Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Sei selbstsüchtig (2)

Sich um uns selbst zu kümmern, ist nicht so egoistisch, wie manche Menschen annehmen<...>.

Aus: Melody Beattie, „Die Sucht, gebraucht zu werden“

Es gibt zwei Möglichkeiten zu hören, du bist selbstsüchtig/egoistisch. Zum einen sagen wir es uns vielleicht selbst, wenn wir etwas tun, was wirklich nur wir tun wollen. Allein ausgehen, pünktlich Feierabend machen, einen Mittagsschlaf einlegen. Dann ist unser Freund, der Wolf, dabei, uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Verhalten vielleicht nicht auf breite Zustimmung stößt und er will uns vor Schaden bewahren.

Oder ein Außenstehender konfrontiert uns mit dieser Aussage: Du bist ja so egoistisch!
Was heißt das für uns?
Die erste Ubersetzungsarbeit ergibt vielleicht: Meine Handlungen oder Unterlassungen stehen nicht in Harmonie mit den Werten und Wünschen meines Gegenübers.

Vielleicht muss ich mir an dieser Stelle klarmachen: Wenn ich jetzt exakt das tue, was mein Gegenüber erwartet, erfülle ich nicht meine eigenen Bedürfnisse.
Und es stellt sich die Frage: Wenn von mir verlangt wird, auf die Erfüllung meiner eigenen Bedürfnisse zu verzichten, ist das dann etwas, was meinem Wohlbefinden dient? Und bin ich dann verpflichtet, diesem Wünschen, Drängen oder manchmal auch unausgesprochenen Erwartungen zu genügen?
Wenn wir so theoretisch auf die Fakten gucken, scheint es leicht zu sagen: Nein, ich bin nicht für die Erfüllung deiner Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen verantwortlich. Im wahren Leben ist es wahrscheinlicher, dass wir arg ins Trudeln kommen in unserem Wunsch, es allen Recht zu machen und trotzdem Sorge zu tragen für uns selbst.
Don’t do it, if it is not fun, sagt Marshall. Mache es nicht, wenn es Dir keine Freude bereitet! Denn wenn wir uns verbiegen, um es dem anderen Recht zu machen, werden alle dafür bezahlen. Wir selbst, weil wir nicht das tun, was aus unserem tiefsten Herzen kommt. Und der andere, weil wir nicht wirklich freiwillig geben, was von uns erwartet wird, sondern aus Angst, Sorge, Frustration oder Scham.

Was brauchen wir, um uns um uns selbst kümmern zu können? Vielleicht ist es die Gewissheit, dass es unsere vornehmste Pflicht ist, uns selbst zunächst mit allem zu versorgen, was wir für unser körperliches und spirituelles Wohlergehen brauchen. Und das ist kein von der GfK inspirierter Ego-Trip, sondern eine Jahrtausende alte Weisheit: So ihr das königliche Gesetz erfüllet nach der Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,“ so tut ihr wohl; heißt es bei Jakobus 2,8 und an zahlreichen anderen Stellen in der Bibel.

Selbstsüchtig sein – das heißt: Ich bin für mein Wohl verantwortlich. Ich nehme mein Leben, mein Schicksal, mein Wohlergehen in meine Hände. Und die GfK ergänzt: Deine Bedürfnisse sind mir so wchtig wie meine. Was kann ich tun, um dein Leben zu bereichern?

Heute will ich wachsam sein, ob ich meine Interessen auch wirklich wahrnehme. Ich will mich daran erinnern, dass ich für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich bin.

Sei selbstsüchtig (1)

7. Versprechen: Unsere Ich-Bezogenheit wird in den Hintergrund treten, das Interesse an unseren Mitmenschen wird wachsen.
Aus: Die 12 Versprechen der Anonymen Alkoholiker

Da lesen wir in dem Text zu den 12 Versprechen der Anonymen Alkoholiker (eine spirituelle Gemeinschaft), Unsere Ich-Bezogenheit wird in den Hintergrund treten, und darunter setze ich ein Video, in dem der Amerikaner Vagabond Steve dazu aufruft, selbstsüchtig zu sein. Wie passt das zusammen? Damit werden wir uns in zwei Tagesmeditationen beschäftigen.

Ich-Bezogenheit und „being selfish“ – nur unzureichend übersetzt mit „selbstsüchtig sein“ – bezeichnet in meinen Augen zwei sehr verschiedene Dinge.
Ich-Bezogenheit bedeutet für mich: Alles was um mich herum geschieht, beziehe ich auf mich.
Der Chef grüßt mich nicht? Ich habe einen Fehler gemacht. Die Freundin ruft nicht an? Sicher ist sie nicht mehr an mir interessiert. Der Partner grummelt? Vielleicht habe ich ihn verärgert. Was immer in unserem Leben geschieht – wir beziehen es auf uns.

Aus dieser Sicht auf die Welt kann sich eine Vielzahl von Problemen ergeben. Zum einen sind wir meist ständig besorgt, alles richtig zu machen, es dem anderen, allen anderen stets Recht zu machen, um der befürchteten Kritik zuvorzukommen.

