Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Nach meinen Bedürfnissen leben

Hallo, Welt!

Die Beschäftigung mit der Matrix hat mich mal wieder auf ein Thema geworfen, das mich schon länger bewegt: Wie kann ich nach meinen Bedürfnissen leben? Da stellt sich zuerst die Frage: Was sind eigentlich meine Bedürfnisse? Es gibt ein paar Bereiche, da finde ich es äußerst schwer, in Balance zu kommen:
Arbeiten – Ausruhen
Wachsein – Schlafen
Essen – satt sein
Kaufen – Haben

Nahezu 30 Jahre war mein Leben durch eine feste Arbeit strukturiert. Ich ging um acht aus dem Haus und kam um acht wieder. Dem hatte sich alles unterzuordnen. Work-Life-Balance fand nicht statt, die Arbeit war das Leben. Mit dieser Vorgehensweise habe ich mir lange wundervolle Bedürfnisse erfüllt: Sinnhaftigkeit, Struktur, Gemeinschaft, Kreativität, Selbstvertrauen, Anerkennung, Wertschätzung, Beitragen, Autonomie und manches andere.
Als ich mit der GfK in Verbindung kam, dämmerte mir, dass diese Art von Arbeit nicht immer die beste Strategie ist, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Jetzt hat sich meine Lebenssituation geändert und ich wähle andere Strategien, um meine Bedürfnisse zu erfüllen. Was dabei hinten runter kippt, sind Autonomie im Sinne von ein ausreichendes Einkommen haben (überhaupt: für was soll es ausreichen?) und Struktur. Wie gliedere ich meinen Tag? Tut es mir gut, bis abends um elf am Schreibtisch zu sitzen? Wie viel muss ich arbeiten um wie viel Pause zu „verdienen“? Wie viele Tage darf ich „nichts tun“, ohne als „faul“ gebrandmarkt zu werden – natürlich von mir selbst…? Zählen Haushaltsverrichtungen als Arbeit? Darf ich mir für „Bügeln“ einen Strich bei Arbeit auf meinen imaginären Tagesplan machen? Wäsche aufhängen? Katzenklos putzen? Darf ich das als Arbeit zählen? Zähle ich nur, wenn ich arbeite? „Ja!“, brüllt da eine innere Stimme. Au weia.

Wachsein und Schlafen gehören in die gleiche Kategorie. „Wer sich zwischendurch ins Bett legt, darf das nur, wenn er krank ist“. Das kenne ich aus meiner Ursprungsfamilie, und da gab es sehr schwer kranke Menschen. Dramatische Herzleiden, Tuberkulose, Medikamentenabhängigkeit, „das ganze Programm“ würde mein Freund Dittsche sagen. Also: Wann darf ich mir einen Mittagsschlaf erlauben? Wie krank muss ich sein, oder wie erschöpft? Wie kann ich es wagen, den Tag einfach nur nach dem Lustprinzip zu leben? Wie, du bist müde? Wovon? Du hast ja gar nichts getan! Da meldet sich sofort wieder die Scham: DAS IST FALSCH! Dann finde ich abends nicht in den Schlaf, weil mir zu viele Dinge durch den Kopf gehen, und morgens komme ich schwer hoch. „Asozial“ verkündet mein innerer Kommentator. Ordentlich was los bei mir…

Und dann das Essen… Ich habe zwei Rezepte mit Poree, das versagt bei mir komplett die Fressbremse. Oder selbst gekochter Möhreneintopf. Mjam! Hühnerfrikassee… Grünkohl… Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite verbringe ich die Vormittage in latentem Hunger und damit in Unterzuckerung. Ich habe keine Lust, mir was zu essen zu machen. Als sei ich mir ein Frühstück nicht wert. „Richtig“ kochen mache ich am liebsten, wenn ich FÜR jemanden kochen kann. Ich zähle da nicht. Oft genug werden es dann für mich einfach nur Fischstäbchen oder Bratkartoffeln. Das erfüllt wahrscheinlich meine Bedürfnisse nach Nahrung, aber nicht nach Schönheit und Feiern. Möchtet Ihr mit mir das Thema Schokolade diskutieren? „Russisch Brot“-Kekse? Englische Lakritz? Macintosh-Bonbons? Ich habe mal 18 Monate komplett auf alles Süße außer Obst und Eis verzichtet (ich steh nicht so auf Eis, das war keine Verlockung). Das hatte seine Vorteile, weil ich an diesen verlockenden Schalen mit Naschies gut vorbeigekommen bin. Statt „welches Toffee nehm ich denn?“ fiel mir zum Glück immer wieder ein: Ach, so was ess ich ja nicht… und damit ging es mir gut.

In diesen Tagen hatte ich reichlich Post von Lands End. Im Briefkasten lag der Katalog mit den Sonderangeboten, und solange die Deutschen siegten, gab es Sonderprozente. Es ist mir gelungen, nichts davon in Anspruch zu nehmen. Aber diese Schuhe für nur noch 29 Euro… guck mal, das coole Polo… die Regenjacke… „Haben wollen“ meldet sich ein Persönlichkeitsanteil. Was den Restpostenmarkt „Jokers“ angeht, fällt mir das Nicht-Kaufen deutlich schwerer. Gerade eingetroffen sind DVD’s zum Thema Geschlechterdifferenz und Neurowissenschaft, Systemische Therapie und ein Lehrprogramm Psychologie. Jedes war ursprünglich schweineteuer. Ich hätte nicht 90 Euro für eine Lehr-DVD bezahlt. Aber mit dem jetzigen Einkauf habe ich 234 Euro gespart – ist das nicht der Hammer? Blöd nur, dass ich dafür 39,96 Euro ausgeben musste…

Also: Was sind meine Bedürfnisse? Wie kann ich einen Weg finden, angemessen für ihre Befriedigung zu sorgen? Wie möchte ich leben? Was sind meine Werte? Und wie viel Zeit darf ich mir einräumen, darauf eine Antwort zu finden?

Ich bin neugierig, wie Ihr das in Eurem Leben handhabt. Nehmt Ihr Euch so wahr, dass Ihr nach Euren Bedürfnissen lebt? Gibt es bei Euch auch Polaritäten? Wie habt Ihr herausgefunden, was Euch gut tut? Ich freue mich über Rückmeldungen!

So long!

Ysabelle

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