichst so zu verhalten, dass wir eben keinen Anstoß erregen.

Wenn wir zu unseren Giraffenohren greifen, können wir die Vorwürfe übersetzen.
Ich bin besorgt, dass du auch Rücklagen hast, wenn demnächst die Heizkostenabrechung fällig ist. Ich möchte sicher sein, dass du dann nicht in Schwierigkeiten kommst… Deine Gesundheit liegt mir am Herzen. Immer wieder hast du Schmerzen. Mit Übungen für den Rücken und weniger Gewicht hättest du viel mehr Lebensfreude… Ich weiß doch, wie viel dir deine Freunde bedeuten. Da ist es mir wichtig, dass du ihnen mit Zuverlässigkeit auch deine Wertschätzung zum Ausdruck bringst…

Hört sich das nicht schon ganz anders an? Aus bitteren Vorwürfen, die ursprünglich dafür gedacht waren, ein schlechtes Gewissen zu verursachen und uns damit zu lenken, wird auf einmal der Ausdruck von Fürsorge, Liebe und Besorgnis.

Wir können uns heute von der Wucht der Selbstvorwürfe befreien. Wenn wir bereit sind, diesem besorgten Anteil in uns selbst, der sich nur in Wolfssprache verständigen kann, liebevoll zuzuhören, können wir seine Worte in die Sprache des Herzens übersetzen. Und dann finden wir Mittel und Wege, kompetent die Verantwortung für unser Tun und Lassen zu übernehmen.

Heute will mich meinen kritischen Stimmen einfühlsam zuhören und übersetzen, wovor sie mich aus Liebe warnen wollen.

Den Segen aus Glaubenssätzen ernten

„Der Glaube kann Berge versetzen.“ Deutsches Sprichwort

„Was bist du doch für ein dummes kleines Ding!“ Solch eine Bemerkung von Eltern, Lehrern, Großeltern kann eine Mitgift fürs Leben sein. „Ich traue mich nicht, mich um den Job zu bewerben. „Ich fürchte, ich schaffe nicht, was vielleicht von mir erwartet wird“, höre ich von einer Frau, die höchst qualifiziert ist, schon zwei Mal den Wiedereinstieg in den Beruf meisterte und jetzt gefragt wurde, ob sie sich auf eine bestimmte Position bewerben wolle. Welche Glaubenssätze hindern uns daran, unser volles Potential auszuschöpfen, und wie können wir die Botschaft im Hier und Jetzt neu interpretieren?

Wir hängen nicht umsonst an Glaubenssätzen. Sie sollen uns schützen, sollen verhindern, dass wir wie Ikarus zu nah an die Sonne fliegen, zu Tode stürzen. Wenn ich erkennen kann, welchen Schutz der Glaubenssatz mir bieten will, kann ich diesem Teil Einfühlung geben.

Mein zweiter Blick richtet sich darauf, welche Bedürfnisse unerfüllt bleiben, wenn ich diesem Glaubenssatz anhänge. Lautet er „ich kann das nicht“, fehlt mir vielleicht der Mut, Neues zu beginnen, meine Autonomie zu leben, ich brauche vielleicht Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen, die das können, was ich mir nicht zutraue. Beteiligung, Selbstvertrauen, Wertschätzung, Kreativität – so vieles kann im Mangel sein, weil ein Glaubenssatz aus der Vergangenheit uns hindert, unsere Potentiale auszuschöpfen.
Im dritten Schritt übe ich, meine erfüllten und unerfüllten Glaubenssätze in Einklang zu bringen, ohne dass mich ein neuer, begrenzender Glaubenssatz einengt.

ich formuliere einen positiven Affirmationssatz, der mir hilft, Berge zu versetzen und beiden Anteilen in mir Rechnung zu tragen.

Heute will ich darauf achten, wo mich alte Glaubenssätze am Wachtum hindern wollen.

Wenn du mir zuhörst…

… Der Glaube, wir müssten Situationen in Ordnung bringen und dafür sorgen, dass es anderen wieder besser geht, hindert uns daran, präsent zu sein. Marshall Rosenberg


Viele von uns sind es gewohnt, für andere Menschen Dinge in Ordnung zu bringen. Wenn wir von einem Problem erfahren, läuft unser Kopf schon heiß, um eine Lösung zu finden. Dein Auto ist kaputt? Ich kann dir meines leihen. Dein Arbeitsplatz in Gefahr? Dann bewirb dich doch mal bei XY… Dein Partner verhält sich in einer Weise, dass bei dir zahlreiche Bedürfnisse unerfüllt sind?  Dem musst du mal ordentlich die Meinung sagen oder es ihm mit gleicher Münze heimzahlen…