Zum Zweiten sind wir aber auch irgendwo tief in unserem Inneresten überzeugt, dass wir es in der Hand haben, andere Menschen glücklich zu machen. Wenn sie uns nur ließen… wenn nur alles nach unserem Plan abliefe… wenn wir nur den Lauf der Welt kontrollieren könnten…

Die Vorstellung, wir seien für alles verantwortlich, an allem schuld, und letztendlich auch irgendwie in der Lage, alles zu richten, stammt aus frühen Kindertagen.
Wir erwerben sie aus Botschaften, die lauten: „Mami ist traurig, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst“ oder „Oma kriegt einen Herzanfall, wenn du nicht lieb bist!“ Hier haben Erwachsene eine „Macht“ und Verantwortung in die Hände von Kindern gegeben, für die die Kinder in keiner Weise zuständig sind. „Ich bin <...>, weil du <...>

In der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir, dass wir für die Gefühle der anderen nicht verantwortlich sind. Andere Menschen haben Gefühle, weil ihre Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt sind. Ich fühle <...>, weil ich <...>

Und dann ist der Chef vielleicht verärgert, weil kein Kaffee mehr da ist und damit sein Bedürfnis nach Entspannung und „Verpflegung“ nicht erfüllt ist. Die Freundin ruft nicht an, weil sie zu viel um die Ohren hat und keine Zeit findet, ausgiebig zu telefonieren, und der Partner grummelt, weil er müde ist und sein Bedürfnis nach Erholung und Ausgleich nicht erfüllt ist. Nichts davon hat etwas mit mir zu tun. Mit mir ist nichts falsch. Meine Ichbezogenheit wird in den Hintergrund treten und ich kann mich mit neuem Interesse an meinen Nächsten wenden: Wie geht es Dir? Was brauchst Du?

Heute will ich darauf achten, ob ich meine Welt auf mich beziehe. Wenn ich es tue, trete ich einen Schritt zurück und erinnere mich daran, dass ich für die Gefühle anderer Menschen nich verantwortlich bin.

Abschied vom Perfektionismus

Aus dem Versuch, perfekt zu sein, erwächst viel Schmerz. Perfektion ist unerreichbar, wenn wir sie nicht unter einem neuen Aspekt sehen: Perfekt zu sein, so zu sein, wie wir heute sind, und dort zu stehen, wo wir heute stehen; uns so zu akzeptieren und zu lieben wie wir sind. Wir sind genau an der richtigen Stelle, dort, wo wir in unserem Heilungsprozess sein müssen.
Melody Beattie, Kraft zum Loslassen

Der Blick in den Spiegel zeigt bei den meisten von uns: Perfekt ist etwas anderes. Ein Pickel auf der Wange, die Frisur könnte eine Überarbeitung vertragen. Cellulite an den Oberschenkeln, ein freundlicher Waschbärbauch. So geht die Prüfung weiter: Das Gespräch mit dem Kunden lief unglücklich, der Schreibtisch sieht aus, als hätte jemand eine Altpapiertonne darauf entleert. Die Blumen vertrocknet, das selbst gekochte Essen fad und unspektakulär. Ist es nicht faszinierend, wie viele Anlässe wir an nur einem einzigen Tag finden können, um uns niederzumachen?

„Wenn du dein Leben wirklich elend machen willst, vergleiche dich mit anderen“, schlägt Marshall Rosenberg im Scherz vor. Heidi Klum, Mutter von vier Kindern, hatte bereits wenige Wochen nach der letzten Niederkunft ihre Traumfigur zurück. Mozart schrieb schon im Alter von acht Jahren wunderbare Kompositionen und sprach mehrere Sprachen fließend. Und du schaffst es nicht mal, Bratkartoffeln vernünftig zu würzen…

Leider haben wir häufig an uns selbst Anforderungen, die ein normaler Mensch gar nicht erfüllen kann. Angefeuert werden wir dazu von einem inneren Antreiber, der von uns fordert: Sei perfekt! Zumeist haben wir diesen Antreiber bereits in unserer Kindheit kennen gelernt, als wir eine Botschaft vernommen haben, die da lautet:

du bist nur dann ok, wenn du alles richtig machst.

Kindheit im vorigen Jahrhundert

Wer von diesem Antreiber befeuert wird, will immer alles sehr gründlich machen. Auch an andere stellt er in der Regel hohe Anforderungen. Aufgaben werden oft übererfüllt, Perfektion steht ohne Rücksicht auf Kosten oder Zeitaufwand an erster Stelle. Anerkennung gibt es nur für absolut fehlerfreie Leistung. Und: Wenn eine Leistung nicht perfekt ist, fühlen sich die Verursacher oft unter Rechtfertigungszwang.

Wenn wir uns an solchen überdimensionalen Maßstäben messen, kann es leicht passieren, dass wir uns selbst immer wieder für unzureichend halten oder uns weit über unsere Kräfte zu Leistungen zwingen.

Doch wie können wir diesem inneren Antreiber den Stellenwert einräumen, der ihm zusteht, uns aber nicht von Perfektionismus terrorisieren lassen?

Zum Glück gibt es einen Persönlichkeitsanteil, der hier eine andere Komponente unseres Seins vertritt: Unseren Erlauber. Er steht für die Botschaften:

So wie du bist, bist du gut genug
Du darfst Fehler machen
Du darfst mit anderen nachsichtig sein, wenn sie Fehler machen
Du brauchst dich nicht ständig zu rechtfertigen

Zusammen mit einigen anderen Werkzeugen können uns diese neuen Glaubenssätze im Laufe der Zeit zu einer neuen Sicht auf die Welt verhelfen. Wir müssen sicht perfekt sein. Wir sind liebenswert, auch wenn wir Fehler machen!

Heute will ich aufmerksam beobachten, ob mein Perfektionismus sich zu Wort meldet. Ich werde mir vergegenwärtigen, dass er mein Bestes im Sinn hat und mir dann ins Gedächtnis rufen, dass ich auch liebenswert bin, wenn ich Fehler mache.

Mein eigener Deibel…

Hallo, Welt!

Heute Abend bin ich mal wieder mein eigener Teufel.
Ich hatte neulich ein Posting geschrieben, was als Tagesmeditation gedacht war. Aber je länger ich darauf rumkaue, desto weniger gefällt es mir an der Stelle. Nun habe ich mich entschlossen, die Kategorie zu ändern und den Text in mein Tagebuch zu nehmen. Und jetzt bin ich unzufrieden, dass ich für den betreffenden Tag keine Tagesmeditation mehr habe. Ich könnte gerade ein bisschen Einfühlung gebrauchen! Perfektionismus ist schon eine schwere Bürde. Oh – schwups – da hätte ich dann ja gleich mal ein Thema für die morgige Tagesmeditation! Ist das nicht wunderbar?

