Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

An der Leine • Von der Leine

Hallo, Welt!

Bei unserem Rundgang heute Morgen kam es zu einer interessanten Begegnung. Aus 40 m Entfernung sah ich, wie eine Frau ihren Hund vor „meinem“ Bäcker anbinden wollte. Ein Haken war durch ein Fahrrad verstellt, also nahm sie den anderen. Ich kam, band Fontane hinter dem Fahrrad fest, gab ihm ein Leckerli und ging (knapp vor der Frau) in den Laden. Nachdem ich meine beiden Brötchen hatte, ging ich wieder raus, gab Fontane ein Leckerli, band ihn los und ging mit ihm weiter in die Richtung, wo der andere Hund angebunden war. Dieser zog in unsere Richtung, wedelte mit dem Schwanz, die Ohren waren entspannt. An straffer Leine ließ ich Fontane zur Begrüßung näher treten. Unmittelbar darauf kam die Frau aus dem Laden gelaufen und sagte – SINNGEMÄSS – eine Unverschämtheit, so dicht an ihren Hund zu gehen, das würde sich nicht gehören, ich solle sofort mit meinem Hund da weg gehen …

Glückliche Fügung, ich hatte meine Giraffenohren dabei und konnte einfühlend reagieren. Ich zog Fontane weiter weg und signalisierte, dass ich auf die Frau warten würde. Sie ging zurück in den Laden, schloss den Verkaufsvorgang ab und kam wieder raus. Sie wiederholte ihren Standpunkt, dass sie nicht möchte, dass andere Hunde ihrem Hund zu nahe kommen, der an der Leine ist und sich nicht verteidigen kann oder sein Revier schützen. Ich gab wieder, was ich von ihr gehört habe, dass es ihr Anliegen ist, ihren Hund zu schützen, und dass die Hunde sich nicht kennen, und ihr daher Sicherheit und eigener Raum für ihren Hund besonders wichtig ist. Mein Eindruck war, sie stutzte kurz. Dann sagte sie, schon immer noch mit einem dringenden Unterton: Danke, dass Sie nicht gleich zurückschimpfen. Aber trotzdem, ich will das nicht, dass ein anderer Hund meinem Hund so nahe kommt, wenn er hier angebunden ist. Ich entgegnete, „warum sollte ich Sie beschimpfen? Sie wollen doch nur Ihren Hund beschützen!“ Sie band dann ihren Hund los und ging weg, wie mir schien weniger ärgerlich als zuvor.

Ich werde mal bei meinen Hundefreundinnen nachfragen, was es denn da für ungeschriebene Gesetze gibt, die ich da mal wieder nicht gekannt habe.

Ich bin zufrieden damit, dass ich hier nicht auf die „klassische“ Diskussion eingestiegen bin und nicht einmal „ja, aber“ gesagt habe. Gleichzeitig habe ich so gut es möglich war, meinen Standpunkt vertreten, ohne den anderen anzugreifen.

In meiner liebsten Facebookgruppe kam es heute zu einem Streit, der sich an einem Begriff aus der Nazi-Zeit entzündete. Jemand aus der Gruppe wähnte sich durch einen Kommentar diffamiert und verleumdet, in die Nähe von Nazis und ihrem Gedankengut gerückt. Getreu meiner Fastenregel ist es mir gelungen, das inhaltlich nicht zu kommentieren. Einem Beteiligten habe ich eine große Dose Spontanempathie zukommen lassen, dem anderen habe ich sie angeboten. In mir ist gerade eine Freude, weil es mir gerade zwei Mal gelungen ist, mich nicht zu verwickeln. ich kann zurücktreten und meine Impulse kontrollieren. Ich muss also mich selbst nicht wieder einfangen, nur weil ich schon mal blind hechelnd los gelaufen bin. Ich empfinde diese Form der Selbstregulation als zutiefst beglückend. Und ich feiere meine wachsenden Fähigkeiten an dieser Stelle.

So long!

