Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Schmuck-DesignerInnen bitte melden!

Hallo, Welt!
Heute hatte ich ein Telefon-Coaching, in dem es um das folgende Zitat ging:

Zwischen Reiz und Reaktion 
gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit.

Prof. Viktor Frankl (* 26. 3.1905 † 2. 9.1997)

Die Klientin seufzte und sagte, es wäre so schwer, das in der jeweiligen Situation zu erinnern. Sie sei bisher eher so der reaktive Typ. Ich fragte sie, was helfen könnte, sie in der Situation daran zu erinnern, dass sie eine Wahl habe. Und sie schlug vor, sich ein Silikonband ums Handgelenk zu binden. Silikonarmband

Vom Grundsatz halte ich das für eine gute Idee. Ich trage also einen Silikonstreifen um den Arm, um mich zu erinnern, dass ich nicht auf meine „alte“ Art reagieren muss. Aber warum soll das ein Kunststoff-Produkt sein? Können wir nicht ein GFK-Armband entwickeln, wo ich immer neue Charmes (Anhänger) für neue Herausforderungen anhängen kann? Zum Beispiel Selbstliebe. Wenn ich merke, dass ich unfreundlich und harsch mit mir umgehe, schaue ich auf meinen entsprechenden Anhänger am Armband und übersetze für mich. Das kann ich für viele verschiedene GFK-Lernfelder nutzen. Ich trage einen bestimmten Charme so lange, bis ich diese „Aufgabe“, die der Anhänger verkörpert, weitgehend integriert habe. Und dann kommt die nächste Aufgabe. Ich richte meine Aufmerksamkeit immer wieder neu auf einen bestimmten Aspekt der GFK und unterstütze mich damit liebevoll beim Erlernen neuer Fähigkeiten.
Wer könnte sich vorstellen, so ein Armband mit Anhängern zu entwerfen? Es gibt ja schon die Pandoras und diverse andere Marken. Aber vielleicht gelingt es uns, was Eigenes zu erfinden. Vielleicht können wir es sogar in dem afrikanischen Projekt herstellen lassen, was vom GFK-Netzwerk Darmstadt unterstützt wird. Das wäre dich cool!

So long!

Ysabelle

Never surrender!

Hallo, Welt!
Ich bin dankbar. Und ich freue mich immer, wenn Dankbarkeit in mir vorherrscht, denn das hat meist auch etwas mit Frieden und Demut (als Gegensatz zu Überheblichkeit) zu tun.
Anfang des Jahres haben mein Kollege und ich eine Seminarreihe geplant. Jeden letzten Samstag im Monat gibt es einen GFK-Intensivtag zu einem bestimmten Thema. Voriges Mal gab es „Let’s talk about Sex“. Für gestern war „Liebe deinen Körper (so wie er ist)“ angekündigt.
In unsere Seminare stecken wir immer viel Arbeit und Herzblut. Meist brauchen wir mehr als einen Arbeitstag zu zweit (16 Stunden), bis das Konzept steht. Dann kommt noch die Erstellung von Seminarmaterial, Werbung, Flipcharts zeichnen, Austausch mit Interessierten …

Wir hatten einen Seminarplatz über „Seminarplanet“ verlost – die Gewinnerin ist übrigens nicht erschienen und hat sich auch nicht gemeldet.
Wir hatte eine Gewinnerin durch „Seminarplanet“ von Ostersamstag, die um Verschiebung gebeten hatte. das waren zwei „umsonstige“.
Wir hatten das Seminar auf unseren drei Webseiten, auf Facebook, auf Gewaltfrei.de, in Gewaltfrei im Norden angekündigt und wir hatten rund 50 Leute angeschrieben. Null Anmeldungen.
Die Miete für unseren schönen Seminarraum haben wir schon vor Monaten vorab bezahlt. Was also tun?

Da wir immer wieder um jeden einzelnen Teilnehmer ringen, waren die vorherrschenden Gefühle Trauer, Hoffnungslosigkeit, Frustration, Erschöpfung, Müdigkeit und Schmerz. Wir sahen zwei Möglichkeiten. Wir sagen das Seminar ab (wem eigentlich?) oder wir geben es umsonst weg.

Zufällig ergab sich ein Gespräch mit einer Berliner Kollegin, die mich an die Weihnachtsmann-Energie erinnerte.