So long!

Ysabelle

Das Schweigen der Unbewussten

„Es ist die Verantwortung von allen, die in Freiheit leben, ihre Meinung zu äußern. Immer!“ -Morgan Freeman, Stern Nr. 36/2008 vom 28. August 2008, S. 144

Wir leben in einem Rechtsstaat, das Recht auf freie Meinungsäußerung ist im Grundgesetz verbrieft. Eine schöne Theorie, denn tagtäglich gibt es Situationen, in denen wir eben nicht unsere Meinung äußern.

Manchmal kriegt man kein Wort heraus

Der Chef bezieht ständig den Kollegen, aber nicht mich ein. Spreche ich ihn darauf an? Der junge Mann neben mir in der U-Bahn, dessen MP3-Player so laut dröhnt, dass ich mich kaum auf meine Zeitung konzentrieren kann – kriege ich die Zähne auseinander? Der Freund, der sich Monate nicht meldet – mache ich meinem Frust Luft? Die Partnerin, die schon das dritte Mal hintereinander keine Luft auf Sex hat – gebe ich zu erkennen, wie es mir damit geht?

In vielen Alltagssituationen entscheiden wir uns bewusst dafür, von unserem verbrieften Recht auf freie Meinungsäußerung keinen Gebrauch zu haben. Wir fürchten Nachteile, Spannungen, Liebesentzug, Aufkündigung der Freundschaft, eisiges Schweigen oder gar Gewalt.

Wenn wir mit Giraffenohren unterwegs sind, fällt es uns meist leichter zu formulieren, was uns am Herzen liegt. Wenn es uns schon oft gelungen ist, Probleme anzusprechen und gewaltfrei zu lösen, gehen wir bestimmt entspannter in ein solches Gespräch.

Was brauchen wir, damit wir von ganzem Herzen bereit sind, uns offen für unsere Belange einzusetzen? Sicherheit, Klarheit, Verbindung und vielleicht noch manche mehr. Doch eines braucht es an erster Stelle: Ein Bewusstsein dafür, dass dass wir gerade schweigen, statt für uns einzutreten.


Heute will ich meinen Blick auf die Situationen richten, in denen ich nicht für mich einstehe. Ich will überprüfen, was ich brauche, um meinen Standpunkt zu vertreten.

Von Menschen und Telefonaten

Die GFK entwickelt ihre Kraft und Schönheit nur da, wo Menschen in die Tiefe ihres Herzens gehen. Gewaltfreiheit ist nicht billig zu haben. Sie kostet uns etwas. Sie kostet Zeit. Sie kostet Wahrhaftigkeit. Sie kostet uns den Schmerz, unsere Wolfsshow zuzulassen und zu durchdringen. Sie kostet die Mühe der Selbstreflexion.
Gerlinde R. Fritsch, erschienen in der Zeitschrift Kommunikation & Seminar 1/2009; mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Neulich telefonierte ich mit einer Kundin, bei deren Mann eine schwere Erkrankung festgestellt worden war. Sie redete wortreich über die Krankheit, und ihren Mann, den Arzt, die Medikamentierung… Drei Mal habe ich sie unterbrochen, um von ihr zu hören, wie es ihr geht. Beim dritten Mal fing sie an zu weinen und sagte: Ich habe solche Angst, dass er stirbt… Und es tat mir gut, bei ihr sein zu können.

Vorige Woche bekam ich einen Anruf von einer Frau, die mit einem früheren Freund von mir verpartnert war. Sie redete lange und mit intensiven Gefühlen über das, was ihr ihrer Ansicht nach angetan worden war. Ich merkte, dass ich es nicht aushalten konnte: Er ist… und … er hat… und … immer macht er… In meiner Not habe ich schließlich gebrüllt: Ich bin nicht bereit, über diesen Mann zu reden. Aber ich höre dir gern zu, wenn du über dich reden willst…!

GfK ist nichts für Weicheier, sagt Marshall. Wenn ich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen in Verbindung bin und die Haltung der GfK leben möchte, führt das unter Umständen dazu, dass sich andere Leute vor den Kopf gestoßen fühlen. Es führt dazu, dass ich im Gespräch sage, das möchte ich nicht hören. Es führt dazu, dass ich Entscheidungen treffe, die anderen Menschen so nicht recht sind. und vor allem führt es dazu, dass ich mich immer wieder liebevoll auf den Prüfstand stelle.

Heute Abend rief mich eine Bekannte an. Sie brachte ihr Bedauern zum Ausdruck, dass ich nur noch selten bei einer Veranstaltung bin, die wir ein paar Jahre gemeinsam besucht hatten. Dort war es im vorigen Jahr zu einem Vorfall gekommen, als ich durch den Abend führte. Eine Frau hatte sich lautstark darüber beschwert, dass ich nicht hatte lüften lassen. Dann beschimpfte sie mich. Die Versammlung saß schweigend da, und in meinem eigenen Entsetzen über die Macht des Ausbruchs konnte ich mich nur daran klammern, mit Giraffenohren zuzuhören, was die Frau die so laut und schnell sprach, wohl brauchte: frische Luft, Autonomie, Respekt…
ich habe es bis zu diesem Telefonat heute Abend versäumt nachzuspüren, was ich eigentlich in der Situation im vorigen Jahr brauchte. Stattdessen hatte ich den Rückzug angetreten, mich in der Veranstaltung nur noch selten zu Wort gemeldet, war immer seltener hingegangen. Ich habe die Beziehung, die dort bestand, untergraben, indem ich nicht offen gesagt habe, was meine Gefühle, vor allem aber meine Bedürfnisse im Hier und Jetzt waren. Und ich habe mich bei der Bekannten dafür von Herzen bedankt, dass durch ihren Anruf für mich deutlich geworden ist, dass ich mich selbst nicht wahrgenommen habe.

