Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit 15.12.2017

Hallo, Welt!
Es gibt Momente, da fällt es mir so sauschwer, dankbar zu sein. Gerade läuft in der Außenwelt mal wieder so viel schief und am liebsten würde ich mich auf den Boden schmeißen und mit den Fäusten trommeln. Schuld sind natürlich immer die anderen und ich kann ja gar nichts dafür … Leider bin ich noch immer so schlapp und erschöpft, dass die Kraft nicht reicht, um auf den Boden zu trommeln. Doof, nicht mal das klappt.

Person A erledigt einen Auftrag, das Ergebnis gefällt mir nicht. Ich kontaktiere A mit der Bitte um ein Videogespräch. Als Antwort kriege ich den geplanten Tagesablauf von A mit der Option, JETZT ein Autotelefonat zu führen. Das passt für mich nicht, da ich die Ablenkung durch das Autofahren bzw. die Verkehrsgefährdung durch die Ablenkung durchs Telefonieren nicht will. Ich melde also zurück: Ich schlaf dann erst mal. Es kommt keine weitere Kontaktaufnahme, keine Rückkehr zum Thema, nix. Ich frage also nach und erhalte die Info, Person A ist auf der Autobahn auf dem Weg nach Takatukaland, wo weder ein geeigneter Rechner noch das passende Programm zur Verfügung steht, um das angesprochene Problem zu lösen. Arrrgggggghhhhh …. Unerfüllte Bedürfnisse: Respekt, Wertschätzung, Verbindung, Sicherheit, Gesehen werden, so was wie Vertragstreue. Mist, steht wieder in keiner GFK-Liste. Also: Sicherheit, mich auf den anderen verlassen können.

Person B erledigt eine klar umrissene Aufgabe. Schicke Produkt XXXX an Kunden &$. Gestern abend ruft mich der Kunde an. Das Produkt besteht aus vier Teilen, der hat nur zwei bekommen.

Noch Fragen? Unerfüllte Bedürfnisse: Sicherheit, Vertrauen.

Eine Bestellung kommt rein. Ein Kunde möchte drei mal das gleiche Produkt. Da fällt Person F auf, nanu, das Produkt ist ja gar nicht mehr da! Zitat:

Ich hab sehenden Auges den Schwund zugelassen, ist mir durchgerutscht, ?dachte immer, das wär so selten..

Ich kann die Liste der Pannen und Missglücke fortsetzen, das bringt nur keinem was. In hierarchischen Systemen, zum Beispiel in meiner Ursprungsfamilie, wäre ich als „Täterin“ jetzt einfach zusammengebrüllt worden, je nach Schwere des Vergehens auch verprügelt. Das war ja in den 50ern und 60ern durchaus üblich und ist ja bis heute nicht ganz aus der Mode gekommen. Im Berufsleben durften wir antreten und uns beim Chef einen Anschiss abholen. Mir dämmert gerade, welche Gefühle dabei in Chef oder Mutter lebendig waren: Ohnmacht und Hilflosigkeit, je nach Situation vielleicht auch noch Angst und Trauer. Das entspricht in etwa dem Gefühlscocktail, mit dem ich gerade unterwegs bin. Und es gibt diesen Impuls, anderen die Schuld zu geben. Du, Du, Du, Du …

Wie kann es sein, dass dieses Schuld-Dingsbums so verdammt tief in uns verankert ist? Dass die erste innere Reaktion auf diese unerwünschten Gefühle immer wieder der Zeigefinger auf den anderen ist … DER war’s! Mein Kollege Matthias Albers bezieht sich dabei gern auf Schamkultur und Schuldkultur:

Die Begriffe Schamkultur und Schuldkultur bezeichnen einander gegenübergestellte Konzepte, die Kulturen danach unterscheiden, ob diese sich eher äußerer (Scham) oder innerer (Schuld) Instanzen für den Umgang mit Fehlverhalten zur Konfliktregulierung bedienen. (Der Erfinderin) Ruth Benedict zufolge beruhen „Schamkulturen“ auf einer äußeren Instanz, welche Fehlverhalten sanktioniere. Schamgefühle entstünden als Reaktion auf Kritik oder Bloßstellung von außen. In einer „Schuldkultur“ sei dagegen diese Autorität verinnerlicht. Schuldgefühle entstehen im Selbst, welches sich in eine schuldige und eine beschuldigende Instanz aufspalte.

Diese Theorie soll umstritten sein, wieso, benennt der Wiki-Artikel nicht.
Also: Wir hier im Westen haben das Konzept von Schuld internalisiert.

Im „westlichen“ Denken schließe im Falle des Verstoßes gegen ein gültiges moralisches Gebot ein Schuld-Diskurs an. Im Falle des Verstoßes gegen ein gültiges moralisches Gebot oder gegen geltendes Recht werde eine Schuld der handelnden Person konstatiert, wenn sie das Gebot oder Gesetz kannte oder hätte kennen müssen und wenn es in ihrer Macht lag, das Gebot oder Gesetz zu befolgen. Der Schuldvorwurf gelte in moralischen und rechtlichen Kontexten als eine wesentliche Voraussetzung für die Zuschreibung von Verantwortung sowie für eine Bewertung des Handelns zum Beispiel durch Lob, Tadel, Belohnung oder Strafe.

Zurück zur Ausgangsfrage: Wofür bin ich dankbar?
Ich bin dankbar, dass ich mich heute anderen Menschen gegenüber nicht mehr in einen brüllenden Godzilla

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verwandeln muss sondern dass ich immer häufiger die Wahl habe, wie ich mich verhalten möchte. Ich kann Sachen ansprechen, die schief gelaufen sind, ohne auszurasten oder mich klein zu machen (Rebellion oder Unterwerfung). Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

So long!
Ysabelle

Eine Reaktion zu “Dankbarkeit 15.12.2017”

  1. Ralph

    Hi Du!
    Vielleicht hier noch ein Ansatz für weitere Hinterfragung: Welche Instanz entscheidet denn, ob etwas schief gelaufen ist? Unser kleiner, fehlbarer Verstand, oder? Und aufgrund welcher Basis? Allein aufgrund von Erwartungshaltungen. Und wer hat diese erzeugt? Du ahnst es bereits: Unser kleiner, fehlbarer Verstand. Natürlich hält dieser sich selbst für den Nabel der Welt … gefährlich wird es aber nur, wenn wir uns mit ihm identifizieren! Bleiben wir hingegen in der Beobachterrolle, können wir ganz gelassen konstatieren: „Aha! Interessant, was mein Verstand da gerade wieder denkt.“
    Für die Fähigkeit, mich in fast allen Situationen auf diese Beobachterposition zurückziehen zu können, bin ich ungeheuer dankbar!

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