Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Der Sieg der gelben Hose

Hallo, Welt!
Was für ein Tag! Vor ein paar Wochen habe ich eine Bewerbung abgegeben, die mich wieder in die Nähe meines alten Berufes rückt. Ach, wie verlockend… eine unbefristete Stelle! Mittlerweile überwiegen die Kröten in diesem Job und ich hoffe, man sagt mir ab (denn dann muss ich nicht absagen, denn das macht mir Angst…). Heute nun hättet Ihr mich mal wirbeln sehen können! Ich habe ein neues Projekt angeschoben, das die deutschsprachige GFK-Welt noch nicht gesehen hat. Und es wird auf dem Trainertreffen in Düsseldorf in nur drei Wochen Premiere haben. Oh Mann, da hab ich mir was ausgedacht. Es ist im wahrsten Sinne ein Sieg der gelben Hosen: Gelbe Hose Diesem preiswerten Angebot konnte ich dann nach meinem letzten Blogbeitrag nicht widerstehen. Heute war es in der Post und hängt nun gewaschen auf der Leine. Zugehörigkeit, Beitragen, Gesehen werden – mein neues Projekt schießt mich mitten in die GFK-Gemeinschaft und ich freu mich wie Bolle. Und auf einmal fühlte ich mich wie energetisiert. Kraft, Begeisterung, Kompetenz, Leichtigkeit – ich war in meinem Metier. Ein unglaublich schönes Gefühl. Aber um das zu spüren, muss ich keinen festen Job annehmen. Da gab es doch mal ein Buch „Dein Job ist es frei zu sein“, über Management und Zen. Vielleicht sollte ich das erst mal lesen…

So long!

Ysabelle

Feedback und gelbe Hosen

Hallo, Welt!
Eine TrainerfreundinKollegin bat mich vor einiger Zeit um ein Feedback für ihre Zertifizierung. Gerade eben habe ich es zu Ende geschrieben und ihr zugeschickt. Und dann habe ich noch mal in den Feedbacks gestöbert, die ich für meine Zertifizierung eingesammelt habe. Das ist nun kaum 18 Monate her, und gleichzeitig habe ich den Eindruck, ich hätte mich seither noch mehr weiter entwickelt.
Mein Rauswurf bei diesem namhaften Medienhaus erweist sich mehr und mehr als Glücksfall. 2012 habe ich mich noch sehr über meine Funktion definiert. Ich bin stellvertretende Chefredakteurin und trage Woche für Woche dazu bei, 1,5 Millionen Hefte auf den Markt zu bringen… Beim Trainertreffen in Niederkaufungen habe ich ganz deutlich gespürt, dass das für mich nur noch als Teil meiner Vergangenheit eine Rolle spielt. Dort bin ich einigen Kolleginnen näher gekommen, die lustigerweise und ohne Verabredung alle gelbe Hosen tragen. Seither durchstöbere ich das Internet auf der Suche nach einer gelben Hose Gelbe Hose und bin sehr stolz auf mich, dass ich den diversen Kaufimpulsen noch nicht nachgegeben habe. Eine gelbe Hose als Ausdruck meiner Zugehörigkeit…

In Niederkaufungen ging es in wechselnden Prozessen darum, wie wir uns als Trainergemeinschaft organisieren wollen. Unter diesem Link findet Ihr einen wunderbaren Überblick über diese Tage, verfasst von Andrea Wiedel. Ehrlich gesagt habe ich erst beim Lesen kapiert, was wir da drei Tage lang gemacht haben… Ein selbstorganisierter Prozess zur Selbstorganisation02
Ein Feedback der besonderen Art habe ich gestern von den Teilnehmern dieser Maßnahme erhalten, in der ich drei Tage pro Woche GFK-Inhalte verstreue. „Danke für alles“ stand auf einem Bild, das die jungen Männer und Frauen gemeinsam gestaltet haben. Ein rahmenloser Bildhalter, viel Herbstlaub und die Unterschriften aller, die am diesem Tag gekommen waren. Wohlbemerkt, das Projekt läuft erst sechs Wochen, wir sind nicht etwa am Ende, sondern nicht einmal mittendrin! Ich hatte echt Tränen in den Augen!