Tatsächlich gelten solche Reaktionen bei vielen Menschen als normal, ja sogar als einfühlsam. Je länger ich mich mit GfK beschäftige, desto schlechter kann ich solche Antworten hören. Mein Gegenüber soll nicht meine Probleme lösen oder mir Ratschläge geben, was ich tun muss. Ich bin in aller Regel kompetent, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern.  Marshall beschreibt es in einer Geschichte von der kleinen Schülerin Millie, die auf ihre Lehrerin wartet: „Sie müssen überhaupt nichts tun, Mrs. Anderson, Sie müssen einfach nur zuhören!“


Pascal Gentner: Wenn du mir zuhörst auf Youtube


Wenn ich heute merke, dass ich nicht „einfach“ zuhören kann, ist das ein Indiz dafür, dass in mir etwas lebendig ist, das der Aufmerksamkeit bedarf. Dann kann ich um eine Pause bitten und meinen Gefühlen nachspüren. Wenn ich herausgefunden habe, was mich umtreibt, kann ich gut für mich sorgen und dann wieder dem Gegenüber meine volle Aufmerksamkeit schenken.

Heute will ich aufmerksam sein, wann ich ungefragt ins Ratschlagen gerate. Es kann ein Indiz dafür sein, dass ich selbst unerkannte Bedürfnisse habe, um die ich mich kümmern möchte.

Es steppt für Sie: Der Wolf!

„Dass die Wölfe nach Freiheit schreien, ist begreiflich; wenn die Schaafe in ihr Geschrei einstimmen, so beweisen sie damit nur, dass sie Schaafe sind.“ – Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht. Erster Band. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1877. S. 146


Heute wollen wir den Wolf in uns willkommen heißen. Der Wolf ist unser Freund, er verrät uns, was uns wirklich wichtig ist im Leben. Wenn wir so richtig „vom Leder ziehen“, motzen, toben, pöbeln, zeigt sich unser Wolf von seiner schönsten, kraftvollsten und lebendigsten Seite.

Aber warum sollten wir uns darüber freuen, wenn wir am liebsten ein Urteil nach dem anderen auf unser Gegenüber herabprasseln lassen würden? Wenn wir großzügig Diagnosen verteilen könnten, dem anderen jetzt gern so richtig die Meinung geigen würden…?

Ganz einfach: Der Wolf steppt für uns. Es ist ein kunstvoller Kriegstanz. Mit seinen Drehungen und Figuren stellt er uns dar, welche Bedürfnisse in ihm unerfüllt sind. Und das tut er auf kraftvolle Weise. Wir kommen mit einer wunderbaren Energie in Kontakt, die uns hilft, uns für unsere Bedürfnisse einzusetzen.

Der Wolf tanzt: „Du alter Pedant!“ Dann übersetzen wir die Figur mit „ich brauche Freiheit und Kreativität“. Der Wolf tanzt: „Niemand ist so egoistisch wie Du!“, und wir übersetzen, „ich brauche Verbindung und Unterstützung. Nie sind wir klarer zu verstehen als wenn wir das Ballett unserer Wolfsshow interpretieren.

Mit Freude will ich heute meinen Wölfen Aufmerksamkeit schenken, denn sie verkünden mir, was ich wirklich brauche.

Verletzungen zu sich nehmen

„Der unbewusste Zwang, verdrängte Verletzungen zu rächen, ist stärker als jede Vernunft.“ – Alice Miller, Abbruch der Schweigemauer

„Ich habe mich nur ganz selten durch jemandes Verhalten so verletzt gefühlt wie durch deins…“ Wie geht es Dir, wenn Du so eine Aussage hörst? Fühlst Du Dich elend oder bist du entrüstet? Regt sich Widerstand oder Trotz? Wie gut tut es, wenn man sich in dieser Situation an die vier Ohren der Gewaltfreien Kommunikation erinnern kann. Wenn dir dein Wolf einflüstert, „hey, so ein Idiot!“, trägst Du ganz offensichtlich die Wolfsohren außen. Du bewertest dein Gegenüber.

Wenn du die Botschaft hörst: „Das hast du ja wieder fein hingekriegt. Jetzt ist er verletzt und du bist schuld“ weißt du, dass die Wolfsohren nach innen gerichtet sind. Wenn es bei diesen beiden Sichtweisen bleibt, bist du gefangen in Dominanzstrukturen, in denen mit „richtig“ oder „falsch“, Schuld und Scham operiert wird, um Menschen dazu zu bringen, sich bestimmten Vorstellungen und Maßstäben entsprechend zu verhalten.