Gibt es eine Lektion aus diesen drei Telefonaten, die so ganz unterschiedlich waren?
Alle drei Gespräche zeigen mir, wie wichtig es für mich ist, mit mir selbst in Verbindung zu sein. Wie geht es mir? Was brauche ich? Sie zeigen mir, dass echte Verbindung zu anderen nur möglich ist, wenn ich bei mir bin. Wie geht es Dir? Was brauchst Du?

Vielleicht gelingt es mir irgendwann schneller als in der Situation voriges Jahr im August. Vielleicht kann ich es irgendwann verbindlicher sagen als Sonntag vor einer Woche, als ich gebrüllt habe: Ich bin nicht bereit, über diesen Mann zu reden! Vielleicht schaffe ich es eines Tages Einfühlung zu geben, ohne Menschen zu unterbrechen, wie bei der Kundin, deren Mann erkrankt ist. Aber ich kann erkennen, dass ich auf dem Weg bin, und ich gehe diesen Weg an jedem meiner Tage so gut ich nur kann. In der Rückschau erkenne ich, dass ich von August bis heute ein gutes Stück vorangekommen bin.

Heute will ich in die Tiefe meines Herzens gehen und mich der Mühe der Selbstreflexion unterziehen. Ich will meine Wolfsshow zulassen und die Früchte aus meinen Urteilen ernten.

Zwei Aktivisten

<...> Bisher habe ich auch nur über den inneren Richter gesprochen. Es gibt noch einen zweiten sehr wichtigen Teil in uns, ich nenne ihn den inneren Entscheider. In diesem Fall müssen wir mit dem inneren Entscheider sprechen. Er ist derjenige, der dafür sorgt, in jedem einzelnen Moment, dass unser Leben erfüllt und schön ist. Er hat den Auftrag, uns zu nähren und für uns zu sorgen.

Marshall B. Rosenberg, Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation, S. 37

In der Welt der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir, dass wir keine Fehler machen. Wir verhalten und so gut, sinnstiftend, verantwortlich, wie es uns gerade möglich ist. In den meisten Fällen kommt jedoch nach einer Handlung der Innere Richter und verteilt die Haltungsnoten für das, was er von unserem Verhalten gesehen hat. Dabei kann es passieren, dass der Richter den Nutzen dessen, was unser innerer Entscheider für richtig gehalten hat, nicht besonders hoch einschätzt, um es mal vorsichtig zu formulieren.

Das ist der Moment, in dem wir uns ins Gedächtnis rufen wollen, dass beide, Entscheider und Richter, wirklich nur unser Bestes wollen. Beide gehören in das gleiche Team, unser Wohlergehen ist ihr oberstes Ziel.

Wenn sich herausstellt, dass es zwei verschiedene Meinungen gibt über das, was unserem Besten dient, entsteht daraus jedoch kein Richtig oder Falsch. Der Entscheider, der die sündhaft teuren Schuhe oder den exquisiten Golfschläger eingekauft hat, der entschied, noch schnell die Sportübertragung zu Ende zu schauen, bevor er die Omi anruft (und dann ist es auf einmal zu spät, um noch anzurufen), tat es aus wunderbaren Gründen. Er entschied eben genau so und nicht anders, um uns eines oder mehrere unserer Bedürfnisse zu erfüllen. Und dabei konnte es passieren, dass andere Bedürfnisse, zum Beispiel nach sorgsamem Umgang mit unseren (finanziellen) Ressourcen oder das Bedürfnis nach Verbindung (zur Omi) zu kurz gekommen sind. Jetzt ist es Zeit, unserem Entscheider und unserem inneren Richter Einfühlung zu geben und zu überprüfen, ob sie für mich eine wunderbare Lektion auf Lager haben, aus denen ich lernen kann, beim nächsten Mal möglichst alle meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Ich habe mich selbst lange wegen einer Handlung gequält, die ich in einer bestimmten Situation unternommen habe, und die ich 15 Jahre lang zutiefst bereut habe. Als ich in der Lage war, meinem Richter und meinem Entscheider von Herzen Einfühlung zu geben, war ich in der Lage, mir selbst zu verzeihen.

Heute will ich dafür aufmerksam werden, wann mein Entscheider eingreift und wie mein Richter diese Entscheidungen kommentiert.

Mit Angst vor Liebesentzug umgehen

„Die Quelle der Angst liegt in der Zukunft, und wer von der Zukunft befreit ist, hat nichts zu befürchten.“ – Milan Kundera, Die Langsamkeit

Heute wollen wir ein wenig dem Phänomen der Angst vor Liebesentzug nachspüren. Angst ist ein mächtiges Gefühl, das uns lähmen, aber auch beflügeln kann. Und oft hat unsere Angst etwas mit unseren Erinnerungen, unserer Vergangenheit und unseren unerfüllten Bedürfnissen zu tun.

Vielleicht haben wir als Kinder zu oft gehört: Sei nicht so laut! Sei nicht so frech! Sei artig! Das tut man nicht! Wenn diese Sätze auch noch verbunden waren mit Strafe, Liebesentzug, Schweigen, bösen Blicken, fällt es uns heute schwer so zu sein wie wir sind. Wir nehmen uns zurück, wir halten Situationen aus, die uns nicht gut tun, wir schweigen, wo wir besser reden sollten. Und nicht selten sind wir unverbunden mit unseren Bedürfnissen. Die vor langer Zeit eingebaute Angst verstellt wie ein großer Schrankkoffer den Blick auf das, was ist.

