Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit 3. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Eben habe ich mir mit dem Hund eine Scheibe Gouda geteilt. Ich saß auf einem kleinen Hocker/Tritt sozusagen auf Augenhöhe und habe von der halben Scheibe kleine Stücke abgerissen und ihm gefüttert. Mit jedem Bissen habe ich ihm gesagt, was er für mein Leben bedeutet. Wie beschenkt ich mich durch seine Anwesenheit fühle, wie er meine Tage bereichert, wie schön es ist, morgens mit ihm eine Runde zu drehen, wie sehr ich es schätze, dass er inzwischen „tauscht“, also Beute gegen Leckerli wieder hergibt … nach dem fünften oder sechsten Brocken liefen die Tränen, ich konnte das Glück körperlich spüren.
Es ist mir ein wichtiges Anliegen, meine Dankbarkeit gegenüber den Menschen auszudrücken, mit denen ich zu tun habe. Dazu zählen meine MitarbeiterInnen, Hunde- und KatzensitterInnen, der Tierarzt und die Bäckereifachverkäuferin, die Mitarbeitende beim Steuerberater oder neulich die Frau bei der Firma, die meine Telefonleitung in Ordnung bringen soll.
In meiner Wahrnehmung erlebe ich nicht viel Dankbarkeit in meinem Umfeld. Gestern erreichte mich eine Mail, die ich als absolute Ausnahme besonders feiern möchte.

deine persönliche Ansprache hat mich sehr berührt. Ich fürchtete schon, so viel von mir zu zeigen. Aber als ich las, dass du mit vielem, von dem, was ich schrieb, im Herzen mitfühlen kannst, brach ich vor meinen kleinen Kindern spontan in Tränen aus. Sie schauten mich ganz erstaunt an und ich erklärte ihnen, wie glücklich es mich gemacht hat, zu hören, dass du mit mir mitschwingen kannst, und dass man auch weinen kann, wenn man glücklich ist.

Das konnte ich so gut nachfühlen, denn ich weine häufiger, weil ich einfach so glücklich bin.

Im Auto habe ich gestern einen unbekannten Anrufer angenommen. Es war ein GFKler, den ich nicht persönlich, sondern nur per Mail kannte. Die Person hatte sich über eine Handlung von mir geärgert und sich entschieden, mich anzurufen, statt mir eine wütende Mail zu schicken. Es dauerte 15 Minuten und wir waren auf dem Weg, wirklich gute Freunde zu werden. Dass so etwas gelingen kann, erfüllt mich mit Freude und Dankbarkeit. Das Rezept: Sich wirklich aufrichtig zuhören. Sich mit dem eigenen Herzen verbinden und mit dem des anderen … Wie wunderbar, dass ich dieses Medikament immer häufiger im Zugriff habe!

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit 2. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Mein Empathie-Buddy hat mir ein Brieflein geschrieben und sich für mein Kommen bedankt. Ein Brieflein im gleichen Miniformat habe ich vorgestern aus dem Kasten gezogen. Es war von meiner langjährig besten Freundin, die ihr Bedauern ausdrückte, dass wir es entgegen ihren Absichtsbekundungen seit Juli nicht geschafft haben, uns zu sehen. Und ein weiterer Brief liegt in der Küche, von einer Freundin, die sich zum Jahreswechsel 2014 von mir abgewandt hatte, weil sie der Ansicht war, ich hätte nicht genug Zeit für unsere Freundschaft. Im August diesen Jahres klopfte sie wieder an meine Tür …
Seit mindestens vier Jahren liegt hier bei mir im Arbeitszimmer der Brief eines jungen GFK-Freundes, den er mir damals zu Weihnachten schrieb. Darin bedankt er sich für unsere Verbindung und unsere Freundschaft. Handgeschrieben. Und an der Tür zu meinem Arbeitszimmer hängt ein Gedicht, das eine Freundin/Mitarbeiterin für mich geschrieben hat. Mit dem Computer geschrieben, aber auf unsere Freundschaft gereimt.

Die Brieflein werden wohl – wie die Eintrittskarte vom Spiel St. Pauli gegen Schalke 2011 – an den Kühlschrank wandern. Ich sehe sie nicht jeden Tag, aber immer mal wieder. Genau wie die Karte von meiner Freundin aus Braunschweig, die sie mir zum Geburtstag schenkte: „Du hast die Jahre schön …“

Jede handgeschriebene Nachricht ist für mich ein besonderer Gund zur Dankbarkeit und zur Freude. Da hat sich jemand hingesetzt und an MICH gedacht. Er oder sie hat nicht einfach eine Mail geschickt oder eine WhatsApp-Nachricht. Jemand hat eine Karte ausgesucht und sie von Hand beschrieben. Vielleicht hat er oder sie an diesem Tag auch 20 andere Weihnachtskarten verfasst, aber diese eine ist für mich. Handgeschriebene Nachrichten sind für mich ein Ausdruck von Wertschätzung und Verbindung, sie sagen mir, „Du bist mir wichtig“.
Jedes Feiern eines solchen Geschenks bringt mich auch mit meiner Trauer in Verbindung. Ich möchte auch handgeschriebene Briefe verschicken! Ich möchte auch die Zeit finden, mich hinzusetzen und den Menschen zu schreiben, die meinem Herzen nahe stehen: Meine Freundinnen Wiebe, und Bieke, und Cynthia, und Chricky, und Brita und Kerstin, (mögen mir alle die verzeihen, die hier gerade nicht einzeln aufgeführt sind), und meine Freunde Michael, Peter, Jens, Jürgen, Markus, Gabriel, Siegfried, Thomas, Kai, Christian und all die vielen anderen, die mich seit (vielen) Jahren begleiten. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Vielleicht gelingt es mir ja in diesen Tagen, noch ein paar schöne Karten zu erjagen, und vielleicht finde ich die Zeit zwischendurch, meinen Lieblingsmenschen zu sagen: Ich bin froh, dass es DICH gibt!
So long!

Ysabelle

Fremdschämen

Hallo, Welt!
In letzter Zeit sind mir wieder so viele Situationen untergekommen, in denen ich dachte, „das wäre jetzt was für den Blog“, aber bis ich an den Rechner kam, gab es schon wieder so viele neue Impulse, dass ich dann doch nicht zum Schreiben kam. Heute habe ich dann mit schiefem Grinsen quittiert, dass es mal wieder höchste Zeit ist. Der Auslöser war … Fontane.

Mein Pudel ist jetzt 15 Monate alt und voll in der Pubertät. Anders als sein Bruder ist er nicht kastriert. Bei seiner großen Operation haben die Ärzte davon abgesehen, der verbliebene Hoden sorgt dafür, dass das umliegende Gewebe einigermaßen straff bleibt.

Das führt nun dazu, dass er Hundedamen jeglichen Alters sehr, sehr spannend findet. Überhaupt ist er ziemlich aufdringlich. Ständig versucht er aufzureiten und bedrängt auch andere Hunde, die sich nicht klar positionieren.

Heute nun hat die Trainerin eine „Schocktherapie“ angekündigt. Als Fontane wieder eine sehr schüchterne Hündin bedrängte, holte sie einen Pappbecher mit Wasser und kippte ihm den mit Schwung ins Gesicht. Zumindest bei mir hat die Schocktherapie gewirkt. Ich bin noch immer geschockt. Das ist keine gewaltfreie Hundeerziehung. Denn in der gewaltfreien Hundeerziehung geht es immer und ausschließlich nur darum, erwünschtes Verhalten zu bestärken, aber nicht zu strafen bei unerwünschtem Verhalten.
Fontane war kurz irritiert, aber geschockt schien er mir nicht. Das habe ich dann ja für ihn erledigt.

Während er so drängte und den Mädels hinterher rannte und sich mit den anderen Hunden anlegte, wurde mir mehr und mehr unbehaglich. Ich konnte mir wie bei einem Fernsehfilm zuschauen, wie sich meine Stimmung veränderte. Mein Hund machte etwas, was „nicht gut“ war. Kaum hatte er beim Agility zwei Hindernisse genommen, büchste er wieder aus und rannte zu den Mädels. Mir war das peinlich. Und ich erinnerte mich an diverse andere Situationen in meinem Leben, in denen ich mich fremdgeschämt habe, also Scham empfunden, weil andere sich nicht so verhielten, wie dritte es für richtig hielten.

