Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Werkzeuge im Konfliktfall: Knock three times!

Hallo, Welt!
Vor ein paar Wochen habe ich bei Simran in der Übungsgruppe ein Modell kennen gelernt, das mir in beruflichen und privaten Zusammenhängen in diesen Tagen gerade wieder ganz nahe ist. Es ist ein Werkzeugkoffer, den ich im Konfliktfall benutzen kann. Hier mal mein Versuch, diesen Werkzeugkasten grafisch darzustellen. Ich habe das mit einem Kinder-Malprogramm gemacht, sicher kann das der eine oder andere schöner, aber vielleicht hilft die Skizze, das Konzept besser zu verstehen.

Mal angenommen, ich hätte einen Konflikt mit meinem Chef, der zu mir sagt: „Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein!“

Allererster Schritt: Atmen. Mindestens drei Mal tief ein- und ausatmen. Häufig ist es in Konflikten so, dass wir zwar einatmen, aber dann die Luft anhalten. Also: Ein- und ausatmen.
Als nächstes mache ich mir klar. Das hat nichts mit mir zu tun. „Wir schreien nur deswegen, weil der Abstand zwischen uns so groß ist…“

Und dann beginne ich mit 1 A auf dem Schaubild: Selbsteinfühlung: Wie habe ich mich in dieser Situation gefühlt? Was hätte ich gebraucht?
Wenn ich wirklich mit Selbsteinfühlung gut versorgt bin, kann ich Vermutungen anstellen, was der andere womöglich gebraucht hätte. Ich gehe also zu 1 B. Wenn ich diese beiden Bereiche in mir, gegebenenfalls mit Unterstützung von außen geklärt habe, kommt der Schritt über die Verbindungsbrücke, also der Schritt auf den anderen zu. Grundsätzlich gibt es dazu zwei Möglichkeiten. Entweder ich teile mich wie unter 2) angegeben mit, oder ich gehe schnurstracks zu 3 und frage, wie es dem anderen in dieser Situation ergangen ist. Für dieses Klärungsgespräch klopfe ich drei Mal an, um sicher zu stellen, dass der andere wirklich gesprächsbereit ist:

1. Ich möchte mit dir sprechen. Bist du bereit dazu? Hast du einen Moment Zeit?
Vielleicht kommt jetzt eine Rückfrage: Worum geht es denn?
Wenn wir ein Nein hören, folgt die Frage: Was brauchst du denn, um ja zu sagen?
2. Ich möchte mit dir über diese Situation sprechen.
Wenn wir ein Nein hören, folgt die Frage: Was brauchst du denn, um dich darauf einzulassen?
3. Ich möchte dir gern sagen, wie es mir damit geht und was ich annehme, was bei dir eine Rolle gespielt hat.
Also erst im dritten Anlauf, beim dritten Anklopfen sind wir auf Werkzeug 2 & 3.
3 a lautet dann: Möchtest du zuerst etwas über diese Situation sagen oder soll ich zuerst sprechen?

– ich habe gehört…
– bei mir ist angekommen…

und jetzt bitte keine Interpretationsgefühle: überfordert, überrollt, provoziert, manipuliert…
Die Auseinandersetzung, deren Zeuge ich Donnerstag war, entzündete sich daran, dass ein Mensch zu einem anderen sagte: du hältst jetzt mal den Mund, dich habe ich nicht gefragt.
Mensch 1 sagte später zu Mensch 2, er wolle sich für seine Aussage entschuldigen, es täte ihm Leid. „Und jetzt hoffe ich, dass du über deinen Schatten springst und mir verzeihst.“ Mensch 2 machte dazu keine Anstalten, sondern guckte ziemlich grimmig.
Als ich diesen Satz hörte, merkte ich, wie bei mir innerlich der Rolladen runter ging. Über den eigenen Schatten springen – das ging irgendwie gar nicht. Hätte er gesagt, dass Du dein Herz öffnest, das hätte mich wahrscheinlich berührt. Laut Wiktionary bedeutet dieser Ausdruck: sich überwinden etwas zu tun, was man sonst nie tun würde; über seine eigenen Möglichkeiten hinausgehen. Ich glaube, ich bin gern bereit zu verzeihen oder mich mit den wunderbaren Bedürfnissen zu verbinden, die den anderen im Augenblick der „Tat“ bewegt haben. Aber bei mir kommt durch diese Formulierung eher an, der andere sei ein sturer Hund. Komisch, beim Draufrumkauen stelle ich fest, dass es der Satz nicht hergibt. War es die Betonung? Wieso kam bei mir gleich wieder eine Abwertung des Gegenübers an? das ist wohl offensichtlich meins. Ich habe jedenfalls in der beschriebenen Situation ganz deutlich gemerkt, dass ich als Mensch 2 überhaupt kein Interesse an der Position von Mensch 1 hatte. Ich will keine Begründung, ich will keine Rechtfertigung. Ich will gesehen werden. Ich will, dass meine Bedürfnisse anerkannt werden, mein Schmerz gesehen. Und ich glaube, dass Person 1 das nur leisten kann, wenn sie vorher ausreichend Selbsteinfühlung und Einfühlung getankt hat. Und wenn er oder sie in dem Bewusstsein ist, nichts FALSCH gemacht zu haben. Vielleicht gibt es ein Bedauern, weil das eigene Verhalten so wenig mit dem zu tun hat, was wir uns selbst wünschen. Aber nur das Nervengift „Falsch“ bringt uns dazu, Dinge zu tun oder zu sagen, die der Verbindung im Wege stehen.

Wie seht Ihr das?

So long!

Ysabelle

2 Reaktionen zu “Werkzeuge im Konfliktfall: Knock three times!”

  1. Olaf

    Hallo Ysabelle
    Als ich den Satz “Und jetzt hoffe ich, dass du über deinen Schatten springst und mir verzeihst.“ gelesen habe, hatte ich auch eine Abneigung, die ich mir lange nicht erklären konnte. Vielleicht weil mir ein anderer sagt was ich tun soll, anstatt zu fragen ob ich noch etwas brauche oder mit seiner Entschuldigung etwas anfangen kann. Ich weiß nicht ob ich irgendwann in der Lage sein werde in solch einer Situation meinem gegenüber in GFK zu antworten, ich übe weiter und bin fest Überzeugt das GFK eine tolle Lebenseinstellung ist.
    Ich freue mich weiter an deinem Leben teilnehmen zu dürfen, bis dann
    Gruß
    Olaf

  2. Ysabelle Wolfe

    Hallo, Olaf,

    rückblickend denke ich, es könnte eine Forderung gewesen sein…

    Liebe Grüße

    Ysabelle

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