Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Was ist die Beobachtung?!

Hallo, Welt!

Beim Zähneputzen schweiften meine Gedanken eben ab und ich landete bei den Infos zur Mediationsausbildung, die mich zurzeit beschäftigen. Mein Kopf dachte: Da musst du dich anmelden. Und wenn dir das nicht gefällt, musst du das kündigen. Dass du das Kündigen ja Ernst nimmst! Nicht dass dir das durch die Lappen geht und du womöglich nachher mit den Kosten da sitzt, obwohl dir die Fortbildung gar nichts bringt… Das kenne ich ja von dir, alles anfangen und nichts zu Ende bringen…“

Uff! Zum Glück gab es in meiner Zahnputz-Trance noch eine helle Sekunde und ich fragte diese Stimme im Kopf: Äh – was noch mal genau ist die Beobachtung, auf die du die Aussage stützt, „alles anfangen und nichts zu Ende bringen…“?
Der Kopf fing an zu eiern.
Na ja… das ist doch so bei dir… fängst alles an… damals doch auch…

Ah ja.
Vielen Dank, dass du dich mir mitteilst und auch danke, dass ich es überhaupt wahrnehme!
Kein Wunder, dass ich zwischendurch mit Stress und Selbstabwertung zu kämpfen habe, wenn es in mir einen Erzieher gibt, der mit solchen Steuerungsinstrumenten versucht, mich auf Kurs zu halten. Wann habe ich denn das letzte Mal etwas angefangen und nicht zu Ende gebracht?
Als ich angefangen habe Kunstrollschuh zu laufen, mit neun Jahren. Briefmarken sammeln, mit sieben oder acht. Im gleichen Alter meine Steine-Sammlung. Mein Studium… damals, vor 35 Jahren.

Und seither? Segelschein und Sportbootführerschein bestanden, Bridgespielerin seit mehr als 20 Jahren, wenn auch mit wenig Gelegenheit, Fitness-Studio-Nutzerin seit 1996, die Dauersanierung meines alten Hauses, mehr als 28 Jahre im gleichen Job… was braucht mein Kopf, damit er mir nicht mehr erzählt, ich würde alles anfangen und nichts zu Ende bringen?

Eine Realitätsüberprüfung.
Was ist die Beobachtung?
Dankbarkeit: Danke, Erzieher, Pädagoge, Über-Opa, dass du dich mir mitteilst! Danke, dass ich hören darf, dass du dir große Sorgen darum machst, dass ich gerade jetzt besonders sorgsam mit meinen Ressourcen umgehe. Danke, dass ich hören kann, dass du nur mein Bestes willst. Und zwar auch dann, wenn du dich im Ton vergreifst oder mir Sachen vorwirfst, die mit 2012 nichts mehr zu tun haben. Übrigens, Kopf… ich finde es völlig in Ordnung, wenn ein Kind sich ausprobiert, ob es Kunstrollschuhlaufen, Briefmarken sammeln oder Ponyreiten besonders mag. Die Zeiten, in denen das als ein Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit angesehen wurde, sind bei mir vorbei!

So long!
Ysabelle

Eine Reaktion zu “Was ist die Beobachtung?!”

  1. Anja

    Liebe Ysabelle,
    was für ein wundervoller Eintrag….dieser Über-Opa kommt mir soooo bekannt vor…und es beruhigt und ermutigt mich, zu lesen, dass dieselben Dialoge auch in anderen Köpfen stattfinden 😉
    Danke dafür, dass Du den „Giraffendialog“ mitgeteilt hast, damit hapert es bei mir immer noch und es ist unterstützend für mich, es so konkret an einem Beispiel zu lesen!
    Und ich wollte noch sagen: obwohl ich nicht oft kommentiere, lese ich hier regelmäßig, freue mich an Deinen Tageseintragungen und finde Deinen Blog toll – er trägt erheblich dazu bei, mich gfk-mäßig bei der Stange zu halten!!
    Und was immer die Nachricht war: ich drücke die Daumen und wünsche Dir das Allerbeste für Dich…habe selbst vor ein paar Jahren krankheitsmäßig einen solchen Film mitgemacht und mein Fazit ist: lebe im Moment!!! …. aber das ist ja nix Neues…Liebe Grüße Anja

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