Zunächst fielen mir da die endlosen Besuche in der Schule meines Sohnes ein. Er hatte dies gemacht, er hatte das gemacht. Einmal sagte ich am Telefon, „dann müssen Sie jemandem mit dem Daktari-Gewehr holen, ich bin in Hamburg bei der Arbeit und kann einfach nicht in zehn Minuten bei Ihnen sein.“

Wenn ich richtig tief in meiner Erinnerung grabe, dann habe ich mich auch für meine Mutter geschämt, die eine Zeit lang (vor 50 Jahren) ziemlich viel getrunken hatte und sich dann in der Kneipe weniger als wundervoll benahm.
Ich erinnere mich auch an Situationen, in denen ich mich für meinen Partner geschämt habe. Zum Beispiel, weil er sich nicht für ein Geschenk bedankt hatte, und der Schenkende jetzt gekränkt war. Oder weil mein Partner andere Menschen zuschwallte und überhaupt nicht merkte, dass diese mit dem Kopf ganz woanders waren. Meine Gefühle dabei: Unbehagen, Ängstlichkeit, Scham, Sorge und manchmal sogar Ärger. „Der/die blamiert mich“.

Bei Kind und Hund finde ich das noch immer ganz schwierig. Ja, es sind eigenständige Wesen, ein zwölfjähriger Junge kann vielleicht seine Affekte ebenso wenig steuern wie ein 15-monatiger Hund. Ich kämpfe also mit dem alten Glaubenssatz, dass ich für das Verhalten anderer Menschen verantwortlich bin. In diesem konkreten Fall auch für das Verhalten meines Hundes. Als ich dann vom Hundeplatz schlich, war ich echt genervt von mir. Neun Jahre Einzel- und Gruppentherapie und elf Jahre GFK und noch immer machen mir diese alten Muster zu schaffen. Es ist zum Mäusemelken. Die Trainerin meinte dazu nur abschließend: Jeder kriegt den Hund, den er verdient. (Da habe ich ja Glück, so einen wunderbaren Hund zu verdienen …)

Vielleicht gelingt es mir ja doch irgendwann, dieses Fremdschämen loszulassen … Es wird Zeit!
So long!
Ysabelle

Heute einfach mal nichts tun …

Hallo, Welt!
Vor einer halben Stunde kam ich mit dem Hund vom Steuerberater wieder ins Haus und dachte auf der Treppe: „Eigentlich könntest du heute mal nichts tun …“
Boah! Kühner Plan! Bist du wahnsinnig? Guck dich hier mal um! Da steht das Bügelbrett, meinst du, das ist nur Dekoration? Die Katzenklos! Ey, das stinkt doch schon! Post sortieren, Mails beantworten, kochen, und überhaupt, aufräumen!
Letzteres wäre tatsächlich eine gute Idee. Und gleichzeitig …
Ich habe in den vergangenen Wochen arbeitsmäßig einen unglaublichen Druck gespürt. Da brannte es mal wieder an allen Ecken und Enden. Gefühlt, nicht in echt. Meine Realitätsüberprüfungen ergaben immer wieder, alles halb so schlimm. Aber ich hatte eine Aufgabe übernommen, die mir unglaublich schwer fiel und deren fehlende Sinnhaftigkeit mich echt belastete. Ich musste mich immer wieder ranpeitschen, um Termine einzuhalten. Der Kunde war zufrieden, ich nicht. Und das hat wirklich Energie gezogen. Jetzt ist der Auftrag abgewickelt, die nächste Herausforderung startet in knapp drei Wochen und ich könnte wirklich mal alle Fünfe gerade sein lassen, wenigstens für einen Tag. Und schon kommt der Chor der Kritiker und beschallt mich in einer Lautstärke, die für Entspannung wenig Raum lässt.
Vielleicht kann ich etwas mit mir selber aushandeln.
Zum Beispiel: Jetzt was kochen und dann ein Nickerchen. Und dann die Katzenklos, und dann ein Spaziergang mit Fontane. Hm. Kein Protestschrei. Könnte klappen. Und Kochen und Katzenklo ist ja schon fast nichts tun, oder?

So long!

Ysabelle

Du bist so … einzigartig.

Hallo, Welt!
Schon seit einiger Zeit habe ich bei Youbube den Kanal Awaken with JP abonniert. Ich finde es entlarvend, wie er sich über verschiedene Themen äußert: Gluten-Unverträglichkeit, den richtigen Guru finden, Indigo-Kinder … keine Ahnung, was der Mann im wahren Leben macht, aber diese Videos macht er großartig.
Gestern nun stolperte ich über ein relativ neues Werk, in dem JP Sears einen Kurs in passiv-aggressivem Verhalten gibt. Als brave GFK-lerin lehne ich natürlich alle Arten von Diagnosen ab. Statt dem anderen zu unterstellen, wie er/sie ist, spreche ich über Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis, und bestensfalls formuliere ich jetzt eine Bitte.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich von dieser Diagnose „Passiv-aggressiv“ aktuell gerade begeistert bin. Jetzt hat das Kind doch mal ’nen Namen! Hier erst mal das Video dazu.

Da mir die im Film beschriebenen Verhaltensweisen so bekannt vorkamen, habe ich „passiv-aggressiv“ mal gegooglelt. Besonders beeindruckend fand ich die Zusammenstellung auf Karierebibel

Diese acht Anzeichen sprechen für eine passiv-aggressive Persönlichkeit:

Passiv-aggressiv: Sie arbeiten absichtlich langsam oder schlecht

In jeden Job gibt es Aufgaben, die weniger Spaß machen oder anstrengend sind. Man kann sich durchbeißen und sein Bestes geben, um schnell damit fertig zu sein. Passiv-Aggressive Kollegen verfolgen aber eine andere Strategie. Sie lassen sich besonders viel Zeit und bringen nur ein absolutes Minimum.

Damit fordern sie heraus, dass sich ein gutmütiger Kollege der unliebsamen Aufgabe annimmt und diese in Zukunft am besten von Anfang an in andere Hände gegeben wird. Kein Streit, keine direkte Aussprache – eher eine unterbewusste Konditionierung.
Passiv-aggressiv: Sie attackieren gerne hinterrücks

Wenn ihnen etwas nicht passt, halten sie mit Ihrer Meinung nicht lange hinterm Berg. Das große Aber: Das Problem wird nicht zwischen den beteiligten Personen besprochen, sondern an das gesamte Umfeld herangetragen. Passiv-aggressive Menschen beschweren sich lieber bei jedem anderen Kollegen im Büro, wodurch nur noch weitere schlechte Stimmung entsteht.

Durch das passive Vorgehen können Betroffene zwar ihren Frust hinterrücks loswerden und fühlen sich erst einmal besser, schaffen aber neue Probleme, ohne das bereits bestehende in irgendeiner Weise zu lösen.

Passiv-aggressiv: Sie meiden direkte Konfrontationen

Wie bereits angesprochen, gehen Passiv-Aggressive einer direkten Konfrontation immer aus dem Weg. Auch wenn sie sich angegriffen oder verletzt fühlen, ziehen sie sich daher zunächst zurück. Eine verbreitete Taktik ist es auch, dem Gegenüber während des Rückzugs ein schlechtes Gewissen einzureden.

Der andere soll wissen, dass man mit seinem Verhalten nicht einverstanden war, auch ohne, dass es ihm explizit gesagt wird. Im besten Fall entschuldigt sich der Gegenüber auch noch für den Fehler, der ihm ungesagt vorgeworfen wird.

Passiv-aggressiv: Sie planen Ihre Rache

Es wäre falsch zu glauben, dass passiv-aggressive Persönlichkeiten sich irgendetwas einfach gefallen lassen würde. Manchmal scheint es so, als würde zunächst Gras über die Sache wachsen, doch sobald sich eine Gelegenheit bietet, nutzen sie Ihre Chance, um sich zu rächen.

Das funktioniert auch ohne offenen Streit, indem ein Kollege etwa beim Chef in Verruf gebracht wird, Informationen nicht an alle Beteiligten weitergegeben werden oder Aufgaben unauffällig sabotiert und zum Scheitern gebracht werden – Hauptsache, das empfundene Unrecht wird ausgeglichen.

