Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit: Zu viel…

Hallo, Welt!
Ich habe einen neuen Rechner. Und heute Mittag um 14.00 stand – drei Stunden früher als von mir erwartet – mein Kollege vor der Tür, um mir beim Einrichten zu helfen.

Gleich beim Hochfahren wurde mir klar, wenn er jetzt nicht hier wäre – ich hätte den Rechner wieder eingepackt und zurückgeschickt. Er war nicht neu, nicht generalüberholt, das war mir klar, als ich kaufte. Aber dass ein anderer Benutzer sich als Admin eingetragen hatte, inklusive nicht bekanntem Admin-Kennwort etc. – das wusste ich nicht.

Der Kollege ist eben gegangen. Inzwischen hat es geschneit und er hat rund 60 Kilometer zu sich nach Hause zu fahren. Zehn Stunden Arbeit an einem Samstag für mich – ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ungefähr bis 18.00 Uhr war ich dankbar, danach wurde mir immer unbehaglicher, weil das Rüberziehen von Daten immer länger dauerte, der Rechner abschmierte, die Zeit zerrann. Irgendwann war ich dann auch sehr müde.

Ich merke, dass es mir schwer wird, wenn mich jemand mit etwas Großem unterstützt, und zwar freiwiliig, ohne Bezahlung, ohne „Gegenwert“. In mir entsteht eine dumpfe Schwere, der missliche Gedanke, ich würde dafür „büßen“ müssen.
Noch während ich diesen unangenehmen Gefühlen nachspürte, klingelte gerade das Telefon. Der Kollege. Er hat sicher die Autobahn erreicht und damit das schlimmste Stück Weg hinter sich. Wie wunderbar, noch einmal Verbindung zu haben. Und es erfüllt mein Bedürfnis nach Sicherheit und Gemeinschaft, dass er mich informiert. Jetzt kann ich die Dankbarkeit wieder tiefer fühlen, denn sein Anruf hat mich aus der Sorge geholt, sein Einsatz bei mir könne unser freundliches Verhältnis belasten.

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit: Ich werde gepflegt

Hallo, Welt!

Wie kann man das englische Wort to care übersetzen? „I don’t care“ geht gut mit „ist mir sch…egal“. In der Schule habe ich gelernt: To care for: sich kümmern um. Aber genau so wie ich die gefühlte Bedeutung von Commitment nicht wirklich übersetzen kann, kann ich auch „care“ nicht mit einem Wort, mit einem Begriff fassen. Und doch ist Care das, was ich heute in meinem Leben feiern möchte.

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Leute, deren Care, vielleicht liebevolle Pflege ich erleben durfte.
Einer davon ist meine Nachbarin. Gefühlt ist sie schon sehr alt, höchstens noch 1,50 m groß und zart. Wir kennen uns nicht näher, obwohl wir Tür an Tür wohnen, aber die gute Seele nimmt jede Woche irgendeine Post für mich entgegen. Büchersendungen, Schlafanzüge oder eben vorige Woche meinen Computer. Dann klingelt sie abends um neun bei mir und sagt, „ich hab da was für Sie…“ Sie ist wirklich mein guter Geist in der Nachbarschaft. Seit einiger Zeit backt sie auch für mich immer ein Stück Kuchen mit, neulich gab es Windbeutel. Und wenn sie Brot macht, bekomme ich auch immer etwas ab. Ich bedanke mich mit einem gelegentlichen Rosenstrauß und selbst gemachtem Obstsalat. Zur Zeit versuche ich, den Schnee vor ihrer Tür immer mit zu beseitigen.

Als ich Mittwoch nach Hause kam, hatte eine Freundin meine Küche weihnachtlich dekoriert. Als ich vom Dachflächenfenster die roten Kugeln baumeln sah und auf der Scheibe ein dicker Engel als Fensterbild klebte, wurde mir schlagartig klar: Leute, es wird Weihnachten! Wir haben Advent! Ich habe mich so über diese Erinnerung gefreut!

Am Dienstag habe ich den Mann angerufen, der mich ab und zu bei der Gartenarbeit unterstützt. Ob er wohl die Augen offen halten könne und ein bisschen Streusalz für mich besorgen? Später bekam ich einen Anruf: 24 Kilo Streusalz sind in deiner Garage. reicht das erst mal?

Care – Fürsorge! Ich bin mit diesen Menschen weder verwandt noch verschwägert. Wir feiern keine Partys zusammen und fahren auch nicht gemeinsam in Urlaub. Sie nehmen Anteil an mir, sind aufmerksam für meine Bedürfnisse. Ich bin so reich! Es ist wunderbar, auf diese Weise beschenkt zu werden.

Ich danke Euch heute mit einem Lied von Nina Simone.

So long!

Ysabelle

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