Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Herr Gäfgen kriegt Schmerzensgeld

Beim Versuch, das Leben des elfjährigen Jakob von Metzler zu retten, drohen Polizeibeamte Magnus Gäfgen vor neun Jahren mit Folter. Das Land Hessen muss dem verurteilten Kindsmörder deswegen eine Entschädigung von 3000 Euro zahlen. Für die Beobachter steht fest: Kläger Gäfgen fehlt „jegliche Sensibilität für ein soziales Miteinander“. Und trotzdem sei das Urteil des Frankfurter Landgerichts in einem Rechtsstaat alternativlos. „Anderenfalls könnten sich Menschen ermuntert fühlen, mit Folter zu drohen, die keinen so guten Grund haben wie damals der Polizist Wolfgang Daschner.“ Von der N-TV-Webseite

Hallo, Welt!
Gestern Morgen ärgerte ich mich über die Schlagzeile der Bildzeitung.
Der Fall Gäfgen heute vor Gericht
Schmerzensgeld für Kindermörder?
Herr Richter, verhindern Sie das!

Anscheinend hätte da gern jemand mindestens zwei Sorten Recht. Eines für Kindesmörder und eines für „anständige“ Leute. Und für Kindesmörder gilt nicht das als rechtens, was für andere Leute gilt.

Mal abgesehen davon, dass Herr Gäfgen mit der ihm zugesprochenen Kohle nicht allzuviel Freude haben dürfte: Er trägt vier Fünftel der Prozesskosten und scheiterte mit seinem Anspruch auf Schmerzensgeld. Er erhält aber eine Entschädigung, weil ihm im Verlauf der Vernehmung mit schlimmen Schmerzen gedroht worden war – Folter ist in Deutschland aus gutem Grund verboten. Das gilt auch für Kindesmörder. „Durch die Androhung der Schmerzzufügung haben Beamte des Landes Hessen in die Menschenwürde, die das höchste Verfassungsgut darstellt, eingegriffen“, urteilte der Vorsitzende Richter. „Es ist gänzlich unerheblich, dass der Kläger vorher eine Straftat begangen hat. Das Recht auf Achtung der Menschenwürde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden.“

In den vergangenen Tagen bin ich immer wieder den Schlüsselunterscheidungen der GfK über den Weg gelaufen:

1. „Eine Giraffe sein“ oder „Sich wie eine Giraffe verhalten“

und der Fall Gaefgen ist dazu ein wunderbarer Prüfstein für mich. Gelten universale Menschenrechte für alle, oder nur für die, die ich nach bestimmten Kriterien dafür selektiere? Marshall hat einmal sinngemäß gesagt, dass für ihn die Gräueltaten Hitlers der ultimative Prüfstein waren. War er bereit anzuerkennen, dass auch Hitler seinen wunderbaren universellen Bedürfnissen Raum geben wollte, als er seine völkermordenden Strategien verfolgte? Ich bin bereit es auszuhalten, dass ein Mann, der ein elfjähriges Kind getötet hat, um zu Geld zu kommen, den Staat und die Gesellschaft darauf hinweist, dass seine Rechte deshalb nicht geringer sind als die eines Menschen, der nicht die Verantwortung für den Tod eines Kindes hat.

Es muss mir deshalb nicht gefallen. Aber anerkennen möchte ich es trotzdem. Ja, wir haben alle die gleichen Rechte. Darauf möchte ich vertrauen. Und dieses Urteil trägt dazu bei, dass ich auf diese universellen Menschenrechte weiter vertrauen darf – auch wenn in diesem Fall ein einzelner Mensch das Recht eines anderen auf Leben und Unversehrheit nicht geachtet hat. Wenigstens die dritte Gewalt im Staate, die Rechtsprechung, hat sich dafür eingesetzt, dass unsere Menschenrechte für alle gelten. Und damit auch für mich.

So long!

Ysabelle

Eine Reaktion zu “Herr Gäfgen kriegt Schmerzensgeld”

  1. Gabriel

    Vielen Dank für diesen Beitrag, er spricht mir aus der Seele!

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