Passiv-aggressiv: Sie reden sich gerne selbst schlecht

Die typische negative Grundeinstellung der passiven Aggressivität zeigt sich auch in der Meinung über sich selbst. Anstatt wirklich etwas zu versuchen und mit besten Leistungen zu überzeugen, reden sie sich daher lieber selbst von vornherein schlecht. Durch dieses Verhalten können sie das Selbstbild eines missverstandenen Einzelkämpfers aufrecht erhalten, da andere ihnen Aufgaben abverlangen, die für sie nicht lösbar sind.

Misslingt die Aufgabe aufgrund einer selbsterfüllenden Prophezeiung tatsächlich, fühlen sie sich nur noch mehr bestätigt und wissen gleich, wer die Schuld daran trägt.

Passiv-aggressiv: Sie vertuschen Ihren Ärger

Besonders die Passivität macht es für Außenstehende oft schwer, die wirklichen Gedanken passiv-aggressiver Menschen zu verstehen. So kann es vorkommen, dass sie nach außen hin lange Zeit gute Mine zum bösen Spiel machen, während innerlich die Wut immer weiter hochkocht – und kein anderer bemerkt es.

Dies können Sie besonders deutlich bei sich selbst beobachten: Es ist ein deutliches Anzeichen für passiv-aggressives Verhalten, wenn Ihre wahren Gedanken und Ihre nach außen gezeigten Handlungen regelmäßig nicht zusammenpassen.
Passiv-aggressiv: Sie vergessen Dinge mit Absicht

Haben Sie schon einmal „rein zufällig“ vergessen, dass Sie sich eigentlich mit einem Freund treffen wollten, weil Sie eigentlich keine Lust hatten? Oder haben Sie irgendwie nicht mehr an eine wichtige Deadline für eine Aufgabe gedacht, die Sie ohnehin unnütz fanden?

Dann zeigen Sie klare Anzeichen von passiv-aggressivem Verhalten. Anstatt Ihre Meinung offen zu sagen und damit die Möglichkeit für eine Diskussion zu erschaffen, suchen sie einen indirekten Weg, um Ihre Meinung zu sagen.
Passiv-aggressiv: Sie versuchen Ihr Umfeld zu manipulieren

Wie bereits viele der Punkte verdeutlichen, ist das Verhalten von passiv-aggressiven Menschen oft darauf ausgelegt, die Umwelt zum eigenen Vorteil zu manipulieren. Wer anstatt freundlich nach Hilfe zu fragen lieber ein Ich werde noch die ganze Nacht an diesem Projekt sitzen in die Runde wirft, versucht auf passive Weise, die Kollegen dazu zu bringen, einen Teil der Arbeit zu übernehmen.

Dabei wird jedoch billigend in Kauf genommen, dass diese sich schlecht fühlen oder vielleicht selbst Überstunden machen müssen.

und etwas weiter unten heißt es dann:

Wir haben klassische Formulierungen gesammelt, die passiv-aggressive Menschen nicht nur im Wortschatz haben, sondern besonders gerne und häufig benutzen – daher funktionieren diese Sätze auch als Test für passiv-aggressives Verhalten. Erkennen Sie sich selbst oder andere besonders häufig wieder?

„Ist ja jetzt auch egal…“ Die Kurzfassung: Nein, ist es nicht und soll auch gar nicht zum Ausdruck gebracht werden. Übersetzt könnte dieser Satz auch bedeuten: Ich habe keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren, werde dir aber noch lange vorhalten, dass du mir nicht zugestimmt hast.

„Das habe ich doch gar nicht so gemeint…“ Ein raffinierter Satz, um sich aus der Affäre zu ziehen und andere geschickt zu manipulieren. Egal, ob Aufgaben vergeben wurden oder Kritik mit Ironie verpackt wurde, die Wirkung wurde erzielt und wenn es nicht so gemeint wurde, kann es ja auch keine Konsequenzen geben.

„Das verstehst du einfach nicht…“ Ein einfaches, aber sehr wirkungsvolles sprachliches Mittel, um die Schuld sofort dem Gegenüber zu geben.

Für deine Verhältnisse ist das wirklich gut geworden…“ In scheinbaren Komplimenten versteckte Spitzen und Beleidigungen sind eine beliebte Methode, um Kritik zu äußern oder Wut versteckt zum Ausdruck zu bringen. Eigentlich heißt ein solcher Satz nur „Das ist Mist, aber mehr habe ich von dir auch nicht erwartet.“

„Nein, es ist nichts…“
Der Klassiker auf die Frage: Hast du was? Passiv-aggressive Menschen sagen es zwar nicht offen, lassen es den anderen aber umso stärker spüren.

„Wir machen es einfach so, wie du es vorgeschlagen hast…“ Wer hier denkt, er hätte einen Erfolg errungen und sich tatsächlich durchgesetzt, irrt leider gewaltig. Wie so viele Formulierungen bedeutet auch diese eigentlich das genaue Gegenteil und selbst wenn zunächst die Variante verfolgt wird, wartet der passiv-aggressive nur darauf, einen Fehler zu finden und zu brüllen: Ich hab doch gleich gesagt, dass kann nicht klappen…

„Ich kann mich auch darum kümmern…“
Diese Formulierung fällt besonders gerne in dem Moment, wenn sich jemand anders bereits an die Arbeit gemacht hat. Ein vorgetäuschtes Ach, das hätte ich doch auch machen können kann andere komplett auf die Palme treiben.

So. Jetzt mal Butter bei die Fische: Sind das Beobachtungen? Also Beobachtungen im Sinne der GFK? Wahrscheinlich nicht so ganz, denn die Interpretation wird ja gleich mit geliefert. Und wie gehe ich jetzt damit um, wenn jemand so reagiert? „Ist doch jetzt auch egal“ kenne ich ziemlich gut. Auch „das verstehst du einfach nicht …“ oder eben „Wir machen es einfach so, wie du es vorgeschlagen hast…“
Wie geht es mir, wenn ich das höre? Ich bin hilflos. Frustriert. Genervt. Verzweifelt.
Unerfüllte Bedürfnisse: Verbindung! In erster Linie Verbindung. Wenn es um Arbeitszusammenhänge geht, auch um „an einem Strang ziehen“ oder „in die gleiche Richtung gucken“, also so was wie Gemeinschaft. Mir fehlen auch Klarheit und Offenheit/Transparenz. Mein Gegenüber ist als Person überhaupt nicht sichtbar. Ich laufe gegen eine Gummiwand. Sehr unerfreulich.
Habt Ihr Ideen, wie man auf so ein Verhalten giraffisch reagieren kann? Ich bin im Moment noch ganz banal bei Selbstempathie und Empathie.

So long!

Ysabelle

Wagst du Widerworte?

Hallo, Welt!
Ich war mit Fontane auf Abendrunde und traf am Hafen auf einen Mann, mit dem ich vor über 20 Jahren mal kurzzeitig verbandelt war. Er begrüßte uns und sagte dann: „Endlich hast du mal einen, den du verwöhnen kannst und der keine Widerworte gibt …“
Das ist jetzt eine Stunde her und ich bin noch immer total verstört. Da hat der Herr aber bei mir einen großen Knopf gedrückt.

