Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Von Herzen nehmen und geben

Danke, für alle guten Freunde,
Danke, o Herr, für jedermann,
Danke, wenn auch dem größten Feinde
Ich verzeihen kann.
Vers aus einem Kirchenlied

Dankbarkeit kann unser Leben unendlich bereichern. Und jeden Tag gibt es unendlich viele Gründe, dankbar zu sein. Manches nehmen wir überhaupt nicht mehr als Anlass für Dankbarkeit wahr. Dass wir satt zu essen haben, ein Dach über dem Kopf, ein funktionierendes Telefon oder Internet. Die Tatsache, dass wir uns selbst erhalten können oder die Tatsache, dass wir Unterstützung von staatlichen Stellen bekommen, und sei es auch noch so wenig.
Dankbarkeit wird leider nicht immer in reiner Form ausgeliefert, frisch, kraftvoll, golden glänzend. Gelegentlich kommt sie vermischt mit Scham. „Das kann ich nicht annehmen. Das ist mir peinlich“. Oder sie kommt mit Unbehagen. „Was muss oder soll ich dafür leisten, dass mir jetzt dieses Geschenk zuteil wird?“ Sie kommt zähneknirschend: „Das hätte ich für mich selbst tun können und es frustriert mich, es von dir zu erhalten.“

Manchmal liegt es an uns, warum wir uns über ein Geschenk, eine Aufmerksamkeit, eine Liebe nicht richtig freuen können. Dann melden sich unsere Wächter, die Wölfe zu Wort.
Manchmal liegt es am Geber, dass bei uns die Freude nicht so recht aufkommen mag. Selbst die Freude über ein neues Auto bleibt ein bisschen gedämpft, wenn die Eltern das Geschenk mit der Aussage überreichen: „Du schaffst es ja nicht, dir dafür etwas zusammenzusparen.“ Da ist dann wohl erst mal ein bisschen Übersetzungsarbeit gefragt.

Wir können überprüfen, ob wir selber aus tiefstem Herzen geben, oder ob wir mit unserem Geschenk, unserer Dienstleistung oder unserem Ausharren verborgene Motive haben. Bügele ich deine Hemden, weil es mir eine Freude ist, oder tue ich es, weil ich erwarte, dass du dafür endlich die Lampe in der Küche reparierst? Im zweiten Fall wird unsere Gabe zur Dienstleistung, und es ist unwahrscheinlich, dass der andere sie aus tiefstem Herzen annehmen kann. Vermutlich würde uns dann ein „Danke“ und eine Umarmung nicht wirklich begeistern, denn eigentlich erwarten wir etwas anderes zurück.

Wie lernen wir, aus tiefstem Herzen zu geben? Indem wir uns abgewöhnen etwas zu geben, was nicht aus tiefstem Herzen kommt. Es ist wie bei der Bildhauerei. Nimm einen Marmorklotz und haue alles weg, was nicht wie eine Statue aussieht, und zurück bleibt: die Statue.

Heute will ich bei all meinem Geben nachspüren, ob es aus meinem tiefsten Herzen kommt. Wenn es nicht der Fall ist, überprüfe ich die Motive für mein Geben und entscheide mich gegebenenfalls neu.

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