Uns für unsere eigenen Belange einzusetzen, fühlt sich schwer und falsch an. Vielleicht brauchen wir einen neuen Ansatz. Wozu dient unsere Angst?
Unsere Angst will uns schützen, unsere Angst will uns vor einem Fehler bewahren. Unsere Angst kann aber auch verhindern, dass wir unsere Stärken erkennen. Doch häufig verstellt unsere Angst wie der schon erwähnte Schrankkoffer den Blick auf die Bedürfnisse, die im Hintergrund schlummern: Das Bedürfnis nach Autonomie, nach Leichtigkeit, nach Verbindung, nach Authentizität oder Integrität. Unsere Angst in Beziehungen kann dazu führen, dass wir den Blick auf das was ist, erst neu lernen müssen.

Es gibt ein Zaubermittel für den Umgang mit unserer Angst. Dieses Zaubermittel heißt: Realitätsüberprüfung. Was sind die Fakten? Ist es real, dass der gute Freund sich nicht mehr mit uns treffen wird, wenn wir ihm zeigen, dass wir uns in ihn verliebt haben? Wird der Partner die Beziehung beenden, wenn wir im Schlafzimmer nein sagen zu Experimenten, die uns keine Freude bereiten? Wird die Tochter sich nicht mehr melden, wenn wir die monatlichen Zahlungen reduzieren? Wie realistisch ist es, dass unsere Befürchtungen eintreffen?

Und nehmen wir einmal an, all unsere schlimmsten Befürchtungen würden wahr. Der gute Freund ist an Treffen nicht mehr interessiert. War er dann ein guter Freund? Der Partner beendet die Beziehung, weil ihm das Ausleben seiner erotischen Wünsche eine hohe Priorität ist. Gewinnen wir damit nicht unsere Integrität, Leichtigkeit und Kongruenz (in Übereinstimmung mit den eigenen Werten leben) zurück und haben die Freiheit, einen Partner zu finden, mit dem ich meine Werte leben kann? Wenn ich meiner Tochter nichts mehr gebe, braucht sie sie nicht mehr verpflichtet zu fühlen und dagegen aufzubegehren – kann all das nicht der Beginn einer wunderbaren aufrichtigen Beziehung zwischen zwei Menschen sein?

Angst in Beziehungen hält uns in einem wabernden Zustand der Unsicherheit. Was wird? Was kommt? Je mehr wir diese Angst loslassen, desto näher rücken wir an uns heran. Wir lernen uns selbst zu vertrauen und für unsere Belange einzutreten.

Heute bin ich bereit, meine Angst in Beziehungen freundlich anzusehen. Welchen Bedürfnissen gebe ich noch keinen Raum, weil meine Angst den Blick auf sie verstellt?

„Rückfälle“

Die ersten 30 Jahre sind die schwersten
Marshall Rosenberg

Da haben wir ein Seminar besucht oder eine Jahresgruppe absolviert. Wir waren vielleicht sogar bei einem internationalen Intensivtraining und dann sagt jemand, der uns nahe steht: „Also, meine Schuld ist das nicht, da musst du schon mal bei dir gucken…“
Der Satz ist austauschbar, und jeder von uns wird Sätze haben, bei denen all unser Wissen über Gewaltfreie Kommunikation auf einmal wie weggewischt ist und wir wie ein Dinosaurier mit unserem Uralt-Muster reagieren: Das musst du gerade sagen! Hast du nicht erst neulich… oder vielleicht auch: Oh ja, du hast recht, da habe ich wieder Mist gebaut…

Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die Wolfsohren regenerieren, wenn man nicht ganz genau aufpasst. Und hier wartet auch schon die nächste Falle. Viele von uns neigen dazu, uns dann so richtig schön fertig zu machen für unsere „Unfähigkeit“, nicht gewaltfrei bleiben zu können.

Drei Aspekte möchte ich heute betrachten. zum einen: Warum kann ich (bisher) in bestimmten Situationen nicht gewaltfrei bleiben?
Wir mögen uns noch so sehr um die Haltung bemühen, es gibt Menschen, die uns mühelos erreichen und unser Wissen über die GfK steht uns augenblicklich nicht zur Verfügung. Oft sind es Menschen, die uns besonders nahe stehen: Die Mutter, der Partner, das eigene Kind. Wir reagieren dann so, als hätten wir ne etwas von GfK gehört. Und diese Reaktionen sind nicht selten begleitet von intensiven Gefühlen, Wut, Schmerz oder Scham.
Ich glaube, dass uns manche Äußerungen in einen Zustand versetzen, in denen wir so viel Schmerz empfinden, dass dieses intensive Gefühl uns das Tor zur Gewaltfreien Kommunikation für einen Augenblick versperren. Es dauert eine Weile, bis wir in der Lage sind, in solchen schwierigen Situationen Sätze zu formulieren wie: Danke, dass du mir mitteilst, wie es gerade in dir aussieht oder vielleicht das kann ich jetzt schwer hören. Ich gehe mal eben um den Blick und sage dann etwas dazu… Ich hatte gerade den Gedanken, dass ein Steinzeitprogramm zugeschaltet wird, und etwas in uns glaubt, blitzschnell auf höchste Gefahr reagieren zu müssen. Und dann greift das Gehirn auf Altes zurück, denn es dauert ein paar Jahre, bis die GfK sich in unserer neuronalen Vernetzung im Gehirn eine eigene Autobahn „gegraben“ hat. Und bei Gefahr oder unter Stress ist man halt schneller auf der Vorkriegs-Autobahn von Richtig oder Falsch, Schuld und Scham, als auf dem frischen Trampelpfad der Gewaltfreien Kommunikation.

Mein zweiter Gedanke gilt unserer Reaktion auf unsere Handlungen oder Aussagen. Nicht wenige von uns neigen jetzt dazu, sich jetzt so richtig von Herzen fertig zu machen. Jetzt habe ich schon 20 Trainingstage hinter mir, zwei mal das Buch gelesen und alle CD’s gehört, und ich krieg’s noch immer nicht auf die Reihe. Irgendwas ist falsch mit mir… Gern genommen wird auch: Also, im Ernstfall taugt diese GfK ja nichts.