Der Duden schreibt dazu:

Rechtschreibungℹ
Worttrennung: Wi|der|wort
Beispiel: Widerworte geben
Bedeutungsübersichtℹ
ein gegen etwas gerichtetes Wort; Widerspruch
Beispiel
keine Widerworte!
Synonyme zu Widerwortℹ
Aber, Einspruch, Einwand, Einwendung, Gegenrede, Protest, Widerrede

Mich schickte die Aussage sofort auf eine Zeitreise. Zum einen überprüfte ein ängstlicher Teil, ob ich diesem Mann denn damals, 1996, womöglich Widerworte gegeben hatte. Und ein rebellischer Teil dachte, „tja, Frauen mit eigener Meinung bist du nicht gewohnt“.
Zum Glück musste ich das nicht austragen, sondern konnte mit meinem vierbeinigen Verlobten weiter ziehen.
Aber auf dem Rückweg ratterte es noch immer in meinem Kopf. Widerworte. Das wurde in meiner Ursprungsfamilie nicht selten mit Schlägen quittiert.
Zu Hause angekommen, ließ mich diese kurze Episode nicht los.
Widerworte. Wieso hat dieses Wort so einen speziellen Geschmack für mich? Es löst ganz andere Gefühle aus als „Einwand“ oder „Einspruch“. Widerworte implizieren, als hätte der andere Recht und wider besseres Wissen sage ich etwas anderes. Das Wort wird ausgeliefert mit den Urteilen „frech“, „impertinent“ und „aufsässig“, Etiketten, mit denen ich auch gern belegt wurde.
Widerworte sind also verboten. Sie sind unangemessen. Sie stehen mir nicht zu. Weil andere Leute Recht haben. Oder weil ich nicht das Recht habe, eine andere Meinung zu haben. So gesehen war meine Kindheit eine einzige Protestnote.
Zwei unterschiedliche Impulse konnte ich also bei mir feststellen, als der Mann diesen Satz aussprach. Zum einen wurden Angst und Scham ausgelöst, zum anderen Ärger und Wut. Und unter dieser Wut liegt keine Trauer, (wohl aber vielleicht Schmerz), sondern etwas Kraftvolles. Vielleicht gibt es da eine Verbindung zur Freude: Freude daran, dass ich selbst denken kann. Freude am meinem Widerspruchsgeist (dieses Wort löst eher Wohlbehagen aus, ich verbinde es mit Pipi-Langstrumpf-Energie). Freude daran, dass ich Dinge nicht ungefragt übernehme. Ermutigt wurde ich dazu nicht.
Gerade in den letzten Tagen hatte ich es mit einer konfliktgeladenen Situation zu tun. Es ist mir so wichtig, einen Weg jenseits von Richtig und Falsch zu finden. Ich will nicht auf eine Schiene, die zu Schuldzuweisungen und persönlicher Kritik führt. Und gleichzeitig steht mir diese verdammte Harmoniesucht – oder die Angst vor Konflikten – im Weg, für mich selbst einzutreten. Meine Berliner Kollegin Sangha hat versucht, mich ein bisschen zu coachen, und sie ermutigt mich, auch meine eigenen Interessen im Blick zu haben, ja für MICH an die erste Stelle zu setzen. Wenn ich mir das vorstelle, kommt sofort ein innerer Widerspruch: Das kannst du nicht machen. Das geht doch nicht. Nimm dich nicht so wichtig … was bildest du dir ein …
… und dann werde ich ganz traurig.
Ich glaube, die haben mir doch die Widerworte ganz gut ausgetrieben. Schade eigentlich.

So long!
Ysabelle

Willst du Recht haben …

Hallo, Welt!
Dieses Thema wird mich wohl bis ans Sterbebett begleiten. Gerade habe ich wieder so eine Situation erlebt und ich wüsste zu gern, was dahinter steckt.

Fontane ist Donnerstag operiert worden und es scheint, dass alles gut gegangen ist.
Eine Freundin hat mich zur Tierklinik begleitet und war sowieso in den vergangenen Wochen eine große Stütze für mich.
Schon im Wartezimmer hatten wir einige Aha-Erlebnisse mit anderen Hundehaltern, zwischen uns reichte ein Blick zur Verständigung. Dann kam die OP-Vorbereitung und schließlich traf der Professor ein, der Fontane dann operiert hat. Schon beim ersten Treffen fand ich ihn ja sehr sympathisch und zugewandt. Dieser Eindruck bestätigte sich auch dieses Mal. Er nahm sich Zeit, alle Fragen zu beantworten. Ich hätte mir lediglich von ihm den Hinweis gewünscht, dass er das minimalinvasiv operiert. Das konnte ich mir nämlich nicht vorstellen und erwartete jetzt einen invaliden Hund mit Riesen-Op-Narbe am Bauch. Pustekuchen. Drei kleine Schlitze in einem rasierten Umfeld, das war’s. Und Fontane wirkt agil wie zuvor und pinkelt erstklassig. Nur transportieren lässt er sich gerade schwer. Und die Tüte hasst er wie die Pest. (Einen geliehenen Kragen hat er bereits untauglich gemacht.)
Bei der Vorbesprechung hatten wir auch über Kastration geredet. Mein Haustierarzt befürwortete diesen Schnitt. Auf jeden Fall sollte der Hoden, den wir in der Bauchhöhle vermuteten, entfernt werden. Der Professor war auch der Ansicht, dass der nicht abgestiegene Hoden entfernt werden sollte, den anderen wollte er aber belassen. Ich „hörte“, es wäre besser für das Gewebe, und dichtete in meinem Kopf die Informationen dazu, die ich anderweitig aufgepickt hatte, nämlich dass eine Entfernung beider Hoden durch den veränderten Hormonhaushalt zu einer Schwächung des (bei Fontane ohnehin schon schwachen) Gewebes führen würde, und das wollen wir doch vermeiden.
Meine Freundin erwähnte dann in der Wartezeit, das sei ja eine interessante Information vom Professor gewesen, dass er den zweiten (intakten) Hoden nicht entfernen wolle, weil es an der Stelle nicht gut sei zu schneiden.

Ich war total perplex.
Das hatte doch der Professor gar nicht gesagt?! Mit letzter Kraft konnte ich dem Versuch widerstehen, gegen an zu argumentieren. (Schreibt man das so? Der Duden liefert mir dazu nichts). Meine Freundin sagte dann noch, „ich habe sehr genau zugehört, das kam im dritten Nachsatz, da warst Du wahrscheinlich … (mit anderen Aspekten beschäftigt/von deinen Gefühlen überwältigt, irgendwas in der Art).

Da war ich dann sauer, denn ich bilde mir viel auch meine Zuhör-Kompetenz ein. Und zu „hören“, „ich höre besser zu als du“, ging ja mal gar nicht.
Es gelang mir in dieser Situation, einfach mal die Klappe zu halten, aber die Sache ließ mich nicht los. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Gesprächsfetzen zurück. Als ich Fontane Freitagnachmittag abgeholt habe, gab es ein Abschlussgespräch mit einer jungen Ärztin und ich konnte es mir nicht verkneifen noch mal nachzufragen. Sie konnte die Frage nicht beantworten, verwies mich an den Professor. Mein Drängeln brachte sie dann aber doch zu der Aussage, das könne sie sich nicht vorstellen, warum man in „diesem“ Gewebe keinen Schnitt machen könne oder solle. Ha! Ich hatte Recht.

Mittlerweile beschäftigt mich dieser alberne Gesprächsfetzen schon den dritten Tag. Zum Glück muss ich das nicht mit meiner Freundin austragen. Das erlebe ich schon mal als großen Fortschritt. Aber warum schüttelt mich diese kleine Situation so sehr?
Wie waren denn meine Gefühle, als meine Freundin ihre Sicht beschrieb?
Verwirrt, irritiert, durcheinander, angespannt.
Unerfüllte Bedürfnisse: Sicherheit, Selbstvertrauen (kann ich dem glauben, was ich „gehört“ habe?), Verbindung, Augenhöhe. Oh ja. Ich habe aus der Aussage meiner Freundin rausgehört, ich wäre ja das Dummerchen, und sie hätte gut aufgepasst und könne mir jetzt mal die Welt erklären.
Also ging es auch um Respekt, Wertschätzung und Anerkennung. Und Shared reality. Gemeinsame Realität. Du nimmst das gleiche wahr wie ich. Also auch so was wie Harmonie.
Puh.
Ich merke gerade, wie der Druck rausgeht. Es tut mir gut zu wissen, warum mich diese Szene so gebeutelt hat. Meine Freundin hat nahezu null GFK-Erfahrung und gleichzeitig erlebe ich sie als sehr unterstützend und hilfsbereit. Wenn dann in diesem schützenden Kokon was Unerwartetes (Nicht-GFK) passiert, wirft mich das anscheinend total aus der Bahn. Das habe ich tatsächlich in Verbindung mit ihr schon mehrfach erlebt. Zum Beispiel reagierte sie heute Morgen mit „Trost“, und für mich wäre Einfühlung top gewesen. Für mich geht es halt ohne GFK nicht mehr.
Ist doch schön, das alles rausgefunden zu haben.
War für Euch was dabei?