Ja… die Feedbacks für meine Zertifizierung… und jetzt habe ich selbst schon drei Feedbacks für andere geschrieben… es ist spannend noch einmal nachzulesen, wie mich meine Kolleginnen und Kollegen vor zwei Jahren eingeschätzt haben. Und noch spannender ist es, wie ich darauf reagiert habe. Meine Güte, was für mittelprächtige Dramen waren damit verbunden… Und heute bin ich voller Freude und Gelassenheit. Na, jedenfalls meist! Und wenn mich etwas aus der Bahn wirft, finde ich schneller als früher zurück in ruhiges Fahrwasser. Ist das nicht wunderbar?

So long!

Ysabelle

Entweder, oder. Oder?

Hallo, Welt!
Ich bin noch immer ganz benebelt von einem Erlebnis am Freitagabend. Wir hatten Seminar, aber aus verschiedenen Gründen sind nur sehr wenige Teilnehmer vor Ort gewesen. Unser Vorschlag, deshalb sehr konzentriert nur 1,5 Tage in der Kleingruppe zu arbeiten, stieß auf ein gemischtes Echo. Letzten Endes haben sich die Teilnehmer dafür entschieden, das Seminar zu verschieben und auf die anderen Teilnehmer, die zu diesem Block verhindert waren, zu warten.
Wir hatten zu Beginn des Seminars ein paar Punkte an der Tafel gesammelt. Warum interessieren sich Menschen für die Gewaltfreie Kommunikation? Was bringt ihnen das?
Whiteboard 2014_10_17
Was in der Diskussion über unsere Vorgehensweise fürs Wochenende immer wieder deutlich wurde: Es ging um Schutz. „Dann stehe ich als einzelner ja so im Mittelpunkt…“ „Dann bin ich ja ständig dran…“ Ich merkte, wie meine Stimmung immer weiter in den Keller ging. Dabei ging es mir nicht darum, dass Seminar auf jeden Fall durchzuziehen. Ganz und gar nicht, denn die vergangenen Wochen waren extrem anstrengend und ich freue mich, dann heute zu meiner Mutter fahren zu können. Nein, was mich schmerzt ist etwas Anderes.

Einer der Punkte auf der Liste war: Ausstieg aus dem Entweder – Oder. GFK eröffnet mir neue Möglichkeiten. Die ganze Palette der Grautöne statt nur schwarz-weiß. Hier eine Auswahl an Farben von meinem Lieblings-Farbberater Loriot:
http://www.youtube.com/watch?v=ckIrhRKwgCg
In der Seminarsituation landeten wir nun in einer Sackgasse. Entweder ausfallen lassen oder Überforderung. Ich war – und bin – noch immer fassungslos. Es gibt gute Gründe dafür, in der größeren Gruppe arbeiten zu wollen, und mit diesem Anliegen kann ich mich zutiefst verbinden. Aber zu glauben, ich würde in der Kleingruppe überfordert, es gebe keinen Schutz für mich, meine Grenzen würden nicht gewahrt – das schüttelt mich schon sehr. Und ich nehme es als Zeichen, dass wir eben nicht gewohnt sind, für uns selbst Sorge zu tragen AUSSER indem wir aus einer Situation herausgehen. Entweder – oder. Wir haben kein Vertrauen darauf, dass unsere Bedürfnisse ernst genommen werden, dass wir nach unseren Bedürfnissen leben dürfen. Und ich glaube, dass wir auch unsicher sind, in herausfordernden Situationen mit unseren eigenen Bedürfnissen verbunden bleiben zu können und uns für sie einzusetzen. Dann denken wir, andere überrollen uns. Wir seien machtlos. Und der Ausweg, den wir kennen, heißt Rückzug.
Ich spüre eine große Traurigkeit, wenn ich mich mit der Situation am Freitag verbinde. Wo ist unsere Fähigkeit, gut für uns zu sorgen? Jenseits von Entweder, oder. Wo, wenn nicht in dem geschützten Rahmen eines GFK-Seminars, kann ich denn üben, mit mir selbst in Verbindung zu sein und nach Strategien zu suchen, die mich rausnehmen aus dieser Zwei-Wege-Technik? Wenn ich es hier nicht probieren mag, weil ich kein Vertrauen habe, dass ich gut für mich sorgen kann – ja wo denn dann?
Ich betrauere eine verpasste Chance zum Lernen und Wachsen. Und ich möchte feiern, dass ich an dieser Stelle in den vergangenen Jahren gewachsen bin. Vorige Woche war ich in Niederkaufungen zum Trainertreffen. Und in einer herausfordernden Situation bin ich für mich und für mein Thema eingetreten, im Vertrauen darauf, dass die Bedürfnisse eines jeden einzelnen zählen. Das Echo war in einer Weise, wie ich es in einer Veranstaltung von GFK-Trainern nicht erwartet hätte. Und trotzdem bin ich zufrieden damit, für mich eingestanden zu sein. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht in dieser Weise möglich gewesen. Vielleicht ist es mir deshalb so wichtig, dass auch andere Menschen eine Chance haben, sich selbst auszuprobieren und zu trainieren, wie sie mit ihren Bedürfnissen verbunden sein können… Vorausgesetzt, sie haben das Vertrauen, dass ihre Bedürfnisse zählen. Und das Vertrauen gab es vielleicht am Freitag noch nicht.