HoHoHo! Wir haben ein wunderbares Geschenk für Euch!
Diese Mail habe ich am 21.6. an rund 50 Kolleginnen und Kollegen, GFK-Interessierte und FreundInnen rausgeschickt. Wir wollten unsere schöne Vorbereitung nicht abschreiben, nicht in die Tonne treten. Wir wollten den schönen Seminarraum nicht ungenutzt lassen. Also luden wir ein, gegen eine Spende für die Raummiete an diesem Workshop teilzunehmen.

Und gestern waren wir zu neunt. Sieben Teilnehmende plus zwei Trainer.

Acht Ganzkörper-Bilder. Jetzt wird geraten, wer auf welchem Blatt abgebildet ist.

Acht Ganzkörper-Bilder. Jetzt wird geraten, wer auf welchem Blatt abgebildet ist.

Wir haben nicht nur die Raummiete reinbekommen, sondern auch alle Kosten gedeckt. Zum Beispiel für 30 m Starkpapier von der Rolle. Mein Kollege und ich haben einen unserer besten Workshops abgeliefert und ich bin so voller Freude, dass wir nicht aufgegeben haben. Ich denke, auch unsere Teilnehmenden waren zufrieden, sonst hätten sie wohl nicht so großzügig gespendet. Euch allen herzlichen Dank!

So long!

Ysabelle

Blühende Landschaften

Hallo Welt!
Ich habe Urlaub gemacht. Zusammen mit einem nicht-deutschen GFK-Freund war ich eine Woche in einem kleinen Örtchen vor den Toren Pasewalks, also schon fast in Polen. Still ruht der See Bei einem abendlichen Spaziergang sah ich schöne neue Häuser, farbenfrohe modernisierte Häuser und Häuser, die anscheinend seit 1989 keine Veränderung außer dem Anbringen einer SAT-Anlage erfahren haben. Ich wies darauf hin und wurde immer ärgerlicher. Nach einer Weile sagte mein Begleiter: „Das ist jetzt das dritte Mal, dass du das ansprichst. Mir kommt es vor, dass du darüber ärgerlich bist. Geht es dir um Schönheit?“

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich wirklich mit meiner Wut verbinden konnte. Und dann folgte wieder ein Schwall an Worten. Ich lass mal laufen:
Wieso können diese Hausbesitzer auch 26 Jahre nach der Wende nicht mal ihre verdammte Hütte streichen? Milliarden und Milliarden sind in diese Bundesländer geflossen, jeden Monat wird mir von meinem Gehalt ein Solidaritätszuschlag abgezogen. Hier sind alle Straßen picobello, während wir bei uns die reinsten Schlagloch-Pisten haben. Und dann wird immer nur gemeckert, auf den Westen geschimpft, bei PEGIDA gebrüllt, AfD gewählt.

Mein Freund fragte, „geht es dir um Dankbarkeit?“
Längerer Gefühls-Check. Nein.
Langsam schälte sich heraus: Es geht um Anerkennung und Wertschätzung. Und um die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln oder Unterlassen.
Von einigen Menschen in meinem Bekanntenkreis, die in der DDR zu Hause waren, höre ich Aussagen wie „der Westen hat uns übernommen“, oder „wir sind ja jetzt eigentlich ein besetztes Land“, oder „alles was bei uns gut war, ist kaputt gemacht worden“. Und in mir ist dabei ein großer Schmerz. War es denn nicht ihr freier Wille, dass wir jetzt in einem Land leben? Im Gegensatz zu mir hatten „die“ doch wenigstens eine WAHL gehabt im März 1990. Sie hatten sich für den Anschluss entschieden, oder? Sie hatten die D-Mark gewählt, oder?
Ich erinnere mich an den Herbst 1989. Ich weiß, wie ich die Nacht, in der die Mauer aufging, vor dem Fernseher verbrachte. Ich konnte kaum glauben, was ich sah. Die Mauer war auf! Ich erinnere mich an eine Titelgeschichte im „Stern“. Damals war Oskar Lafontaine Kanzlerkandidat, und er setzte sich für zwei deutsche Republiken ein, die einander befruchten und nahe stehen. Als unpatriotisch und Vaterlandsverräter wurde er damals kritisiert. Zu hunderttausenden kamen die Menschen aus dem Osten in den Westen, das Lager Friedland war überfüllt. Hier ein Zitat von Deutschland Radio Kultur:

„Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr“. Friedrich Schorlemmer, Theologe und wortgewandter Bürgerrechtler, will den Spruch schon im Dezember 1989 auf einer Leipziger Montagsdemonstration gesehen haben.