So long!
Ysabelle

Sterntaler, die dritte …

Hallo, Welt!
Dieser Tage ist mir mal wieder die Sterntaler-Lektion über den Weg gelaufen. Ich habe das Thema ja bereits 2011 und im Juni 2012 hier thematisiert. Und immer wieder holt es mich ein.
Zur Erinnerung hier das Märchen vom Sterntaler, für alle, die es nicht sofort auf Abruf haben.

Die Sterntaler
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte.

Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu Essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir’s“, und ging weiter. Da kam ein Kind das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich es bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: ‚Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben‘, und gab es auch noch hin.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und es waren lauter harte, blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war von allerfeinstem Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

Ein Märchen der Gebrüder Grimm

In 2012 und 2013 habe ich mal sehr viel Energie in das Projekt gesteckt, das eine befreundete Trainerin ins Leben gerufen hat. Eigentlich kreiste all mein Tun nur noch um dieses Projekt. Gefühlt habe ich Tonnen Papier generiert und Themen recherchiert, die boomerang-mäßig tatsächlich bei der Kollegin bis heute wieder aufschlagen.
Ich hatte es gemacht mit dem Hintergedanken, wenn ich mich hier ganz doll nützlich mache, wird mich die Kollegin zunächst als Assistentin und dann vielleicht irgendwann als Teilhaberin oder ähnliches in ihr funktionierendes Unternehmen aufnehmen. GESAGT habe ich allerdings nichts. Und als das Projekt dann irgendwann nur noch dümpelte und schließlich strandete, war das alles „umsonst“. Ich glaube, ich habe der Kollegin erst 2015 gesagt, warum ich mich 2012 so reingekniet hatte, und sie war sehr betroffen. Ich glaube, das hätte sie gern früher gewusst, um es in ihre eigenen Überlegungen einbeziehen zu können.

Aktuell habe ich den Auftrag übernommen, für eine GFK-Organisation gegen Entgelt für ein bestimmtes Projekt die Pressearbeit zu machen. Es gibt eine sehr klare Auftragsbeschreibung und ein vereinbartes Honorar.
Nun ruft Person X an und sagt, „du, da ist mal dieses Thema, kannst du mal einen Blick drauf werfen?“. Dann meldet sich Person Y, „könntest du zu dieser Veranstaltung eventuell was mitnehmen?“ Dann meldet sich wieder Person X: „ich habe da ein Unbehagen mit dieser Sache, ich hätte gern deine Meinung dazu.“
Das ist alles ganz wunderbar. Es erfüllt mir die Bedürfnisse nach Gesehen und Gehört werden, Beteiligung, Gemeinschaft und Beitragen. Mein altes Muster wäre, das alles „aus Liebe“ zu machen und zu hoffen, dass hinterher mal einer sagt, „na, du hast ja auch so viel außer der Reihe gemacht, da erhöhen wir mal dein Honorar.“

In der vergangenen Woche habe ich dann mal allen Mut zusammengenommen und habe in einem Telefonat gesagt,ich möchte nicht nur, dass mein Einsatz an dieser Stelle gesehen wird, sondern auch honoriert.

Boah … ich war fast überwältigt von Scham, verbunden mit einer Prise Angst. Dabei nahm der Auftraggeber am anderen Ende meine Aussage sehr freundlich auf, es gab also gar keine Protestnote oder ähnliches. Dann erreichte mich eine Mail:

im Nachgang zu unserem Gespräch kommt bei mir die praktische Seite durch.

Wenn es um einen Ausgleich von Geben und Nehmen geht, mag ich immer eine halbwegs belastbare Beurteilungsgrundlage haben.

Sprich: Ich fände es gut, wenn du deine Mehrarbeit (in etwa) stundenmäßig mit Tätigkeit nachhältst, damit wir das gemeinsam dann anschauen.

Ende April und Ende Mai würde ich das jeweils mit dir kurz besprechen wollen und dann im Juli „abrechnen“.

Wie findest du meinen Vorschlag?

Und jetzt passiert was ganz Spannendes.
Mein Kopf wird leer. Ich kriege absolut nicht zu Papier (in eine Datei), was ich bisher außer der Reihe gemacht habe und wie viel Zeit das in Anspruch genommen hat.
Ich vermute, das ist ein Schutzmechanismus, um nicht wieder mit dieser überwältigenden Scham konfrontiert zu sein. Mal gucken, wie ich diese Kurve jetzt kriege. Also, erst mal lege ich ein Dokument an, da steht mal drauf, außer-vereinbarte Leistungen. Oder so ähnlich. Mal gucken, ob da auch Buchstaben drauf kommen.

So long!

Ysabelle

Wo ist meine Schaufel?

Hallo, Welt!
Wisst Ihr, was ein Verbausystem ist? Ich weiß es seit zwei Minuten, denn ich habe mal gegoogelt, wie man diese Dinger hier nennt. Das ist leider nicht das weltbeste Foto dazu, es geht um diese beiden halb vergrabenen Metallplatten im Hintergrund, die durch Stangen voneinander getrennt sind. Normalerweise stecken diese Abstandshalter in Tiefbaustellen und sorgen dafür, dass kein Sand/Erdreich nachrutscht und man sicher in der Mitte arbeiten kann. Vermutlich wird auch die Umgegend dadurch gesichert, damit es nicht zu solchen Situationen wie dem Einbruch der U-Bahnbaustelle in Köln 2009 kommt, als das ganze Stadtarchiv abstürzte. Aber ich bin da technischer Laie und reime mir da einfach was zusammen.

Äh – worum geht es eigentlich?

Ich möchte heute mal über die süße Last der Selbstständigkeit jammern. Heute Morgen sprach ich mit einer Kollegin, die eine Bitte an mich hatte, und erwähnte dabei, wie ich es erlebt habe, noch angestellt zu sein. Die Angestellten-Struktur war wie das Einsteigen in so ein Verbausystem. Wasser und Trümmer von außen wurden weitgehend ferngehalten. Ich krabbelte also morgens rein in den Schacht, schaufelte schön den ganzen Tag, und abends krabbelte ich wieder raus. In der verbleibenden Restzeit wurde dann Wäsche gewaschen, das Haus geputzt, Briefe geschrieben, Kontoauszüge sortiert, Socken gestrickt oder der Schuppen aufgeräumt. Mein Leben hatte eine sehr gerade, klare Struktur. Erst die Arbeit, und dann …
Tatsächlich habe ich das auch sehr genossen, zumal ich eine Arbeit hatte, die mir 30 Jahre viel Freude gemacht hat. Mit allerlei Lästigkeiten musste ich mich nicht befassen. Fenster putzen zum Beispiel. Das war nun wirklich auf der Prioriätenliste ganz weit unten. Die Einteilung in „Arbeit“ im Sinne von bezahlter Werktätigkeit und „Freizeit“ (ha!) schenkte mir nicht nur Klarheit und Struktur, sondern auch Leichtigkeit und eine gefühlte Freiheit, bestimmte Dinge eben nicht machen zu müssen. Ich ging ja arbeiten, wer wollte da erwarten, dass ich auf meinen Schränken wische …