Schon dieser Blick zeigt, wo wir hier landen: Bei den vier Ohren der Gewaltfreien Kommunikation. Wir bewegen uns erneut in einer Welt von Richtig oder Falsch. Und je nach Blickrichtung sind wir der Täter oder unser Gegenüber. Ich kenne für diese Situation nur ein Heilmittel: Empathie. Im Zweifelsfall: Selbstempathie.

Zum dritten möchte ich die Geschenke aus dem „Rückfall“ ernten.
Schon das Wort Rückfall ist ja im Grunde eine Bewertung. Ich bin ja kein entlassener Strafgefangener, der wieder Kekse klaut im Kosmos von Richtig oder Falsch. Ich habe es trotzdem als Überschrift gewählt, weil es die Bezeichnung ist, die wir oft wählen, wenn unser Verhalten nicht mit unseren GfK-Werten übereinstimmt. Wie können wir nun aus diesem Verhalten Geschenke ernten?
Lasst uns noch einmal die Ausgangssituation betrachten: Unser Gegenüber sagt einen Satz, oder eine Reihe von Sätzen, die in uns eine Kaskade an Gefühlen auslösen. Schmerz, Wut, Hilflosigkeit, Trauer. Unser altes Reaktionsmuster verhindert in diesem Augenblick, dass wir ganz bei uns sein können, auf uns selber hören als lauschten wir dem Klang eines Cellos.

Doch niemand hindert uns, an diese Stelle zurückzukehren und wie Rotkäppchen mit dem Körbchen die Pilze einzusammeln, die hier wachsen. Was habe ich gehört? Was hat der andere wirklich gesagt? Welche Gefühle hat das in mir ausgelöst? Und welche Bedürfnisse waren in dem Augenblick unerfüllt? Respekt? Wertschätzung? Autonomie? Gesehen werden?
Wenn wir bereit sind, uns selber zuzuhören, finden wir nicht nur ein tiefes Verständnis für uns selbst, sondern sehr wahrscheinlich auch die Tür, durch die wir uns dem anderen wieder nähern können.

Heute will ich liebevoll mit mir umgehen, wenn mir die Giraffensprache gerade nicht zur Verfügung steht.

Vertrauen

„Menschen, die einander ohne tatsächlich klaren Grund nicht trauen, trauen sich selber nicht.“
Friedrich Theodor Vischer, Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. 40. Gesamt-Auflage. Stuttgart und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt, 1908. S. 505.

Ist es nicht ein wunderbarer Anblick, wenn ein Baby in den Armen des Vaters schläft? Wen berührt es nicht, wenn ein Kind voller Vertrauen und Stolz der Mutter das Bild zeigt, das es gemalt hat? Es hat eine Zeit gegeben, in der wir alle Vertrauen hatten.

Doch dann mussten wir lernen, dass es nicht angebracht ist, immer zu vertrauen. Wir lernten, dass wir auf unseren Schutz achten mussten. Manche von uns wurden aufgrund ihrer Erfahrungen so misstrauisch, dass sie niemandem mehr glauben konnten und ein Verhalten einübten, das ihnen die größtmögliche Sicherheit versprach.

Am schwersten haben wir zu kämpfen, wenn wir kein Vertrauen in uns selbst haben. „Wann wirst du aus diesem Fehler endlich lernen?“ oder „das hast du noch nie hingekriegt, das geht diesmal bestimmt auch wieder schief“ – Es ist schwer, dann innezuhalten und uns voller Wärme zu fragen:

Was brauchst du, um dir selbst vertrauen zu können?

Vielleicht hilft uns das Verständnis, dass wir alles was wir tun, in jeder Minute so gut machen, wie es in unserer Macht, in unserer Kraft steht. Unsere Entscheidungen treffen wir mit all dem Wissen, das uns zur Verfügung steht. Und wenn wir uns für eine Handlung oder Unterlassung entscheiden, tun wir das Beste, was wir gerade zur Verfügung haben. Wenn unsere Anstrengungen nicht zum Erfolg führen, ist das mehr ein Anlass für Einfühlung als für Kritik und Selbstabwertung.

Was geht uns unter die Haut? Vielleicht schaffen wir es immer besser, die Äußerungen anderer Menschen als das zu hören, was sie sind: Selbstoffenbarungen. Und dann spüren wir keine Verletzung mehr. Heute wollen wir lernen, auch unsere eigenen Äußerungen über uns neu wahrzunehmen: Als ein Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.

Heute will ich daran arbeiten, mir selber zu vertrauen. Alles was ich tue, mache ich so gut es mir möglich ist.

Wenn ich höre…

„Der Anfang des rechten Lebens ist das rechte Hören.“
Plutarch, Moralia, Über das Zuhören, Kapitel 18

Der erste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation ist das Zuhören. Wir benutzen oft die Formulierung: „Wenn ich höre…“, wenn wir noch ganz am Anfang sind, giraffisch zu lernen. Aber was hören wir eigentlich? Der Kommunikationsforscher und Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein Kommunikationsmodell erarbeitet, das uns heute hilft zu sortieren, was wir hören. Er schlägt vor, dass wir mit vier Ohren unterwegs sind und beschreibt, dass eine Nachricht vier verschiedene Ebenen hat:

  1. eine Sachinformation (worüber ich informiere)
  2. eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe)
  3. einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe)
  4. einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte)

Wenn wir einen ganz einfachen Satz nehmen:

Deine schmutzigen Socken liegen auf dem Küchentisch
können wir relativ sicher sein, dass unser Gegenüber,  BesitzerIn der Socken, eine Menge Dinge „hört“. Die „gefühlte“ Langfassung würde vielleicht lauten:

1. Deine Socken liegen auf dem Tisch.

2. Ich bin ärgerlich und finde es total unappetitlich, wenn die Socken da liegen!

3. Wer dreckige Socken auf dem Tisch liegen lässt, ist irgendwie asozial

4. Räum die Dinger verdammt schnell zur Waschmaschine!

Es sind nur sieben Worte, und sie können für so viel Sprengstoff sorgen!

