Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Die Schönheit in mir

„Schönheit ist empfundener Rhythmus. Rhythmus der Wellen, durch die uns alles Außen vermittelt wird. Oder auch: Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet. Je mehr jemand die Welt liebt, desto schöner wird er sie finden.“ – Christian Morgenstern, Stufen

Was ist für dich schön? Es gibt ein Sprichwort, das lautet: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Der Volksmund sagt es drastischer: Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Ich erinnere mich noch gut an meine wilden Jahre, in denen meine Kleidung zu Hause für hitzige Diskussionen sorgte. Ich fand mich schön in lila Latzhosen und mit Rattenschwänzen. Meine Familie hätte mich lieber mit weißer Bluse und Faltenrock gesehen. „Wie du wieder aussiehst!“

Es gibt keinen objektiven Maßstab für Schönheit. Zwar versuchen Wissenschaftler zu vermessen, welche Proportionen generell als schön angesehen werden. Zwar gibt es Untersuchungen darüber, wann ein Gesicht als schön wahrgenommen wird. Doch mein Sohn findet das amerikanische Geländefahrzeug „Hummer“ schön, während ich mehr für alte französische Autos schwärme.

Was tun wir uns an, wenn wir beim Blick in den Spiegel urteilen: „Ich bin nicht schön“? Welche Richtschnur benutzen wir, was ist der Maßstab? Marshall beschreibt in seinen Erzählungen ein verlässliches Werkzeug, um sich elend zu fühlen: Vergleiche dich! Welche Maße haben die Top-Models? Nehme deine Maße und meditiere über die Unterschiede. Übergewicht, Glatze, Hängebusen, picklig, struppig – mit all solchen Worten legen wir eine unsichtbare Messlatte an und das Ergebnis lautet: Ich oder du – jemand ist hier ungenügend, ein fehlerhaftes Modell.

Ist es also egal, wie wir aussehen? Soll es uns egal sein, wie andere aussehen? Nein. Es gilt lediglich, uns vom Maßstab des Vergleichens zu verabschieden. Unsere Bedürfnisse werden die neue Messlatte für Schönheit. Mein Rettungsring um die Hüften macht mich nicht schlechter, weil ich damit nicht den Schönheitsidealen unserer Zeit entspreche. Das Gewicht, das ich heute habe, erfüllt nicht mein Bedürfnis nach Beweglichkeit, Leichtigkeit und Anerkennung. Und dabei bin ich wertvoll und liebenswert, egal was die Waage anzeigt. Ich kann mich selbst zu jeder Zeit wertschätzen, und dafür muss ich nicht den aktuellen Standards für Schönheit entsprechen.

Nur für heute will ich so gut aussehen, wie ich es vermag.

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