So long!

Ysabelle

Happy Birthday, Marshall Rosenberg!

Hallo, Welt!

Heute feiert Marshall Rosenberg seinen 80. Geburtstag. Für mich gehört er in eine Reihe mit Martin Luther King, Mahatma Gandhi und Nelson Mandela. Freitag gibt das Nobelpreis-Komitee bekannt, wer 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, und ich hoffe wie schon seit einem halben Dutzend Jahren, dass es Marshall ist. Denn der Nobelpreis kann nur an lebende Leute verliehen werden und wir alle wissen nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt.

Um sein Leben zu feiern, habe ich bei Youtube gestöbert und dieses Video gefunden, in dem Marshall erläutert, wie wir in der Gewaltfreien Kommunikation Dankbarkeit ausdrücken. Nicht Lob oder Komplimente, sondern Dankbarkeit.
http://www.youtube.com/watch?v=NOfjD05QLGM

Und dabei schaue ich zurück auf die Zeit seit 2006, als ich das erste Mal mit Gewaltfreier Kommunikation in Verbindung gekommen bin. Was hat sich alles seither verändert!

Heute hatte ich ein Vorstellungsgespräch, und ich konnte anschließend mit viel Selbstliebe auf meine „Hänger“ gucken. Dies hätte ich besser formulieren können und auf jene Frage war ich nicht vorbereitet… Na und! Ich habe es so gut gemacht wie ich konnte.
Danke, Marshall!

Ich begleite meine Mutter, die durch ihren letzten Herbst geht. Nie war unser Verhältnis so auf Augenhöhe, so aufrichtig und offen. Danke, Marshall!

Ich arbeite in einem Projekt mit Menschen, die nichts zu verlieren haben und sich oft dementsprechend verhalten. Ich muss ihre Kritik oder ihr Verhalten nicht mehr auf mich beziehen, sondern kann sehen, dass sie eine Vielzahl unerfüllter Bedürfnisse haben. Meine Integrität wird dadurch überhaupt nicht angetastet. Danke, Marshall!

Neulich hatte ich eine Situation mit einem Bekannten, über die ich mich sehr geärgert habe. Als wir das nächste Mal wieder Kontakt hatten, konnte ich meine Beobachtung und meine Gefühle schildern und schwups – wir hatten wieder Verbindung. Mein Groll war wie weggeblasen. Danke, Marshall!

Ich bin so unendlich dankbar, dass ich heute in vielen Situationen merke, welche Bedürfnisse bei mir gerade tangiert sind, ob erfüllt oder unerfüllt. So habe ich die Möglichkeit, mich um mich zu kümmern, für mich – und gegebenenfalls den anderen – Sorge zu tragen. Ich bin glücklich! Danke, Marshall!

Und dann sind da die Freundschaften und neuen Bindungen, die in diesen Jahren entstanden sind. Danke an Gabriel, Bieke, Anja, Sonja, Friederike, Markus, Michael, Jürgen, Matthias und alle anderen! Mittwoch fahre ich zum Trainertreffen nach Niederkaufungen. Bis heute Abend dachte ich, ich habe kein Bett für die Zeit von Freitag bis Sonntag. Heute Abend rief eine hoch geschätzte Trainer-Kollegin an und bot mir eine Schlafgelegenheit in ihrer Unterkunft an. Hurra! Ich bin so froh! Danke, Marshall!

Die GFK hat mein Leben komplett umgekrempelt. Und ich bin dankbar dafür. Nobelpreis für Marshall. Bitte. (Keine Forderung)

So long!