Nun wissen wir ja, dass es in der Gewaltfreien Kommunikation darum geht, unsere Beobachtung so neutral anzubringen als sei sie von einer Kamera aufgezeichnet worden. Eine Kamera, auch nicht die teuerste, würde sich im Leben nicht über ein Paar Socken auf dem Tisch aufregen. Aber warum regen wir uns über die Socken auf dem Küchentisch auf? Es hilft, wenn wir das für uns selber geklärt haben, bevor wir den Mund aufmachen.

Der Anblick der Socken kann bei uns ein Feuerwerk an Gefühlen auslösen. Hurra! Dann wissen wir, dass wir noch leben! Sind wir frustriert, weil wir diese Woche schon fünf Mal die Socken selber weggeräumt haben und uns Unterstützung wichtig ist? Sind wir ernüchtert, weil uns Wertschätzung fehlt? Geht es uns um Ordnung, und sind wir lustlos, weil wir als einzige bestimmte Vorstellungen von System und Struktur haben? Oder sind wir genervt, weil es uns um Selbstständigkeit geht?

Die Chancen, dass unser Gegenüber eine Menge hört, aber nicht unbedingt etwas Friedliches, sind leider sehr groß. Und damit wächst auch die Gefahr, dass unser Gegenüber unsere Botschaft auf dem „Kritikohr“ hört. Mit dir ist etwas falsch! Und dann sind wir nicht bei einer Brücke der Verständigung, sondern in den meisten Fällen in einem unerfreulichen Kreislauf aus Anklagen, Verteidigungen und Selbstabwertung.

Wir machen es unserem Gegenüber leichter, die Botschaft zu hören, wenn wir selber wissen, welches Bedürfnis bei uns unerfüllt ist, und ihm das auch mitteilen. Wenn wir bereit sind, all unsere Bedürfnisse zu uns zu nehmen, öffnen wir den Weg neu zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Denn dann hat unser Gegenüber die Chance zu hören: Ich spüre einen großen Schmerz, weil bei mir ein wichtiges Bedürfnis unerfüllt ist…

Heute will ich mein Augenmerk auf die vier Ebenen meiner Botschaften richten. Es ist mir wichtig, dass mein Gegenüber weder Abwertung noch Forderungen hört, sondern eine Bitte um Verbindung. .

Selbstverbesserungsprogramm

Hallo Welt!

Gestern Abend war ich auf der Waage, was ich nur sehr selten tue.
Ich hatte vor zwei Wochen beschlossen, „sieben Wochen ohne“ Pommes Frites und Dessert zu verbringen, morgens wieder Obstsalat zu essen und nach 18 Uhr Kohlehydrate möglichst zu reduzieren. Nun dachte ich, es müsse doch schon ein paar Früchte meines Verzichts geben.
1. Sonst wiege ich mich immer morgens.
2. Ich habe vier Tage auf Workshops und Seminaren gesessen, mich nicht bewegt. Und ich war zehn Tage nicht beim Sport (ich habe Rücken!). Wie soll da das Gewicht runtergehen?

Das Ergebnis meines Auftritts hat mich frustriert. Können nicht wenigstens diese paar Kilo verschwinden, die mich unter die magische 70-Kilo-Marke bringen?!

Und dann musste ich mit Macht Kelly Bryson in meinem Kopf aktivieren. Er erklärt in seinem Buch „Sei nicht nett, sei echt“ – jedenfalls glaube ich, dass es da war – man möge doch mal alle Selbstverbesserungsprogramme sausen lassen. Meist kämen sie zustande, weil man an sich selbst irgendeinen Mangel diagnostiziere. „ich bin zu <...> „. Je nach Typ kann ich einsetzen: zu dick, zu unwissend, zu alt, zu unattraktiv… Alles klar?

Zum Glück fand ich im Stern dieser Tage eine Reportage, dass WHO und andere Institutionen Abschied nehmen vom Body Mass Index, dessen Werte angeblich keine Aussagekraft über einen Zusammenhang zwischen Gewicht und Gesundheit ableiten lassen. Man einigt sich jetzt gerade auf die Aussagekraft des Maßbands und den Taillenumfang. Wie gut, dass ich noch eine Taille habe, oder?!

Spaß beiseite.

Mit dieser Bewertung, etwas an mir oder gar ich als ganzes sei ungenügend habe ich immer wieder zu kämpfen. Eine gute Gelegenheit, die Giraffenohren aus dem Schrank zu holen und mir Einfühlung zu geben. Hast du Angst, nicht geliebt zu werden, wenn Du X Klio wiegst? Und dann kann ich gucken, was es braucht, um mit dem umzugehen, was ich dann höre. Diät brauche ich – glaube ich – nicht. Also: Wertschätzung, Wärme, Nähe, Geborgenheit… Es ist schön und traurig zugleich, mit den eigenen Bedürfnissen hinter dem Selbstverbesserungsprogramm in Verbindung zu kommen.

Darauf einen Obstsalat 😉

So long,

Ysabelle

Ressourcen aktivieren

Ein Augenblick der Geduld kann vor großem Unheil bewahren, ein Augenblick der Ungeduld ein ganzes Leben zerstören. Das die Vögel der Sorge und Kummer übers Haupte fliegen, kannst du nicht ändern. Aber das sie Nester in deinen Haaren bauen, das kannst du verhindern.
Chinesisches Sprichwort

Gelegentlich kommt es uns vor, als seien wir in einer Sackgasse gelandet. Die Partnerschaft zerbrochen, die Karrierechancen trüb, ein neuer Job nicht in Sicht. Schmerz, Kummer, Ratlosigkeit, Enttäuschung halten uns fest im Griff.