Seit ziemlich genau einem Jahr setze ich nun voll auf die Selbstständigkeit, auch wenn ich noch einen Tag in der Woche unterrichte. Und ich merke täglich, dass ich um eine lebbare Struktur kämpfe. Auf einmal sind so viele Bedürfnisse lebendig, die vorher alle kanalisiert waren. Arbeit ./. Freizeit. Und jetzt stellt sich diese Frage mit jedem Handgriff neu. Eben noch die Presseerklärung schreiben oder erst die Wäsche aufhängen? Noch schnell die Geschäftsmail beantworten (abends um halb elf …), oder einfach durchs Fernsehprogramm zappen? Als erstes duschen, oder als erstes die Post angucken? Ich merke deutlich, wie unzufrieden ich mit diesem Dasein als Flipperkugel bin. Es ist ja interessant, sich ständig von seinen Bedürfnissen leiten zu lassen – oder die des Hundes, der gerade JETZT raus muss, wo ich endlich im Flow bin – aber effizient ist es nicht. Jedenfalls nicht in einer Weise, wie ich es genießen würde.
Was also tun? Ich könnte zum Beispiel beschließen, künftig morgens ins 25 km entfernte Büro zu fahren und dort zu arbeiten. „Och nöööööö“, sagt es in mir. Alles, was ich dazu brauche, ist doch hier zu Hause in meinem Studio (Büro). Mich selbst irgendwie verpflichten, von 10-13 Uhr und von 14.30-17.00 Kernarbeitszeit vor dem Rechner zu sitzen? Hey, habt Ihr mal rausgeguckt? Die Sonne scheint, es ist Frühling! Und jetzt erreiche ich bei Firma XY sowieso keinen, da ist Mittagspause … Ich finde immer eine Ausrede, warum das nicht klappt. Auch mein Versuch, mich morgens mit Kollegen zum Check-in zu verabreden, hat auf lange Sicht nicht hingehauen. Wir haben tatsächlich einfach nur gequatscht und dabei noch mehr Zeit verbrannt. Hey, Ihr Selbstständigen da draußen, wie bringt Ihr Eure verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut? Ich hätte gern ein kleines Verbausystem in meinem Leben, am besten mit einer großzügigen Treppe zum Ein- und Aussteigen. Habt Ihr dafür eine Bestelladresse?

So long!

Ysabelle

Wieso Hund?

Hallo, Welt!
Dorothee fragte in einem Kommentar:

Welches Bedürfnis erfüllst du dir als Hundebesitzerin?

und ich habe mich schon ein paar Tage auf die Beantwortung dieser Frage gefreut. Gerade war ich in Steyerberg und hatte da noch die Gelegenheit, mit zwei weiteren Hundebesitzenden über diesen Aspekt zu diskutieren. Hier kommt also meine aktuelle Antwort, die ich vielleicht künftig immer mal wieder ergänze.
Als ich anfing, über einen Hund nachzudenken, waren die Gefühle Traurigkeit und Sehnsucht. Ich hatte über viele Jahre Gasthunde in meinem Leben und ich merkte, sie fehlen mir.
Als nächstes merkte ich, dass meine körperliche Fitness immer mehr zu wünschen übrig ließ. Ich bewegte mich kaum noch, wog mehr als mir gefiel und hatte Schwierigkeiten, die Schuhe zuzubinden. Also wünschte ich mir Bewegung.
Drittens ging es mir um Struktur. Mein Alltag bestand aus Aufstehen, Arbeiten und Schlafen gehen. Da mich meine Arbeit meist mit Freude erfüllt, hat mich das einerseits nicht gestört. Andererseits verschob sich allmählich mein Tag-Nacht-Rhythmus. Und ich kam nicht mehr vor die Tür. Ich vereinsamte sozusagen vor dem Monitor.
Viertens hatte ich Interesse, andere Leute kennen zu lernen.

Die erste Strategie, um mir diese Bedürfnisse zu erfüllen, war die Anmeldung im Fitness-Studio. Das funktionierte ein bisschen, aber einsam war ich noch immer. Die Leute im Fitness-Studio – die meisten Mitarbeitenden und Trainierenden – waren auf einem anderen Planeten. Verbindung kam nicht zustande.

Sicher gibt es noch mehr kleine Impulse, aber ich belasse es mal dabei.
Ich konnte mit meiner Familie eine Vereinbarung treffen, dass sie sich um den Hund kümmern würde, wenn ich anderweitig beschäftigt wäre. Damit wollte ich mir auch ein näheres Zusammenrücken im Familienkreis erfüllen. (Das ist mal total in die Hose gegangen, aber das ist eine andere Geschichte). Und so kam dann der Hund und mein Leben war von einer Stunde zur anderen nicht mehr dasselbe.

Mein Hund geht in Beziehung zu mir.
Er tut absolut nicht alles, was ich will. (Ist ja auch keine Kaffeemaschine, wo auf Knopfdruck Espresso rauskommt).
Er tut auch manche Sachen, die ich gar nicht will. Zum Beispiel hat er Samstag zum zweiten Mal meine Brille zerlegt. Solche Pannen kann ich mir eigentlich nicht leisten.
Wenn ich in ein Haus gehe, weil ich dort etwas erledigen muss, wartet er auf mich. Tatsächlich weint er vor der eigenen Haustür, wenn ich nur eben den Wagen umparke, weil er denkt, ich fahre ohne ihn weg.
Mein Hund tanzt mit mir. Tatsächlich. Vom Gewicht her ist es so, dass ich ihn gerade noch tragen kann mit seinen zehn Kilo. Und ab und zu ist er auf meinem Arm und wir tanzen zu dem alten Schmachtfetzen „Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe“.
Mein Hund isst mit mir.
ich sitze auf einem kleinen Hocker, wir sind fast auf Augenhöhe, und er frisst mir aus der Hand. Das ist für mich ein sehr inniger und liebevoller Moment, in dem wir ganz miteinander verbunden sind. Es gibt dann Fleischwurst oder Leberwurst, wo seine Medikamente drin vergraben sind, und wir machen ein schönes Ritual daraus.
Mein Hund sorgt dafür, dass ich rauskomme. Auch schon morgens früh.
Mein Hund ist einfach DA. Das ist tatsächlich sehr großartig. Diese Beziehung zum Hund ist sehr beständig. Egal ob ich meine Zähne geputzt habe, ein altes, schlabberiges Nachthemd trage, aufgebrezelt bin oder glatt gar nichts anhabe: Für meinen Hund bin ich immer ok.
Mein Hund nimmt mir nichts übel. Er verzeiht großzügig und bleibt mir gewogen.
Fast scheint es so, als erlebe ich mit dem Hund eine Sicherheit und Gewissheit, wie ich sie speziell in Liebesbeziehungen nicht gefunden habe. Und das ist überaus beglückend. Mein Hund nimmt mich so wie ich bin und liebt mich so wie ich bin. Und ich ihn auch.
Klar finde ich es Scheiße, wenn er mir zum dritten Mal eine Brille zerbeißt. Und ich bin wenig begeistert, wenn er wie aktuell sich nicht richtig lösen kann, weil ihm der Darminhalt am Fell festbackt. Was tun? Wir gehen zusammen unter die Dusche, und ich massiere seinen Hintern so lange mit warmem Wasser, bis er wieder frisch im Schritt ist. Ey, das macht mir keinen Spaß, aber es ist eine Selbstverständlichkeit, ihm da behilflich zu sein.
Was ist das größte Geschenk? Seine Präsenz. Er geht überall mit mir hin, ans Wasser, auf den Friedhof, in mein Lieblings-Lokal oder ins neue Lager. Er beschwert sich nicht, wenn ich arbeite. Er schläft, wenn er müde ist oder sich langweilt. Und er fordert mich unmissverständlich auf, mit ihm Zeit zu verbringen, wenn ihm das wirklich wichtig ist. Wir sind ein gutes Team und ich bin einfach nur dankbar, dass er in meinem Leben ist.

So long!

Ysabelle

*R*E*S*P*E*K*T*

Hallo, Welt!
Heute Morgen fühlte ich mich leidlich frisch, als ich mit Fontane die kleine Runde drehte. Gleich nach dem Aufwachen war mir ein Artikel zugeflattert, in dem stand, dass Eltern nicht mehr mit ihren Kindern Enten füttern sollten. Ich dachte bei mir, schade! Hatte doch Marshall Rosenberg immer wieder erläutert, wir sollten nur dann etwas geben, wenn wir es mit der gleichen Freude tun könnten wie ein Kind, das Enten füttert.
Fontane liebt alle Vögel. Deshalb hat er auch immer einen genauen Blick auf alle Enten, die bei uns sehr häufig anzutreffen sind. Als wir zum ersten See kamen, zog er wie verrückt, um ans Wasser zu kommen. Dort war ein Mann mit einem Gehwagen und ein kleines Mädchen, der Mann fütterte die Enten. Das Mädchen lag die meiste Zeit auf dem Steg und zeigte kein besonderes Interesse an den Enten. Der Mann führte eine goldfarbene Getränkedose zum Mund und ich dachte, „Prost … um 8.30 Uhr … “ Fontane eierte so lange im Unterholz rum, dass uns die beiden noch überholten. Im Gehwagen lagen neben dem Toastbrot eine Packung Schokokekse und ein Sitzkissen.

