Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Bittsteller

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wer ist unter euch Menschen, der seinem Sohn, wenn er ihn bittet um Brot, einen Stein biete? oder, wenn er ihn bittet um einen Fisch, eine Schlange biete? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!
(Matth. 7, 7ff)

Heute sprach ich mit jemandem der einen Kummer hatte. Wie wäre es, wenn Du Dein Gegenüber bitten würdest, ein bestimmtes Verhalten zu ändern? Das würde Dein Bedürfnis nach Sicherheit, Schutz, Vertrauen und Gemeinschaft nähren. Könntest Du die andere Person darum bitten? „Ja, das könnte ich“, entgegnete mein Gesprächspartner. Und wie fühlt sich das für Dich an?, fragte ich nach. Er dachte kurz nach und sagte: „Unbehaglich. Wie ein Bittsteller…“

Wie fühlt sich ein Bittsteller?
Unbehaglich, hatte ich gehört. Vielleicht besorgt. Bedrückt. Beklommen. Wird meine Bitte erfüllt? Vielleicht auch ärgerlich. „Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit, um die es hier geht?! Müsste mein Gegenüber nicht von allein darauf kommen, dies zu tun oder jenes zu lassen?“ Vielleicht fühlt sich der Bittsteller frustriert, gehemmt, unglücklich, widerwillig, zögerlich oder lethargisch. Ich glaube, dass der „Bittsteller“ eine Kopfkonstruktion ist, dass dahinter Interpretationsgefühle verborgen sind. Mein Fleischwolf suggeriert mir, dass entweder mit mir etwas nicht stimmt, oder mit meinem Gegenüber. Warum gibt er es mir nicht von allein? Warum muss ich darum bitten?
Eine mögliche Antwort lautet: Weil der andere keine Gedanken lesen kann.
Woher soll er oder sie wissen, welche Gefühle in mir lebendig sind? Woher soll er wissen, dass meine Bedürfnisse nach Sicherheit, Schutz, Verbindung, Nähe, Vertrauen oder Harmonie im Mangel sind? Er kann es nicht wissen, es sei denn, ich sage es ihm.

Bei einer Bitte geht es nicht darum, uns zu erniedrigen. Es geht darum, unseren Bedürfnissen Priorität zu geben. Eine Bitte ist ein Geschenk an mein Gegenüber, denn sie ermöglicht es ihm einen Beitrag dazu zu leisten, dass unser Leben wundervoll wird.

Heute will ich mich daran erinnern, dass meine Bitten Geschenke sind. Sie sind eine Einladung, mit mir in Verbindung zu sein oder zu bleiben. Ich zeige mich mit meinen Wünschen und Bedürfnissen.

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