Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Annehmen was ist

„Bei Trübsal ist Gleichmut die beste Würze.“
Plautus, Das Schiffstau, 402 / Trachalio

Dieser Tage hatten zahlreiche Menschen in meinem Leben Geburtstag. Die eine fühlte sich zu schwach, um eine Feier auszurichten. Doch ohne ihr Zutun kamen Menschen zu Besuch und sie verbrachte, verteilt über mehrere Tage, einen anregenden und liebevollen Geburtstag.
Eine andere Person hatte sich entschlossen, zu einem Fest einzuladen und schwärmte im Nachhinein: Hättest du dabei sein können, du hättest dich rundum wohl gefühlt.
Eine dritte Person war in gedrückter Stimmung und voller Schmerz. Menschen, die ihm wichtig waren, würden nicht da sein, im Rückblick auf die vergangenen Jahre schien das Leben voller Mühsal und Verzweiflung.
Es lässt mich nicht kalt zu sehen, wie jemand, der mir nahe steht, so im Schmerz ist. Und heute Nacht gab Marshall mir eine Antwort, wie ich solche Situationen für mich einschätzen kann.
Ich habe es mir angewöhnt, zum Einschlafen Marshalls CD „Nonviolent communication“ zu starten. Irgendwann döse ich dann weg und es fühlt sich an, als lese mir ein lieber Mensch eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Gestern Nacht sprach Marshall zum Thema „Connecting empathetically“, so steht es auf dem CD-Label. Eigentlich handelt sein Exkurs davon, andere zu unterbrechen, wenn man nur ein Wort mehr gehört hat als man hören mag. Und er beschreibt, wie man „Auntie“ unterbrechen kann, die 20 Jahre nach dem Scheitern ihrer Ehe noch immer über den bösen Ex-Mann klagt: Ist dein Bedürfnis nach Fairness nicht erfüllt?
Manchmal verstellt uns der Schmerz aus der Vergangenheit den Blick auf das Heute. Unser Leben scheint trüb, es ist, als trügen wir wie beim Zauberer OZ eine Brille, die unsere Sicht auf die Dinge – diesmal jedoch in einem gleichmäßigen Grau – erscheinen lässt.
Wir können diese Brille abnehmen, indem wir annehmen, was ist.
Wenn wir bereit sind zu erkennen, welche unerfüllten Bedürfnisse aus der Vergangenheit uns noch heute festhalten, können wir dafür Sorge tragen, dass unsere Bedürfnisse im Hier und Jetzt erfüllt werden. Der amerikanische Lebensberater und Autor Dale Carnegie („Sorge dich nicht, lebe!“) schrieb dazu: Heul nicht über verschüttete Milch!
Die Worte klingen harsch, und doch können sie einen Segen für uns beinhalten. Die Milch ist fort, im Ausguss, nicht mehr zu verwenden. Doch wir können es nicht ändern. Der einzige Tag, den wir gestalten können, ist der heutige. Wir können heute die Empathie finden, die wir brauchen, wir können heute tatkräftig Dinge verändern, die uns stören, wir können heute feiern, trauern, bedauern, Wiedergutmachung leisten, Dinge anders machen. Die Vergangenheit ist vorbei, wir können sie nicht ändern. Den heutigen Tag aber können wir so begehen, dass wir uns gern an ihn erinnern.

Heute ist die einzige Zeit die zählt.

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