Als wir um die nächste Ecke zottelten, kam uns eine Frau mit einem grauschwarzen Hund entgegen. Die beiden Tiere beschnüffelten sich und ich fragte, ob der Hund ein Schnauzer sei. Nein, ein Spoodle, also ein Mix aus Spaniel und Pudel. Die Frau sprach Deutsch mit starkem polnischen Akzent. Dann kam ein Mann aus der gleichen Richtung auf uns zu, wo die Frau hergekommen war. Zuerst dachte ich, die kennen sich. Bis zu dem Moment aber nicht …
Der Mann – sehr gepflegt gekleidet und mit Aktentasche in der Hand – wurde ziemlich deutlich. „Ich mag Hunde, aber ich hasse Hundehalter!“ Dann beschwerte er sich bei der Frau, ihr Hund hätte genau vor sein Haus geschissen, und sie hätte keine Anstalten gemacht, den Haufen zu beseitigen. Die Frau sagte etwas. „Wir scheißen auch nicht vor Ihre Haustür! Kommen Sie mir nicht mit „ich verstehe kein Deutsch. Sie verstehen mich sehr gut. Das hat was mit Respekt zu tun, so was macht man einfach nicht“. Der Mann hatte übrigens auch eine ausländische Klangfarbe, ich tippe mal auf holländisch.
Ich griff in die Tasche und holte einen Kotbeutel raus. Ich hielt der Frau den Beutel hin und sagte, „vielleicht wussten Sie es nicht, die gibt es für alle Hundehalter kostenlos im Rathaus!“ Der Mann ließ nicht locker und sprach noch mal über sein Bedürfnis nach Respekt und Sauberkeit. Er war ärgerlich, aber ich fand ihn nicht aggressiv oder bedrohlich. Und bei mir dachte ich, „was für eine schöne Energie, sein Anliegen zu vertreten!“ Dann sagte er zu der Spoodle-Besitzerin, „Gehen wir jetzt zurück und Sie machen das weg?“ Das war die Gelegenheit weiter zu gehen. Ich glaube, die beiden sind dann tatsächlich den Weg zurückgegangen.

Auf dem Restweg nach Hause habe ich noch mal über dieses Thema nachgedacht. Ich bin mal ziemlich angefahren worden, weil ich bei einem Hundespaziergang im Starkregen keinen Beutel mit hatte und sich der Hund an einer Stelle gelöst hatte, wo es weniger als wunderbar war. Ich bin immer sehr bemüht, ausreichend Beutel dabei zu haben. Viele Hundehaltende hier in der Stadt sind sehr bedacht darauf, die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner zu beseitigen. Neulich beschwerte sich eine Bekannte bei mir über einen Mann, dessen Hund einen großen Haufen auf den Rasen hinter der Kirche gemacht hatte. Sie hatte ihn angesprochen, einen Beutel in die Hand gedrückt und ihn aufgefordert, die Hinterlassenschaft einzusammeln. Als er der Auf-Forderung nicht folgte, fotografierte sie ihn mit dem Handy, um ihn beim Ordnungsamt anzuzeigen.
Das kann ich schwer verdauen. Ich finde es auch im wahrsten Sinne des Wortes Scheiße, in Hundekot zu treten. Und gleichzeitig möchte ich auf Freiwilligkeit und Einsicht bauen. Ich glaube, die Frau heute Morgen hat begriffen, dass das keine gute Idee war, ihren Hund vor fremder Leuts Türen sein Geschäft machen zu lassen. Wenn sie jetzt noch die Sache mit den kostenlosen Beuteln kapiert, ist das doch schon die halbe Miete …

So long!

Ysabelle

An der Leine • Von der Leine

Hallo, Welt!

Bei unserem Rundgang heute Morgen kam es zu einer interessanten Begegnung. Aus 40 m Entfernung sah ich, wie eine Frau ihren Hund vor „meinem“ Bäcker anbinden wollte. Ein Haken war durch ein Fahrrad verstellt, also nahm sie den anderen. Ich kam, band Fontane hinter dem Fahrrad fest, gab ihm ein Leckerli und ging (knapp vor der Frau) in den Laden. Nachdem ich meine beiden Brötchen hatte, ging ich wieder raus, gab Fontane ein Leckerli, band ihn los und ging mit ihm weiter in die Richtung, wo der andere Hund angebunden war. Dieser zog in unsere Richtung, wedelte mit dem Schwanz, die Ohren waren entspannt. An straffer Leine ließ ich Fontane zur Begrüßung näher treten. Unmittelbar darauf kam die Frau aus dem Laden gelaufen und sagte – SINNGEMÄSS – eine Unverschämtheit, so dicht an ihren Hund zu gehen, das würde sich nicht gehören, ich solle sofort mit meinem Hund da weg gehen …

Glückliche Fügung, ich hatte meine Giraffenohren dabei und konnte einfühlend reagieren. Ich zog Fontane weiter weg und signalisierte, dass ich auf die Frau warten würde. Sie ging zurück in den Laden, schloss den Verkaufsvorgang ab und kam wieder raus. Sie wiederholte ihren Standpunkt, dass sie nicht möchte, dass andere Hunde ihrem Hund zu nahe kommen, der an der Leine ist und sich nicht verteidigen kann oder sein Revier schützen. Ich gab wieder, was ich von ihr gehört habe, dass es ihr Anliegen ist, ihren Hund zu schützen, und dass die Hunde sich nicht kennen, und ihr daher Sicherheit und eigener Raum für ihren Hund besonders wichtig ist. Mein Eindruck war, sie stutzte kurz. Dann sagte sie, schon immer noch mit einem dringenden Unterton: Danke, dass Sie nicht gleich zurückschimpfen. Aber trotzdem, ich will das nicht, dass ein anderer Hund meinem Hund so nahe kommt, wenn er hier angebunden ist. Ich entgegnete, „warum sollte ich Sie beschimpfen? Sie wollen doch nur Ihren Hund beschützen!“ Sie band dann ihren Hund los und ging weg, wie mir schien weniger ärgerlich als zuvor.

Ich werde mal bei meinen Hundefreundinnen nachfragen, was es denn da für ungeschriebene Gesetze gibt, die ich da mal wieder nicht gekannt habe.

Ich bin zufrieden damit, dass ich hier nicht auf die „klassische“ Diskussion eingestiegen bin und nicht einmal „ja, aber“ gesagt habe. Gleichzeitig habe ich so gut es möglich war, meinen Standpunkt vertreten, ohne den anderen anzugreifen.

In meiner liebsten Facebookgruppe kam es heute zu einem Streit, der sich an einem Begriff aus der Nazi-Zeit entzündete. Jemand aus der Gruppe wähnte sich durch einen Kommentar diffamiert und verleumdet, in die Nähe von Nazis und ihrem Gedankengut gerückt. Getreu meiner Fastenregel ist es mir gelungen, das inhaltlich nicht zu kommentieren. Einem Beteiligten habe ich eine große Dose Spontanempathie zukommen lassen, dem anderen habe ich sie angeboten. In mir ist gerade eine Freude, weil es mir gerade zwei Mal gelungen ist, mich nicht zu verwickeln. ich kann zurücktreten und meine Impulse kontrollieren. Ich muss also mich selbst nicht wieder einfangen, nur weil ich schon mal blind hechelnd los gelaufen bin. Ich empfinde diese Form der Selbstregulation als zutiefst beglückend. Und ich feiere meine wachsenden Fähigkeiten an dieser Stelle.

So long!