Ysabelle

Update

Hallo, Welt!
Heute ist Feiertag. Im Kalender steht: Tag der deutschen Einheit. Die vergangenen drei Wochen habe ich mit arbeitslosen Jugendlichen verbracht. Nicht mal in dieser kleinen Gruppe gibt es so etwas wie „Einheit“ im Sinne von Eintracht. Ich versuche so viel GFK wie möglich in sie zu trichtern. Es ist erstaunlich, wie schnell sie das Konzept verstehen. Aber anwenden…?
Vor zehn Tagen hat jeder von ihnen eine laminierte „Spielkarte“ mit dem Wort „Respekt“ bekommen. Eigentlich soll sie dazu dienen, dass der einzelne nonverbal aufzeigen kann, was er gerade braucht. Einer der Teilnehmer hat fünf vor sich liegen und wenn er genervt ist oder sich wehren will, hält er alle fünf hoch. Ein anderer Teilnehmer nimmt die Karten und flitscht damit, als wären es Steine an einem See. Ein weiterer Teilnehmer, dessen Pupillen oft so klein sind wie Stecknadeln, und der sich ständig kratzt, verblüfft mich mit dem Zuruf von Bedürfnissen: „In Einklang sein“ oder „Intimität“. Er weiß auch, dass Goa nicht nur der Name einer Party ist, sondern auch eine Region in Indien. Er weist darauf hin, dass Konkurrenz doch mit „k“ geschrieben wird und nicht wie „Kongruenz“, und schwups, sind wir mitten drin in einer Diskussion über das, was jemand sagt und das, was er tut…
Ich hatte gehofft, mit den Jugendlichen die Fragebögen durchzugehen, die ich für den Vortrag über Vorurteile erarbeitet hatte. Keine Chance. Aber wir sprechen über Schubladen. „So“ sind Waldorf-Schüler, und „so“ sind Hauptschüler. Und ein Teilnehmer, erst 16 Jahre alt und bereits Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten wohl bekannt, sagt: „Meine Schubladen lasse ich mir nicht nehmen, die sind zu meinem Schutz!“ Wenn das mal nicht eine sensationelle Anwendung des Gedankens von Bedürfnissen und Strategien ist…

Ich bin so sicher, dass diese jungen Menschen GFK brauchen. Genau wie Liebe und Vertrauen. Sie brauchen auch Regeln/Struktur und Transparenz. Gestern haben wir 50 Minuten darüber diskutiert, wie in der kommenden Woche die Arbeitszeiten gelegt werden sollen. Auf mittlere Sicht müssen die Teilnehmer 30 Wochenstunden absolvieren. Zwei plädierten für 8.00 Uhr, zwei für 8.15 Uhr, zwei für 8,30 Uhr und drei für 9.00 Uhr wie gehabt. Und nun? Kurz dachte ich ans systemische Konsensieren, aber ich habe noch nicht genug von dem Konzept verstanden, um es in die Klasse zu bringen. Dann dachte ich, ich halte das einfach mal aus, was da gerade passiert oder auch nicht passiert. Und siehe da: Jetzt gibt es drei Tage, an denen wir früh anfangen (mal sehen, ob die Teilnehmer auch früh kommen) und zwei Tage, an denen wir spät anfangen, zum Beispiel Montag. Dafür ist der Freitag kurz. Da alle (Anwesenden) an dieser Entscheidung beteiligt waren, hoffe ich auf Tragfähigkeit.
Ich genieße die Zusammenarbeit mit einer Kollegin. Sie ist Erzieherin und hat vorher eine Wohngruppe geleitet. Wunderbar, wie sie mit den jungen Menschen umgeht, Grenzen aufzeigt. Wir haben gegenseitig sehr viel Wertschätzung und Respekt füreinander und ich genieße die Art, wie sie sich einbringt. Von ihr kann ich lernen, was ich als Mutter nicht wusste. Zu keinem Zeitpunkt ist ihre Integrität in Gefahr, die Jugendlichen können ihren Kern nicht erschüttern. Eine andere Kollegin sagt ganz offen, dass sie sich nicht traut, in dieser Klasse frontal zu unterrichten… Alle Anwürfe und „Nein“, alle Ablenkungen und Papierflieger, Rausgehen, Privatunterhaltungen ziehen Kapital von ihrem Selbstwertkonto ab. Ich kann es sehen, ich spüre Mitgefühl und gleichzeitig eine innere Dankbarkeit, die mich in Tränen bringt. So ging es mir auch einmal, so war ich auch unterwegs… bis ich die GFK kennen lernte…

So long!

Ysabelle

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