Schorlemmer: „Jedenfalls ist meine Erinnerung so. Und Sie wissen: Erinnerung täuscht, denn ich kann nicht mehr sagen, wann, an welchem Tag genau, oder so; kann doch auch sein, dass es erst im Januar gezeigt wurde. Aber: Richtig ist, dass nach dem 9. November änderten sich die Demonstrationen, vor allem die Ziele der Demonstrationen – wie ich finde, auf eine fatale Weise. Nämlich: Alles richtete sich jetzt nicht mehr darauf, die Selbstbefreiung voranzubringen, und Strukturen der Demokratie aufzubauen, sondern: möglichst schnell Deutsche Einheit zu erreichen, D-Mark besitzen, Ende der Demütigung mit der Ost-Mark, die nirgendwo kompatibel war – man wollte auch nicht mehr, wenn man zur Großtante in den Westen fuhr, 50 D-Mark kriegen und ansonsten dann seinen Verwandten auf der Tasche liegen …“

und an einer späteren Stelle des Textes sagt Schorlemmer:

Schorlemmer: „Wir hätten einen längeren Weg in unserem Land zu uns selbst finden sollen, um dann nicht als Konkursmasse der Bundesrepublik, der prosperierenden Bundesrepublik angeschlossen zu werden, sondern als ein Partner, als ein willkürlich abgeteiltes Teilland Deutschlands, nun uns überlegen: Wie wollen wir unser Land gemeinsam gestalten, und wie erfüllen wir Artikel 146 des Grundgesetzes? Nämlich dass das deutsche Volk sich in freier Selbstbestimmung eine Verfassung gibt? Und zwar so, dass die unterschiedlichen Erfahrungen da mit einfließen können. Was wir aber hatten war: Die komplette Übernahme. Nicht ein einziger Blick wurde mehr in den Verfassungsentwurf des Runden Tisches getan, kein einziger Blick wurde hereingeworfen in diesen Verfassungsentwurf.“

Mein Freund fragte weiter, denn ich war mittlerweile immer mehr in Fahrt geraten. „Was genau ist es, was dich daran so aufregt, dass diese Häuser nicht renoviert sind?“

Dann endlich machte es „klick“ in meiner Rübe.
Ich interpretierte ein nicht renoviertes Haus als Anklage, als Anzeichen von Märtyrertum: „Seht her, was geht es mir schlecht, und IHR seid schuld!“ Dort wohnte also ein Opfer, und ich, die Wessi-Tussi, war also die Täterin.

Auch eine Woche nach dieser Erkenntnis wühlt mich diese Szene auf. Das graubraune Haus, die einfach verglasten Fenster aus verschiedenen Materialien, das „ungepflegte“ Grundstück … Von zehn Häusern in dem Ort waren neun schön zurecht gemacht. Vielleicht sogar von 100 Häusern 95. Es gab drei Wohnblocks in dem Ort – Einer war renoviert mit neuen Fenstern und frisch gestrichen. Einer war anscheinend renoviert worden, aber stand jetzt leer, Scheiben waren eingeschlagen. Der dritte war alt, kaum renoviert und offensichtlich bewohnt. Und ich starrte nur auf die „DDR-Ruinen“. Ich sah auch nicht, „was ist“, sondern ich sah meine Interpretationen und war meinen Urteilen tatsächlich so lange ausgeliefert, bis mein Freund mich darauf aufmerksam machte.

Gestern Abend haben wir in der Übungsgruppe über die GFK-Matrix gesprochen, die hier ja schon vielfach erwähnt wurde. Gerade das hier beschriebene Beispiel macht mir deutlich, dass ich jeden Tag vor einem neuen Anfang stehe. „Unbewusst inkompetent oder „unbewusst kompetent, also integriert“ – manchmal liegt dazwischen nur ein kleiner Schritt. Ich entscheide jeden Tag neu, mich von meinen Projektionen und Interpretationen zu lösen. „With a little help from my friends“ … Danke an alle Freunde, die mir helfen, die Realität anzunehmen.

So long!

Ysabelle

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