Ysabelle

I am a Pussy …

Hallo, Welt!
Denke nur ich das oder ist unser Ausschnitt der Welt tatsächlich aus den Fugen? Kein Tag mehr ohne Meldungen über Donald Trump. War das vor acht Jahren bei Obama auch so? Und Warnungen vor der AfD. Ständige Vergleiche mit dem Aufstieg der NSDAP vor 90 Jahren. Da passieren Sachen, die mich bestürzen, falls sie denn wahr sind.
Kürzlich hielten „die Rechten“ eine große Veranstaltung in Koblenz ab. Auch französische Politikerkollegen waren eingeladen. Ich las dieser Tage, dass Teilnehmende der AfD, auch die Bundesspitze, kein Hotelzimmer bekamen. Wenn sie eins hatten, wurde „aus Brüssel“ bei den Hotelbesitzern und vor Ort Druck gemacht, man dürfe „diese Leute“ nicht bewirten. Frauke Petri soll schließlich ein Zimmer mit der Auflage bekommen haben, nur den Seiteneingang zu benutzen und nicht zu frühstücken.
Ich muss wohl nicht extra betonen, dass ich kein Anhänger der AfD bin. Gleichzeitig bestürzt mich diese Meldung zutiefst. Die Partei ist nicht verboten. Sie ist in verschiedenen Parlamenten vertreten. Ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung – und durchaus nicht nur Menschen ohne Schulabschluss – sieht von der AfD die eigenen Interessen besser vertreten als von den etablierten Parteien. Hier ist ein Feindbild entstanden, ein „die“ und „wir“, und „wir“ sind natürlich die Guten und „die“ sind natürlich die Bösen. So schafft man Märtyrer. Wo findet ein Dialog statt? Versuchen wir, die Bedürfnisse hinter diesen Worten zu hören? Ich merke gerade, wie mich die Traurigkeit überrollt. Hat nicht sogar Marshall Rosenberg an einer Stelle gesagt, sein Verstehen von Hitler sei für ihn der größte Prüfstein gewesen? Und lautet nicht einer unserer Leitsätze: Verstehen heißt nicht einverstanden sein?

Die BBC meldet:

President Trump signed an executive order calling for the advancement of the controversial Dakota Access and Keystone XL oil pipelines.
He said the move will create thousands of American jobs.
Native Americans and First Nations Canadians who oppose the projects give their reaction.

Auf Facebook las ich den Text einer Person, die schrieb, sie sei vor Ort gewesen und habe gesehen, wie die Protestierenden mit Gummigeschossen schwer verletzt wurden, wie Protestierende mit Tränengasangriffen auseinander getrieben wurden. Der Text war lang und detailreich und drastisch. Es schüttelt mich. Was ist los, Leute? Wie gehen wir miteinander um? Dagegen waren ja die Proteste gegen das Kernkraftwerk Brokdorf hier bei mir um die Ecke Mitte der achtziger Jahre ein Schulausflug! Und Stuttgart 21 ein Kindergeburtstag. 200000 Menschen sind seit dem Putschversuch gegen Erdogan in der Türkei im vergangenen Sommer aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden, das Parlament entscheidet über die Wiedereinführung der Todesstrafe … beschließt eine Volksabstimmung. Kann ich das VOLK darüber abstimmen lassen?

Was mich beeindruckt hat, waren die friedlichen Frauenproteste in den USA nach der Amtseinführung von Präsident Trump. Hier ist eine Bewegung entstanden, von der ich aus der Ferne denke, das gefällt mir. Mehr als 600 Veranstaltungen gab es im ganzen Land, mit Millionen von Teilnehmenden. Ihr Erkennungszeichen: Ein rosa Hut. Folglich nennt sich die Bewegung „Pussyhat Project“. PussyCat ist der Kosename für Katzen, aber mit Pussy wird häufig auch die Vagina tituliert. Im Wahlkampf wurde ein Tonmitschnitt veröffentlicht, in dem Donald Trump einem Reporter berichete, er könne jeder Frau an die Pussy fassen. Ich habe ja lange nicht mehr gestrickt, aber in dieser Woche habe ich Wolle bestellt. Der Tagesspiegel hat eine Strickanleitung veröffentlicht, die mir Lust gemacht hat, zu den Nadeln zu greifen. An diesem Wochenende geht es los. Ich werden irgendwas fernsehen, in meinem gemütlichen dicken Ledersessel sitzen, den Hund neben mir, und stricken. Pussyhats …

So long!

Ysabelle

Statt dessen könnte ich Frieden sehen

Hallo, Welt!
Ich bin ja recht aktiv bei Facebook und erfreue mich an den GFK-Beziehungen, die ich dort mit Leichtigkeit aufrecht halten kann. Nun habe ich festgestellt, dass ich in den vergangenen Wochen mehr und mehr Unfrieden gesehen, erlebt und auch geteilt habe. Meine Kollegin Dian Killian aus New York postete gestern einen „Beweis“, dass Donald Trump seine Frau Melania misshandelt. Ein Bekannter verteidigt die schönen Absichten der AfD und beschwert sich, dass die Presse luschig und einseitig recherchiert und dass Richtigstellungen und Gegendarstellungen eben längst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen wie die ursprünglichen Falschmeldungen. Die Flüchtlingsdebatte löst bei mir mittlerweile körperliches Unbehagen aus. Also was kann ich tun?

Als erstes ist heute Morgen der Entschluss gereift, zunächst für eine Woche vom Kommentieren bestimmter Postings zu fasten. Ich finde, Fasten ist immer eine gute Sache, wenn es darum geht, sich des Umgangs mit einer Sache bewusst zu machen, seien es Lebensmittel, Drogen, sich sorgen oder eine Verhaltensweise. Das trägt zum Entgiften bei. Und dann möchte ich mich in solchen Situationen, die mich so aufregen, fragen: Was muss gerade jetzt passieren, damit ich Frieden sehen kann? Was kann mein Beitrag zum Frieden sein?

Gerald Jampolski hat ja in seinem hier schon häufig zitierten Buch „Lieben heißt die Angst verlieren“ 12 Lektionen für ein glückliches Leben zusammen gestellt. Und eine heißt eben: „Statt dessen könnte ich Frieden sehen“. Ich mache daraus mal einen Auftrag für mich: Ich möchte Frieden SEHEN. Ich entscheide mich das im Blick zu haben, was gut ist, was mir Freude macht, für das ich dankbar bin. UND: Ich will Frieden säen. Was kann ich dazu beitragen, dass wir mehr Frieden haben? Das ist doch mal eine spannende Aufgabe, zu der ich gern Anregungen bekomme.

So long!

Ysabelle

Im Frieden leben …

Hallo, Welt!

I will not do violence to you by my thoughts, words, or actions. I do not want to shame, humiliate, or harm you. I will pray for you, America, and myself.

I will not be passive. I will resist you with love and seek your good, not because I am especially fond of you but because I believe God loves you, even as God loves Muslims, immigrants and refugees, women, the disabled, and Mexicans.

Ich bin wütend. Ich bin wütend, weil Trump ein Einreiseverbot für Menschen aus sieben Ländern erlassen hat. Über 100 Leute kamen in den USA auf den Flughäfen an und durften nicht aussteigen. Das Dekret betrifft auch Flugzeugbesatzungen, Goldmedaillengewinner, LiteratInnen.

Die AfD bestreitet den Einfluss des menschlichen Handelns auf das Klima. Das Klima habe sich ja immer verändert, jetzt würde es halt grad mal wärmer und CO2 ist ja auch gut für die Pflanzen.

Eine Mitarbeiterin stellt die Arbeit ein, weil ihr Computer kaputt ist und auf dem zur Verfügung gestellten Netbook könne man ja nicht vernünftig arbeiten. Ah ja …

Eine Seminarteilnehmerin hatte erst unmittelbar vor dem Workshop mitgeteilt, sie habe kein Geld, um zu bezahlen, und ob sie auch in vier Wochen zahlen könne. Bei meiner Kontenkontrolle habe ich heute festgestellt, dass sie auch drei Monate nach Ende des Seminars nicht bezahlt hat.

Ich merke, dass ich mich heute Morgen in eine Wuttrance reindrehe und das macht mich gleichzeitig traurig und hilflos. Da stolperte ich via Facebook über einen Blogeintrag, aus dem ich oben zitiere. Ein Priester dankt darin Donald Trump für die Gelegenheit, sich mit der eigenen Gewalttätigkeit zu verbinden und daran zu arbeiten.

Ja, genau darum geht es. Ich bin gewalttätig, in meinen Gedanken. Ich bin wütend, ich bin ärgerlich.

Und jetzt finde ich jemanden, der mir Empathie gibt, damit ich diese verdammte Wut loslassen und transformieren kann. Denn ich will „in Frieden leben“.

So long!

Ysabelle

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