Ysabelle

I am a Pussy …

Hallo, Welt!
Denke nur ich das oder ist unser Ausschnitt der Welt tatsächlich aus den Fugen? Kein Tag mehr ohne Meldungen über Donald Trump. War das vor acht Jahren bei Obama auch so? Und Warnungen vor der AfD. Ständige Vergleiche mit dem Aufstieg der NSDAP vor 90 Jahren. Da passieren Sachen, die mich bestürzen, falls sie denn wahr sind.
Kürzlich hielten „die Rechten“ eine große Veranstaltung in Koblenz ab. Auch französische Politikerkollegen waren eingeladen. Ich las dieser Tage, dass Teilnehmende der AfD, auch die Bundesspitze, kein Hotelzimmer bekamen. Wenn sie eins hatten, wurde „aus Brüssel“ bei den Hotelbesitzern und vor Ort Druck gemacht, man dürfe „diese Leute“ nicht bewirten. Frauke Petri soll schließlich ein Zimmer mit der Auflage bekommen haben, nur den Seiteneingang zu benutzen und nicht zu frühstücken.
Ich muss wohl nicht extra betonen, dass ich kein Anhänger der AfD bin. Gleichzeitig bestürzt mich diese Meldung zutiefst. Die Partei ist nicht verboten. Sie ist in verschiedenen Parlamenten vertreten. Ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung – und durchaus nicht nur Menschen ohne Schulabschluss – sieht von der AfD die eigenen Interessen besser vertreten als von den etablierten Parteien. Hier ist ein Feindbild entstanden, ein „die“ und „wir“, und „wir“ sind natürlich die Guten und „die“ sind natürlich die Bösen. So schafft man Märtyrer. Wo findet ein Dialog statt? Versuchen wir, die Bedürfnisse hinter diesen Worten zu hören? Ich merke gerade, wie mich die Traurigkeit überrollt. Hat nicht sogar Marshall Rosenberg an einer Stelle gesagt, sein Verstehen von Hitler sei für ihn der größte Prüfstein gewesen? Und lautet nicht einer unserer Leitsätze: Verstehen heißt nicht einverstanden sein?

Die BBC meldet:

President Trump signed an executive order calling for the advancement of the controversial Dakota Access and Keystone XL oil pipelines.
He said the move will create thousands of American jobs.
Native Americans and First Nations Canadians who oppose the projects give their reaction.

Auf Facebook las ich den Text einer Person, die schrieb, sie sei vor Ort gewesen und habe gesehen, wie die Protestierenden mit Gummigeschossen schwer verletzt wurden, wie Protestierende mit Tränengasangriffen auseinander getrieben wurden. Der Text war lang und detailreich und drastisch. Es schüttelt mich. Was ist los, Leute? Wie gehen wir miteinander um? Dagegen waren ja die Proteste gegen das Kernkraftwerk Brokdorf hier bei mir um die Ecke Mitte der achtziger Jahre ein Schulausflug! Und Stuttgart 21 ein Kindergeburtstag. 200000 Menschen sind seit dem Putschversuch gegen Erdogan in der Türkei im vergangenen Sommer aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden, das Parlament entscheidet über die Wiedereinführung der Todesstrafe … beschließt eine Volksabstimmung. Kann ich das VOLK darüber abstimmen lassen?

Was mich beeindruckt hat, waren die friedlichen Frauenproteste in den USA nach der Amtseinführung von Präsident Trump. Hier ist eine Bewegung entstanden, von der ich aus der Ferne denke, das gefällt mir. Mehr als 600 Veranstaltungen gab es im ganzen Land, mit Millionen von Teilnehmenden. Ihr Erkennungszeichen: Ein rosa Hut. Folglich nennt sich die Bewegung „Pussyhat Project“. PussyCat ist der Kosename für Katzen, aber mit Pussy wird häufig auch die Vagina tituliert. Im Wahlkampf wurde ein Tonmitschnitt veröffentlicht, in dem Donald Trump einem Reporter berichete, er könne jeder Frau an die Pussy fassen. Ich habe ja lange nicht mehr gestrickt, aber in dieser Woche habe ich Wolle bestellt. Der Tagesspiegel hat eine Strickanleitung veröffentlicht, die mir Lust gemacht hat, zu den Nadeln zu greifen. An diesem Wochenende geht es los. Ich werden irgendwas fernsehen, in meinem gemütlichen dicken Ledersessel sitzen, den Hund neben mir, und stricken. Pussyhats …

So long!

Ysabelle

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