Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Unter Professoren und anderen Gelehrten

„Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläufig; auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben.“ – Heinrich Heine, Die Harzreise

Dieser Tage war ich zu Gast bei einem Symposium. Bis vor wenigen Minuten war ich allein ob des Begriffs voller Ehrfurcht und dachte, das müsse ja etwas sehr Wichtiges sein. Jetzt habe ich bei Wikipedia nachgeschlagen und fand: Der altgriechische Ausdruck Symposion (gr.: συμπόσιον sympósĭon; spätlat.: symposium) steht sinngemäß für „gemeinsames, geselliges Trinken“. Die Übersetzung als Gastmahl führt dazu, im Symposion fälschlich nur ein ausgelassenes Trink- und Essgelage zu sehen. Für die Griechen der Antike stand aber die gemeinsame gottverbundene und entsprechend ritualisierte Geselligkeit im Mittelpunkt. <...> Anschließend wurden nur für das Symposion bestimmte Lieder, die so genannten Skolien gesungen. Überwiegend – Während Xenophons Gastmahl auch von artistischen Darbietungen berichtet, scheint man sich überwiegend der geistigen Unterhaltung gewidmet zu haben: Man improvisierte Reden zu einem bestimmten Thema – wie bei Platon – löste Rätsel, die man sich gegenseitig aufgab, oder entschied sich für das beliebte Spiel, treffende Vergleiche zu finden….

So weit also Wikipedia.

Getrunken wurde neulich bei der Veranstaltung kaum, aber geredet dafür sehr viel. Ich war beeindruckt von der Tagesordnung und von den vielen Professoren, die da zusammen gekommen waren. Und ich merkte, wie sich meine alte Neigung meldete, die mich dann gern mit den anderen Anwesenden vergleichen möchte… Diese Frau hat das und das geleistet… und dieser Mann ist Professor für XY und hat erfolgreich eine Firma geführt…und was leistet du?
Zu meiner Freude und Erleichterung merke ich heute immer schneller, wenn ich in diese alte Falle tappe. Diesmal konnte ich nach kurzer Zeit feiern, dass ich bei jedem dieser Vorträge in der Lage war, den Referenten zu folgen. Ich hatte zwar nicht das Fachwissen, um selbst Arbeiten zu schreiben über Themen wie „Was Philip Kotler nicht beschrieben hat“ (ein berühmter Wirtschaftswissenschaftler) oder „Best Practice-Managementstrategien und ihre fatalen Folgen“. Aber ich habe genau verstanden, worauf die Referenten hinaus wollten.

Viele von uns neigen dazu, sich noch immer mit anderen zu vergleichen. Ich schlage nicht so gut ab wie Tiger Woods in seinen guten Zeiten, ich habe nicht die Figur wie Heidi Klum, ich weiß nicht so viel über Astrophysik wie Steven Hawkings. Aber als sich gestern Abend für heute Besuch zum Essen anmeldete, der eine Milcheiweiß-Unverträglichkeit hatte, war ich heute in der Lage, eine köstliche Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, obwohl ich wegen des Feiertages nicht mehr extra einkaufen konnte. Das sollen mir Tiger Woods und Heidi Klum erst mal nachmachen.

Wir alle sind einzigartig in dem, was wir dem Leben bieten können. Der eine hat eine wunderbare Singstimme, der andere ist Virtuose am Hochdruckreiniger. Wenn wir unsere Gaben und Talente feiern, wollen wir uns daran erinnern, dass es keinen Grund gibt, uns mit anderen zu vergleichen. So wie wir sind, sind wir gut genug. In jedem Moment.

Heute will ich mein Augenmerk darauf richten, ob ich mich mit anderen vergleiche. Ich frage mich liebevoll, welche Bedürfnisse ich mir damit erfülle. Und ich bin bereit nach Möglichkeiten zu suchen, diese Bedürfnisse auf andere Weise zu erfüllen.

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