Auch in solchen Situationen ist es unsere ureigene Entscheidung, wohin wir unseren Blick richten wollen. Schauen wir auf den Mangel, auf das was uns fehlt? Auf die Geliebte, die gegangen ist, die öden Tage im Büro, die Absagen im Briefkasten?
Lassen wir es zu, dass die Vögel der Sorge in unseren Haaren Nester bauen? Oder sind wir bereit, auf unseren Reichtum zu schauen und unsere Fähigkeit wertzuschätzen, unsere Welt neu zu gestalten?
Was können wir tun, wenn unsere Welt dunkel und lieblos zu sein scheint?

Wir können uns an unseren Ressourcen orientieren.

Was macht mich froh? Wann fühle ich mich sicher? Wo erlebe ich Geborgenheit? Was bietet mir Schutz? Wenn wir uns unsere Ressourcen ins Bewusstsein rufen, ist es nur noch ein kleiner Schritt, sie zu aktivieren, zum Telefon zu greifen, einen Freund zu kontaktieren, sich in die heiße Badewanne zu legen, eine CD aufzulegen, die unsere Stimmung hebt.

Was können wir tun, wenn sich kein Ausweg zeigt?

Wir können uns an unseren Bedürfnissen orientieren.
Was brauche ich? Was tut mir gut? Was kann ich tun, um Autonomie, Leichtigkeit, Selbstständigkeit, Beteiligung und Unterstützung in mein Leben zu bringen?

Wir können diese Fragen durcharbeiten und werden Antworten finden.
Die Antworten bringen uns mit unserer Kraft in Verbindung. Die Kraft wird es uns ermöglichen, unserem Leben eine neue Wendung zu geben.

Heute will ich mich darauf besinnen, was mir gut tut und was mich stärkt.

Dogs and Cats

The following was found posted very low on a refrigerator door.

Dear Dogs and Cats:

The dishes with the paw prints are yours and contain your food. The other dishes are mine and contain my food. Placing a paw print in the middle of my plate and food does not stake a claim for it becoming your food and dish, nor do I find that aesthetically pleasing in the slightest. The stairway was not designed by NASCAR and is not a racetrack. Racing me to the bottom is not the object. Tripping me doesn’t help because I fall faster than you can run.

I cannot buy anything bigger than a king sized bed. I am very sorry about this. Do not think I will continue sleeping on the couch to ensure your comfort, however. Dogs and cats can actually curl up in a ball when they sleep. It Is not necessary to sleep perpendicular to each other, stretched out to the fullest extent possible. I also know that sti cking tails straight out and having tongues hanging out on the other end to maximize space is nothing but sarcasm.

For the last time, there is no secret exit from the bathroom! If, by some miracle, I beat you there and manage to get the door shut, it is not necessary to claw, whine, meow, try to turn the knob or get your paw under the edge in an attempt to open the door. I must exit through the same door I entered. Also, I have been using the bathroom for years – canine/feline attendance is not required.

The proper order for kissing is: Kiss me first, then go smell the other dog or cat’s butt. I cannot stress this enough.

Finally, in fairness, dear pets, I have posted the following message on the front door:

TO ALL NON-PET OWNERS WHO VISIT AND LIKE TO COMPLAIN ABOUT OUR PETS:

(1) They live here. You don’t.

(2) If you don’t want their hair on your clothes, stay off the furniture. That ’s why they call it ‚fur‘-niture.

(3) I like my pets a lot better than I like most people.

(4) To you, they are animals. To me, they are adopted sons/daughters who are short, hairy, walk on all fours and don’t speak clearly.

Remember, dogs and cats are better than kids because they:

(1) eat less,

(2) don’t ask for money all the time,

(3) are easier to train,

(4) normally come when called,

(5) never ask to drive the car,

(6) don’t hang out with drug-using people;

(7) don’t smoke or drink,

(8) don’t want to wear your clothes,

(9) don’t have to buy the latest fashions,

(10) don’t need a gazillion dollars for college and

(11) best of all – if they get pregnant, you can sell their children …

Verantwortung übernehmen

Der Mensch ist zur Freiheit verdammt. In dem Maße, wie er sein eigenes Leben bestimmt, ist er auch für die Folgen seines Tuns verantwortlich. Jean-Paul Satre schrieb dazu: „Alles, was mir zustößt, ist meins“.
Der Spiegel 9/2010, aus einem Bericht über den Rücktritt von Bischöfin Käßmann

Alles, was mir zustößt, ist meins. Was für eine ungeheuerliche Behauptung. Wenn ich daran festhalte, kann ich niemandem die Schuld für meine Gefühle geben. Meine Wut gehört mir, mein Schmerz, meine Verzweiflung. Gleichzeitig ist es eine Einladung, durch das Tor aus Schuld und Scham in die Welt der Freiheit zu gehen.

Wenn Schuld und Scham keine Rolle mehr spielen, wenn ich dem Urteil anderer entzogen bin und mich meiner wahren Verantwortung stelle, dann
sind nicht nur andere nicht mehr „schuld“ an meinem Unglück, an meinem Frust und meinem Schmerz. Ich bin auch von der Last befreit, an ihrem
Unglück, ihrem Schmerz Schuld zu sein. Alles, was mir zustößt, ist meins.

Ich kann meins nehmen, es ansehen, hineinspüren, eine Chance zum Wachsen finden. Ich kann auch im Groll verharren, die Verantwortung für mein
Leben ablehnen, mit dem Finger auf den anderen zeigen: Du hast mich so verletzt! Warum gibst du mir nicht, was ich brauche? Was du versprochen
hast…

Hier beginnt unsere Verantwortung für uns selbst. Alles, was mir zustößt, ist meins.
Und ich ergreife die Chance, zu wachsen, zu lernen und die Macht über mein eigenes Leben zu genießen.

Heute will ich meine Augen dafür offen halten, wo ich dazu neige, anderen die Verantwortung für das einzuräumen, was mir zustößt. Ich bin
bereit, es als meins zu mir zu nehmen.

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