Doch zum Glück haben wir auch ein Paar Giraffenohren, die uns ein ganz neues, mitfühlendes Hören ermöglichen. „Wie geht es mir, wenn ich solch eine Aussage höre?“ fragt die Giraffe liebevoll besorgt und richtet die Ohren nach innen. „Was brauche ich gerade, um gut hier sein zu können?“

Marshall Rosenberg berichtet an vielen Stellen in seinen Büchern davon, dass er sich zunächst selbst Empathie geben musste, bevor er in der Lage war, sich empathisch mit seinem Gegenüber zu verbinden.

Dann kommen die Giraffenohren zum Einsatz, die nach außen, zu unserem Gegenüber zeigen. Denn wenn wir selbst bei uns angekommen sind, wissen, wie es uns geht und was wir brauchen, können wir uns unserem Gegenüber zuwenden: „Wie geht es dir, und was brauchst du?“ können wir fragen, wenn wir die Giraffenohren nach außen tragen.

Ja, was brauchst du, wenn du sagst: „Ich habe mich nur ganz selten durch jemandes Verhalten so verletzt gefühlt wie durch deins…“ Fehlt Dir Verbindung oder Respekt? Sind dir Beteiligung oder Geborgenheit besonders wichtig? brauchst Du Verständnis, Wärme, Autonomie?

Es ist ein wunderbares Geschenk der Gewaltfreien Kommunikation, dass sie uns lehrt, Verletzungen zu uns zu nehmen. „Ich bin frustriert, weil mir Verbindung und Nähe wichtig sind. Ich bin traurig, weil meine Bedürfnisse nach Verlässlichkeit und Effektivität im Mangel sind. Ich bin…, weil ich…  Es heißt niemals: Ich bin…, weil du…

In der Gewaltfreien Kommunikation übernehme ich Verantwortung für all meine Gefühle. Und ich übernehme die Veranwortung für die Erfüllung meiner Bedürfnisse.

Ich verabschiede mich von dem Gedanken, ein Täter oder Opfer zu sein. All meine Handlungen diesen dazu, meine wundervollen Bedürfnisse zu befriedigen. Und in der Gewaltfreien Kommunikation kann ich lernen es so zu tun, dass ich dem Leben diene. Indem ich die Macht über meine Gefühle zurückgewinne, erringe ich eine neue Freiheit.

Heute übernehme ich voller Freude die Verantwortung für all meine Gefühle. Wenn mir eine Verletzung bewusst wird, überprüfe ich, welche meiner Bedürfnisse im Mangel ist.



Ärger vollständig ausdrücken

„Wie leid mir tut die Menschenrasse, // mitten in dieser Welt voll Ärger. // Ich glaube, dass wir lauter Verzweifelte sind // oder Leute mit einem kranken Hirn.“ – Giorgio Baffo, aus Poesie, Seite 187

Wenn Ärger im Spiel ist. liegt Spannung in der Luft. Denn Ärger ist ein Hinweis darauf, dass unser Kopf auf Hochtouren läuft. „Was denkst du?“, fragte Marshall Rosenberg einen Strafgefangenen, der sich über die Gefängnisleitung aufregte. Der Häftling war überzeugt, dass er bewusst ignoriert wurde, als Mensch zweiter Klasse behandelt. Und dieser Gedanke löste den Ärger aus.

Therapeuten haben Ärger in die Gruppe der Sekundärgefühle eingeordnet. Es sind „vorgeschobene“ Gefühle, die anstelle anderer, vielleicht schmerzhafter Gefühle wahrgenommen werden. Wenn ich mich im Geschäft über die Bedienung ärgere, fehlt mir vielleicht Respekt und ich empfinde Trauer und Schmerz. Wenn der Partner das dritte Mal in dieser Woche sehr spät von der Arbeit heimkommt, zeige ich mich vielleicht ärgerlich. Aber dahinter steckt das Bedürfnis nach Verbindung, Gemeinschaft, Nähe, Sexualität oder Unterstützung. Und vielleicht bin ich in Wirklichkeit irritiert, beunruhigt, unsicher, ängstlich, allein und ausgelaugt.

Unser Ärger ist eine Einladung genau hinzuschauen, welche Gefühle in uns lebendig sind. Wenn wir wissen, dass unser Ärger wie eine Maske andere Emotionen verdeckt, werden wir schnell feststellen, um welche Bedürfnisse wir uns kümmern können, um  unser Gleichgewicht wiederzufinden.

Heute heiße ich meinen Ärger willkommen und spüre ihm nach, was er mir über meine Bedürfnisse verrät.


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